14. Mai 2007

Funny Games

Sie dürfen den Unterhaltungswert nicht vergessen.

Meine Fernsehzeitung bezeichnete Michael Haneke's Werk von 1997 mit dem Satz "Achtung, spielt mit den Sehgewohnheiten und ist sehr hart", ein Bloggerkollege beschrieb mir den Film als mindfuck - mehr musste ich nicht wissen und schon war das Teil aufgenommen und gestern Abend zu Gemüte geführt worden. Vorab will ich schon mal sagen, dass ich den Film nicht zu hart fand. Jedenfalls von seiner Gewalt. Und generell auch nicht. Hart ist das falsche Wort. Oder ich bin einfach nur "abgehärtet".

Ich will nicht lange versuchen auf mein Fazit zu kommen, sondern erarbeite lieber aus meinen Fazit heraus weiter: Funny Games ist ein klasse Film. Mehr als Klasse, das Drehbuch sucht seinesgleichen. Hab seit Memento glaube ich nicht mehr solch ein gutes Thriller-Drehbuch gesehen. Hier stimmt alles, jede Handlung, jeder Dialog, alles am richtigen Platz. Da hat sich Haneke selbst übertroffen. Zwei junge Männer, die wahl- und motivlos eine dreiköpfige Familie quälen, dabei aber immer höflich, ruhig und sachlich bleiben und sich brav für alles bedanken, was sie bekommen.

Nach der ersten Stunde war ich total aus dem Häuschen und war bereit dem Film die volle Punktzahl zu geben. Als Haneke aber nach dem ersten Showdown die Kamera fünf Minuten auf der selben Szene lässt, in welcher nichts passiert und nur zwei Sätze geredet werden, wurde meine Geduld ein wenig übertrapaziert und ich war froh als Paul und Peter wieder im Haus waren. Die darstellerischen Leistungen von allen Beteiligten sind top, die von Arno Frisch (Paul) überragt jedoch alle. Mit seinem österreichischen Akzent und seiner kurzen Hose, dazu das Lächeln. Richtig toll.

Das Konzept von Funny Games ist aber dabei im Grunde das, was mir beim Film so gefallen hat. Am Anfang fragt Georg Paul noch, warum die beiden jungen Kerle all das tun, worauf Paul nur entgegnet "Warum nicht?". Dies wird im Laufe des Filmes und besonders am Ende erklärt, bzw. deutlich. Was der Zuschauer in Funny Games sieht, ist (nur) ein Film. So sehe ich das zumindest. Funny Games ist ein Film, den man sicher immer wieder sehen kann, um ihn zu entschlüsseln. Meine Interpretation ist, mich auf das Gespräch der beiden am Ende berufend, dass Paul und Peter echt sind, real, während die Familie Fiktion ist.

Paul durchbricht mehrfach die Vierte Wand, zwinkert dem Zuschauer zu, spricht ihn an, seine Gefühle ("Sie sind doch auf ihrer Seite, oder?"), handelt nach den Gesetzen des Thrillerfilms. Er lässt den Opfern die Möglichkeit zu fliehen, um die Spannung aufrecht zu erhalten und organisiert einen Zeitplan, der eine gesunde (Film)Länge ermöglicht. Das erklärt das viele Essen der beiden, erklärt wieso sie von einem Haus zum nächsten fahren, erklärt wieso Paul den Mord an Peter zurückspulen konnte. Wenn ich weiß, dass alles nur ein Film ist, kann ich als Protagonist die Mauer der Moral durchbrechen und tun und lassen was ich will. Auch Gewalt. Insbesondere Gewalt. Wäre die Szene um die 80. Minute nicht gewesen...naja, wie gesagt, vielleicht verzeihe ich sie Haneke schon beim zweiten sehen, bzw. bei seinem Remake.

9/10

4 Kommentare:

  1. Na, was habe ich gesagt? *g*

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  2. schöne kritik!
    möchte noch erwähnen, dass hollywood den film neu dreht. an das original wird dieses "remake" ganz klar nicht dran kommen.

    die besprochene szene als 5 minuten die kamera stillschweigend auf die personen zeigt, finde ich persönlich sehr stark. der betrachter fühlt sich direkt angesprochen und kann sehr gut nachvollziehen wie es sein muss zu warten bis die täter wieder zurück kommen. diese ruhe und ungewissheit.genial!

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  3. Solche Szenen zeigen natürlich immer eine besondere Realität. Wenn die Schauspieler nicht wissen, dass die Kamera an ist, zeigen sich diese natürlich umso natürlicher. Auch wenn ein Schauspieler eben in jeder Situation, vor wie hinter der Kamera, sehr authentisch wirken sollte ...

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