Cinema is not an art which films life: the cinema is something between art and life.
(Jean-Luc Godard)
Während die internationalen Filmkritiker/innen teils schon seit Wochen ihre Bestenlisten für das Kinojahr 2014 publizieren, geschieht dies auf diesem bescheidenen Blog wieder mal erst kurz vor knapp. Immerhin wird der traditionelle Filmjahresrückblick auf Symparanekromenoi noch dieses Jahr und nicht wie 2013 erst am Neujahrstag über die Bühne gehen. Die alten Hasen unter meinen Lesern wissen wie es abläuft: es soll nicht nur ein persönliches Fazit mit Bestenliste gezogen werden, sondern auch ein Ausblick auf den internationalen Kinokonsum geben. Wer daran wenig Interesse hat, kann auch direkt nach unten zu meinen zehn favorisierten Filmen in diesem Jahr scrollen. Für alle anderen gilt derweil: Buckle up!
Ursprünglich hatte ich erwartet, dass sich mein Filmkonsum dieses Jahr auf dem Niveau von 2007 oder 2008 einpendelt. Was einerseits beruflich und andererseits mit der steigenden Frustration ob der Qualität der Kinofilme zu tun hat. Am Ende wurden es dann dennoch 152 Filme aus dem aktuellen Filmjahr, was in etwa so viele waren wie 2011. Immerhin 27 Filme weniger als im Vorjahr, was speziell den Kinosichtungen geschuldet ist. Waren es 2013 noch 40 Kinobesuche, so halbierte sich diese Zahl dieses Jahr. 133 der 152 Filme habe ich im Heimkino gesehen, also rund 87 Prozent. Von den 19 Kinobesuchen – im Grunde waren es 20, da ich Nightcrawler als einzigen Film dort zweimal sah – entfielen wiederum 12 auf Pressevorführungen.
In einer solchen sah ich auch jenen Film, der viele Kritiker spaltete und dennoch – insbesondere beim Publikum – sehr gut wegkam. Christopher Nolans jüngster Streich Interstellar hält in der Internet Movie Database (IMDb) zum Jahresende eine 8.9/10-Wertung (Stand: 31. Dezember) und liegt damit nun zwischen seinen anderen Filmen Inception und The Dark Knight. Mit leichtem Abstand folgt dann der absolute Kritikerliebling und Oscarfavorit Boyhood von Richard Linklater, der sich mit einer 8.4/10 vom Kinojahr 2014 verabschiedet. Knapp auf dem dritten Platz landete mit David Finchers Gone Girl der noch beste dieser drei Filme dank einer 8.3/10-Einstufung. Wie auch schon im Vorjahr liefen jedoch drei andere Filme weitaus erfolgreicher.
Auch wenn es sich stets nie jemand wirklich erklären kann, lockte Michael Bay erneut mit seinen sich prügelnden Riesenrobotern die Massen ins Kino. Wie bereits mit Dark of the Moon gelang es ihm auch mit Transformers: Age of Extinction die Milliarde-Dollar-Marke zu überschreiten. Damit war das vierte Hasbro-Abenteuer der einträglichste Film des Jahres. Mit etwas Abstand näherte sich über den Jahreswechsel gesehen Peter Jacksons neuerlicher Trilogieabschluss The Hobbit: The Battle of the Five Armies, während Marvels wenig bekannte Comicserie Guardians of the Galaxy zum überraschend erfolgreichen Space-Abenteuer avancierte, das in den USA erst im Nachhinein von The Hunger Games: Mockingjay – Part I überholt wurde.
Überraschend war auch der Erfolg des Märchenfilms Maleficent, der gerade bei den Südamerikanern aus Brasilien, Ecuador und Venezuela zum Jahressieger wurde, ebenso in Mexiko und in Italien. Derweil zeigten sich Bolivianer und Kolumbianer von Transformers: Age of Extinction beeindruckt, der ansonsten auch auf dem asiatischen Kontinent sehr gut lief und sowohl bei Russen wie Chinesen, aber auch in Thailand und Südafrika auf Platz Eins landete. In Japan rollte wiederum Frozen dieses Jahr wie eine Lawine durch die Kinosäle und spielte im Land der aufgehenden Sonne dreimal so viel ein wie der Zweitplatzierte. Von alledem unbeeindruckt blieb sich Südkorea treu und huldigte stattdessen mit Myeong-ryang einem einheimischen Film.
Dies wird seit Jahren auch traditionell in vielen europäischen Ländern so gehandhabt. Beispielsweise in der Türkei, wo sich Recep Ivedik 4 von der Konkurrenz absetzte. Nationale Filme liefen auch in Argentinien (Rotatos salvajes), Dänemark (Fasandraeberne), Finnland (Mielensäpahoittaja), den Niederlanden (Gooische Vrouwen II), Norwegen (Børning), Peru (A los 40), Polen (Bogowie) Serbien (Montevideo, vidimo se!), Spanien (Ocho apellidos vascos) und der Ukraine (Viy) am besten. In Frankreich begeisterte Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu? (hierzulande: Monsieur Claude und seine Töchter) die Massen, der nicht nur auch in der Schweiz die Nummer Eins ist, sondern es bis vor wenigen Wochen bei uns in Deutschland ebenso war.
Zumindest solange Peter Jacksons Trilogieabschluss The Hobbit: The Battle of the Five Armies nicht in wenigen Wochen über fünf Millionen Deutsche in die Lichtspielhäuser trieb. Ein erster Platz, der dem Film auch in Tschechien und bei den Briten gelang (die Australier zogen The Hunger Games: Mockingjay – Part I vor), wo kurz vor dem Ende noch The Lego Movie übertrumpft wurde. Ein anderer Animationsfilm lockte die Slowaken am häufigsten ins Kino: How to Train Your Dragon 2, was sie wiederum mit den Kollegen aus Ungarn gemein haben. Die Schweden solidarisierten währenddessen mit Japan und krönten Frozen zum Sieger, heißer her ging es in Kroatien und Uruguay, wo Rio 2 am Jahresende der König im Kino war.
Wer sich schon immer fragte, was Belgien und Österreich gemein haben (außer Fällen von Kindesentführung) findet in ihrer Begeisterung für Martin Scorseses The Wolf of Wall Street dieses Jahr die Antwort. Und da Ägypten kurzerhand Ridley Scotts Exodus nicht in den Kinos haben wollte, bleibt dort eben der neueste Godzilla-Film an der Jahresspitze. In alten Zeiten schwelgten dafür die Griechen, die sich von 300: Rise of an Empire vereinnahmen ließen. „Historisches“ stand auch in Bulgarien und Slowenien hoch im Kurs, wo die Konkurrenz gegen Darren Aronofskys Bibelepos Noah absoff. Stirnrunzeln rufen die ersten Plätze in Portugal und Nigera hervor, wo Lucy und Think Like a Man Too die Gunst des Publikums genossen.
Der unangefochtene Gewinner des Jahres ist wohl ohne Zweifel Matthew McConaughey, der sich vom RomCom-Schauspieler zum Oscarpreisträger gewandelt hat. Sein jüngster Wandel erhielt inzwischen sogar eine eigene Wortschöpfung (McConnaisance). Auch Christopher Miller und Phil Lord untermauerten mit The Lego Movie und 22 Jump Street ihren guten Ruf in Hollywood. Etwas schwerer hatte es dagegen Sony, die nicht nur trotz des veritablen Erfolgs von The Amazing Spider-Man 2 scheinbar das Vertrauen in das Reboot verloren haben, sondern im Zuge des Starts von The Interview auch noch einem Hacker-Angriff zum Opfer fielen. Damit befanden sie sich in guter Gesellschaft, was Jennifer Lawrence und Co. bestätigen können.
Und wo wir schon bei Matthew McConaughey waren, seine HBO-Serie True Detective avancierte zurecht zur TV-Show des Jahres, obgleich auch die Fernsehversion von Fargo überraschend überzeugen konnte. Dass sich dies auch von ihren beiden zweiten Staffeln sagen lässt, muss sich noch zeigen. Im Nachbeben der neuen Konsolen gab es derweil auf dem Videospielmarkt nichts, was mich wirklich gereizt hat in diesem Jahr, weshalb eine entsprechende Kür diesmal ausfällt. Ersatzweise kann ich an dieser Stelle Brian K. Vaughans und Fiona Staples Comicreihe Saga zum Comic des Jahres küren, dessen vierter Band schon bei mir bereitliegt und Anfang des neuen Jahres in einer ausführlichen Besprechung beleuchtet werden wird.
War auch die diesjährige Oscarverleihung vorhersehbar und langweilig wie selten zuvor, konnte ich mich dennoch mit vielen Preisträgern arrangieren. Trotz seines variablen Spiels in drei Rollen habe ich mich entschlossen, am Ende doch Jared Leto für seine gewinnende Leistung in Dallas Buyers Club den Vorzug vor Jake Gyllenhaal zu geben. Und so vergnüglich Tilda Swinton in ihren Darbietungen in den sonst enttäuschenden Snowpiercer und The Zero Theorem auch war, beeindruckte mich letzten Endes Dorothy Atkinson als Mauerblümchen in Mike Newells Mr. Turner doch eine Spur mehr. Bei den Newcomern geht meine persönliche Auszeichnung an Stacy Martin, für ihren mutigen und herausfordernden Einsatz in Lars von Triers Nymph()maniac.
Ansonsten setzte sich in diesem Jahr fort, was seit Jahren Trend ist: Sequels dominieren den Markt – siehe acht der zehn erfolgreichsten Filme in 2014 – und nach dem Erfolg von Guardians of the Galaxy steht eine noch größere Welle an Comicverfilmungen bevor. Während die an den Kinokassen abräumen, dominieren bei den Kritikern kleinere Filme wie Birdman oder Boyhood. Ein Art Zwei-Klassen-Gesellschaft, was zumindest hoffen lässt, dass trotz generischer Blockbuster auch Kreativität noch einen Platz findet. Und damit ohne weitere Umschweife nun zu meinen persönlichen zehn liebsten Filmen des Jahres – eine ausführliche Liste gibt es bei Letterboxd –, mit Runner Ups und der Flop Ten wie gewohnt in den Kommentaren:
10. Blended (Frank Coraci, USA 2014): Inzwischen regiert US-Comedian Adam Sandler nach eigenen Gesetzen wie seine Anarcho-Komödien à la That’s My Boy belegen. Was Blended von den meisten Sandler-Werken unterscheidet und ihn zugleich auszeichnet, sind die hier immer wieder eingestreuten kleinen emotionalen Momente in dieser vergnüglichen Patchwork-Safari. Unterm Strich handelt es sich um eine unterschätzte Komödie, die zugleich die Lachmuskeln zu bewegen und auf die Tränendrüse zu drücken vermag.
9. Citizenfour (Laura Poitras, D/USA 2014): Anderthalb Jahre ist es her, seit Edward Snowden der Öffentlichkeit offenbarte, dass die NSA im großen Stil unsere Kommunikation überwacht. Selbst vor Angela Merkel wird da kein Halt gemacht. Laura Poitras war im Juni 2013 mit der Kamera dabei, als Snowden in einem Hotelzimmer in Hong Kong zu dem wohl berühmtesten Whistleblower der Geschichte wurde. Trotz des bereits bekannten Ausgangs gelingt Poitras in Citizenfour einer der spannendsten Thriller des Jahres.
8. Borgman (Alex van Warmerdam, NL/B/DK 2013): Alex van Warmerdam macht sich in Borgman keine wirkliche Mühe, seine Filmhandlung für die Zuschauer näher zu erklären. Vielmehr lässt er in seiner Dekonstruktion eines beschaulichen Familienidylls die Bilder für sich sprechen und Fragen bereitwillig im Raum stehen. In gewisser Weise ist dieser Film ein modern-düsteres Märchen, dabei weder Thriller, noch Drama, Horror oder Fantasy. Sondern von allem eine Melange, die zu überzeugen und gefallen weiß.
7. Rich Hill (Andrew Droz Palermo/Tracy Droz Tragos, USA 2014): Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten fristen die jugendlichen Protagonisten in Rich Hill zwischen Energy Drinks und Zigaretten ein trostloses Dasein am Rande der Gesellschaft. Dabei schaffen es Andrew Droz Palermo und Tracy Droz Tragos gekonnt, das White-Trash-Stigma für ihre Figuren zu umschiffen und sie mit würdevoller Zuneigung in ihrer Gesellschaftsnische zu begleiten. Am Ende bleibt ein intimer Einblick in das toughe Leben von drei Außenseitern.
6. The Guest (Adam Wingard, UK 2014): Nach dem enttäuschenden You’re Next liefert Adam Wingard nun mit The Guest nicht nur den genialsten Soundtrack des Jahres ab, sondern zugleich einen Mix aus Home-Invasion-Thriller und Actionfilm, der sich bei mehrmaligem Sehen als wahres Brett entpuppt. Die Coolness seiner charismatischen Hauptfigur überträgt Adam Wingard mit einer erstaunlichen Lockerheit auf den gesamten Film, dessen so stylisches wie ironisches Finale ihm das Prädikat zum Kultfilm offen hält.
5. Schnee von gestern (Yael Reuveny, D/IL 2013): Die Rückkehr ins Land der Täter ist wohl für wenige Shoa-Überlebende und deren Familie erträglich. Zu groß ist der Schmerz, den der Verlust von geschätzt 5,6 Millionen Opfern hinterließ. Auch für die Familie der Israelin Yael Reuveny. Umso größer war deren Unverständnis als sie erfahren, dass der Großonkel nach dem Krieg in Deutschland blieb. Reuveny gelingt mit Schnee von gestern eine bewegende Reise in die Vergangenheit, die gleichzeitig Hoffnung für die Zukunft macht.
4. Finding Vivian Maier (John Maloof/Charlie Siskel, USA 2013): In ihrer Dokumentation über ein Kindermädchen, das sich erst nach seinem Tod als eine der besten Straßenfotografinnen des 20. Jahrhunderts entpuppt, gelingt John Maloof und Charlie Siskel ein faszinierender Einblick in eine schwer zu greifende Persönlichkeit. Für die Künstlerin Vivian Maier aber bekommen die Zuschauer dagegen ein besseres Gespür. Maiers Bilder zeugen dabei von einer künstlerischen Qualität, die auch Finding Vivian Maier selbst innewohnt.
3. Enemy (Denis Villeneuve, CDN/E 2013): In der Folklore gilt ein Doppelgänger als Vorbote von Unglück und als Todesomen für die Person, die ihn sieht. In Enemy adaptierte Denis Villeneuve den Roman „Der Doppelgänger“ von José Saramago – allerdings von Villeneuve weitaus mystischer aufgeladen und mit viel Interpretationsspielraum. Kryptische Traumsequenzen bitten den Zuschauer um Wiederholungssichtungen, aber eine definitive Antwort auf alle offenen Fragen werden auch diese vermutlich nicht bereithalten.
2. Jodorowsky’s Dune (Frank Pavich, USA/F 2013): Wer schon mal Alejandro Jodorowsky in einem Audiokommentar gehört hat, weiß, dass dieser Mann geboren wurde, um Geschichten zu erzählen. Und welche eignet sich besser als die jenes Films, der zum Prophet einer eigenen Religion werden sollte. Frank Pavich vermittelt hier einen Eindruck, wie Jodorowskys Adaption von Frank Herberts „Dune“ ausgesehen hätte. Und wie Jodorowsky’s Dune zeigt, wurde diese auch ohne ihre Entstehung zu einer Art von Kino-Prophet.
1. Nightcrawler (Dan Gilroy, USA 2014): Eine fast ähnlich große Ambition wie Alejandro Jodorowsky in seinem Dune-Projekt legt der scharfzüngige Lou Bloom in Dan Gilroys Debütfilm Nightcrawler an den Tag. Jake Gyllenhaal liefert als soziopathisch veranlagter Unfallreporter die Darbietung seines Lebens ab, während seine Figur um sich herum einen für ihre Umwelt destruktiven Malstrom erschafft. Dan Gilroy gelingt ein mitreißender Urban-Media-Thriller, der im Finale nochmals die Spannungsschraube andreht.
(Jean-Luc Godard)
Während die internationalen Filmkritiker/innen teils schon seit Wochen ihre Bestenlisten für das Kinojahr 2014 publizieren, geschieht dies auf diesem bescheidenen Blog wieder mal erst kurz vor knapp. Immerhin wird der traditionelle Filmjahresrückblick auf Symparanekromenoi noch dieses Jahr und nicht wie 2013 erst am Neujahrstag über die Bühne gehen. Die alten Hasen unter meinen Lesern wissen wie es abläuft: es soll nicht nur ein persönliches Fazit mit Bestenliste gezogen werden, sondern auch ein Ausblick auf den internationalen Kinokonsum geben. Wer daran wenig Interesse hat, kann auch direkt nach unten zu meinen zehn favorisierten Filmen in diesem Jahr scrollen. Für alle anderen gilt derweil: Buckle up!
Ursprünglich hatte ich erwartet, dass sich mein Filmkonsum dieses Jahr auf dem Niveau von 2007 oder 2008 einpendelt. Was einerseits beruflich und andererseits mit der steigenden Frustration ob der Qualität der Kinofilme zu tun hat. Am Ende wurden es dann dennoch 152 Filme aus dem aktuellen Filmjahr, was in etwa so viele waren wie 2011. Immerhin 27 Filme weniger als im Vorjahr, was speziell den Kinosichtungen geschuldet ist. Waren es 2013 noch 40 Kinobesuche, so halbierte sich diese Zahl dieses Jahr. 133 der 152 Filme habe ich im Heimkino gesehen, also rund 87 Prozent. Von den 19 Kinobesuchen – im Grunde waren es 20, da ich Nightcrawler als einzigen Film dort zweimal sah – entfielen wiederum 12 auf Pressevorführungen.
In einer solchen sah ich auch jenen Film, der viele Kritiker spaltete und dennoch – insbesondere beim Publikum – sehr gut wegkam. Christopher Nolans jüngster Streich Interstellar hält in der Internet Movie Database (IMDb) zum Jahresende eine 8.9/10-Wertung (Stand: 31. Dezember) und liegt damit nun zwischen seinen anderen Filmen Inception und The Dark Knight. Mit leichtem Abstand folgt dann der absolute Kritikerliebling und Oscarfavorit Boyhood von Richard Linklater, der sich mit einer 8.4/10 vom Kinojahr 2014 verabschiedet. Knapp auf dem dritten Platz landete mit David Finchers Gone Girl der noch beste dieser drei Filme dank einer 8.3/10-Einstufung. Wie auch schon im Vorjahr liefen jedoch drei andere Filme weitaus erfolgreicher.
Auch wenn es sich stets nie jemand wirklich erklären kann, lockte Michael Bay erneut mit seinen sich prügelnden Riesenrobotern die Massen ins Kino. Wie bereits mit Dark of the Moon gelang es ihm auch mit Transformers: Age of Extinction die Milliarde-Dollar-Marke zu überschreiten. Damit war das vierte Hasbro-Abenteuer der einträglichste Film des Jahres. Mit etwas Abstand näherte sich über den Jahreswechsel gesehen Peter Jacksons neuerlicher Trilogieabschluss The Hobbit: The Battle of the Five Armies, während Marvels wenig bekannte Comicserie Guardians of the Galaxy zum überraschend erfolgreichen Space-Abenteuer avancierte, das in den USA erst im Nachhinein von The Hunger Games: Mockingjay – Part I überholt wurde.
Überraschend war auch der Erfolg des Märchenfilms Maleficent, der gerade bei den Südamerikanern aus Brasilien, Ecuador und Venezuela zum Jahressieger wurde, ebenso in Mexiko und in Italien. Derweil zeigten sich Bolivianer und Kolumbianer von Transformers: Age of Extinction beeindruckt, der ansonsten auch auf dem asiatischen Kontinent sehr gut lief und sowohl bei Russen wie Chinesen, aber auch in Thailand und Südafrika auf Platz Eins landete. In Japan rollte wiederum Frozen dieses Jahr wie eine Lawine durch die Kinosäle und spielte im Land der aufgehenden Sonne dreimal so viel ein wie der Zweitplatzierte. Von alledem unbeeindruckt blieb sich Südkorea treu und huldigte stattdessen mit Myeong-ryang einem einheimischen Film.
Dies wird seit Jahren auch traditionell in vielen europäischen Ländern so gehandhabt. Beispielsweise in der Türkei, wo sich Recep Ivedik 4 von der Konkurrenz absetzte. Nationale Filme liefen auch in Argentinien (Rotatos salvajes), Dänemark (Fasandraeberne), Finnland (Mielensäpahoittaja), den Niederlanden (Gooische Vrouwen II), Norwegen (Børning), Peru (A los 40), Polen (Bogowie) Serbien (Montevideo, vidimo se!), Spanien (Ocho apellidos vascos) und der Ukraine (Viy) am besten. In Frankreich begeisterte Qu’est-ce qu’on a fait au Bon Dieu? (hierzulande: Monsieur Claude und seine Töchter) die Massen, der nicht nur auch in der Schweiz die Nummer Eins ist, sondern es bis vor wenigen Wochen bei uns in Deutschland ebenso war.
Zumindest solange Peter Jacksons Trilogieabschluss The Hobbit: The Battle of the Five Armies nicht in wenigen Wochen über fünf Millionen Deutsche in die Lichtspielhäuser trieb. Ein erster Platz, der dem Film auch in Tschechien und bei den Briten gelang (die Australier zogen The Hunger Games: Mockingjay – Part I vor), wo kurz vor dem Ende noch The Lego Movie übertrumpft wurde. Ein anderer Animationsfilm lockte die Slowaken am häufigsten ins Kino: How to Train Your Dragon 2, was sie wiederum mit den Kollegen aus Ungarn gemein haben. Die Schweden solidarisierten währenddessen mit Japan und krönten Frozen zum Sieger, heißer her ging es in Kroatien und Uruguay, wo Rio 2 am Jahresende der König im Kino war.
Wer sich schon immer fragte, was Belgien und Österreich gemein haben (außer Fällen von Kindesentführung) findet in ihrer Begeisterung für Martin Scorseses The Wolf of Wall Street dieses Jahr die Antwort. Und da Ägypten kurzerhand Ridley Scotts Exodus nicht in den Kinos haben wollte, bleibt dort eben der neueste Godzilla-Film an der Jahresspitze. In alten Zeiten schwelgten dafür die Griechen, die sich von 300: Rise of an Empire vereinnahmen ließen. „Historisches“ stand auch in Bulgarien und Slowenien hoch im Kurs, wo die Konkurrenz gegen Darren Aronofskys Bibelepos Noah absoff. Stirnrunzeln rufen die ersten Plätze in Portugal und Nigera hervor, wo Lucy und Think Like a Man Too die Gunst des Publikums genossen.
Der unangefochtene Gewinner des Jahres ist wohl ohne Zweifel Matthew McConaughey, der sich vom RomCom-Schauspieler zum Oscarpreisträger gewandelt hat. Sein jüngster Wandel erhielt inzwischen sogar eine eigene Wortschöpfung (McConnaisance). Auch Christopher Miller und Phil Lord untermauerten mit The Lego Movie und 22 Jump Street ihren guten Ruf in Hollywood. Etwas schwerer hatte es dagegen Sony, die nicht nur trotz des veritablen Erfolgs von The Amazing Spider-Man 2 scheinbar das Vertrauen in das Reboot verloren haben, sondern im Zuge des Starts von The Interview auch noch einem Hacker-Angriff zum Opfer fielen. Damit befanden sie sich in guter Gesellschaft, was Jennifer Lawrence und Co. bestätigen können.
Und wo wir schon bei Matthew McConaughey waren, seine HBO-Serie True Detective avancierte zurecht zur TV-Show des Jahres, obgleich auch die Fernsehversion von Fargo überraschend überzeugen konnte. Dass sich dies auch von ihren beiden zweiten Staffeln sagen lässt, muss sich noch zeigen. Im Nachbeben der neuen Konsolen gab es derweil auf dem Videospielmarkt nichts, was mich wirklich gereizt hat in diesem Jahr, weshalb eine entsprechende Kür diesmal ausfällt. Ersatzweise kann ich an dieser Stelle Brian K. Vaughans und Fiona Staples Comicreihe Saga zum Comic des Jahres küren, dessen vierter Band schon bei mir bereitliegt und Anfang des neuen Jahres in einer ausführlichen Besprechung beleuchtet werden wird.
War auch die diesjährige Oscarverleihung vorhersehbar und langweilig wie selten zuvor, konnte ich mich dennoch mit vielen Preisträgern arrangieren. Trotz seines variablen Spiels in drei Rollen habe ich mich entschlossen, am Ende doch Jared Leto für seine gewinnende Leistung in Dallas Buyers Club den Vorzug vor Jake Gyllenhaal zu geben. Und so vergnüglich Tilda Swinton in ihren Darbietungen in den sonst enttäuschenden Snowpiercer und The Zero Theorem auch war, beeindruckte mich letzten Endes Dorothy Atkinson als Mauerblümchen in Mike Newells Mr. Turner doch eine Spur mehr. Bei den Newcomern geht meine persönliche Auszeichnung an Stacy Martin, für ihren mutigen und herausfordernden Einsatz in Lars von Triers Nymph()maniac.
Ansonsten setzte sich in diesem Jahr fort, was seit Jahren Trend ist: Sequels dominieren den Markt – siehe acht der zehn erfolgreichsten Filme in 2014 – und nach dem Erfolg von Guardians of the Galaxy steht eine noch größere Welle an Comicverfilmungen bevor. Während die an den Kinokassen abräumen, dominieren bei den Kritikern kleinere Filme wie Birdman oder Boyhood. Ein Art Zwei-Klassen-Gesellschaft, was zumindest hoffen lässt, dass trotz generischer Blockbuster auch Kreativität noch einen Platz findet. Und damit ohne weitere Umschweife nun zu meinen persönlichen zehn liebsten Filmen des Jahres – eine ausführliche Liste gibt es bei Letterboxd –, mit Runner Ups und der Flop Ten wie gewohnt in den Kommentaren:
10. Blended (Frank Coraci, USA 2014): Inzwischen regiert US-Comedian Adam Sandler nach eigenen Gesetzen wie seine Anarcho-Komödien à la That’s My Boy belegen. Was Blended von den meisten Sandler-Werken unterscheidet und ihn zugleich auszeichnet, sind die hier immer wieder eingestreuten kleinen emotionalen Momente in dieser vergnüglichen Patchwork-Safari. Unterm Strich handelt es sich um eine unterschätzte Komödie, die zugleich die Lachmuskeln zu bewegen und auf die Tränendrüse zu drücken vermag.
9. Citizenfour (Laura Poitras, D/USA 2014): Anderthalb Jahre ist es her, seit Edward Snowden der Öffentlichkeit offenbarte, dass die NSA im großen Stil unsere Kommunikation überwacht. Selbst vor Angela Merkel wird da kein Halt gemacht. Laura Poitras war im Juni 2013 mit der Kamera dabei, als Snowden in einem Hotelzimmer in Hong Kong zu dem wohl berühmtesten Whistleblower der Geschichte wurde. Trotz des bereits bekannten Ausgangs gelingt Poitras in Citizenfour einer der spannendsten Thriller des Jahres.
8. Borgman (Alex van Warmerdam, NL/B/DK 2013): Alex van Warmerdam macht sich in Borgman keine wirkliche Mühe, seine Filmhandlung für die Zuschauer näher zu erklären. Vielmehr lässt er in seiner Dekonstruktion eines beschaulichen Familienidylls die Bilder für sich sprechen und Fragen bereitwillig im Raum stehen. In gewisser Weise ist dieser Film ein modern-düsteres Märchen, dabei weder Thriller, noch Drama, Horror oder Fantasy. Sondern von allem eine Melange, die zu überzeugen und gefallen weiß.
7. Rich Hill (Andrew Droz Palermo/Tracy Droz Tragos, USA 2014): Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten fristen die jugendlichen Protagonisten in Rich Hill zwischen Energy Drinks und Zigaretten ein trostloses Dasein am Rande der Gesellschaft. Dabei schaffen es Andrew Droz Palermo und Tracy Droz Tragos gekonnt, das White-Trash-Stigma für ihre Figuren zu umschiffen und sie mit würdevoller Zuneigung in ihrer Gesellschaftsnische zu begleiten. Am Ende bleibt ein intimer Einblick in das toughe Leben von drei Außenseitern.
5. Schnee von gestern (Yael Reuveny, D/IL 2013): Die Rückkehr ins Land der Täter ist wohl für wenige Shoa-Überlebende und deren Familie erträglich. Zu groß ist der Schmerz, den der Verlust von geschätzt 5,6 Millionen Opfern hinterließ. Auch für die Familie der Israelin Yael Reuveny. Umso größer war deren Unverständnis als sie erfahren, dass der Großonkel nach dem Krieg in Deutschland blieb. Reuveny gelingt mit Schnee von gestern eine bewegende Reise in die Vergangenheit, die gleichzeitig Hoffnung für die Zukunft macht.
4. Finding Vivian Maier (John Maloof/Charlie Siskel, USA 2013): In ihrer Dokumentation über ein Kindermädchen, das sich erst nach seinem Tod als eine der besten Straßenfotografinnen des 20. Jahrhunderts entpuppt, gelingt John Maloof und Charlie Siskel ein faszinierender Einblick in eine schwer zu greifende Persönlichkeit. Für die Künstlerin Vivian Maier aber bekommen die Zuschauer dagegen ein besseres Gespür. Maiers Bilder zeugen dabei von einer künstlerischen Qualität, die auch Finding Vivian Maier selbst innewohnt.
3. Enemy (Denis Villeneuve, CDN/E 2013): In der Folklore gilt ein Doppelgänger als Vorbote von Unglück und als Todesomen für die Person, die ihn sieht. In Enemy adaptierte Denis Villeneuve den Roman „Der Doppelgänger“ von José Saramago – allerdings von Villeneuve weitaus mystischer aufgeladen und mit viel Interpretationsspielraum. Kryptische Traumsequenzen bitten den Zuschauer um Wiederholungssichtungen, aber eine definitive Antwort auf alle offenen Fragen werden auch diese vermutlich nicht bereithalten.
2. Jodorowsky’s Dune (Frank Pavich, USA/F 2013): Wer schon mal Alejandro Jodorowsky in einem Audiokommentar gehört hat, weiß, dass dieser Mann geboren wurde, um Geschichten zu erzählen. Und welche eignet sich besser als die jenes Films, der zum Prophet einer eigenen Religion werden sollte. Frank Pavich vermittelt hier einen Eindruck, wie Jodorowskys Adaption von Frank Herberts „Dune“ ausgesehen hätte. Und wie Jodorowsky’s Dune zeigt, wurde diese auch ohne ihre Entstehung zu einer Art von Kino-Prophet.
1. Nightcrawler (Dan Gilroy, USA 2014): Eine fast ähnlich große Ambition wie Alejandro Jodorowsky in seinem Dune-Projekt legt der scharfzüngige Lou Bloom in Dan Gilroys Debütfilm Nightcrawler an den Tag. Jake Gyllenhaal liefert als soziopathisch veranlagter Unfallreporter die Darbietung seines Lebens ab, während seine Figur um sich herum einen für ihre Umwelt destruktiven Malstrom erschafft. Dan Gilroy gelingt ein mitreißender Urban-Media-Thriller, der im Finale nochmals die Spannungsschraube andreht.