Duncan Jones’ jüngstes Werk, Source Code, zählt sicherlich zu jenen Filmen, die am besten funktionieren, je weniger man über sie weiß (was unsere heutige Medienlandschaft zusehends erschwert). Mit (zu Recht) viel Vorschußlorbeeren ging Jones aus seinem Debütfilm Moon nach Hollywood, nur um sein Folgeprojekt - die Blade Runner-Hommage Mute - erstmal auf Eis wandern zu sehen. Stattdessen nahm er sich der Auftragsarbeit Source Code an, die sich über weite Strecken auch als solche anfühlt. Wie bei seinem Vorgänger ist dies zu einem Großteil munteres Zitier-Kino, dabei weniger Groundhog Day als ein unüberlegtes Mischmasch von Genrekollegen wie Twelve Monkeys und Retroactive.
Dementsprechend bietet es sich an, sein Publikum gemeinsam mit seinen Protagonisten direkt in die Handlung zu werfen. Wenn sich Army-Captain Colter Stevens (Jake Gyllenhaal) plötzlich in einem Personengüterzug Richtung Chicago befindet, ihm gegenüber die ihm fremde Lehrerin Christina (Michelle Monaghan) und im Spiegel das Konterfei eines anderen Mannes, offenbart sich ein gewisses mindfuck-Element. Die kurze Orientierungslosigkeit wird abgelöst von einer Explosion und dem Erwachen in einer zweiten, immer noch fremden Umgebung. Als Agent eines Regierungsprojektes arbeitet Stevens innerhalb des Source Codes, einer Erfindung des mysteriösen Doktors Rutledge (Jeffrey Wright).
Der Source Code ist dabei eine Erfindung, die den Déjà Vu-Fehler macht, sich selbst erklären zu wollen, anstatt ein reines Fluxkompensator-Gimmick zu sein. So kann Rutlegde scheinbar die Gedankenströme einer Person an den letzten acht Minuten eines Verstorbenen teilhaben lassen, was allerdings keine Zeitreise sei, sondern nur eine zeitliche Umstrukturierung. Stevens kann also, einem Avatar gleich, durch die letzten acht Minuten eines Mannes von ähnlicher Statur wandeln und soll nun einen Terrorakt auflösen, der sich am Vormittag ereignet hat. Ziel und Zweck: Den Täter des Bombenanschlags zu identifizieren, da dieser plant, im Laufe des Tages eine zweite Bombe in Chicago hochzujagen.
Indem Jones sein SF-Element zu erklären versucht, raubt er sich und Source Code selbst seiner Stärke, geht doch ein Großteil des ersten Aktes dadurch verloren, dass Vera Farmigas Colleen Goodwin dem perplexen Stevens (und zugleich dem Publikum) die Mechanismen von Rutledges Apparatur nahe bringt. So kommt es, dass dessen „Zeitreisen“ nach den ersten zwei-, dreimal als Kurzmontage verkauft werden, anstatt sich als Actionreiche Variante von Groundhog Day zu versuchen, die ihren Spaß aus den verschiedenen Entwicklungsmöglichkeiten ein und derselben Situation generiert. Wo der Film in die Tiefe gehen sollte, bleibt er folglich an der Oberfläche - und zeigt selbst für diese wenig Interesse.
Was in der ersten Hälfte noch halbwegs spaßig und spannend gerät, strengt nach einer Dreiviertelstunde vermehrt an. Alles muss eine Spur komplexer werden - nur eben nicht auf der Zeitebene des Zugattentats, wo die Aufmerksamkeit eigentlich hingehört. Immer wieder driftet die Handlung ab, zu Stevens Vergangenheit und pathetischem Militärgeplänkel zwischen ihm und Goodwin. Was dem Film auf Dauer Züge eines generell unterhaltsamen Videospiellevels verleiht, dessen nervige Zwischenszenen man nicht wegklicken kann und dessen Prämisse (Bombenattentäter finden ehe Zug explodiert) von einer so unnötigen wie unplausiblen Romanze zwischen Gyllenhaals und Monaghans Figuren torpediert wird.
Die Schlitterfahrt von Source Code endet schließlich in einem missratenen (und, ob der moralinsauren Figuren, fragwürdigen) Ende, den Hollywood-Konventionen folgend, denen sich Jones auch in seinem zweiten Spielfilm noch nicht versagen konnte. So macht der Film in seiner Summe viel zu wenig aus seinen grundsätzlich vorhandenen Möglichkeiten, die er speziell in seiner ersten Hälfte noch (bisweilen erfolgreich) austestet, um sie anschließend entweder zu ignorieren oder bei Seite zu legen. Angesichts seines Ersatzwerkcharakters für den ausgefallenen Mute lässt sich das in Jones’ Œuvre noch tolerieren, dennoch wünscht man sich selbst jemanden, der einem in dieser Situation zuflüstert: everything’s gonna be okay.
5.5/10
Genauso stelle ich mir das vor, ein Glück, dass ich kein Geld für das Kinoticket verschwendet habe. Alles was ich bisher dazu gelesen habe - Du siehst die Medienlandschaft macht es mir wirklich nicht einfach ;-) - lässt mich den Film höchstens als einen Heimkino-Kandidaten einordnen.
AntwortenLöschenIch hab den auch nur wegen Jones und meiner Zuneigung für MOON angesehen, Heimkino tut es aber denke ich auch, ja.
AntwortenLöschenSchade, von Jones hatte ich mir mehr erhofft. Moon hatte ja immerhin interessante atmosphärische Ansätze. Leider schrumpfte der Film aber auch im Finale doch ins arg Schematische und Konventionelle zusammen. Bedauerlich, dass Source Code die schlechteren Seiten von Moon weiterzuführen scheint. Ne, den spar ich mir im Kino.
AntwortenLöschenIch kenne keine schlechte Seiten von Moon ;-)
AntwortenLöschenAber wie oben gesagt: auf DVD/BD reicht der meines Erachtens auch.