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20. Februar 2017

Billy Lynn’s Long Halftime Walk

Just another normal day in America.

„Kennst du einen, kennst du alle“ ist eines der Sprichwörter, das man nur ungern auf einen Genre-Film anwendet. Gerade im Kriegsfilm begegnet einem jedoch immer wieder der Aspekt, dass der oder die heimkehrenden Soldaten aus einem Krieg sich nicht mehr mit dem Land identifizieren können, das sie im Ausland verteidigen. Und sich einfach wieder zurück an die Front sehen, welche die Daheimgebliebenen froh sind, allenfalls in den Nachrichten erblicken zu müssen. Ang Lees Adaption Billy Lynn’s Long Halftime Walk nach dem gleichnamigen Roman von Ben Fountain macht da keine Ausnahme, wenn die Geschichte einen Tag im Leben einer Infanterie-Einheit in der Heimat zwischen zwei Diensttouren im Irakkrieg begleitet.

Als er im Gefecht seinem Staff Sergeant rettend zur Seite springt und die Kamera einer Gruppe Journalisten dies festhält, wird Specialist Billy Lynn (Joe Alwyn) mit dem Silver Star ausgezeichnet und seine Einheit zu einer zweiwöchigen Propaganda-Tour in die Heimat geholt. “Right now, by the grace of God and the media, we’re the face of the American military”, fasst es Sergeant Dime (Garrett Hedlund) zusammen. Zum Abschluss ihrer Tournee sollen Billy und seine Einheit in der Halbzeit-Show eines Footballspiels an Thanksgiving mit Destiny’s Child auftreten. Zur selben Zeit versucht Hollywood-Produzent Albert (Chris Tucker), die Filmrechte der heldenhaften Mission zur finanziellen Absicherung der Jungs zu verkaufen.

Billy und seine Kameraden sind sichtlich irritiert ob des Lärms, der um sie gemacht wird. Dass sie als Helden gefeiert werden, während das betreffende Gefecht ihren Vorgesetzten Staff Sergeant Shroom (Vin Diesel) das Leben kostete. Bezeichnend, dass ihre Tournee weniger ein Ausflug von der Front ist, als eher eine Art weitere Mission. Zum einen stehen die acht jungen Männer repräsentativ für die Armee und dürfen sich nichts zu Schaden kommen lassen. Zugleich sehen sie in der Aufmerksamkeit die Chance, einen finanziellen Vorteil für sich ziehen zu können, zeigt laut Albert doch Hilary Swank Interesse daran, Billy in einer Filmadaption des Gefechts zu spielen. Was ihm und den anderen jeweils eine Beteiligung von $100,000 brächte.

Die Hauptfigur sieht sich jedoch einem anderen Konflikt gegenüber, treibt ihn doch seine ältere Schwester Kathryn (Kristen Stewart) dazu an, sich einer zweiten Diensttour in Irak zu verweigern. Er habe seine Schuldigkeit getan, sogar ausgezeichnet mit dem Silver Star. Im Verbund mit einem Arzt will sie, dass Billy zum Ende der Halbzeit-Show mit Verweis auf PTSD seinen Kriegsdienst verweigert. Dass der 19-Jährige im Stadion die liebenswerte Cheerleaderin Faison (Makenzie Leigh) kennengelernt hat, befeuert seine Zweifel nur noch, während Ang Lee immer wieder zu Rückblenden in den Irak schneidet, in denen insbesondere die Beziehung zwischen der gutmütigen Vaterfigur Shroom und seinen Männern um Billy im Fokus steht.

Im Kern erzählt Billy Lynn’s Long Halftime Walk dabei keine schlechte Geschichte. Ganz im Gegenteil, blitzen immer wieder die guten Ansätze der Handlung auf. Nur: Ang Lee weiß sie nicht wirklich zu nutzen, verliert sich stattdessen in einem pathetischen Schwulst romantischer Verklärung, gipfelnd in einer Rückblende, in der Shroom vor einem Gefecht jedem Kamerad seine Liebe gesteht. Lees Film will alles gleichzeitig haben: romantisches Drama sein und Anti-Kriegsfilm, aber ein solcher, der Respekt vor der Kameradschaft der Soldaten hat, während das alles in eine perfide Satire eingebettet ist. Leider ist der Film nichts davon wirklich respektive nicht genug von dem, was er sein sollte: ein satirischer Anti-Kriegsfilm.

Fountains Roman, den ich selbst nicht kenne, führt Wikipedia als eine solche Satire. Und jener Aspekt, dass Dime und Billy gemeinsam mit Albert versuchen, jemanden zu finden, der ihnen während ihrer 15 Minuten Ruhm die $900,000 für die Filmrechte zahlt, wäre der bedeutendste für Billy Lynn’s Long Halftime Walk gewesen. Dafür hätte Ang Lee den Film jedoch weg von The Hurt Locker und mehr in Richtung Wag the Dog steuern müssen. Was nicht bedeutet, die absurden Momente sind im fertigen Produkt nicht vorhanden – nur eben eher subtil eingestreut. Zum Beispiel wenn Billy und Kamerad Montoya (Arturo Castro) einen Joint mit einem Stadionmitarbeiter rauchen, der ihnen anvertraut, er überlege, sich ebenfalls zu verpflichten.

Es erwarte ihn dafür eine Prämie von $6,000 – was $6,000 mehr sind, als Billy und Montoya bekommen haben. Sowieso zeichnet die Infanterie aus, dass sie all jene anzieht, die es in der normalen Gesellschaft nicht weiterbringen. So will der Stadionangestellte mit seinem Militärdienst seine Familie unterstützen – aus einem ähnlichen Grund trat auch Billy ein. Kathryn hatte einst einen Autounfall, der ihr Gesicht entstellte, woraufhin sie ihr Verlobter verließ. Billy ramponierte dessen Wagen und kam um eine Anzeige nur herum, indem er sich zur Armee meldete. Dort, so macht Dime in einer Rückblende deutlich, scheint er gut aufgehoben. Hier hat er eine Bestimmung, die ihm in seiner Kleinstadt zuhause wohl verwehrt bliebe.

Über die anderen Männer der Einheit erfahren wir wenig bis nichts, auch Dime wird eher über seine Autorität als neuer Leader nach Shrooms Ableben charakterisiert. Shroom hingegen kommt im Film beinahe hagiographisch verklärt daher, stets lächelnd und spirituell angehaucht ist Diesels Figur schwer verdaulich. Genauso wie die Rückblenden zum Irakkrieg unnötig sind, da Lee in ihnen kaum den Konflikt vor Ort bebildert. Was der Krieg mit den sieben jungen Männern um die 20 angestellt hat, wird im Film abseits von Shrooms Tod nicht deutlich. Weshalb es gereicht hätte, davon zu reden, statt es mit leblosen Bildern zu untermalen. Vielmehr hätte Lee es für seinen Film und den Aspekt des verfolgten Films im Film sogar verklären können.

Was wirklich passiert wäre, bliebe ein Mysterium, da es Billy, Dime und Albert bei jedem Pitch variieren würden. Getreu dem Vorwurf, die Menschen daheim interessiert der Krieg im mittleren Osten gar nicht wirklich. Wie es ist, jemanden zu töten, wird Billy da in einer Szene vom Football-Team gefragt und auch Tim Blake Nelson stellt beim Mittagessen eine ähnliche Frage an die Soldaten. “If we didn’t enjoy killing people then what would be the point?”, erwidert Dime zynisch. “You might as well send the Peace Corps in to fight the war.” Die Dissonanz zwischen Soldat und Zivilist ist aber wie das meiste in Billy Lynn’s Long Halftime Walk nur eine Randnotiz. Und verpufft wie Kathryns Bestrebung, ihren Bruder aus der Armee zu lotsen.

Es bleibt somit offen, was Ang Lee letztlich seinen Zuschauern mitgeben möchte. Wir erfahren nicht genug von den Gräueln des Kriegs, als dass der Kontrast zwischen der alltäglichen Normalität daheim im Kontrast dazu stünde. Genauso wenig wie wir sehen, dass das Militär den jungen Männern eine Form von Stabilität und Halt gibt, die ihnen zuhause abging. Auch die Perversität, die Männer für das schlimmste Erlebnis ihres Lebens zu Helden zu stilisieren, während diese unter diesem Umstand versuchen, finanzielles Kapital daraus zu schlagen, indem sie Football-Besitzern wie Norm Oglesby (Steve Martin) die Filmrechte an ihrer Geschichte verkaufen wollen, geht letztlich in dem 0815-Kriegsheimkehrer-Schmalz von Lees Film unter.

Der behandelt die etwas aus dem nichts kommende Liebes-Romanze zwischen Billy und Faison etwas übertrieben aufrichtig, was konterkariert wird von Momenten, wenn die junge Frau ernsthaft vom spirituellen Aspekt des Cheerleadings faselt. Billy Lynn’s Long Halftime Walk ist somit weder Fisch noch Fleisch, von allem ein wenig, aber von nichts genug. Was etwas schade ist, da sich gerade Newcomer Joe Alwyn, Garrett Hedlund und die wie immer starke Kristen Stewart sichtlich Mühe geben, ihren teils flachen Charakteren ausreichend Leben einzuhauchen. Das übrige Ensemble schlägt sich ordentlich, vielmehr sind es gerade die namhafteren unter ihnen wie Chris Tucker, Steve Martin und Vin Diesel, die eher negativ auffallen.

Dass der neue Film von Ang Lee floppte, verwundert nicht wirklich. Nicht nur ist die Handlung zu unausgegoren und unfokussiert, der Taiwanese scheint sich zu sehr auf das Visuelle versteift zu haben. Von den 120 FPS und 3D ist in meiner Heimkino-Sichtung nichts geblieben, Sinn und Zweck würde ich aber auch aufgrund des Filmmaterials in Frage stellen wollen. Der digitale Look der F65 CineAlta von Sony trägt seinen Teil zur leblosen Künstlichkeit des Konstrukts bei. Billy Lynn’s Long Halftime Walk atmet kein Leben und wirkt nicht authentisch – dabei wäre das alles prinzipiell in den Händen der richtigen Leute vermeidbar gewesen. Was bleibt ist ein Werk, das man nicht gesehen haben muss. Auch das sagt man eher ungern über einen Film.

5.5/10

28. Mai 2016

James White

What am I supposed to do?

Krebs ist inzwischen eine Volkskrankheit. Jede/r vierte verstorbene Deutsche erlag in den letzten Jahren einem Krebsleiden. Jährlich erkrankt eine halbe Million Menschen neu, beinahe halb so hoch ist die Zahl der Todesopfer. Kaum jemand dürfte nicht jemand aus dem Familien- oder Bekanntenkreis kennen, der an Krebs erkrankte oder verstarb. So auch die Mütter von Josh Mond und Cynthia Nixon – Letztere besiegte die Krankheit sogar selbst. Der Produzent Mond verarbeitete den Tod seiner Mutter in seinem Regiedebüt James White, in welchem Cynthia Nixon den Part der todkranken Mutter übernimmt, die Krebs im Endstadium hat. Hierunter leidet nicht nur sie, sondern auch ihr Sohn, der sein Leben der Pflege der Mutter widmet.

Monds Film beginnt dabei mit einer Beerdigung oder genauer gesagt Shiv’a in der Wohnung von Gail White (Cynthia Nixon), allerdings der ihres Ex-Mannes und Vaters von Sohn James (Christopher Abbott). Der kommt direkt aus einem Nachtclub zur Trauerveranstaltung, die ihn mit der Zweitfamilie des Vaters zusammenführt. Ein Szenario, das Mutter und Sohn überfordert, schließlich haben sie mit der Krankheit und Pflege von Gail bereits genug Sorgen. Um etwas abzuschalten, besucht James seinen Freund Nick (Scott Mescudi) in einem Hotel in Mexiko, wo dieser als Animateur arbeitet. Und lernt dort die urlaubende Jayne (Makenzie Leigh) kennen. Da bekommt er einen Anruf aus New York, dass sich Gails Zustand verschlechtert hat.

James White ist ein kurzweiliger Film weniger Worte. Oftmals muss man sich Zusammenhänge selbst erschließen – was einerseits durchaus erfreulich ist, zugleich aber auch vieles vage lässt. So verwundert die Abhaltung der Shiv’a in den Räumen von Gail, wenn doch der Großteil der angeheirateten Verwandtschaft asiatischer Abstammung ist. Dass diese nicht selbst die Gedenkfeier ausrichten, mag sich durch Gails Krankheitszustand erklären. Wird aber nicht eigens thematisiert. Genauso wenig die Beziehung von Nick zu Mutter und Sohn. Ist er nur ein guter Freund von James oder eher ein Ziehsohn von Gail, so liebevoll und herzlich wie diese mit ihm umgeht? Josh Mond überlässt solche Interpretationen ganz seinem Zuschauer.

Vorausgesetzt wird eingangs auch die Historie des Krebs- und Pflegeverlaufs. James sagt, er kümmere sich seit vier Jahren um Gail, sie erwidert, er würde ihr seit zwei Jahren auf der Tasche liegen. Ben (Ron Livingston), ein Freund seines Vaters, bietet dem scheinbar schriftstellerisch talentierten James ein Bewerbungsgespräch bei seinem Magazin an. Zuvor will der junge Mann um die 30 jedoch erstmal in Mexiko durchatmen. “When I come back I will be ready for life”, verspricht er. James ist selbst ebenfalls ein Opfer der Umstände, scheint sein Leben für die Pflege seiner Mutter auf Eis gelegt zu haben. “All you do is take breaks”, wirft Gail ihm vor. Und schreibt die Reise nach Mexiko selbstsüchtigen Gründen zu. Was nicht so falsch ist.

Wie schwer die Krankheit der Mutter auf James wiegt, zeigt sich nur in wenigen Szenen. Und ist oft verbunden mit emotionalen Zusammenbrüchen, die ihn letztlich auch seine nach New York gerettete Beziehung zu Urlaubsflirt Jayne kosten. “She may die any day”, presst der Sohn da in einer Szene in all seiner Ohnmacht hervor. Während er im Krankenhaus versucht, ein Bett für Gail zu bekommen, die unterdessen in ihren eigenen Fäkalien liegt, oder telefonisch von einem Hospiz Anweisungen erbittet, wie er mit Fieberschüben der Mutter klarkommen soll. “What am I supposed to do?”, fragt sich die Figur nicht nur einmal – und ist offensichtlich mit der Situation ebenso, wenn nicht vielleicht sogar noch mehr, überfordert als ihr krankes Elternteil.

Die Geschichte wird dabei getragen von ihren Darstellern, allen voran dem soliden Christopher Abbott und der stark aufspielenden Cynthia Nixon. Gerade Nixon gibt alles in einer offenlegenden Darbietung. So kraftlos wie sich ihre Gail äußerlich gibt, scheint wiederum James innerlich zu sein. Auch wenn die Einblicke in die Figur da bereits aufhören. Dennoch ist James White auch dank seiner kurzen Laufzeit von knapp anderthalb Stunden ein starkes Charakter-Drama. Als Krebsfilm fühlt sich der Film zugleich authentischer, jedoch auch tragischer, an als Genrevertreter wie Me and Earl and the Dying Girl oder The Fault in Our Stars. Enden tun alle drei Geschichten letztlich gleich. Da unterscheidet sich die Fiktion also nicht so sehr vom Leben.

6.5/10