7. April 2007

300

Brave amateurs. They do their part.

Damals im Kino war ich ja sehr angetan von 300, die Action und die Optik hatten einen extrem hohen Unterhaltungswert. Im Zuge der Neustrukturierung meiner diesjährigen Top-5 habe ich alle Film der Liste einer zweiten Sichtung unterzogen und es gab in der Tat eine Neuordnung. Trotz allem ist 300 aber der unterhaltsame Slaher-Film geblieben, als den ich ihn in Erinnerung behalten hatte. Es zeigt sich, dass Zach Snyder doch mehr Talent besitzt, als man ihm vielleicht zuzutrauen bereit war, da mag man von Dawn of the Dead und 300 denken was man will, aber eine gewisse Vorfreude auf Watchmen weckt das ganze dann schon. Basierend auf den Comic von Frank Miller, welcher wiederum die historischen Ereignisse der Schlacht in den Thermopylen zur Grundlage seiner Erzählung hatte, bekommt hier der Zuschauer vor allem eines nicht: eine Lektion in Geschichte. Miller war seiner Zeit beeindruckt von dem Film The 300 Spartans (Der Löwe von Sparta) gewesen und hatte anschließend – da von Militärgeschichte begeistert – die Geschehnisse nachrecherchiert. Das macht jedoch weder den Comic noch den Film zu etwas von geschichtlicher Bedeutung, 300 ist kein Monumental-, sondern ein Fantasyfilm.

Tatsächlich wurden die spartanischen Jungen, wie in 300 dargestellt, von ihrem 7. Lebensjahr an militärisch erzogen, sprich alle Jungen waren wehrpflichtig. Leonidas selber war bei Ausbruch des Perserkrieges 481 jedoch schon über 50 Jahre alt gwesen und hatte in keiner Weise die Autorität gehabt, Xerxes oder dem Perserreich den Krieg zu erklären. Schon allein deshalb nicht, weil die Spartaner traditionell zwei Könige hatten, die jedoch mehr Feldherren wie Könige waren. Ebensowenig war Leonidas auf eigene Faust und vorab geplant zu den Thermopylen gezogen, sondern geschah dies im Zuge eines strategischen Feldzuges unter Mitwirkung des spartanischen Ältestenrates. Für Spartaner war es sicher nicht selbstverständlich freiwillig den Tod in der Schlacht zu suchen - die Entscheidung Leonidas' an den Thermopylen zurück zu bleiben, weckte gerade dadurch Bewunderung, da es im Prinzip ein Einzelfall war. Perserkönig Xerxes wird auch sicher nicht so ausgesehen haben, wie er im Film dargestellt wird (Schmuck behangen und haarlos), genauso wenig werden in den Perserreihen Mutanten und sonstige Kreaturen mitgekämpft haben (was sich von selbst verstehen dürfte). Der Einsatz von Granaten ist ein weiteres Beispiel für die Unernsthaftigkeit der Handlung

Neben der historischen Grundlage (300 Spartaner besetzten einen Pass und verteidigten diesen bis auf den Tod gegen Xerxes’ Perserarmee) erzählt 300 eine Geschichte voller Pathos: Perserkönig Xerxes (Rodrigo Santoro) will das Hellenenreich erobern und rückt mit seinen Truppen vor. Der Spartanerkönig Leonidas (Gerard Butler) will sein Volk nicht der Sklaverei aussetzen und erklärt Xerxes den Krieg. Da er hierbei jedoch keine Unterstützung des Ältestenrates erfährt, zieht er auf eigene Faust mit 300 weiteren Spartanern gezielt zu den Thermopylen, um den Engpass ins Hellenenreich zu besetzen. Problemlos hält er drei Tage lang mit seinen Männern gegen eine Überzahl von Feinden stand, ehe der Verräter Ephialtes den Persern einen geheimen Pass in den Rücken von Leonidas’ Truppen offenbarte. Währenddessen versucht Königin Gorgo (Lena Headey) in Sparta den Ältestenrat zur Truppenunterstützung ihres Mannes zu bewegen und muss sich mit dem korrupten Theron (Dominic West) auseinandersetzen.

Was Zack Snyder mit 300 visuell gelungen ist, lässt sich einfach nur als atemberaubend beschreiben, die Bilder sind in so prächtige Farben getaucht, dass man wirklich nur staunen kann. Auch vom Ton und Schnitt her lässt es sich wohl kaum besser machen und jener Effekt wird besonders dadurch erreicht, dass Snyder den Film mit doppelter und teils sechsfacher Geschwindigkeit drehen ließ, um ihn anschließend in normaler Geschwindigkeit wieder abspielen zu lassen, was dann in den zeitlupeartigen Bilden resultierte. Die musikalische Untermalung von Tyler Bates ist wahrlich perfekt, auch wenn ihm Plagiatsvorwürfe gegenüber Elliott Goldenthal’s Score für Titus gemacht worden sind. Vom technischen Aspekt her kann man dem Film also keinen Vorwurf machen - aber das wurde bereits im Vorfeld überall gesagt.

Man darf jedoch keinesfalls vergessen, dass 300 vom Zuschauer nicht ernst genommen werden will, das zeigt Snyder ziemlich deutlich. Gerade deswegen lassen Miller und Snyder auch Dilios die Geschichte erzählen, um ihr gezielt einen subjektiven Charakter zu verleihen. Die Geschichte von Frank Miller und der Film von Snyder wollen keine historischen Fakten präsentierten und kein Monumentalepos sein - sondern Unterhaltung. Von der viel gehörten Kritik, dass in 300 ständig halbnackte Menschen zu sehen ist, muss ich Abstand nehmen. Die Spartaner waren für ihre spärliche Kleidung bekannt, sicherlich hatte damals kaum einer einen gestählten Waschbrettbauch, aber das ist ja auch Eigenheit des Films. 300 erzählt eine ihm eigene Geschichte (aus der subjektiven Sicht Dilios' an seine Mit-Spartaner gerichtet) und ist für mich durch und durch Fantasy. Der Kampf des Guten gegen das Böse, versinnbildlicht durch körperliche Missbildungen oder Mutanten jeglicher Art. Dazu das ständige Harooh! der Spartaner, das für ihre Gemeinschaftlichkeit steht. Zugegeben, Dilios' (David Wenham) pathetische Lobhudeleien aus dem Off hätten weniger sein können, aber was solls. Die Kampfszenen selber sind ein Genuss für das Auge (ohne jetzt Gewalt zu verherrlichen), aber absolut wunderschön anzusehen und glänzend choreographiert.

Was man eben nicht darf, ist diesen Film politisieren. Xerxes und seine Perser haben in meinen Augen nichts mit 1. dem damaligen Xerxes per se und 2. mit den heutigen Persern, bzw. Iranern zu tun. Miller hat einfach eine Schlacht von vielen in der Antike ausgeschlachtet, aufgrund ihrer historischen Bedeutung und ihrem Beitrag zum Ruhm der Spartaner (welcher 100 Jahre später vorbei sein würde). Snyder will nichts anderes als unterhalten, dies tut er durch die Videoclip-Ästhetik, die Hack&Slay Gewalt, die Waschbrettbäuche und Titten. 300 ist ein durchgestyltes B-Movie auf höchstem Niveau in meinen Augen und ich hatte mich seit langem nicht mehr so köstlich amüsiert im Kino wie bei diesem Film. Dabei ist 300 an sich ist nicht vergleichbar mit Sin City oder jedem besserem Monumentalfilm wie Ben Hur. Für sich gesehen ist er aber nahezu perfekt und ein Meisterwerk. Snyder schafft es sogar filmische Anekdoten an Klassiker wie Gladiator oder The Fellowship of the Ring zu liefern, besonders in der golumschen Figur des Verräters Ephialtes. Der Film leidet aber darunter, dass er gute 20 Minuten zu lang ist und sich durch die Einschübe von Königin Gorgo nur hinauszögert, was aufgrund der historischen Fakten und im Vergleich zum Comic absolut unnütz für die eigentliche Handlung war.

8/10

9 Kommentare:

  1. Wow, ganz schön umfangreicher Text! :eek: Im Kern stimme ich Dir natürlich zu, unsere Bewertungen sind ja auch nicht gerade weit voneinander entfernt. Hast Du den eigentlich in der Synchro oder in der OV gesehen (warst in BB)?

    Noch mal gucken würde ich den schon, aber dann bitte in der OV! Die Synchro Xerxes ging ja mal gar nicht.

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  2. Interessant mal eine positive Meinung zum Film zu lesen. Wie du ja auch andeutest, auf 300 ist ja von allen Seiten rumgehackt worden. Ob zurecht, kann ich nicht beurteilen, weil er mich nicht wirklich reizt. Ich hab den Trailer gesehen und wusste: Ist nichts für mich. Am Spannendsten an 300 sind für mich deshalb die hitzigen Debatten in den Filmforen ;-)

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  3. @grammaton

    Hab ihn im Vaihinger Corso Kino in der OV gesehen, weil ich mir dachte, dass er da geiler rüberkommt und mich schon Butler's "This is Sparta!" aus dem Trailer so angemacht hat.

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  4. Ja, da will ich auch unbedingt mal hin, ins Corso.

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  5. off topic: Vaihingen Enz? du bisch also a n schwoab?! sowas aba au

    zum Film: der macht einfach nur Spaß, die Filmoptik, die Charaktere, die Handlung... man darf halt nur nicht allergisch auf große reden und Pathos sein, dann passt das. Leider ist er im heimkino etwas unterdosiert *g*

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  6. Gebürtiger Sindelfinger, wenn man so will. Das Corso war toll, aber hier in Bremen laufen die großen Filme im Cinemaxx auch stets OV und die kleinen Notfalls in Hamburg.

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  7. machen sich die Nordlichter über deinen Aktzent lustig?!

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  8. Manchmal. Aber ich schwäbel nicht wirklich, das sind eher Phrasen wie "des weisch aber", die hier für Verwunderung sorgen.

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  9. Ok. Dieses Review hatte ich schon mal vor längerer Zeit gelesen, wie ich gerade bemerkt habe. Dass Snyder einen Fantasyfilm gedreht hat und keine politisches Gleichnis im Historienfilmgewand, sehe ich ebenfalls. Maté hat ja vor dem Hintergrund des Kalten Krieges einen Film gegen den Totalitarismus gedreht, der sehr schwankend in seiner künstlerischen Durchdringung des Stoffs ist. Snyder hingegen will nichts von der Geschichte, sondern alles von dem Gefühl. Es ist Gefühlsmobilisationskino, das von bedenklichen Energien profitiert und sie ausbedeuted unter dem Deckmantel des Popcornfilms. Inhaltlich sollte man den Film in der Tat nicht politisieren, aber seine formale und emotionale Konzeption ist ideologisch. That's it. Naja, wie anderenorts von dir geschrieben: darüber kommen wir wohl nicht mehr zu einer gemeinsamen Meinung.

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