You have a permit, right?
Vor 40 Jahren fand das legendäre Musikfestival Woodstock statt, das quasi für die gesamte Hippie-Bewegung angefangen mit den 68ern bis hinein in die siebziger Jahre stehen kann. Dass zum Jubiläum ein Film über jenes Festival in die Kinos kam, wurde von den Medien natürlich wärmstens aufgenommen. Und plötzlich stellt sich – zumindest für die Öffentlichkeit – heraus, dass nach vier Jahrzehnten ja doch alles ein wenig anders war, wie man es zuvor gekannt hat. Denn in Taking Woodstock, dem Film wie dem Roman, wird Elliot Tiber zum Helden der Geschichte. In der Süddeutschen erkor man Tiber zum „Mann, der Woodstock gerettet hat“ und für den Spiegel ist er gar der „Mann, der Woodstock möglich machte“. Wogegen er in einem anderen Artikel des Spiegels lediglich zum „Mann mit der Wiese“ erklärt wurde. „Man hat mich über Jahrzehnte ignoriert“, beklagte Tiber im Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Doch diese Phase war nun, vierzig Jahre später vorbei. Oscarpreisträger Ang Lee sei Dank.
Für SZ-Autorin Christina Waechter ist es „das wichtigste Festival aller Zeiten“, ihr Spiegel-Kollege Marc Pitzke sieht in Woodstock die „legendärste Spielwiese“ der Blumenkinder. Deswegen ist sich Roland Lindner von der FAZ auch sicher: „Ohne Elliot Tiber wäre es nicht so weit gekommen.“ Elliot Tiber also, der Mann, der Woodstock gerettet hat oder möglich gemacht hat. Wie man es sehen möchte. Auf jeden Fall der Mann mit der Wiese. Oder eigentlich doch nicht. Denn die Wiese gehörte Max Yasgur, einem örtlichen Milchbauern. Aber wie Tim Burton schon dem legendären Regisseur Edward D. Wood Jr. in den Mund legte: Film-Making is not about the tiny details, it's all about the big picture. Insofern spielt es für Taking Woodstock keine Rolle, dass die Wiese von Yasgur (Eugene Levy) nicht dank Elliot Tiber (Demetri Martin) in die Hände von Woodstock-Organisator Michael Lang (Jonathan Groff) gelangte. Oder dass Elliot – entgegen den Bildern, die Lee vermittelt – bereits vor Woodstock im Klaren über seine Homosexualität war.
Ohnehin erfährt man von Elliots Leben nicht sonderlich viel. Von seinem aufregenden New Yorker Nachtleben – er traf scheinbar Marlon Brando und Rock Hudson, war sogar mit Truman Capote befreundet – ganz zu Schweigen. Thomas Alberthauser bezeichnet ihn in der WELT daher als „Müttersöhnchen“. Denn Elliot steckt seine ganzen Ersparnisse in das heruntergekommene Motel seiner Eltern, zweier russischer Juden, die einst in die USA ausgewandert waren. Fleißig kommt er jedes Wochenende nach Hause, hilft aus und versucht die Bank um einen Aufschub der Hypothek zu bemühen. Dass Elliot ein herzensguter Junge ist, merkt man auch an seiner Organisation der örtlichen Freizeitgestaltung oder dass er eine freizügige Lokaltheatergruppe (u.a. Dan Fogler) in der elterlichen Scheune hausen lässt. Als er dann von einer möglichen Absage des Woodstock-Festivals hört, schnellen ihm die Dollarzeichen in die Pupillen und einen Anruf später scheinen die Probleme von jedem gelöst zu sein. Yasgur erhält 75.000 US-Dollar Miete für seine Wiese und das Motel von Elliots Eltern (Imelda Staunton, Henry Goodman) ist den ganzen Sommer ausgebucht.
Alberthauser lobt, dass Ang Lee „das Festival ganz ohne Konzert“ feiert und darüber hinaus nicht nur „die xte Coming-Out-Story“ propagiert. Was so nun auch nicht stimmt, denn Elliots Coming Out spielt durchaus eine Rolle in Taking Woodstock, wenn auch nur eine subtile. Einer der Handwerker hat es ihm angetan und so wie Lee die Bilder zusammenfügt, könnte man meinen, dass Elliot selbst zuvor noch gar nicht wusste, dass er eigentlich homosexuell ist. Also nicht die xte Coming-Out-Story, gut. Und dass Lee das Festival als solches abgesehen von einer sehr schön photographierten Meeres-Metapher nicht präsentiert, ist auch legitim. Wenn er aber schon keine Coming-Out- oder Coming-of-Age-Story erzählen möchte, und auch keinen Film, bei dem Woodstock als solches im Zentrum steht, dann doch bitte irgendetwas anderes. Hauptsache eine Geschichte. Auf eine solche wartet man jedoch vergeblich. Stattdessen verliert sich Lee in seiner Referenz an Michael Wadleighs Woodstock-Doku, wenn er unentwegt Bilder in ein unsinniges Split-Screen-Verfahren presst.
Und wenn man nicht gerade inhaltsfreie Bilder im Drei- oder Vierfach-Split-Screen bewundern darf, schubst Lee eine schrullige Figur nach der anderen vor die Kamera, um ein paar Lacher herauszukitzeln. Da wäre die Nudisten-Theatergruppe, der mehr als nervige Vietnam-Veteran Billy (Emile Hirsch), der/die Ex-Marine und jetziger Transvestit Vilma (Liev Schreiber), zwei Acid-Twens im VW-Bus (Kelli Garner, Paul Dano) oder ein von Blumenkindern bekehrter Streifenpolizist. Dass sich Lee erdreistet dann auch noch das ausgelutschte Bild der bekifften Eltern zu integrieren – eine Szene, die schon in Michael Bays Transformers: Revenge of the Fallen nicht mehr lustig war -, kommt da dann nur noch wie eine schallende Ohrfeige daher. Nicht nur sind all diese Figuren total unlustig – im Falle von Hirsch sogar grauenhaft schlecht und klischeehaft -, sondern sie haben auch keinerlei Mehrwert für dieses armselige Konstrukt, das bei Lee und Drehbuchautor James Schamus wohl gerne als Handlung durchgegangen wäre.
Insofern ist Taking Woodstock im eigentlichen Sinne kein Film, sondern eine Aneinanderreihung von Bildern, die versuchen ein ´69er-Gefühl zu erwecken, indem langhaarige Nackte, Drogenkonsum und Schlammhügel gezeigt werden. Und selbst wenn sich dann gelegentlich der Ansatz für eine Geschichte zu erkennen gibt, betoniert Lee diese Momente mit einem raschen Szenenwechsel zu. Da findet Elliot am Ende seine Mutter im Wandschrank, wo sie fast schon raffend 97.000 US-Dollar hortet, während ihr Sohn seine Ersparnisse und Freizeit in ihre Bruchbude von Motel gesteckt hat. Hier ist sie, eine mögliche Wende in der Geschichte oder besser gesagt ein möglicher Ansatz für eine solche. Doch Lee ignoriert die Szene. Als Elliot enttäuscht seine Sachen packt, um endlich sein eigenes Leben zu leben, fragt er seinen Vater, wie dieser es vierzig Jahre mit dieser Frau ausgehalten habe. „I love her“, entgegnet dieser erwartungsgemäß, ohne dass in den zwei Stunden zuvor in auch nur einer einzigen Szene eine Begründung für dieses Liebesgefühl zu entdecken gewesen wäre.
Als wirkliches Ende kann man den Schluss auch nicht bezeichnen, weil Lee einfach irgendwann ausblendet, wie er zwei Stunden zuvor auch plötzlich eingeblendet hat. Einen „Entwicklungsroman eines jungen Mannes“, wie Alberthauser es bezeichnet, lässt sich schwer ausmachen. Eher schon das Erfassen von „Zuckungen“, wie es Fritz Göttler in der SZ schrieb. Die Frage ist jedoch, wozu es eines Spielfilms bedarf, um ein Gefühl von Woodstock zu transferieren, wo dies in Hadleighs Dokumentation doch sehr viel besser gelingt. Denn zwei Stunden Split-Screen und ein halbes Dutzend nutzloser, durchgeknallter Nebenfiguren, die sich stets nur in der Peripherie des Geschehens bewegen – wobei „bewegen“ schon zuviel des Guten ist -, langt nicht aus, um eines Filmes, allen voran eines von Ang Lee, würdig zu sein. Da will dann auch die herausragende darstellerische Leistung von Imelda Staunton kaum noch etwas bewirken. Somit kann man wohl sagen, dass Elliot Tiber der Mann ist, der Taking Woodstock möglich gemacht hat. Der Mann, der diesen Film gerettet hat, ist er jedoch nicht.
4.5/10
Vor 40 Jahren fand das legendäre Musikfestival Woodstock statt, das quasi für die gesamte Hippie-Bewegung angefangen mit den 68ern bis hinein in die siebziger Jahre stehen kann. Dass zum Jubiläum ein Film über jenes Festival in die Kinos kam, wurde von den Medien natürlich wärmstens aufgenommen. Und plötzlich stellt sich – zumindest für die Öffentlichkeit – heraus, dass nach vier Jahrzehnten ja doch alles ein wenig anders war, wie man es zuvor gekannt hat. Denn in Taking Woodstock, dem Film wie dem Roman, wird Elliot Tiber zum Helden der Geschichte. In der Süddeutschen erkor man Tiber zum „Mann, der Woodstock gerettet hat“ und für den Spiegel ist er gar der „Mann, der Woodstock möglich machte“. Wogegen er in einem anderen Artikel des Spiegels lediglich zum „Mann mit der Wiese“ erklärt wurde. „Man hat mich über Jahrzehnte ignoriert“, beklagte Tiber im Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Doch diese Phase war nun, vierzig Jahre später vorbei. Oscarpreisträger Ang Lee sei Dank.
Für SZ-Autorin Christina Waechter ist es „das wichtigste Festival aller Zeiten“, ihr Spiegel-Kollege Marc Pitzke sieht in Woodstock die „legendärste Spielwiese“ der Blumenkinder. Deswegen ist sich Roland Lindner von der FAZ auch sicher: „Ohne Elliot Tiber wäre es nicht so weit gekommen.“ Elliot Tiber also, der Mann, der Woodstock gerettet hat oder möglich gemacht hat. Wie man es sehen möchte. Auf jeden Fall der Mann mit der Wiese. Oder eigentlich doch nicht. Denn die Wiese gehörte Max Yasgur, einem örtlichen Milchbauern. Aber wie Tim Burton schon dem legendären Regisseur Edward D. Wood Jr. in den Mund legte: Film-Making is not about the tiny details, it's all about the big picture. Insofern spielt es für Taking Woodstock keine Rolle, dass die Wiese von Yasgur (Eugene Levy) nicht dank Elliot Tiber (Demetri Martin) in die Hände von Woodstock-Organisator Michael Lang (Jonathan Groff) gelangte. Oder dass Elliot – entgegen den Bildern, die Lee vermittelt – bereits vor Woodstock im Klaren über seine Homosexualität war.
Ohnehin erfährt man von Elliots Leben nicht sonderlich viel. Von seinem aufregenden New Yorker Nachtleben – er traf scheinbar Marlon Brando und Rock Hudson, war sogar mit Truman Capote befreundet – ganz zu Schweigen. Thomas Alberthauser bezeichnet ihn in der WELT daher als „Müttersöhnchen“. Denn Elliot steckt seine ganzen Ersparnisse in das heruntergekommene Motel seiner Eltern, zweier russischer Juden, die einst in die USA ausgewandert waren. Fleißig kommt er jedes Wochenende nach Hause, hilft aus und versucht die Bank um einen Aufschub der Hypothek zu bemühen. Dass Elliot ein herzensguter Junge ist, merkt man auch an seiner Organisation der örtlichen Freizeitgestaltung oder dass er eine freizügige Lokaltheatergruppe (u.a. Dan Fogler) in der elterlichen Scheune hausen lässt. Als er dann von einer möglichen Absage des Woodstock-Festivals hört, schnellen ihm die Dollarzeichen in die Pupillen und einen Anruf später scheinen die Probleme von jedem gelöst zu sein. Yasgur erhält 75.000 US-Dollar Miete für seine Wiese und das Motel von Elliots Eltern (Imelda Staunton, Henry Goodman) ist den ganzen Sommer ausgebucht.
Alberthauser lobt, dass Ang Lee „das Festival ganz ohne Konzert“ feiert und darüber hinaus nicht nur „die xte Coming-Out-Story“ propagiert. Was so nun auch nicht stimmt, denn Elliots Coming Out spielt durchaus eine Rolle in Taking Woodstock, wenn auch nur eine subtile. Einer der Handwerker hat es ihm angetan und so wie Lee die Bilder zusammenfügt, könnte man meinen, dass Elliot selbst zuvor noch gar nicht wusste, dass er eigentlich homosexuell ist. Also nicht die xte Coming-Out-Story, gut. Und dass Lee das Festival als solches abgesehen von einer sehr schön photographierten Meeres-Metapher nicht präsentiert, ist auch legitim. Wenn er aber schon keine Coming-Out- oder Coming-of-Age-Story erzählen möchte, und auch keinen Film, bei dem Woodstock als solches im Zentrum steht, dann doch bitte irgendetwas anderes. Hauptsache eine Geschichte. Auf eine solche wartet man jedoch vergeblich. Stattdessen verliert sich Lee in seiner Referenz an Michael Wadleighs Woodstock-Doku, wenn er unentwegt Bilder in ein unsinniges Split-Screen-Verfahren presst.
Und wenn man nicht gerade inhaltsfreie Bilder im Drei- oder Vierfach-Split-Screen bewundern darf, schubst Lee eine schrullige Figur nach der anderen vor die Kamera, um ein paar Lacher herauszukitzeln. Da wäre die Nudisten-Theatergruppe, der mehr als nervige Vietnam-Veteran Billy (Emile Hirsch), der/die Ex-Marine und jetziger Transvestit Vilma (Liev Schreiber), zwei Acid-Twens im VW-Bus (Kelli Garner, Paul Dano) oder ein von Blumenkindern bekehrter Streifenpolizist. Dass sich Lee erdreistet dann auch noch das ausgelutschte Bild der bekifften Eltern zu integrieren – eine Szene, die schon in Michael Bays Transformers: Revenge of the Fallen nicht mehr lustig war -, kommt da dann nur noch wie eine schallende Ohrfeige daher. Nicht nur sind all diese Figuren total unlustig – im Falle von Hirsch sogar grauenhaft schlecht und klischeehaft -, sondern sie haben auch keinerlei Mehrwert für dieses armselige Konstrukt, das bei Lee und Drehbuchautor James Schamus wohl gerne als Handlung durchgegangen wäre.
Insofern ist Taking Woodstock im eigentlichen Sinne kein Film, sondern eine Aneinanderreihung von Bildern, die versuchen ein ´69er-Gefühl zu erwecken, indem langhaarige Nackte, Drogenkonsum und Schlammhügel gezeigt werden. Und selbst wenn sich dann gelegentlich der Ansatz für eine Geschichte zu erkennen gibt, betoniert Lee diese Momente mit einem raschen Szenenwechsel zu. Da findet Elliot am Ende seine Mutter im Wandschrank, wo sie fast schon raffend 97.000 US-Dollar hortet, während ihr Sohn seine Ersparnisse und Freizeit in ihre Bruchbude von Motel gesteckt hat. Hier ist sie, eine mögliche Wende in der Geschichte oder besser gesagt ein möglicher Ansatz für eine solche. Doch Lee ignoriert die Szene. Als Elliot enttäuscht seine Sachen packt, um endlich sein eigenes Leben zu leben, fragt er seinen Vater, wie dieser es vierzig Jahre mit dieser Frau ausgehalten habe. „I love her“, entgegnet dieser erwartungsgemäß, ohne dass in den zwei Stunden zuvor in auch nur einer einzigen Szene eine Begründung für dieses Liebesgefühl zu entdecken gewesen wäre.
Als wirkliches Ende kann man den Schluss auch nicht bezeichnen, weil Lee einfach irgendwann ausblendet, wie er zwei Stunden zuvor auch plötzlich eingeblendet hat. Einen „Entwicklungsroman eines jungen Mannes“, wie Alberthauser es bezeichnet, lässt sich schwer ausmachen. Eher schon das Erfassen von „Zuckungen“, wie es Fritz Göttler in der SZ schrieb. Die Frage ist jedoch, wozu es eines Spielfilms bedarf, um ein Gefühl von Woodstock zu transferieren, wo dies in Hadleighs Dokumentation doch sehr viel besser gelingt. Denn zwei Stunden Split-Screen und ein halbes Dutzend nutzloser, durchgeknallter Nebenfiguren, die sich stets nur in der Peripherie des Geschehens bewegen – wobei „bewegen“ schon zuviel des Guten ist -, langt nicht aus, um eines Filmes, allen voran eines von Ang Lee, würdig zu sein. Da will dann auch die herausragende darstellerische Leistung von Imelda Staunton kaum noch etwas bewirken. Somit kann man wohl sagen, dass Elliot Tiber der Mann ist, der Taking Woodstock möglich gemacht hat. Der Mann, der diesen Film gerettet hat, ist er jedoch nicht.
4.5/10
Abgesehen von den m.E. unnötigen Verweisen auf andere Rezipienten ist das eine sehr plausible Sichtweise - ich mochte den Film zwar, aber es ist schon ein sehr, sehr seichter Lee.
AntwortenLöschenLUST, CAUTION gesehen?
Noch nicht. Aber die DVD liegt hier rum, wenn ich mal 2,5 Stunden erübrigen kann, hol ich ihn also nach.
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