19. Juli 2020

Basic Instinct

He got off before he got offed.

Sharon Stones Beinüberschlag in Paul Verhoevens und Joe Eszterhas’ Basic Instinct gilt als einer der kultigsten Momente der Filmgeschichte, dabei ist die Sequenz, in der er stattfindet und der er dient, eigentlich viel eindringlicher als die entblößte Vulva der Hauptdarstellerin. Das Verhör der Krimi-Autorin Catherine Tramell (Sharon Stone) durch eine Gruppe schmieriger Polizisten des Morddezernats visualisiert den Kontrollverlust der Beamten rund um ihren Ermittler Nick Curran (Michael Douglas). Vermeintliche Trümpfe erhärten sich nicht, ins Schwitzen geraten eher die Polizisten, spätestens dann als Catherine pointiert ihre Sexualität einsetzt, um das Kartenhaus von Nick und Co. vollends zum Einsturz zu bringen.

Kontrastiert wird diese Szene etwas später im Film, wenn es Nick ist, der sich plötzlich im Verhörzimmer den Fragen seiner Kollegen stellen muss, als der gegen ihn ermittelnde Kollege für innere Angelegenheiten ermordet wird. Nick versucht sich ähnlich aalglatt wie zuvor Catherine zu geben, wirkt jedoch weitaus weniger souverän. Bereits zuvor hat er seine Gelassenheit verloren, nach mehrmonatiger Abstinenz wieder mit dem Trinken und Rauchen angefangen. Auch hierin finden sich weitere Anzeichen des Kontrollverlusts der Detektiv-Figur, die exemplarisch für die Polizei als Ganzes steht. Dass dieser Kontrollverlust durch eine Frau herbeigeführt wird, ist nochmals emaskulierender, die Versuche, ihn zurückzugewinnen, kläglich.

“You like playing games, don’t you?”, fragt Nick noch punktgenau in Catherines Polizeiverhör. Und erhöht im Laufe des Films immer mehr die Einsätze für ein Spiel, dessen Regeln er sich nicht wirklich bewusst ist. “You shouldn’t play this game”, weist ihn Catherine an einer Stelle entsprechend an. “You’re in over your head.” Für Macho Nick ist dies jedoch nur weiterer Anreiz, All-in zu gehen. Gekonnt spielt die gewitzte Multimillionärin mit Chic mit dem heruntergekommenen Großstadt-Bullen. Der gemeinsame Sex der Nacht zuvor wird von diesem als “fuck of the century” deklariert, für Catherine ist er allenfalls ein solider Anfang. Der nächste Kratzer in Nicks Ego, der nie über Catherines Sexualität hinauszuschauen vermag.

Jene Kontrolle, die Nick in seinen Mordermittlungen und gegenüber Catherine verliert, versucht er sich in seiner gescheiterten Beziehung zu der Polizeipsychologin Beth Garner (Jeanne Tripplehorn) zurückzuholen. Kulminierend in der Vergewaltigung als direkte Folge auf Catherines Verhör zuvor. “You’ve never been like this before”, versucht sich Beth die Vergewaltigung zu erklären. “I wasn’t making love to you”, erklärt Nick lapidar – und differenziert zwischen einer romantizierten Sicht auf Sex und einer animalischeren, zu der ihn Catherine animiert. “I wasn’t dating him. I was fucking him”, beschrieb die ihr Verhältnis zum ersten Mordopfer. Folglich umschreibt auch Nick ihre Liebesnacht daher als “fuck of the century”.

Prinzipiell ist Basic Instinct ein sexualisierter Film noir, dessen “hard-boiled detective” sich in seiner Faszination für eine undurchsichtige Femme fatale verliert. Quasi ein vulgär-obzöner Hitchcock-Film, was nochmals durch Jerry Goldsmiths an Bernard Herrmann angelegte musikalische Untermalung verstärkt wird. Im Zentrum steht dabei weniger Michael Douglas’ Polizist als vielmehr Sharon Stones alle Fäden in der Hand haltende Mordverdächtige. Sie lebt außerhalb der Konformität, zieht ihre Eiswürfel statt vorgefertigt aus einer Form lieber unsauber abgeschlagen mit einem Eispickel vor. “I like rough edges”, erklärt sie – und geht mit dieser Erklärung über ihre Vorliebe für Eiswürfel hinaus, quasi hin zu einer allgemeinen Lebensphilosophie.

Verhoeven und Eszterhas versehen Basic Instinct zugleich mit einem gewissen Meta-Element, wenn vergangene Bücher von Catherine alte Mordfälle beschreiben und ihr aktueller Roman, der von Nick inspiriert ist (“he falls for the wrong woman”), zugleich kommende Morde vorwegnimmt (“it’s practically writing itself”). Sharon Stone vereinnahmt diesen 90er Jahre Sex-Thriller und untermauert ihr kokettes Talent, welches sie zuvor bereits in Verhoevens Total Recall hatte aufblitzen lassen. Der Schlussakt verliert sich zwar ein bisschen in sich selbst, das passende Ende tröstet darüber aber in gewisser Weise hinweg. Was bleibt ist ein sehr unterhaltsamer, sleaziger Film, der weitaus mehr zu bieten hat als lediglich einen Beinüberschlag.

7.5/10

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