I need to believe that something extraordinary is possible.
„Hollywood will fuck you when no one else will“, hieß es in Brian De Palmas The Black Dahlia Adaption. Da „ficken“ ein mehrdeutiger Begriff ist, kann man so eine Äußerung drehen und wenden wie man möchte. Hollywood nimmt sich der Menschen an und vermarktet sie zielgerecht. Am besten positiv, da man mit Personen, die man sympathisch findet, besser mitfühlt. So wird ein Schindler oder Stauffenberg schnell zum Liebling von Jedermann und sogar fiktive Figuren wie Tony Stark in Iron Man werden um ihre negativen Charaktereigenschaften beschnitten. Es sollte also nicht verwundern, wenn in vielen Filmbiographien oder Werken, die auf dem Leben einer historischen Persönlichkeit basieren, am Ende nur noch die Namen der Charaktere stimmen, während der Rest aus den Gedankenströmen emsiger Drehbuchautoren stammt, von denen einer stets die Fassung des anderen überarbeitet. Massentauglicher macht. „Hollywood will fuck you when no one else will.“
John Forbes Nash Jr. galt als „Genie“ und brillanter Mathematiker. In Princeton studierte und promovierte er über eine Wirtschaftsfrage, die 44 Jahre später mit dem Nobelpreis belohnt werden sollte. Erste Anzeichen seiner Schizophrenie zeigten sich bei Nash Ende der fünfziger Jahre. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine Beziehung mit einer Krankenschwester abgebrochen, nachdem diese ihm gestanden hatte, von ihm schwanger zu sein. Nash heiratete eine seiner Studentinnen, doch die Ehe zerbricht Anfang der Sechziger als Nash sich ganz in seiner Krankheit verliert. Bis 1970 ist er mehrmals in psychiatrischer Behandlung, an Arbeit ist sowieso nicht zu denken. Dann aber das entscheidende Jahr 1970: Nash scheißt auf die Medikamente und zieht mit seiner inzwischen von ihm geschiedenen Frau Alicia in eine Art Wohngemeinschaft, denn eine romantische Beziehung existiert zwische ihnen nicht mehr. Anfang der Neunziger dann Licht am Ende des Tunnels: Nash lehrt inzwischen in Princeton, erhält 1994 den Nobelpreis. Es geht aufwärts, die Liebe entflammt wieder zwischen ihm und Alicia, die 2001 zum zweiten Mal heiraten. Die Vorwürfe der Homosexualität und des Antisemitismus seien an dieser Stelle mal außen vor gelassen.
Ergo: Nash ist eine ambivalente Figur. Ein brillantes Genie vielleicht, aber mit scheinbaren menschlichen Schwächen (in den Augen Hollywoods). Vorwürfe der Homosexualität - und das in den fünfziger Jahren. Einen Sohn, dessen Mutter er bei Verkündung der Schwangerschaft verlassen hat. Eine schizophrene Flucht nach Europa als Nash den Boden unter den Füßen verliert. Die gescheiterte Ehe, die zum gemeinsamen Leben ohne gemeinsames Leben mutiert. Insofern ist Nash jemand, den man beruflich schätzen kann, auch oder insbesondere wegen der psychischen Umstände, mit denen er zu kämpfen hat. Privat sieht das dann etwas anders aus. Hollywood-Material ist das nicht gerade, das dürften auch Drehbuchautor Akiva Goldsman, Produzent Brian Grazer und Regisseur Ron Howard gemerkt haben. Nicht dienlich, dass Nash erst während Alicias Schwangerschaft beginnt schizophren zu werden. Schließlich will man auch das Princeton-Stadium erzählen. Muss man ja, wenn man den Film auf dem Höhepunkt des Nobelpreises für Nashs Uni-Promotion enden lassen will. Und dass Nash nie visuelle, sondern stets auditorische Halluzinationen hatte, lässt sich mit der Kamera auch eher mittelprächtig einfangen.
Unverfilmbar ist so was nicht. Eher schon ungenießbar bzw. nicht vermarktbar. Also beginnen die Halluzinationen von John Nash (Russell Crowe) schon in Princeton und zwar gleich am Anfang. Der gute Charles (Paul Bettany) verkörpert dabei den imaginären Freund, der John Gesellschaft leistet,da er sich als Einzelgänger fühlt. Denn die anderen Kollegen wie Martin Hansen (Josh Lucas) nehmen ihn wegen seiner Eigenarten eher auf den Arm als das sie ihn anerkennen. Und Anerkennung ist das, was John sich wünscht. Anerkennung ist das, was er sieht, als einer der Dozenten von seinen Kollegen Wertschätzung erfährt. „Try to see accomplishment“, rät ihm Nashs exquisit von Judd Hirsch portraitierter Dozent. Dann die Promovierung, der gute Job als Mathematiker. Zweimal in vier Jahren wird er sogar von der Regierung um Hilfe gebeten. Doch für Nash ist das nicht genug. Noch mehr Anerkennung will er von Vater Staat und laut Goldsman erfindet er sich dann einfach William Parcher (Ed Harris) vom Verteidigungsministerium. Er sei der beste Analytiker den er je getroffen habe, schmiert Parcher bzw. Nash sich selbst Honig ums Maul. Ab sofort werden Codes gebrochen was das Zeug hält. Alles streng geheim natürlich, nur Nash ist wichtig genug, um eingeweiht zu werden.
Dann die Beziehung mit Alicia (Jennifer Connelly), die zwar eigentlich aus El Salvador kommt, aber Hollywood besetzt nicht so gerne Minderheiten in seinen Oscaranwärtern. Dafür stattdessen die in der Tat groß aufspielende Connelly, deren Rolle anschließend zur Heiligen stilisiert wird (auch wenn dies Goldsman und Howard in ihren unterschiedlichen Audiokommentaren verneinen). Die gute Ehefrau, die stets an der Seite ihres Mannes bleibt. Aus Liebe, versteht sich. Das ist dann auch das große Thema von A Beautiful Mind: die Liebe zwischen Alicia und Nash. Verständlich, dass die „Wohngemeinschaft“ und die 24 Jahre in Scheidung hier nicht gut reinspielen. Der Teppich beginnt sich zu wölben mit all den Dingen, die Goldsman darunter gekehrt hat. Inwiefern die Academy hier noch urteilen wollte, was genau der Autor so gut aus Sylvia Nasars Biographie adaptiert hat, dass man ihm einen Oscar verleihen musste, bleibt unklar. Nun versteht sich A Beautiful Mind aber auch nicht als wirkliches Biopic und ehrlicherweise muss man eingestehen, dass Howard dem Publikum auch ein „Beruht auf wahren Begebenheiten“ erspart, wie man es von jedem Hansel mit einer 8mm-Kamera kennt, der in seinem Film auch nur ein Detail einbaut, das auf etwas Realem basiert.
Insofern kann man nicht unbedingt von Heuchelei sprechen, selbst wenn dieses Wort einem in Anbetracht der Umsetzung als erstes einfallen möchte. Das ist nicht das Leben von John Forbes Nash Jr., das die Zuschauer hier sehen. Es ist eine fiktive Geschichte, die sich an Elementen aus dem Leben eines wirklichen Menschen orientiert. Sein Genie, seine Krankheit und wie seine Karriere darunter gelitten hat. Eine Liebesgeschichte zweier Menschen, die sich in wenig guten und vielen schlechten Zeiten einander die Treue gehalten haben. Eine Underdog-Geschichte von jemand, der auszog um Anerkennung zu finden und am Ende schließlich einer Leistungserfüllung entgegenblickte. Es ist ein Hollywood-Märchen, in dem zwar nicht alles optimal läuft, aber sich schließlich ins Gute verkehrt. Der strauchelnde Held, der die Oberhand behält. Der in Stockholm auf der Bühne steht und seine Wertschätzung gegenüber seiner Frau zum Ausdruck bringt. Der strauchelnde Held ist in A Beautiful Mind aber nicht John Nash, sondern seine Frau Alicia. Seine Anerkennung ist ihre Anerkennung. Die Liebe obsiegt, an dieser Stelle ausnahmsweise nicht nur in der filmischen Umsetzung, sondern auch im wahren Leben. Nasar selbst meinte, der Film weiche von ihrer Biographie stark ab, werde jedoch dem Geist von Nashs Leben gerecht.
Wie man der obigen Ausführung entnehmen kann, ist Howards Film also mehr schlecht als recht eine wahrheitsgemäße Wiedergabe von Nashs Leben. Darüber kann man sich jetzt streiten, ob das in Ordnung ist oder den Film, der eh etwas ganz anderes sein will, verfälscht. Dennoch funktioniert A Beautiful Mind als typischer Hollywood-Film erstaunlich gut. Das Schauspielensemble gefällt, allen voran die beeindruckenden Jennifer Connelly und Josh Lucas. Aber auch Ed Harris, Christopher Plummer oder Paul Bettany können in ihren Rollen überzeugen. Crowe wiederum, der speziell in den Princeton-Jahren eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem echten John Forbes Nash Jr. aufweist, spielt erst in seiner Darstellung des 1994er-Nash groß auf. Zuvor hat er gelegentlich seine Momente, schwankt jedoch in seiner Leistung gerade in den Paranoia-Szenen. Das Casting geht im Grunde aber auch wegen seiner tollen Nebendarsteller (Adam Goldberg, der bereits erwähnte Judd Hirsch, Austin Pendleton, Anthony Rapp) in Ordnung. Bedenkt man, dass statt Russell Crowe kurzzeitig auch Tom Cruise im Gespräch für die Hauptrolle gewesen war, lässt sich auch an der Besetzung des Neuseeländers trotz des einen oder anderen Hängers nichts aussetzen.
Die Regie von Howard und das Drehbuch von Goldsman sind wie angesprochen Hollywood-zweckdienlich. Die Gesetzmäßigkeiten der Branche werden erfüllt und dies bisweilen auch ehrlicherweise sehr gelungen. Die humoristischen Auflockerungen, sei es ein scherzender John Nash oder die Müllmann-Szene zwischen ihm und Alicia, funktionieren. Noch besser sogar die kitschigen und rührseligen Szenen, wenn Nash seine Dankesrede gibt, die zur Liebeserklärung wird oder er zum Abschied die kleine Marcee (Vivien Cardone) küsst, seine dritte und letzte Manifestation. Wer sich auf A Beautiful Mind als Emotionskino einlässt, kann zu Tränen gerührt werden. Howard setzt viele der ohnehin schon manipulierten Szenen noch manipulativer ein und oftmals von Erfolg gekrönt. Wäre der Noir-lastige Nebenplot rund um Parcher und die sowjetische Verschwörung nicht, der Film würde noch viel besser dastehen. Zumindest was seinen reinen Unterhaltungseffekt angeht. Die Portraitierung der Schizophrenie ist dabei bisweilen durchaus interessant eingesetzt, aber irgendwie auch nicht zur Genüge. „You’re not real” stottert Nash als er Parcher zum ersten Mal seit seiner Insulin-Behandlung wiedersieht. „Of course I am. Don’t be ridiculous”, entgegnet dieser nur.
„Imagine if you had suddenly learned that the people and the places and the moments most important to you were not gone, not dead … but worse, had never been”, hatte der von Christopher Plummer dargestellte Psychiater zuvor resümiert. Der Film greift es später noch mal im Scherz auf. Woher will man – gerade, aber nicht nur – als Schizophrener wissen, wer real ist und wer nicht? Sicher, im Endeffekt stellt sich raus, dass niemand mit Charles oder Parcher interagiert hat, dass Marcee über ein Feld voller Tauben rannte, ohne diese aufzuschrecken. Aber die Szene bezüglich Charles im Sanatorium fasst es gut zusammen. Ob sie Charles schon mal getroffen hätte, ob er bei ihrer Hochzeit anwesend gewesen sei, fragt Plummer hier Connelly. Nein, ist die Antwort. Aber nur weil man jemandem noch nie begegnet ist, muss das ja nicht heißen, dass er nicht existent ist. Oder anders gesagt: wie definiert man Existenz? Später gesteht Nash seiner Frau, dass er manchmal die Gespräche mit Charles vermisst. Was unterscheidet nun ein Gespräch mit einer realen von dem mit einer nicht realen Person? Fragen, die Howard nicht berücksichtigt, genauso wenig wie eine ständige Hinterfragung, welcher der Figuren, mit denen Nash nach seiner Diagnose nun interagiert, auch tatsächlich real sind.
Aber es ist ein Hollywood-Film und kein Indie-Mindfuck-Thriller. Als rührseliges Oscarkino kann A Beautiful Mind überzeugen, dazu braucht der Film von seinem Drehbuch und seiner Regie her nicht unbedingt originell oder gelungen sein. Er bewegt bisweilen und das möchte er auch. Ein großes Lob verdient sich hierfür auch James Horner mit seiner stimmigen und mitunter träumerisch-melancholischen Musik. Auch Roger Deakins Kameraarbeit ist grandios, wie so oft zeichnet sich der Engländer durch seine phantastische Ausleuchtung aus. Überraschend, dass er für seine Arbeit als einer der wenigen nicht mit einer Oscarnominierung bedacht wurde. Was soll man nun von Howards Film halten? Er wird der Person nicht gerecht, erhebt aber auch nicht den Anspruch, dies zu wollen oder zu versuchen. Er erzählt eine Geschichte, wie sie Hollywood gerne erzählt und die bisweilen auch funktioniert. Der Film ist dabei jedoch zu lang, was weniger an seiner Laufzeit liegt als vielmehr an der Tatsache, dass die Verschwörungsnebenhandlung etwas überzogen wirkt. Vieles – allen voran die Krankheit an sich – bleibt zudem eine Facette, die lediglich als Aufhänger für das Gefühlskino dient. Insofern lautet das Fazit wohl, dass A Beautiful Mind vielleicht kein Meisterwerk ist und seinen Oscar als Bester Film auch wirklich nicht verdient hat, für das was er sein möchte jedoch in Ordnung geht.
„Hollywood will fuck you when no one else will“, hieß es in Brian De Palmas The Black Dahlia Adaption. Da „ficken“ ein mehrdeutiger Begriff ist, kann man so eine Äußerung drehen und wenden wie man möchte. Hollywood nimmt sich der Menschen an und vermarktet sie zielgerecht. Am besten positiv, da man mit Personen, die man sympathisch findet, besser mitfühlt. So wird ein Schindler oder Stauffenberg schnell zum Liebling von Jedermann und sogar fiktive Figuren wie Tony Stark in Iron Man werden um ihre negativen Charaktereigenschaften beschnitten. Es sollte also nicht verwundern, wenn in vielen Filmbiographien oder Werken, die auf dem Leben einer historischen Persönlichkeit basieren, am Ende nur noch die Namen der Charaktere stimmen, während der Rest aus den Gedankenströmen emsiger Drehbuchautoren stammt, von denen einer stets die Fassung des anderen überarbeitet. Massentauglicher macht. „Hollywood will fuck you when no one else will.“
John Forbes Nash Jr. galt als „Genie“ und brillanter Mathematiker. In Princeton studierte und promovierte er über eine Wirtschaftsfrage, die 44 Jahre später mit dem Nobelpreis belohnt werden sollte. Erste Anzeichen seiner Schizophrenie zeigten sich bei Nash Ende der fünfziger Jahre. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits eine Beziehung mit einer Krankenschwester abgebrochen, nachdem diese ihm gestanden hatte, von ihm schwanger zu sein. Nash heiratete eine seiner Studentinnen, doch die Ehe zerbricht Anfang der Sechziger als Nash sich ganz in seiner Krankheit verliert. Bis 1970 ist er mehrmals in psychiatrischer Behandlung, an Arbeit ist sowieso nicht zu denken. Dann aber das entscheidende Jahr 1970: Nash scheißt auf die Medikamente und zieht mit seiner inzwischen von ihm geschiedenen Frau Alicia in eine Art Wohngemeinschaft, denn eine romantische Beziehung existiert zwische ihnen nicht mehr. Anfang der Neunziger dann Licht am Ende des Tunnels: Nash lehrt inzwischen in Princeton, erhält 1994 den Nobelpreis. Es geht aufwärts, die Liebe entflammt wieder zwischen ihm und Alicia, die 2001 zum zweiten Mal heiraten. Die Vorwürfe der Homosexualität und des Antisemitismus seien an dieser Stelle mal außen vor gelassen.
Ergo: Nash ist eine ambivalente Figur. Ein brillantes Genie vielleicht, aber mit scheinbaren menschlichen Schwächen (in den Augen Hollywoods). Vorwürfe der Homosexualität - und das in den fünfziger Jahren. Einen Sohn, dessen Mutter er bei Verkündung der Schwangerschaft verlassen hat. Eine schizophrene Flucht nach Europa als Nash den Boden unter den Füßen verliert. Die gescheiterte Ehe, die zum gemeinsamen Leben ohne gemeinsames Leben mutiert. Insofern ist Nash jemand, den man beruflich schätzen kann, auch oder insbesondere wegen der psychischen Umstände, mit denen er zu kämpfen hat. Privat sieht das dann etwas anders aus. Hollywood-Material ist das nicht gerade, das dürften auch Drehbuchautor Akiva Goldsman, Produzent Brian Grazer und Regisseur Ron Howard gemerkt haben. Nicht dienlich, dass Nash erst während Alicias Schwangerschaft beginnt schizophren zu werden. Schließlich will man auch das Princeton-Stadium erzählen. Muss man ja, wenn man den Film auf dem Höhepunkt des Nobelpreises für Nashs Uni-Promotion enden lassen will. Und dass Nash nie visuelle, sondern stets auditorische Halluzinationen hatte, lässt sich mit der Kamera auch eher mittelprächtig einfangen.
Unverfilmbar ist so was nicht. Eher schon ungenießbar bzw. nicht vermarktbar. Also beginnen die Halluzinationen von John Nash (Russell Crowe) schon in Princeton und zwar gleich am Anfang. Der gute Charles (Paul Bettany) verkörpert dabei den imaginären Freund, der John Gesellschaft leistet,da er sich als Einzelgänger fühlt. Denn die anderen Kollegen wie Martin Hansen (Josh Lucas) nehmen ihn wegen seiner Eigenarten eher auf den Arm als das sie ihn anerkennen. Und Anerkennung ist das, was John sich wünscht. Anerkennung ist das, was er sieht, als einer der Dozenten von seinen Kollegen Wertschätzung erfährt. „Try to see accomplishment“, rät ihm Nashs exquisit von Judd Hirsch portraitierter Dozent. Dann die Promovierung, der gute Job als Mathematiker. Zweimal in vier Jahren wird er sogar von der Regierung um Hilfe gebeten. Doch für Nash ist das nicht genug. Noch mehr Anerkennung will er von Vater Staat und laut Goldsman erfindet er sich dann einfach William Parcher (Ed Harris) vom Verteidigungsministerium. Er sei der beste Analytiker den er je getroffen habe, schmiert Parcher bzw. Nash sich selbst Honig ums Maul. Ab sofort werden Codes gebrochen was das Zeug hält. Alles streng geheim natürlich, nur Nash ist wichtig genug, um eingeweiht zu werden.
Dann die Beziehung mit Alicia (Jennifer Connelly), die zwar eigentlich aus El Salvador kommt, aber Hollywood besetzt nicht so gerne Minderheiten in seinen Oscaranwärtern. Dafür stattdessen die in der Tat groß aufspielende Connelly, deren Rolle anschließend zur Heiligen stilisiert wird (auch wenn dies Goldsman und Howard in ihren unterschiedlichen Audiokommentaren verneinen). Die gute Ehefrau, die stets an der Seite ihres Mannes bleibt. Aus Liebe, versteht sich. Das ist dann auch das große Thema von A Beautiful Mind: die Liebe zwischen Alicia und Nash. Verständlich, dass die „Wohngemeinschaft“ und die 24 Jahre in Scheidung hier nicht gut reinspielen. Der Teppich beginnt sich zu wölben mit all den Dingen, die Goldsman darunter gekehrt hat. Inwiefern die Academy hier noch urteilen wollte, was genau der Autor so gut aus Sylvia Nasars Biographie adaptiert hat, dass man ihm einen Oscar verleihen musste, bleibt unklar. Nun versteht sich A Beautiful Mind aber auch nicht als wirkliches Biopic und ehrlicherweise muss man eingestehen, dass Howard dem Publikum auch ein „Beruht auf wahren Begebenheiten“ erspart, wie man es von jedem Hansel mit einer 8mm-Kamera kennt, der in seinem Film auch nur ein Detail einbaut, das auf etwas Realem basiert.
Insofern kann man nicht unbedingt von Heuchelei sprechen, selbst wenn dieses Wort einem in Anbetracht der Umsetzung als erstes einfallen möchte. Das ist nicht das Leben von John Forbes Nash Jr., das die Zuschauer hier sehen. Es ist eine fiktive Geschichte, die sich an Elementen aus dem Leben eines wirklichen Menschen orientiert. Sein Genie, seine Krankheit und wie seine Karriere darunter gelitten hat. Eine Liebesgeschichte zweier Menschen, die sich in wenig guten und vielen schlechten Zeiten einander die Treue gehalten haben. Eine Underdog-Geschichte von jemand, der auszog um Anerkennung zu finden und am Ende schließlich einer Leistungserfüllung entgegenblickte. Es ist ein Hollywood-Märchen, in dem zwar nicht alles optimal läuft, aber sich schließlich ins Gute verkehrt. Der strauchelnde Held, der die Oberhand behält. Der in Stockholm auf der Bühne steht und seine Wertschätzung gegenüber seiner Frau zum Ausdruck bringt. Der strauchelnde Held ist in A Beautiful Mind aber nicht John Nash, sondern seine Frau Alicia. Seine Anerkennung ist ihre Anerkennung. Die Liebe obsiegt, an dieser Stelle ausnahmsweise nicht nur in der filmischen Umsetzung, sondern auch im wahren Leben. Nasar selbst meinte, der Film weiche von ihrer Biographie stark ab, werde jedoch dem Geist von Nashs Leben gerecht.
Wie man der obigen Ausführung entnehmen kann, ist Howards Film also mehr schlecht als recht eine wahrheitsgemäße Wiedergabe von Nashs Leben. Darüber kann man sich jetzt streiten, ob das in Ordnung ist oder den Film, der eh etwas ganz anderes sein will, verfälscht. Dennoch funktioniert A Beautiful Mind als typischer Hollywood-Film erstaunlich gut. Das Schauspielensemble gefällt, allen voran die beeindruckenden Jennifer Connelly und Josh Lucas. Aber auch Ed Harris, Christopher Plummer oder Paul Bettany können in ihren Rollen überzeugen. Crowe wiederum, der speziell in den Princeton-Jahren eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem echten John Forbes Nash Jr. aufweist, spielt erst in seiner Darstellung des 1994er-Nash groß auf. Zuvor hat er gelegentlich seine Momente, schwankt jedoch in seiner Leistung gerade in den Paranoia-Szenen. Das Casting geht im Grunde aber auch wegen seiner tollen Nebendarsteller (Adam Goldberg, der bereits erwähnte Judd Hirsch, Austin Pendleton, Anthony Rapp) in Ordnung. Bedenkt man, dass statt Russell Crowe kurzzeitig auch Tom Cruise im Gespräch für die Hauptrolle gewesen war, lässt sich auch an der Besetzung des Neuseeländers trotz des einen oder anderen Hängers nichts aussetzen.
Die Regie von Howard und das Drehbuch von Goldsman sind wie angesprochen Hollywood-zweckdienlich. Die Gesetzmäßigkeiten der Branche werden erfüllt und dies bisweilen auch ehrlicherweise sehr gelungen. Die humoristischen Auflockerungen, sei es ein scherzender John Nash oder die Müllmann-Szene zwischen ihm und Alicia, funktionieren. Noch besser sogar die kitschigen und rührseligen Szenen, wenn Nash seine Dankesrede gibt, die zur Liebeserklärung wird oder er zum Abschied die kleine Marcee (Vivien Cardone) küsst, seine dritte und letzte Manifestation. Wer sich auf A Beautiful Mind als Emotionskino einlässt, kann zu Tränen gerührt werden. Howard setzt viele der ohnehin schon manipulierten Szenen noch manipulativer ein und oftmals von Erfolg gekrönt. Wäre der Noir-lastige Nebenplot rund um Parcher und die sowjetische Verschwörung nicht, der Film würde noch viel besser dastehen. Zumindest was seinen reinen Unterhaltungseffekt angeht. Die Portraitierung der Schizophrenie ist dabei bisweilen durchaus interessant eingesetzt, aber irgendwie auch nicht zur Genüge. „You’re not real” stottert Nash als er Parcher zum ersten Mal seit seiner Insulin-Behandlung wiedersieht. „Of course I am. Don’t be ridiculous”, entgegnet dieser nur.
„Imagine if you had suddenly learned that the people and the places and the moments most important to you were not gone, not dead … but worse, had never been”, hatte der von Christopher Plummer dargestellte Psychiater zuvor resümiert. Der Film greift es später noch mal im Scherz auf. Woher will man – gerade, aber nicht nur – als Schizophrener wissen, wer real ist und wer nicht? Sicher, im Endeffekt stellt sich raus, dass niemand mit Charles oder Parcher interagiert hat, dass Marcee über ein Feld voller Tauben rannte, ohne diese aufzuschrecken. Aber die Szene bezüglich Charles im Sanatorium fasst es gut zusammen. Ob sie Charles schon mal getroffen hätte, ob er bei ihrer Hochzeit anwesend gewesen sei, fragt Plummer hier Connelly. Nein, ist die Antwort. Aber nur weil man jemandem noch nie begegnet ist, muss das ja nicht heißen, dass er nicht existent ist. Oder anders gesagt: wie definiert man Existenz? Später gesteht Nash seiner Frau, dass er manchmal die Gespräche mit Charles vermisst. Was unterscheidet nun ein Gespräch mit einer realen von dem mit einer nicht realen Person? Fragen, die Howard nicht berücksichtigt, genauso wenig wie eine ständige Hinterfragung, welcher der Figuren, mit denen Nash nach seiner Diagnose nun interagiert, auch tatsächlich real sind.
Aber es ist ein Hollywood-Film und kein Indie-Mindfuck-Thriller. Als rührseliges Oscarkino kann A Beautiful Mind überzeugen, dazu braucht der Film von seinem Drehbuch und seiner Regie her nicht unbedingt originell oder gelungen sein. Er bewegt bisweilen und das möchte er auch. Ein großes Lob verdient sich hierfür auch James Horner mit seiner stimmigen und mitunter träumerisch-melancholischen Musik. Auch Roger Deakins Kameraarbeit ist grandios, wie so oft zeichnet sich der Engländer durch seine phantastische Ausleuchtung aus. Überraschend, dass er für seine Arbeit als einer der wenigen nicht mit einer Oscarnominierung bedacht wurde. Was soll man nun von Howards Film halten? Er wird der Person nicht gerecht, erhebt aber auch nicht den Anspruch, dies zu wollen oder zu versuchen. Er erzählt eine Geschichte, wie sie Hollywood gerne erzählt und die bisweilen auch funktioniert. Der Film ist dabei jedoch zu lang, was weniger an seiner Laufzeit liegt als vielmehr an der Tatsache, dass die Verschwörungsnebenhandlung etwas überzogen wirkt. Vieles – allen voran die Krankheit an sich – bleibt zudem eine Facette, die lediglich als Aufhänger für das Gefühlskino dient. Insofern lautet das Fazit wohl, dass A Beautiful Mind vielleicht kein Meisterwerk ist und seinen Oscar als Bester Film auch wirklich nicht verdient hat, für das was er sein möchte jedoch in Ordnung geht.
6.5/10
genau! Dieses kalkulierte auf Oscatr-komm-raus-Getue, geht einem am meisten auf den Sack.
AntwortenLöschenUnd das ist m.E. ja noch Howards bester Film.
Da sind wir tatsächlich einmal wieder einer Meinung. Ein schön gefilmter Film mit interessanter Geschichte, aber insgesamt zu glatt kalkuliert, um wirklich Eindruck zu hinterlassen.
AntwortenLöschenDas größte Brechmittel aller Zeiten.
AntwortenLöschenMein Alltime-Hassfilm.
@Rajko: Ich weiß ;-)
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