in America you can make something of your life.
-- Gene Pingatore
Die wunderbare Welt des Profi-Sports bietet vielen Menschen die scheinbar einzige Ausflucht aus ärmlichen Verhältnissen. Egal ob Fußballer in Brasilien oder Basketballspieler in den USA, die Geschichten der „Ghetto-Kids“, die es zu Ruhm und Reichtum gebracht haben, nähren die Träume und Hoffnungen der nachfolgenden Generationen. So auch die der beiden 14-jährigen Chicagoer Jungen William Gates und Arthur Agee, die gerne denselben Weg beschreiten würden wie Isiah Thomas. Aufgewachsen auf der Chicagoer West Side, spielte er Basketball für die St. Joseph High School und landete später in der NBA. In Steve James’ Dokumentation Hoop Dreams von 1994 scheint sich seine Geschichte zu wiederholen.
Ursprünglich 1987 als 30-minütiges Feature für PBS geplant, folgten James und sein Team anschließend ganze fünf Jahre und 250 Stunden Filmmaterial lang den beiden afroamerikanischen Jungen William und Arthur, wie sie als 14-Jährige im Chicagoer West Garfield Park gescoutet und an die St. Joseph High School in Westchester gelockt wurden. Hier erwartete sie das Versprechen auf ein besseres Leben. Eine bessere Bildung und eine bessere Perspektive, um wie Isiah Thomas den Sprung in die Profi-Liga zu schaffen. Stolze drei Stunden waren sie jeden Tag unterwegs (dabei ist ihr Viertel nur 16 Kilometer von St. Joseph entfernt), um die primär von weißen Schülern besuchte High School zu erreichen.
Kein einfacher Wechsel für die Jungen, die ein bis zwei Jahre im Unterrichtsstoff zurück sind und sich in der neuen Umgebung erst zurecht finden müssen. “I just never been around a lot of white people“, beschreibt Arthur gegenüber James seine Gefühle. Aber weder er noch William wollen sich unterkriegen lassen, die Herausforderung annehmen. “You can see your child mature“, sieht Sheila Agee die ersten Früchte des Schulwechsels. Für die Kids aus der Chicagoer West Side gilt es somit, sich in die römisch-katholische Welt von St. Joseph anzupassen. “The kids that are willing to do it are going to take something away that will help them for the rest of their lives“, verspricht Basketball Coach Gene Pingatore.
Zugleich ergänzt er, diejenigen, die sich nicht anpassen wollen, “are not going to be very successful as far as here“. Es herrscht ein Geben und Nehmen. Die Schule gibt eine Bildung auf die sich aufbauen lässt, die afroamerikanischen Jugendlichen geben ihr sportliches Talent der Schule. In einer späteren Szene wird Regisseur Spike Lee es einigen Kids in einem Nike Camp nochmals eintrichtern, sollten sie es vergessen haben. Ihr seid hier, um dem weißen Mann Spiele zu gewinnen. Schafft ihr das, verdient die Schule mehr Geld. An den Teenagern selbst ist man wenig interessiert, wie Arthur nach einem Jahr erfahren muss. Als im neuen Schuljahr die Gebühr erhöht wird, können sie seine Eltern nicht mehr bezahlen.
“You have to draw a line“, verteidigt Pingatore die Entscheidung. William hat diese Probleme nicht, denn die Hälfte seiner Schulgebühren (den Rest übernahm für beide St. Joseph) wird von einer reichen weißen Familie bezahlt. Für viele erscheint William als der neue Isiah Thomas, was dieser sichtlich als Belastung ansieht. “I’m trying to build my own identity“, sagt er verschmitzt. Während es William ins Varsity Team schafft, spielt Arthur bei den Freshmen. Am Ende hat sich sein Talent für St. Joseph wohl einfach nicht genug rentiert. Die Folge: Ein erneuter Schulwechsel, der ihn ein halbes akademisches Jahr kostet. Selbst seine Zeugnisse gibt man erst dann heraus, als die Eltern die fällige Restgebühr beglichen haben.
Fortan entwickeln sich die beiden Freunde unterschiedlich. William wird der Star seines Schulteams, im Sommer vermittelt ihm seine weiße Sponsorenfamilie ein Praktikum oder er besucht das Nike Camp für talentierte Spieler. Arthur dagegen muss zurück auf die West Side und besucht die John Marshall High School mit Wachpersonal am Eingang. Sein Vater verlässt die Familie, seine Mutter lebt von Sozialhilfe und Arthur verbringt die Sommer mit Blödeleien und jobbt später bei Pizza Hut. Mit den Marshall Commandos hat er nur bedingt Erfolg, während es William mit den St. Joseph Chargers zumindest in die Playoffs schafft. Wo Arthurs Leben von Leichtigkeit beherrscht wird, steht bei William der Druck.
Für ihn gilt es, dem Schatten von Isiah Thomas und den daraus folgernden Erwartungen an ihn gerecht zu werden. Was folgt, kennt man aus nahezu jedem High School Film: Der Star-Spieler fällt aus. Nach einer Verletzung steigt William zu früh ins Training ein, reißt sich dabei fast das Kreuzband und muss drei Monate pausieren. Er wird nach Operation und Reha in einem wichtigen Spiel wieder eingesetzt, die Ungewissheit der körperlichen Fitness dabei wie ein Damoklesschwert über ihm schwebend. Hält das Knie und damit seine Chance auf eine NBA-Karriere? “When this happens“, weiß Pingatore, “they may never be the player they were“. Oder in vielen Fällen zutreffender: Der Spieler, zu dem sie hätten werden können.
Williams Geschichte in Hoop Dreams ist eine von Rückschlägen. Neben seiner Verletzung und etwaigen Rückfällen muss er auch um das Bestehen seines Studierfähigkeitstest (SAT) bangen, während seine Freundin eine Tochter zur Welt bringt. Für William geht es um viel, hat er mit seinem großen Bruder Curtis doch bereits ein Familienmitglied, das einst ein Basketball-Stipendium verlor und sich später als Wachmann verdingte. Und trotz aller Ereignisse glaubt auch Arthur noch an seinen Traum von der großen Karriere. “This is what I wanna do for the rest of my life“, erklärt er. Basketball erscheint als eine der wenigen Perspektiven im Viertel, das für die Jugendlichen meist nichts Konstruktives bereithält.
“You can see why half of ‘em become gangbangers”, sieht auch Arthurs Mutter das Problem. Und mehr und mehr kristallisiert sich in James’ Film heraus, dass dies die Geschichte ihres Sohnes ist. Die Tragik wohnt sicher William bei, die Hoffnung personifiziert sich aber in Arthur. Wie es ein Hollywood-Regisseur nicht besser (oder anders) inszenieren könnte, nimmt die Entwicklung der Geschehnisse im Abschlussjahr der beiden Jugendlichen ihren ganz eigenen Lauf. Es ist verständlich, wieso Steve James so fasziniert von diesem Milieu gewesen ist und dass aus einem 30-Minuten-TV-Feature eine Kino-Dokumentation von fast schon epischen drei Stunden Lauflänge wurde, die das 17-fache ihrer Kosten einspielte.
Verdientermaßen gilt Hoop Dreams weithin als einer der besten Sportfilme aller Zeiten. Die Geschichte weist alle Stärken auf, die dem Genre verhaftet sind, ohne dass jedoch die Klischees wie Klischees wirken. Wer ein Fan des Sports ist, kommt auf jeden Fall auf seine Kosten, selbst wenn das Spiel an sich eher im Hintergrund steht. Hoop Dreams ist vielmehr eine Milieustudie, die sich wie so viele Filme mit dem klassischen Thema des American Dream beschäftigt. Für William und Arthur ist Basketball der einfachste Ausweg aus einem Leben, das im Normalfall wenig für sie bereithält. Um von ihrer jetzigen zu der von ihnen ersehnten Welt zu gelangen, müssen sie Halt in der Welt der Weißen machen.
Hier von „Basketball-Sklaven“ zu sprechen, wäre sicher zuviel des Guten, da es auch ein altbekanntes Schema im US-Profi-Sport ist. Spieler werden gedraftet und getauscht wie eine Ware und oft ohne rechten Einfluss der Betroffenen. Es ist, wie gesagt, ein Geben und ein Nehmen, bei dem zumindest in der Schullandschaft die Spieler vermutlich das höhere Risiko tragen. Als Milieustudie gerät Hoop Dreams dabei nicht weniger fesselnd wie als Sportfilm. Im Vordergrund stehen nie die beiden jungen Spieler, sondern ihre Persönlichkeiten. Keiner von beiden hat es zum nächsten Isiah Thomas oder in die NBA geschafft. Aber dennoch haben beide etwas mitgenommen, das ihnen für ihr späteres Leben weitergeholfen hat.
Ursprünglich 1987 als 30-minütiges Feature für PBS geplant, folgten James und sein Team anschließend ganze fünf Jahre und 250 Stunden Filmmaterial lang den beiden afroamerikanischen Jungen William und Arthur, wie sie als 14-Jährige im Chicagoer West Garfield Park gescoutet und an die St. Joseph High School in Westchester gelockt wurden. Hier erwartete sie das Versprechen auf ein besseres Leben. Eine bessere Bildung und eine bessere Perspektive, um wie Isiah Thomas den Sprung in die Profi-Liga zu schaffen. Stolze drei Stunden waren sie jeden Tag unterwegs (dabei ist ihr Viertel nur 16 Kilometer von St. Joseph entfernt), um die primär von weißen Schülern besuchte High School zu erreichen.
Kein einfacher Wechsel für die Jungen, die ein bis zwei Jahre im Unterrichtsstoff zurück sind und sich in der neuen Umgebung erst zurecht finden müssen. “I just never been around a lot of white people“, beschreibt Arthur gegenüber James seine Gefühle. Aber weder er noch William wollen sich unterkriegen lassen, die Herausforderung annehmen. “You can see your child mature“, sieht Sheila Agee die ersten Früchte des Schulwechsels. Für die Kids aus der Chicagoer West Side gilt es somit, sich in die römisch-katholische Welt von St. Joseph anzupassen. “The kids that are willing to do it are going to take something away that will help them for the rest of their lives“, verspricht Basketball Coach Gene Pingatore.
Zugleich ergänzt er, diejenigen, die sich nicht anpassen wollen, “are not going to be very successful as far as here“. Es herrscht ein Geben und Nehmen. Die Schule gibt eine Bildung auf die sich aufbauen lässt, die afroamerikanischen Jugendlichen geben ihr sportliches Talent der Schule. In einer späteren Szene wird Regisseur Spike Lee es einigen Kids in einem Nike Camp nochmals eintrichtern, sollten sie es vergessen haben. Ihr seid hier, um dem weißen Mann Spiele zu gewinnen. Schafft ihr das, verdient die Schule mehr Geld. An den Teenagern selbst ist man wenig interessiert, wie Arthur nach einem Jahr erfahren muss. Als im neuen Schuljahr die Gebühr erhöht wird, können sie seine Eltern nicht mehr bezahlen.
“You have to draw a line“, verteidigt Pingatore die Entscheidung. William hat diese Probleme nicht, denn die Hälfte seiner Schulgebühren (den Rest übernahm für beide St. Joseph) wird von einer reichen weißen Familie bezahlt. Für viele erscheint William als der neue Isiah Thomas, was dieser sichtlich als Belastung ansieht. “I’m trying to build my own identity“, sagt er verschmitzt. Während es William ins Varsity Team schafft, spielt Arthur bei den Freshmen. Am Ende hat sich sein Talent für St. Joseph wohl einfach nicht genug rentiert. Die Folge: Ein erneuter Schulwechsel, der ihn ein halbes akademisches Jahr kostet. Selbst seine Zeugnisse gibt man erst dann heraus, als die Eltern die fällige Restgebühr beglichen haben.
Fortan entwickeln sich die beiden Freunde unterschiedlich. William wird der Star seines Schulteams, im Sommer vermittelt ihm seine weiße Sponsorenfamilie ein Praktikum oder er besucht das Nike Camp für talentierte Spieler. Arthur dagegen muss zurück auf die West Side und besucht die John Marshall High School mit Wachpersonal am Eingang. Sein Vater verlässt die Familie, seine Mutter lebt von Sozialhilfe und Arthur verbringt die Sommer mit Blödeleien und jobbt später bei Pizza Hut. Mit den Marshall Commandos hat er nur bedingt Erfolg, während es William mit den St. Joseph Chargers zumindest in die Playoffs schafft. Wo Arthurs Leben von Leichtigkeit beherrscht wird, steht bei William der Druck.
Für ihn gilt es, dem Schatten von Isiah Thomas und den daraus folgernden Erwartungen an ihn gerecht zu werden. Was folgt, kennt man aus nahezu jedem High School Film: Der Star-Spieler fällt aus. Nach einer Verletzung steigt William zu früh ins Training ein, reißt sich dabei fast das Kreuzband und muss drei Monate pausieren. Er wird nach Operation und Reha in einem wichtigen Spiel wieder eingesetzt, die Ungewissheit der körperlichen Fitness dabei wie ein Damoklesschwert über ihm schwebend. Hält das Knie und damit seine Chance auf eine NBA-Karriere? “When this happens“, weiß Pingatore, “they may never be the player they were“. Oder in vielen Fällen zutreffender: Der Spieler, zu dem sie hätten werden können.
Williams Geschichte in Hoop Dreams ist eine von Rückschlägen. Neben seiner Verletzung und etwaigen Rückfällen muss er auch um das Bestehen seines Studierfähigkeitstest (SAT) bangen, während seine Freundin eine Tochter zur Welt bringt. Für William geht es um viel, hat er mit seinem großen Bruder Curtis doch bereits ein Familienmitglied, das einst ein Basketball-Stipendium verlor und sich später als Wachmann verdingte. Und trotz aller Ereignisse glaubt auch Arthur noch an seinen Traum von der großen Karriere. “This is what I wanna do for the rest of my life“, erklärt er. Basketball erscheint als eine der wenigen Perspektiven im Viertel, das für die Jugendlichen meist nichts Konstruktives bereithält.
“You can see why half of ‘em become gangbangers”, sieht auch Arthurs Mutter das Problem. Und mehr und mehr kristallisiert sich in James’ Film heraus, dass dies die Geschichte ihres Sohnes ist. Die Tragik wohnt sicher William bei, die Hoffnung personifiziert sich aber in Arthur. Wie es ein Hollywood-Regisseur nicht besser (oder anders) inszenieren könnte, nimmt die Entwicklung der Geschehnisse im Abschlussjahr der beiden Jugendlichen ihren ganz eigenen Lauf. Es ist verständlich, wieso Steve James so fasziniert von diesem Milieu gewesen ist und dass aus einem 30-Minuten-TV-Feature eine Kino-Dokumentation von fast schon epischen drei Stunden Lauflänge wurde, die das 17-fache ihrer Kosten einspielte.
Verdientermaßen gilt Hoop Dreams weithin als einer der besten Sportfilme aller Zeiten. Die Geschichte weist alle Stärken auf, die dem Genre verhaftet sind, ohne dass jedoch die Klischees wie Klischees wirken. Wer ein Fan des Sports ist, kommt auf jeden Fall auf seine Kosten, selbst wenn das Spiel an sich eher im Hintergrund steht. Hoop Dreams ist vielmehr eine Milieustudie, die sich wie so viele Filme mit dem klassischen Thema des American Dream beschäftigt. Für William und Arthur ist Basketball der einfachste Ausweg aus einem Leben, das im Normalfall wenig für sie bereithält. Um von ihrer jetzigen zu der von ihnen ersehnten Welt zu gelangen, müssen sie Halt in der Welt der Weißen machen.
Hier von „Basketball-Sklaven“ zu sprechen, wäre sicher zuviel des Guten, da es auch ein altbekanntes Schema im US-Profi-Sport ist. Spieler werden gedraftet und getauscht wie eine Ware und oft ohne rechten Einfluss der Betroffenen. Es ist, wie gesagt, ein Geben und ein Nehmen, bei dem zumindest in der Schullandschaft die Spieler vermutlich das höhere Risiko tragen. Als Milieustudie gerät Hoop Dreams dabei nicht weniger fesselnd wie als Sportfilm. Im Vordergrund stehen nie die beiden jungen Spieler, sondern ihre Persönlichkeiten. Keiner von beiden hat es zum nächsten Isiah Thomas oder in die NBA geschafft. Aber dennoch haben beide etwas mitgenommen, das ihnen für ihr späteres Leben weitergeholfen hat.
8.5/10
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