13. November 2007

The Three Burials of Melquiades Estrada

That’s some dead motherfucker.

Fast jeder tut es, viele haben es getan und immer mehr sind dabei es zu tun. Die Rede ist von Schauspielern und Schauspielerinnen die Regie führen. Meistens inszenieren sie sich dabei selbst, wie es Mel Gibson früher oft tat oder auch Bill Paxton getan hat. Aber auch Denzel Washington, Jodie Foster, Ben Affleck oder George Clooney führen Regie, Natalie Portman wird es auch demnächst tun. Was früher eine Seltenheit war, ist heute also fast schon Alltag, es verwundert also nicht, wenn sich auch Charaktermime Tommy Lee Jones in neue Gefilde wagt. Mit The Three Burials of Melquiades Estrada trat er vor zwei Jahren bei den Filmfestspielen von Cannes an und gewann den Preis als bester Darsteller, Guillermo Arriaga den Preis für das beste Drehbuch. Weshalb der Film erst jetzt in Deutschland anläuft lässt sich wahrscheinlich mit der Suche nach einem Verleiher erklären. Produziert wurde der Film nicht nur von Jones selbst, sondern auch vom Massenproduzenten Luc Besson und seiner Produktionsfirma. Für die Kamera konnte Jones den zweifachen Academy-Award-Gewinner Chris Menges (The Killing Fields, The Mission) gewinnen, dabei wurden viele Szenen des Filmes auf Jones’ Privatranch in Texas gedreht.

Mike Norton (Barry Pepper) und seine Frau Lou Ann (January Jones) zählten in ihrer Schulzeit zu den beliebtesten Schülern, durch Mikes Job als Grenzpolizist werden sie jedoch in ein kleines Kaff nach Texas verschlagen. In der Ehe kriselt es, während Mike tagsüber arbeitet vertreibt sich Lou Ann die Zeit im nahe gelegenen Diner mit Zigaretten und Kaffee. Bei einer seiner Fahrten sieht sich Mike eines Tages mit Schüssen konfrontiert, er holt sein Gewehr und schießt zurück, trifft dabei den illegalen mexikanischen Einwanderer Melquiades Estrada (Julio César Cedillo) tödlich in den Bauch. Ein Missverständnis, welches von Sheriff Belmont (Dwight Yoakam) nicht weiter untersucht wird. Damit kann und will sich Melquiades’ Freund und Arbeitskollege Pete Perkins (Tommy Lee Jones) nicht zufrieden geben. Kurzerhand fährt er zu Nortons Haus, fesselt dessen Frau Lou Ann und entführt Mike. Am Friedhof angekommen zwingt er Mike Melquiades auszugraben, zu Pferd will Pete ein Versprechen gegenüber seinem Freund einlösen: diesen zurück zu seiner Frau und seinen Kindern zu überführen und in seinem Heimatort Jimenez zu beerdigen. Die anschließende Reise wird von einigen Komplikationen begleitet.

Inspiriert wurde Tommy Lee Jones von einem wahren Vorfall aus dem Jahre 1997 in seinem Bundesstaat Texas. Damals wurde der achtzehnjährige Esequiel Hernandez Jr. nach halbstündiger Überwachung von vier schwer bewaffneten und in Tarnkleidung gehüllten US-Marines erschossen, was den ersten Mord von US-Soldaten an einen amerikanischen Bürger darstellte seit Kent State 1970. Die Marines waren eigentlich dazu abgestellt worden gegen illegalen Drogenhandel an der Grenze vorzugehen, bei einer anschließenden Untersuchung wurde jedoch keiner der vier Marines jemals angeklagt. Dieser Vorfall erzürnte Jones und ließ in an seinem Justizsystem zweifeln – seine Antwort stellt dieser Film dar, dessen Einflüsse er unter anderem Akira Kurosawa und Sam Peckinpah zuschreibt. Für Drehbuchautor Arriaga, welcher zuvor die Drehbücher zu Alejandro Gonzales Inarritus Filmen Amores perros, 21 Grams und Babel geschrieben hatte und für letzteren auch eine Oscarnominierung erhielt, ist es eine Geschichte über Freundschaft – der Freundschaft zwischen Melquiades und Pete.

Viele lobende Worte gab es im Vorfeld zu Jones’ Regiedebüt, abgesehen von den beiden Auszeichnungen aus Cannes, bei Rotten Tomatoes hält der Film 83% - bedauerlicherweise kann der Film seinen Vorschußlorbeeren nicht gerecht werden. Von Menges vor wunderschöner Kulisse sehr gut inszeniert, mit den passenden Gitarrenklängen unterlegt und einer guten schauspielerischen Leistung des gesamten Ensembles scheitert der Film an seiner Handlung, bzw. dem Geist dieser Handlung. Jones und Arriaga zeigen uns viele Charaktere, von denen eigentlich keiner etwas mit der Handlung oder ihrem Verlauf zu tun hat, beispielsweise Bob, den Inhaber und Koch des Diners oder einen alten blinden Mann in der Einöde. Für Jones ist seine Geschichte eine solche über Einsamkeit und Entfremdung, hierfür sollen seine Figuren stehen, die allesamt einsam sind und alleine stehen. Pete Perkins ist einsam, hatte niemand außer seinen Freund Melquiades, aber auch dieser war einsam. Gelegentlich hat Pete eine Affäre mit Bobs Frau Rachel, welche zugleich auch eine Affäre mit Sheriff Belmont hat. Diese Tatsache spielt jedoch für den Verlauf der Handlung keine Rolle, genauso wenig die Tatsache, dass Pete, Melquiades, Rachel und eben Lou Ann einen Nachmittag zusammen verbrachten. In der späteren Szene zwischen Pete und Lou Ann scheint er diese überhaupt nicht mehr zu erkennen. Wieso die vorangegangene Szene aufgebaut wurde und dies mit Lou Ann wird nicht ersichtlich.

In einer der wenigen gelungenen Szenen sieht man Lou Ann das Abendessen vorbereiten und nebenbei eine Fernsehsendung über ein Ehepaar ansehen. Während das Ehepaar streitet und die Frau enthüllt, dass sie in der Ehe unglücklich ist, kommt Mike in die Küche und nötigt Lou Ann zum Sex, was diese über sich ergehen lässt, während im Fernsehen die Worte fallen, welche ebenso für ihre Ehe gelten. Als Mike später erneut die Fernsehsendung sieht, nun bereits in Petes Gefangenschaft, scheint er die Worte und ihre Bedeutung zu verstehen und beginnt zu weinen. Zwei der wenigen ausdrucksstarken Szenen in einem Meer von sehr viel schön gefilmter Bedeutungslosigkeit über Figuren, deren Verhalten in den seltensten Fällen nachvollziehbar ist und in einem Ende mündet, welches für Freundschaft und Spiritualität steht. Hierfür zwei Stunden zu verwenden ist sicherlich ein Fehlgriff, der Film wird nach gut einer Stunde eintönig und relativ uninteressant. Die Botschaft von Jones, das Zusammenleben zweier verschiedener Kulturen gegenübergestellt, erhält das Publikum bereits zu Beginn, dazu braucht er nicht die finale Einstellung sehen. Hier wurde versucht aus sehr wenig sehr viel heraus zu holen und es bleibt unverständlich wieso Arriaga in Cannes für das Drehbuch ausgezeichnet wurde, ebenso wie es bei Jones der Fall ist, denn Barry Pepper spielt in zweifelsohne an die Wand in den gemeinsamen Szenen. Ein Film, der bedauerlicherweise nicht sonderlich gelungen ist und vielleicht zeigt, dass nicht alle Schauspieler zu Regisseuren geboren sind.

4.5/10

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