Es ist mir bis heute unerklärlich, wie ein Mann, der so exquisite Drehbücher zu Election und Sideways – Letzteres sogar Oscarprämiert – geschrieben hat, zugleich für die grausigen Jurassic Park III und I Now Pronounce You Chuck and Larry verantwortlich sein kann. Zwar soll das Skript von Alexander Payne und Jim Taylor nur noch wenig mit dem fertigen Sandler-Film zu tun gehabt haben (“They Sandlerised it“, verriet Payne im Januar dem britischen The Telegraph), dennoch ragen jene Einträge in seiner Filmografie wie Fälle von betrunkenem Fahren aus einer sonst tadellosen Akte heraus. Zurück in die Spur fand der Regisseur nun mit The Descendants, einem der Favoriten des diesjährigen Oscarrennens.
Darin muss der hawaiianische Anwalt Matt King (George Clooney) entscheiden, ob ein alter Familienbesitz veräußert wird. Die Verwandten, allesamt Nachkommen einer einheimischen Prinzessin, drängen zum Verkauf, den die Ureinwohner kritisch beäugen. Währendessen liegt Matts Frau nach einem Bootunfall auch noch in einem Koma, aus dem sie nicht mehr erwachen wird. Und als wäre das noch nicht genug, gesteht ihm seine älteste Tochter Alexandra (Shailene Woodley), dass ihre Mutter eine Affäre mit einem Immobilienmakler hatte. Mit seinen Töchtern Scottie (Amara Miller) und Alexandra sowie deren Freund Sid (Nick Krause) im Gepäck macht sich Matt auf, seinen Nebenbuhler zu konfrontieren.
Wie in Paynes letzten Filmen (Sideways, About Schmidt, Election) dreht sich in The Descendants alles um das turbulente Leben eines überforderten Mannes. In diesem Fall ist es Matt King, der scheinbar für seinen Beruf gelebt hat und darüber seine Familie vernachlässigte. Mit der Aussicht, nun alleinerziehender Vater zu sein, hadert er ebenso, wie mit der Entscheidung, an wen er das seit jeher im Familienbesitz befindliche Stück Land verkaufen soll. Oder ob er überhaupt verkaufen soll. Entsprechend dem Filmtitel spielt Matts Nachkommenschaft die zentrale Rolle. Sowohl die, aus der er stammt, als auch die, für die er verantwortlich ist. Im Kern ist The Descendants somit ein Film über die Bedeutung der Familie.
Wenn Matt mit seinen Töchtern auf einen Road beziehungsweise Island Trip geht, bildet die Konfrontation mit Brian Speer (Matthew Lillard), dem Liebhaber seiner Frau, nur die Prämisse für eine individuelle und familiäre Selbstfindung. Für Matt gilt es, seine Rolle als Vater und Familienoberhaupt anzunehmen, insbesondere für Alexandra wiederum, ihren Frieden mit ihrer Mutter zu machen. Was Payne dem Publikum zu Beginn als (typisch) dysfunktionale Familie präsentiert (Alexandra wurde nach einem Streit mit der Mutter in ein Internat platziert, Scottie betreibt Mobbing an Klassenkameraden), entwickelt sich dann allerdings reichlich hastig und dabei erstaunlich problemlos zu einer harmonischen (Familien-)Einheit.
Mit Beginn des zweiten Akts sind die Konflikte dann vergessen. Die als Problemkind eingeführte Alexandra übernimmt wie selbstverständlich die weibliche Rolle an der Seite ihres Vaters, während Scottie fortan nur noch eine untergeordnete Funktion erfüllt. Dass Payne so bereitwillig das Dramatisierungspotential dieser zuvor zerrütteten Familie ausspart, ist jedoch etwas bedauerlich. Zu geschmeidig entwickelt sich der Plot, in dem Sid den Part des Surfer Dude übernimmt, der mit seinem Sprachduktus und Gehabe für den comic relief der Tragikomödie zuständig ist. Irrelevant erscheinen die vorherigen Differenzen zwischen Vater und Töchtern, sowie zwischen Matt und seinem vergrämten Schwiegervater (Robert Forster).
Bisweilen erinnern die Kings in ihrer harmonischen Wiedervereinigung an andere dysfunktionale Filmfamilien wie die Hoovers aus Little Miss Sunshine. Auftretende Probleme werden nach einmaliger Ansprache vergessen und der Selbstlösung überlassen. Die Suche und Konfrontation mit dem vermeintlichen Familienzerstörer Lillard avanciert so zur kingschen Gruppendynamik, die nicht nur den baldigen Tod der gänzlich von der Handlung losgelösten Mutter überschattet, sondern auch generell die Differenzen der Figuren mit sich und ihrer Umwelt. Derart simpel und profan löst Payne sein eingeführtes Drama, dass man als Zuschauer weniger emotional in den Film investiert, als ihn distanziert beobachtet.
Gelungen fallen die schauspielerischen Leistungen aus. Insbesondere die Jungdarstellerinnen Woodley und Miller überzeugen, genauso wie die – allerdings auch nur bedingt geforderte – Nebendarstellerriege um Forster, Lillard, Judy Greer und Beau Bridges. Geschultert wird der Film von einem weithin im Feuilleton gelobten Clooney, der hier durchaus überzeugend gegen das “Yes I Can“-Profil seiner übrigen Filmografie anspielt und als so geforderter wie überforderter Vater authentisch-sympathisch reüssiert. Subtil in den Vordergrund „spielen“ sich zudem die Inseln Hawaiis, die selten in Hollywood (man denke an Forgetting Sarah Marshall) prominenter zum Einsatz kamen und hier mit ihrer natürlichen Schönheit auftrumpfen.
Zwar ist Payne kein Film mit sonderlich viel Tiefgang gelungen, der damit weit entfernt von seinen kommentierenden Frühwerken ist, und auch mit seinen analytischen Vorgängern vermag The Descendants nicht wirklich mitzuhalten. Dafür ist Paynes Jüngster zu vorhersehbar und macht sich seine Sache zu leicht. Grundsolide und weitestgehend überzeugend gerät der Oscarfavorit dann doch, was sich neben Hawaii als Schauplatz (inklusive einheimischer Musik als auditive Ergänzung) dem durchweg gefälligen Ensemble verdankt. An seine starken Vorgänger kann Payne folglich nicht anknüpfen, aber zumindest ist The Descendants alles andere als ein Film, dessen Platz in seiner Filmografie sich nicht erklären lässt.
Darin muss der hawaiianische Anwalt Matt King (George Clooney) entscheiden, ob ein alter Familienbesitz veräußert wird. Die Verwandten, allesamt Nachkommen einer einheimischen Prinzessin, drängen zum Verkauf, den die Ureinwohner kritisch beäugen. Währendessen liegt Matts Frau nach einem Bootunfall auch noch in einem Koma, aus dem sie nicht mehr erwachen wird. Und als wäre das noch nicht genug, gesteht ihm seine älteste Tochter Alexandra (Shailene Woodley), dass ihre Mutter eine Affäre mit einem Immobilienmakler hatte. Mit seinen Töchtern Scottie (Amara Miller) und Alexandra sowie deren Freund Sid (Nick Krause) im Gepäck macht sich Matt auf, seinen Nebenbuhler zu konfrontieren.
Wie in Paynes letzten Filmen (Sideways, About Schmidt, Election) dreht sich in The Descendants alles um das turbulente Leben eines überforderten Mannes. In diesem Fall ist es Matt King, der scheinbar für seinen Beruf gelebt hat und darüber seine Familie vernachlässigte. Mit der Aussicht, nun alleinerziehender Vater zu sein, hadert er ebenso, wie mit der Entscheidung, an wen er das seit jeher im Familienbesitz befindliche Stück Land verkaufen soll. Oder ob er überhaupt verkaufen soll. Entsprechend dem Filmtitel spielt Matts Nachkommenschaft die zentrale Rolle. Sowohl die, aus der er stammt, als auch die, für die er verantwortlich ist. Im Kern ist The Descendants somit ein Film über die Bedeutung der Familie.
Wenn Matt mit seinen Töchtern auf einen Road beziehungsweise Island Trip geht, bildet die Konfrontation mit Brian Speer (Matthew Lillard), dem Liebhaber seiner Frau, nur die Prämisse für eine individuelle und familiäre Selbstfindung. Für Matt gilt es, seine Rolle als Vater und Familienoberhaupt anzunehmen, insbesondere für Alexandra wiederum, ihren Frieden mit ihrer Mutter zu machen. Was Payne dem Publikum zu Beginn als (typisch) dysfunktionale Familie präsentiert (Alexandra wurde nach einem Streit mit der Mutter in ein Internat platziert, Scottie betreibt Mobbing an Klassenkameraden), entwickelt sich dann allerdings reichlich hastig und dabei erstaunlich problemlos zu einer harmonischen (Familien-)Einheit.
Mit Beginn des zweiten Akts sind die Konflikte dann vergessen. Die als Problemkind eingeführte Alexandra übernimmt wie selbstverständlich die weibliche Rolle an der Seite ihres Vaters, während Scottie fortan nur noch eine untergeordnete Funktion erfüllt. Dass Payne so bereitwillig das Dramatisierungspotential dieser zuvor zerrütteten Familie ausspart, ist jedoch etwas bedauerlich. Zu geschmeidig entwickelt sich der Plot, in dem Sid den Part des Surfer Dude übernimmt, der mit seinem Sprachduktus und Gehabe für den comic relief der Tragikomödie zuständig ist. Irrelevant erscheinen die vorherigen Differenzen zwischen Vater und Töchtern, sowie zwischen Matt und seinem vergrämten Schwiegervater (Robert Forster).
Bisweilen erinnern die Kings in ihrer harmonischen Wiedervereinigung an andere dysfunktionale Filmfamilien wie die Hoovers aus Little Miss Sunshine. Auftretende Probleme werden nach einmaliger Ansprache vergessen und der Selbstlösung überlassen. Die Suche und Konfrontation mit dem vermeintlichen Familienzerstörer Lillard avanciert so zur kingschen Gruppendynamik, die nicht nur den baldigen Tod der gänzlich von der Handlung losgelösten Mutter überschattet, sondern auch generell die Differenzen der Figuren mit sich und ihrer Umwelt. Derart simpel und profan löst Payne sein eingeführtes Drama, dass man als Zuschauer weniger emotional in den Film investiert, als ihn distanziert beobachtet.
Gelungen fallen die schauspielerischen Leistungen aus. Insbesondere die Jungdarstellerinnen Woodley und Miller überzeugen, genauso wie die – allerdings auch nur bedingt geforderte – Nebendarstellerriege um Forster, Lillard, Judy Greer und Beau Bridges. Geschultert wird der Film von einem weithin im Feuilleton gelobten Clooney, der hier durchaus überzeugend gegen das “Yes I Can“-Profil seiner übrigen Filmografie anspielt und als so geforderter wie überforderter Vater authentisch-sympathisch reüssiert. Subtil in den Vordergrund „spielen“ sich zudem die Inseln Hawaiis, die selten in Hollywood (man denke an Forgetting Sarah Marshall) prominenter zum Einsatz kamen und hier mit ihrer natürlichen Schönheit auftrumpfen.
Zwar ist Payne kein Film mit sonderlich viel Tiefgang gelungen, der damit weit entfernt von seinen kommentierenden Frühwerken ist, und auch mit seinen analytischen Vorgängern vermag The Descendants nicht wirklich mitzuhalten. Dafür ist Paynes Jüngster zu vorhersehbar und macht sich seine Sache zu leicht. Grundsolide und weitestgehend überzeugend gerät der Oscarfavorit dann doch, was sich neben Hawaii als Schauplatz (inklusive einheimischer Musik als auditive Ergänzung) dem durchweg gefälligen Ensemble verdankt. An seine starken Vorgänger kann Payne folglich nicht anknüpfen, aber zumindest ist The Descendants alles andere als ein Film, dessen Platz in seiner Filmografie sich nicht erklären lässt.
7/10