Posts mit dem Label Imogen Poots werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Imogen Poots werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

28. August 2020

Vivarium

Coffee?

Das Elterndasein kann die Hölle sein – in Lorcan Finnegans Vivarium darf dies gerne bildhaft verstanden werden. Eigentlich sind darin Gemma (Imogen Poots) und Tom (Jesse Eisenberg) nur auf der Suche nach einem gemeinsamen Haus, was sie dann jedoch erwartet, ist ein 18 Jahre währendes Martyrium in der als Metapher dienenden Wohnanlage “Yonder”. Diese beherberge eigentlich eine bunt gemischte Nachbarschaft, versichert dem Paar der schrullige Makler Martin (Jonathan Aris). Zudem sei die Lage zur Großstadt ideal: “Near enough. And far enough. Just the right distance.” Obschon nicht wirklich interessiert, werfen Gemma und Tom doch einen Blick nach dort drüben (engl. yonder) – bereuen dies aber bereits alsbald.

“Quality family houses. Forever”, preist sich Yonder an. Seines Zeichens eine gleichförmige Reihenhaussiedlung, in der nicht nur jedes Haus identisch aussieht, sondern jeder Raum darin der Mise en abyme folgt, indem er ein Bild des jeweiligen Zimmers beherbergt. Nach einer Führung durch den Garten ist Martin plötzlich verschwunden, Gemma und Tom wiederum in Yonder gestrandet, ein verkehrstechnischer Ausweg für ihr Auto unauffindbar. Stattdessen erwartet sie ein Paket mit einem neugeborenen Jungen darin. “Raise the child and be released”, lautet eine Botschaft. Ihre Freiheit scheint das junge Paar somit erst wiederzuerlangen, wenn der Nachwuchs groß genug ist, dass er auf eigenen Beinen stehen kann.

Finnegan inszeniert diese Eltern-Metapher über weite Strecken ziemlich plakativ, beispielsweise wenn Gemma und Tom die Hausnummer 9 zugeteilt bekommen, gemäß der neun Höllenkreise aus Dantes „Göttlicher Komödie“, oder das vermeintliche Idyll von Yonder ins Gegensätzliche verkehrt wird durch seine multiplikatorische Verzerrung. Vivarium kondensiert dieses scheinbare Fegefeuer nochmals durch die Tatsache, dass das aufzuziehende Kind durchaus schneller altert als in der Realität. Nach einem Zeitsprung von 98 Tagen ist es bereits so groß wie ein Sechsjähriger, folglich darf davon ausgegangen werden, dass mit Ablauf eines Jahres die Volljährigkeit erreicht wäre – obschon die psychische Entwicklung nicht der physischen entspricht.

Gemma und Tom lassen sich nur bedingt auf ihre Elternrolle ein, gefüttert wird das Kind, weil es erst dann aufhört zu schreien. Ansonsten referiert Tom den Jungen nur als “it”, während etwaige Mutter-Anreden gegenüber Gemma stets von dieser mit “not your mother”-Repliken abgekanzelt werden. Prinzipiell eine verständliche Haltung, die nach fast 100 Tagen und einem unveränderten Status quo – obschon Tom in einer Sisyphus-Beschäftigung Hoffnung zu schöpfen beginnt – aber etwas naiv erscheint. Warum sich nicht einfach in der Aufgabe verlieren, die Elternrolle annehmen? Zumal die Lage keine Alternativen liefert. Vivarium bietet seinen beiden Figuren nur wenig Entlastung, zugleich wird auch von ihnen kaum eine solche besorgt.

“It’s only horrible sometimes”, hatte Gemma in ihrer Funktion als Lehrerin einer ihrer Grundschülerinnen mit auf den Weg gegeben, als diese einen toten Vogel vor der Schule fand. Ähnlich ließe sich die Aussage auf das Elterndasein münzen und die augenscheinliche Hölle, in einem biederen Vorort gefangen, ein Kind auf Kosten der eigenen Freiheit erziehen zu müssen. Während Jesse Eisenberg grundsätzlich ideal für die Rolle des narzisstischen Arschlochs zu passen scheint, allerdings keinerlei Nuancen in seiner Darstellung von Tom findet, erscheint Gemmas Widerstreben angesichts ihrer pädagogischen Qualifikation etwas überraschend, wird jedoch ebenfalls nicht sonderlich von Imogen Poots im Verlauf vertieft.

Vivarium funktioniert prinzipiell wegen seiner Metapher, die zwar selten sonderlich subversiv gerät, aber dennoch weitestgehend unterhaltsam. Aus der Prämisse hätte sicher etwas mehr gemacht werden können, der Film, obschon nur 90 Minuten lang, verliert sich etwas in seinem Übergang vom zweiten zum dritten Akt. Generell wäre das Konzept vermutlich als halb so lange Episode à la The Twilight Zone etwas runder geraten, Finnegans Film ist in einem von Corona-geprägten Filmjahr dann aber doch originell genug, um zu den gelungeneren Beiträgen des Jahres zu zählen. Elternschaft kann mühselig sein, Soren Kierkegaard verglich Mühsal mit einer Straße: Es müsse zu etwas führen und gangbar sein – sonst wird es zur Einbahnstraße.

7/10

9. Juli 2016

Popstar: Never Stop Never Stopping

Boom, parent trap!

Branchenkomödien können eine delikate Angelegenheit sein, da sie Dinge karikieren, die in der Regel bereits für sich oft nah an der Lächerlichkeit sind. Insofern eint Popstar: Never Stop Never Stopping, der zweite Kinofilm von The Lonely Island, relativ viel mit Ben Stillers Zoolander. Beide setzen eine ziemlich minderbemittelte, aber nichtsdestotrotz (oder gerade deswegen) von der Öffentlichkeit geliebte Figur in ein narzisstisches Medienumfeld. Wo Stiller das männliche Model Derek Zoolander mimte, schlüpft SNL-Veteran Andy Samberg in die Rolle des Popstars Conner4real, der nach einem Zwist mit seiner lange Jahre erfolgreichen Band The Style Boyz ein Solo-Projekt startete, dessen zweites Album inzwischen sehnsüchtig erwartet wird.

Die Co-Stars Akiva Schaffer und Jorma Taccone inszenieren Popstar: Never Stop Never Stopping dabei als Mockumentary, die sich vom Stil her weniger an This Is Spinal Tap orientiert als vielmehr an Andy Sambergs HBO-Kurzfilm 7 Days In Hell aus dem vergangenen Jahr. Der Film folgt dabei als Dokumentation den Wochen vor Conners Album-Release sowie der kurz danach beginnenden Tournee und all den Widrigkeiten, die sich für den Musik-Star in der Folge ergeben. Unterfüttert wird dieses „Archivmaterial“ mit Talking Heads anderer Musikgrößen, von Usher über Questlove bis hin zu RZA oder Carrie Underwood sowie Conners engerem Zirkel, darunter Band-Manager Harry (Tim Meadows) und Publizistin Paula (Sarah Silverman).

Conner selbst lebt dabei das Leben eines durchweg gepamperten Stars, der von Ja-Sagern umgeben ist. Ein Großteil der Entourage, wie sie im Trailer auftauchte (u.a. Will Forte als privater Dudelsack-Spieler), fiel dem Schnitt zur Last. Kurz erwähnt wird Roadie Zippy (Bill Hader), am prominentesten kommt noch Privatkoch Tyrus Quash (Justin Timberlake) daher. Im Zentrum steht jedoch Conner und sein drohender Album-Flop. Der bahnt sich bereits an, als der Star einen Deal mit einem Küchenwaren-Hersteller eingeht, der das Album des Künstlers automatisch in all seine Applikationen herunterlädt. Das “Songs of Innocence”-Debakel von U2 und iTunes lässt grüßen. Aber auch mit dem Album-Inhalt selbst tut sich Conner keinen Gefallen.

Mit 100 Produzenten arbeitete er zusammen, um lauter Hits zu garantieren. Doch zünden wollen die Songs nicht. Sei es seine Gleichberechtigungshymne Equal Rights, in der Conner zwar die Ehe von Homosexuellen befürwortet, sich selbst von dieser Gruppe jedoch distanziert (“Not gay”). Die Folge sind “mixed reviews”, wie es Conner kurz darauf selbst bei der Lektüre der Kritiken nennt, die von Negativwertungen bis hin zu Shit-Emojis reichen. Da hilft auch nicht Conners fingierte Beziehung zu einem britischen Film-Starlet (Imogen Poots), weshalb Harry kurzerhand die Reißlinie zieht. Er engagiert den aufstrebenden Rapper Hunter (Chris Redd) als Opening Act für die Tour – nur entwickelt sich der daraufhin verstärkt zum eigentlichen Star.

Vom umjubelten VIP gerät Conner immer mehr ins Abseits. Als einziger Freund, wenn auch nicht gewürdigt, erweist sich sein DJ Owen (Jorma Taccone), mit dem er einst bei den Style Boyz auftrat. Bis zu dem Moment, wo er Lawrence (Akiva Schaffer), das dritte Mitglied, durch seinen Egoismus verprellte. Der lebt seither auf einer Farm, während Owen alles daran setzt, die beiden ehemaligen Freunde getreu dem Lindsay-Lohan-Film The Parent Trap in einen Raum zu bringen, um sich auszusöhnen. Denn eine Reunion der Style Boyz geht nur als Trio, wie Lawrence später erläutert. “Like a tricycle. You take one wheel away, what do you got? Nothing!” Insofern ist die Richtung – und das Ende – des Films weitestgehend vorgegeben.

Von seiner Geschichte her will Popstar: Never Stop Never Stopping nur bedingt funktionieren, zu inkohärent ist diese inszeniert. So amüsant die namhaften Cameos auch sind, wirkt ihr Input zur musikalischen Bedeutung der Style Boyz oder von Conners Catchphrases (“Doinkdedoink”) nicht allzu glaubwürdig. Eine mehr interaktive Herangehensweise à la Entourage wäre hier überzeugender gewesen. Insofern hangelt sich der Film ein wenig von Vignette zu Vignette, die mal mehr und mal weniger zünden. Zugleich sollte man schon ein Fan von The Lonely Island und deren Humor sein, wie in Hot Rod oder den SNL Digital Shorts zu sehen. Der heimliche Star, so erklärt sich wohl auch die Herangehensweise an den Film, sollen aber die Songs sein.

Schließlich waren es Lieder wie Jizz In My Pants (153 Millionen Aufrufe) oder Like a Boss (142 Mio.), mit denen The Lonely Island sich auf YouTube einen Namen gemacht haben. Und eines kann man der Gruppe wahrlich nicht vorwerfen: dass es an guten Beats mangelt. Egal ob I’m So Humble mit YOLO-Co-Star Adam Levine oder Mona Lisa (“You’re an overrated piece of shit”), die Tracks gehen ins Ohr – auch wenn sie nicht zu den unsterblichen Stücken von The Lonely Island avancieren werden. Aber egal ob es die Hologramm-Show zu I’m So Humble ist oder der genial choreografierte Bühnenauftritt zu The Finest Girl (“Fuck Bin Laden”) – The Lonely Island wissen, wie sie sich und ihre infantil-vulgäre Musik amüsant inszenieren.

Im Gegensatz zu Hot Rod brennen sie allerdings nicht gerade ein Gag-Feuerwerk ab, etwas mehr Arbeit hätten sie also durchaus in ihre Charaktere stecken können. So ist Popstar: Never Stop Never Stopping eine leidlich gelungene Persiflage auf den modernen Pop-Zirkus, jenseits hier und da auftauchender Verballhornung von Branding und Selbstvermarktung. Ein Blick hinter die Kulissen wie im vergangenen Jahr Beyond the Lights will der Film sicher auch nicht sein, eine vollends überzeugende Branchenkomödie ist er allerdings ebenso wenig. “It’s the thought that counts”, erklärt Conner in einer späteren Szene einen Fauxpas gegenüber Owen. Und in gewisser Weise ließe sich dies auch über Popstar: Never Stop Never Stopping sagen.

7/10