Was wichtig ist, fällt einem schwer zu sagen. Und was bedeutungslos ist, dagegen leicht. Zu dieser Erkenntnis gelangen auch der Übersetzer Heiichirō (Sada Keiji) und seine Schwester Kayoko (Sawamura Sadako) im Verlauf von Ohayō [Good Morning], dem 2. Farbfilm des japanischen Regisseurs Ozu Yasujirō. Bekannt für seine Dramen, sticht Ohayō ein wenig aus dem Œuvre Ozus hervor durch seine Zugehörigkeit ins Komödienfach. So ist einer der Running Gags des Films die Wiederholung eines Furz-Witzes, dem hauptsächlich die Kinder-Figuren der Geschichte frönen. Im Kern ist Ohayō jedoch, wie der Filmwissenschaftler David Bordwell im Bonusmaterial der Criterion Blu-ray-Edition treffend bemerkt, ein Film über Kommunikation.
Diese äußert sich vielschichtig, reicht vom Verbalen bis hin zum Medialen. In einem Vorort Tokios vernachlässigen der 13-jährige Minoru (Koji Shitara) und sein 7 Jahre alter Bruder Isamu (Shimazu Masahiko) ihre Englisch-Nachhilfe bei Heiichirō, um stattdessen bei einem jungen benachbarten Ehepaar auf deren Fernseher gemeinsam mit ihren Freunden Sumo-Kämpfe zu bestaunen. Von ihrer Mutter (Miyake Kuniko) gescholten, fordern die Brüder ein Fernsehgerät für das eigene Haus. Als ihre Eltern dies ablehnen, legen sich die Buben kurzerhand ein Schweigegelübde auf – verweigern also die Kommunikation. Ihr Vorwurf: Erwachsene würden sich zu sehr in Floskeln retten und letztlich nichts sagen, Kindern aber den Mund verbieten.
Ihr Schweige-Streik bleibt nicht ohne Konsequenzen, für sie selbst als auch ihre Mutter. Diese hat als Schatzmeisterin des lokalen Frauenvereins die monatliche Gebühr an die Vorsitzende Haraguchi (Sugimura Hariko) weitergereicht, diese das Geld jedoch angeblich nicht erhalten. Dass sie sich aber eine neue Waschmaschine gönnte, erregt Aufmerksamkeit – und erweckt Zweifel. Bald brodelt in der Nachbarschaft die Gerüchteküche, die dann im Verlauf auch schnell umschlägt als Frau Haraguchi selbst solche streut. Kommunikation scheint allgegenwärtig in Ohayō, so auch in Person eines traurigen Handelsvertreters (Tonoyama Taiji), der versucht, Haushaltsartikel in der Nachbarschaft an den Mann bzw. die Frau zu bringen.
Ähnlich schwer tut sich Heiichirō – der sein Geld mit dem Kommunizieren vom Japanischen ins Englische verdient – damit, seine Gefühle für Setsuko (Kuga Yoshiko), Minorus und Isamus Tante, einzugestehen. Obschon eine Komödie, erzählt Ohayō aber nicht nur Humorvolles, sondern unterfüttert seine Geschichte durchaus mit ernsten Themen. Beispielsweise die schwierige wirtschaftliche Lage Japans in den 1950er Jahren. So ist Heiichirō momentan arbeitslos und auch der etwas ältere Tomizawa (Tōno Eijirō) sucht einen Job, da er mit seiner Rente nicht über die Runden kommt. Lebensmittel wie Spinat sind teuer, weshalb es zum Missfallen von Minoru und Isamu an jedem Wochentag Stockfisch und Miso-Suppe gibt.
Insofern zeigt Ozu relativ geschickt, “how often serious and unserious matters can (…) seem interchangable”, wie Filmkritiker Jonathan Rosenbaum in seinem Criterion-Essay “Structures and strictures in suburbia” schreibt. Die Faszination der Kinder für das Fernsehgerät, wie auch ihr Englischunterricht und der Waschmaschinenkauf der Haraguchis, zeugen vom wachsenden westlichen Einfluss auf die japanische Gesellschaft, wie ihn Ozu auch in seinen finalen Film Sanma no aji [An Autumn Afternoon] später einbaut. “Someone said TV will create 100 million idiots”, meint der Vater (Chishū Ryū) von Minoru und Isamu zum Aufbegehren für den Fernseher. “It’s the rebellious phase”, tut seine Gattin den Streik der Jungen ab.
Besonders Shimazu-chan gefällt mit seinem aufbrausenden Temperament und gleichzeitigen kindlichen Unbedarftheit (“I love you”), während er teils hin- und hergerissen scheint zwischen Loyalität zu Minoru und seinen täglichen Bedürfnissen. Ozu wiederum schafft es, selbst dem Furz-Witz – die Jungen konsumieren Bimssteine, um Blähungen zu erzeugen – in all seiner Redundanz immer wieder neue Facetten beizusteuern. Rosenbaum macht dann in dem Furz-Spiel von Minoru und Co. “the boys’ way of saying ‘Good morning’ to each other” aus, obschon sie ihre Eltern im Speziellen und Erwachsene allgemein gerade für alltäglich kommunizierte Floskeln wie „Guten Morgen“, „Schönes Wetter heute“ etc. an den Pranger stellen.
Der Humor in Ohayō erinnert entfernt an den eines Jacques Tati, ist aber – entgegen mancher Annahme – prinzipiell nicht ungewöhnlich für Ozu (so gerät auch Sanma no aji durchaus amüsant). Dies zeigt auch sein früher Stummfilm I Was Born, But… von 1932, als dessen Quasi-Remake Ohayō gilt, selbst wenn die Filme prinzipiell wenig gemein haben, außer dass in ihrem Verlauf zwei Brüder in einem Vorort Tokios gegen ihre Eltern streiken. Am Ende von Ohayō verkehrt sich alles irgendwie ins Positive, ungeachtet der Kommunikation der Figuren. Bedeutungslose Dinge sagen sich leicht, wichtige Dinge fallen schwer – Ozu Yasujirō dagegen besitzt das Talent, das Bedeutungsvolle und Bedeutungslose mit Leichtigkeit zu verknüpfen.
Diese äußert sich vielschichtig, reicht vom Verbalen bis hin zum Medialen. In einem Vorort Tokios vernachlässigen der 13-jährige Minoru (Koji Shitara) und sein 7 Jahre alter Bruder Isamu (Shimazu Masahiko) ihre Englisch-Nachhilfe bei Heiichirō, um stattdessen bei einem jungen benachbarten Ehepaar auf deren Fernseher gemeinsam mit ihren Freunden Sumo-Kämpfe zu bestaunen. Von ihrer Mutter (Miyake Kuniko) gescholten, fordern die Brüder ein Fernsehgerät für das eigene Haus. Als ihre Eltern dies ablehnen, legen sich die Buben kurzerhand ein Schweigegelübde auf – verweigern also die Kommunikation. Ihr Vorwurf: Erwachsene würden sich zu sehr in Floskeln retten und letztlich nichts sagen, Kindern aber den Mund verbieten.
Ihr Schweige-Streik bleibt nicht ohne Konsequenzen, für sie selbst als auch ihre Mutter. Diese hat als Schatzmeisterin des lokalen Frauenvereins die monatliche Gebühr an die Vorsitzende Haraguchi (Sugimura Hariko) weitergereicht, diese das Geld jedoch angeblich nicht erhalten. Dass sie sich aber eine neue Waschmaschine gönnte, erregt Aufmerksamkeit – und erweckt Zweifel. Bald brodelt in der Nachbarschaft die Gerüchteküche, die dann im Verlauf auch schnell umschlägt als Frau Haraguchi selbst solche streut. Kommunikation scheint allgegenwärtig in Ohayō, so auch in Person eines traurigen Handelsvertreters (Tonoyama Taiji), der versucht, Haushaltsartikel in der Nachbarschaft an den Mann bzw. die Frau zu bringen.
Ähnlich schwer tut sich Heiichirō – der sein Geld mit dem Kommunizieren vom Japanischen ins Englische verdient – damit, seine Gefühle für Setsuko (Kuga Yoshiko), Minorus und Isamus Tante, einzugestehen. Obschon eine Komödie, erzählt Ohayō aber nicht nur Humorvolles, sondern unterfüttert seine Geschichte durchaus mit ernsten Themen. Beispielsweise die schwierige wirtschaftliche Lage Japans in den 1950er Jahren. So ist Heiichirō momentan arbeitslos und auch der etwas ältere Tomizawa (Tōno Eijirō) sucht einen Job, da er mit seiner Rente nicht über die Runden kommt. Lebensmittel wie Spinat sind teuer, weshalb es zum Missfallen von Minoru und Isamu an jedem Wochentag Stockfisch und Miso-Suppe gibt.
Insofern zeigt Ozu relativ geschickt, “how often serious and unserious matters can (…) seem interchangable”, wie Filmkritiker Jonathan Rosenbaum in seinem Criterion-Essay “Structures and strictures in suburbia” schreibt. Die Faszination der Kinder für das Fernsehgerät, wie auch ihr Englischunterricht und der Waschmaschinenkauf der Haraguchis, zeugen vom wachsenden westlichen Einfluss auf die japanische Gesellschaft, wie ihn Ozu auch in seinen finalen Film Sanma no aji [An Autumn Afternoon] später einbaut. “Someone said TV will create 100 million idiots”, meint der Vater (Chishū Ryū) von Minoru und Isamu zum Aufbegehren für den Fernseher. “It’s the rebellious phase”, tut seine Gattin den Streik der Jungen ab.
Besonders Shimazu-chan gefällt mit seinem aufbrausenden Temperament und gleichzeitigen kindlichen Unbedarftheit (“I love you”), während er teils hin- und hergerissen scheint zwischen Loyalität zu Minoru und seinen täglichen Bedürfnissen. Ozu wiederum schafft es, selbst dem Furz-Witz – die Jungen konsumieren Bimssteine, um Blähungen zu erzeugen – in all seiner Redundanz immer wieder neue Facetten beizusteuern. Rosenbaum macht dann in dem Furz-Spiel von Minoru und Co. “the boys’ way of saying ‘Good morning’ to each other” aus, obschon sie ihre Eltern im Speziellen und Erwachsene allgemein gerade für alltäglich kommunizierte Floskeln wie „Guten Morgen“, „Schönes Wetter heute“ etc. an den Pranger stellen.
Der Humor in Ohayō erinnert entfernt an den eines Jacques Tati, ist aber – entgegen mancher Annahme – prinzipiell nicht ungewöhnlich für Ozu (so gerät auch Sanma no aji durchaus amüsant). Dies zeigt auch sein früher Stummfilm I Was Born, But… von 1932, als dessen Quasi-Remake Ohayō gilt, selbst wenn die Filme prinzipiell wenig gemein haben, außer dass in ihrem Verlauf zwei Brüder in einem Vorort Tokios gegen ihre Eltern streiken. Am Ende von Ohayō verkehrt sich alles irgendwie ins Positive, ungeachtet der Kommunikation der Figuren. Bedeutungslose Dinge sagen sich leicht, wichtige Dinge fallen schwer – Ozu Yasujirō dagegen besitzt das Talent, das Bedeutungsvolle und Bedeutungslose mit Leichtigkeit zu verknüpfen.
7.5/10