25. Juni 2016

Diarios de motocicleta [Die Reise des jungen Che]

This isn’t a tale of heroic feats.

Das Time Magazin zählt ihn als eine der 100 einflussreichsten Personen des 20. Jahrhunderts. Einem Jahrhundert, in dem er von den meisten Menschen als der Freiheitskämpfer schlechthin angesehen wird. Ernesto Guevara de la Serna ging gemeinsam mit seinem Freund Fidel Castro in die Geschichtsbücher ein, als Begründer der heutigen Republik Kuba. Alberto Kordas Guerrillero Heroico, ein Konterfei von Guevara, gilt seit Jahrzehnten als politisches Symbol unter Jugendlichen. Schon lange ist Guevara, der von seinen Anhängern nur liebevoll „Che“ genannt wurde, zu einer Marke geworden. Einer Legende, einem Märtyrer, einem Symbol. Um zu verstehen, wer „Che“ Guevara wirklich war, muss man in seine Vergangenheit blicken.

Gut ein Dutzend Filme beschäftigen sich mit Guevara, darunter Steven Soderberghs siebenstündige Biographie Che, die in zwei Teilen im Kino erschien. Die ganze politische Ära des Guerilla-Führers wollte sich dagegen der brasilianische Regisseur Walter Salles nicht antun. Er konzentriert sich in Diarios de motocicleta vielmehr auf ein besonderes Kapitel des jungen Argentiniers. Ende Dezember des Jahres 1951 machte sich der 23-jährige Ernesto (Gael García Bernal) gemeinsam mit seinem Freund Alberto Granado (Rodrigo de la Serna) auf einer reparierten 500er Norton namens „La Poderosa II“ (dt. die Mächtige II) auf, eine siebenmonatige Reise anzutreten, die den Medizinabsolventen bis nach Miami, Florida treiben sollte.

Salles hält sich akribisch an die veröffentlichten Tagebücher von Guevara und Granado und arbeitet ihre Reise Station für Station ab. Der lobenswerteste Faktor ist sicher, dass der Brasilianer den Film einfach für sich selbst sprechen lässt, ohne ihn in ein größeres Ganzes einzuordnen. Mit Diarios de motocicleta analysiert er folglich das ganzheitliche System „Che“ anhand des Teilsystems der 1952er Südamerika-Reise. Und doch begeht Salles den Fehler, seinen Guevara teils durchaus als „Mini-Che“ zu zelebrieren. Als hätte der Freiheitskämpfer damals bereits in Guevara geschlummert und sei durch die Reise aufgewacht. Sicher veränderte die Reise ihn, ist aber weniger Revoluzzer-Prolog denn Frühstadium (s)einer Persönlichkeitsentwicklung.

Guevara, damals Fuser (dt. der rasende Serna) gerufen, hatte sich zu Beginn der 1950er Jahre weniger mit dem Marxismus als mit Gandhi beschäftigt. Im Film selbst schlägt lediglich sein „Raidismus“ durch. Geographisch arbeitet Salles das Itinerar der Argentinier punktgenau ab. Vom ersten Aufenthalt bei Ernestos Freundin María del Carmen Ferreyra, genannt „Chichina“ (Mía Maestro), bis hin zum alkoholträchtigen Abgang in Lautaro, Chile. Eine gewisse Ernsthaftigkeit gewinnt Diarios de motocicleta dann, als Ernesto und Alberto Zeugen der Bergbauarbeiter-Bedingungen in Antofagasta werden. Ohnehin ist es fraglos der Aufenthalt in Peru, der dem damals noch jungen Guevara von seiner Reise am eindringlichsten in Erinnerung bleiben wird.

Hier wird er mit der Vergänglichkeit des Lebens und dem Verhalten der Menschen untereinander konfrontiert, als er mit Alberto in San Pablo bei einer Lepra-Krankenstation angestellt ist. Die Erlebnisse in San Pablo werden Guevara formen und gemeinsam mit seinen anderen Erlebnissen, speziell dem Rassismus der Peruaner gegenüber den Ureinwohnern und der Diskriminierung der Kommunisten sowie der gesellschaftlichen Schere von Arm und Reich die Initialzündung für jenen Charakter bilden, der als „Che“ in die Geschichte eingehen sollte. Leider zeigt Walter Salles nicht allzu viel von diesen Punkten, abgesehen von der Lepra-Station, mit der er eventuell den Bruch Guevaras mit seiner medizinischen Karriere aufzeigen wollte.

Neben den wunderschönen Landschaftsaufnahmen beeindruckt im Film jedenfalls auch die musikalische Untermalung von Gustavo Santaollala und Jorge Drexler. In seiner Gesamtheit betrachtet ist Diarios de motocicleta durchaus mehr Road Movie als tatsächliche Che-Biographie. Der bisweilen starke Einschlag der biographischen Züge, die selbstverständlich aufgrund des herrschenden Vorwissens retrospektiv gesehen werden, wirkt dennoch mitunter als Störfaktor. Trotz alledem ist Salles’ Film überzeugend in seiner Botschaft und weitestgehend glaubwürdig und authentisch von Bernal und de la Serna gespielt. Für alle Fans von Motorradreisen sollte dies ebenso ein Muss sein, wie für Fans und Interessierte von Ernesto „Che“ Guevara.

7/10

18. Juni 2016

Voltron: Legendary Defender – Season One

This is the worst team-building exercise ever!

Manche Dinge ändern sich nie. Darunter wohl auch die Tatsache, dass Dinosaurier und humanoide Roboter eine gewisse Anziehungskraft für Kinder beziehungsweise Jungen haben. So mag sich der Erfolg und Kultfaktor solcher Serien wie Transfomers oder Saber Rider and the Star Sheriffs erklären. Oder auch konkret der Power Rangers, jener Truppe Jugendlicher, die in den 1990ern mit individuellen Waffen und Zord-Robotern als Team gegen feindliche Mächte kämpften. Und in der Not mit ihrem Megazord einen humanoiden Riesenroboter bildeten. Sentai heißt jenes Subgenre einer Gruppe, die mit Robotervehikeln gegen Aliens kämpft, zu dem auch Netflix’ und DreamWorks’ neue Animationsserie Voltron: Legendary Defender gehört.

Dabei baut die 11-teilige erste Staffel auf Voltron: Defenders of the Universe auf, die Mitte der 1980er Jahre entstand und zu deren Erben sicher auch die Power Rangers gehören. Den Einstieg bildet eine Weltraummission eines dreiköpfigen Teams, das auf dem Pluto-Mond Kerberos nach Anzeichen von Leben außerhalb der Erde forscht. Und sich plötzlich einem Raumschiff von Aliens gegenüber sieht. Ein Jahr später gelingt Crew-Mitglied Shiro (Josh Keaton) die Flucht aus seiner Gefangenschaft Richtung Erde. Dort trifft er auf die Weltraumprogramm-Kadetten Lance (Jeremy Shada), Hunk (Tyler Labine) und Pidge (Bex Taylor-Klaus) sowie den Piloten Keith (Steven Yeun), der zuvor aus ebenjenem Weltraumprogramm ausgeschieden war.

Shiro erinnert sich nicht an die Ereignisse des vergangenen Jahres, weiß jedoch, dass die Aliens auf dem Weg zur Erde sind, um dort in den Besitz einer Waffe namens „Voltron“ zu gelangen. Gemeinsam stößt die Gruppe auf einen riesigen Löwenroboter, der sie nach einer Attacke des Alien-Schiffs per Wurmloch zum Planeten Arrus bringt. In einem Schloss erwachen dort Prinzessin Allura (Kimberly Brooks) und ihr Gefolgsmann Coran (Rhys Darby) aus dem Kälteschlaf. Und berichten, dass 10.000 Jahre zuvor der diabolische Zarkon (Neil Kaplan) ihren Planeten Altea zerstörte, König Alfor tötete und das Universum unterjochte. Stoppen kann ihn nur Voltron – der Zusammenschluss von insgesamt fünf Löwen-Roboter und ihrer Paladine.

Als solche werden nun Shiro und Co. auserkoren, die in der mehr als einstündigen Pilotfolge The Rise of Voltron erst ihre individuellen Löwen auf verschiedenen Planeten finden und aktivieren müssen. Eingangs ein zusammengewürfelter Haufen müssen die fünf jungen Helden in der Folge getreu dem Sentai-Genre lernen, als Team zu funktionieren. Was in den Anfangsepisoden für etwas Missstimmung sorgt. Nicht nur, weil Lance und Keith einen kleinen Konkurrenzkampf untereinander ausfechten (“You know, Lance and Keith, neck and neck”), sondern auch, weil Pidge mehr daran interessiert ist, herauszufinden, was mit seinem Vater und Bruder vor einem Jahr geschah, als sie Shiro auf der Kerberos-Mission begleitetet hatten.

Der Team-Gedanke durchzieht die ersten Episoden der Neuauflage, sei es, wenn Lance, Hunk und Pidge eingangs bei einer Missionssimulation versagen oder später die um Shiro und Keith erweiterte Gruppe wiederholt aneinander gerät. Hier spielen auch die unterschiedlichen Charaktere der Figuren eine Rolle, vom selbstüberzeugten Lance, zum rebellischen Keith, über den überlegten Pidge, geborenen Anführer Shiro bis hin zum gutmütigen Hunk. Der will mit all dem Tohuwabohu eigentlich möglichst wenig am Hut haben (“For someone in a space exploration program you don’t have much of a sense of adventure”, wirft ihm Lance in der Auftaktfolge vor), bis jedoch auch er in Tears of the Balmera einen Motivationsschub erhält.

Für Allura gilt es wiederum, das Erbe ihres Vaters zu bewahren und Zarkon zurück in seine (alten) Schranken zu verweisen. Nach anfänglicher Charakterzeichnung beschränkt sich Voltron: Legendary Defender jedoch in seiner zweiten Hälfte verstärkt auf den nahenden Konflikt mit Zarkon und die Tatsache, dass Shiro und Co. für diese Konfrontation noch nicht geübt genug zu sein scheinen. Was etwas schade ist, da die einzelnen Figuren so nicht vollends mit Leben gefüllt werden. So wird Lance kurz als Familienmensch skizziert, die Abwesenheit von jener Familie und zur Erde aber nicht thematisiert. Auch Keiths Innenleben und Motivation – er schied als bester Pilot wegen Disziplinlosigkeit aus – sind in dieser ersten Staffel noch unklar.

Schön(er) wäre es gewesen, hätte sich die Serie die Zeit genommen, jede der sieben zentralen Figuren in einer Folge in den Vordergrund zu stellen. Immerhin ist die erste Staffel mit ihrer Laufzeit von rund fünf Stunden relativ kurz geraten und wartet gegen Ende mit Crystal Venom noch mit einer Folge auf, die wenig zum größeren Ganzen beiträgt. So werden die meisten Figuren (außer vielleicht Pidge) über ihre stärkste Charaktereigenschaft definiert, was im Kontext der Handlung sicher ausreicht, aber sie bisweilen etwas eindimensional geraten lässt. Selbiges ließe sich natürlich auch über Gegenspieler Zarkon sagen, dessen Hintergründe erst in den Schlussfolgen wie dem Finale The Black Paladin zumindest leicht angerissen werden.

Generell gefällt jedoch die Dynamik zwischen den Figuren, allen voran der primär von Lance ausgehende Konkurrenzkampf mit Keith sowie sein stetes Balzverhalten sind ein willkommener Running Gag. Allgemein überzeugt Voltron: Legendary Defender durch geschickt eingepflegten Humor, teils sogar von subtiler Natur. Des Öfteren bringen Dialoge, Einzeiler oder auch detaillierter Zeichenstil den Zuschauer zum Lachen, zugleich weiß die Serie nuanciert mitunter ernste Töne anzusprechen, ohne deswegen jedoch ins über-Seriöse abzudriften. Narrativ und von der Chemie ihrer Charaktere ist den Machern dieses Reboots somit wenig vorzuwerfen – und was die visuelle Umsetzung der 2D-Animationsserie angeht, sogar noch weniger.

Hinter Voltron – dass die Original-Hierarchie in der Gruppe übrigens etwas umordnet – stecken mit Joaquim Dos Santos und Lauren Montgomery zwei Showrunner, die schon in die erfolgreichen Serien Avatar: The Last Airbender sowie The Legend of Korra involviert waren. An deren Zeichenstil, der Anleihen an Animes nimmt, orientiert sich auch Voltron: Legendary Defender. Mit Liebe zum Detail werden da die designierten Paladine schon im Piloten mit ihren zukünftigen Farben assoziiert, lediglich in der äußerlichen Darstellung der Löwen-Roboter gerät die Zeichnung bisweilen leicht klobig. Visuell zwar ganz nett, aber mit der Dauer – auch wegen fehlender Variation – redundant fällt derweil das Verbindungsszenario der Löwen zu Voltron aus.

Ansonsten ist die Serie jedoch überaus gelungen, nicht zuletzt aufgrund des überzeugenden Voice Casts rund um The Walking Dead-Alumnus Steven Yeun (die Besetzung der deutschen Synchro wirkt nicht ganz so rund, dafür ist die Übersetzung selbst solide). Hätten Dos Santos und Montgomery auf Crystal Venom verzichtet und dafür mit ein paar zusätzlichen Folgen noch die übrigen Figuren stärker beleuchtet, wäre Voltron: Legendary Defender eine runde Sache gewesen. Hier liegt noch Potential, das die Showrunner in der kommenden Staffel abrufen sollten. Aber auch so vermag die Serie ihrem Original sowie dem Sentai-Erbe prinzipiell gerecht zu werden. Wer Letzterem nicht abgeneigt ist, wird gern zur Gruppe der Voltron-Fans dazu stoßen.

7/10

11. Juni 2016

Warcraft

Have a good look around?

Er hat es versucht – vergeblich. Nachdem er bereits die Videospiele Dungeon Siege und Far Cry verfilmte, wollte Regisseur Uwe Boll auch bei der Adaption von Warcraft hinter die Kamera. Doch Entwickler Blizzard habe abgelehnt, die Filmrechte an Boll zu vergeben. Insbesondere an Boll. Zu wichtig sei ein gut umgesetzter Warcraft-Film, nicht zuletzt da bislang noch keine Videospielverfilmung wirklich überzeugen konnte. Von Super Mario Bros. über Street Fighter bis zu Hitman und Prince of Persia – immerhin die Resident Evil-Reihe erweist sich als langlebig. Nun also Warcraft, eine Adaption des populären Online-Multiplayer-Rollenspiels von Duncan Jones, die jedoch bei den Kritikern nicht besser abschnitt als andere Game-Filme.

Weil ihre Welt, Dreanor, im Sterben liegt, führt ihr Anführer Gul’dan (Daniel Wu) Kämpfer der verschiedenen Orc-Clans, darunter Clan-Führer Durotan (Toby Kebbell) und Halb-Orc Garona (Paula Patton), über ein Portal in die menschliche Welt von Azeroth. Dort ziehen sie plündernd durchs Land, um ihrer dunklen Zaubermacht The Fel menschliche Geiseln für eine erneute Portalöffnung zu opfern, sodass ihre ganze Horde nachfolgen kann. Etwas, worauf der abtrünnige Magier-Lehrling Khadgar (Ben Schnetzer) aufmerksam wird und Azeroth-Heerführer Anduin Lothar (Travis Fimmel) warnt. König Llane Wrynn (Dominic Cooper) schickt beide zum Schützer des Reichs, Magier Medivh (Ben Foster), um aus der Situation schlauer zu werden.

Als jemand, der noch nie etwas mit Warcraft zu tun hatte (die legendäre South Park-Folge ausgenommen), ließen mich die ersten 20 Minuten etwas verwirrt zurück. Wer ist genau wer und muss wieso wohin? Als Nicht-Kenner der Materie müssen derartige Lücken quasi „unterwegs“ teils selbst gefüllt werden – was angesichts ausufernder erklärender Filme des Marvel Cinematic Universe und Co. im Grunde sogar relativ erfrischend ist. Und zugleich ein Zeichen dafür, dass Warcraft auch solche Zuschauer im Stande sieht, aus der Handlung Sinn zu machen, die mit der Vorlage unbekannt sind. Was nicht bedeutet, dass sich das Publikum zwingend auf alles einen Reim machen kann. Ohne dass dies dem Film zum Nachteil gereicht.

Zum Beispiel wieso Khadgar sich von seiner Magier-Ausbildung verabschiedet hat und was es mit dieser eigentlich genau auf sich hat. Am verstörendsten ist da noch, dass das menschliche Ensemble erstaunlich jung geraten ist. Egal ob König, Heerführer oder Chef-Magier – hier scheint niemand älter als Mitte 30 zu sein. Was überrascht, wenn Lothar plötzlich einen Sohn in seinen Reihen weiß, der kaum älter aussieht als er selbst. Womöglich jung gezeugt, vielleicht altern Menschen in der Warcraft-Welt auch nur langsamer, im Fantasy-Genre sollte man wohl die Dinge nicht allzu genau nehmen. Und als Beitrag jenes Genres funktioniert Warcraft die meiste Zeit ganz gut, auch aufgrund Anleihen von The Lord of the Rings oder Game of Thrones.

Erfreulich ist da zudem, dass Jones das ursprüngliche klischeebehaftete Drehbuch derart umschrieb, dass die Orcs statt bloße Gegenspieler zu sein auch etwas Kontur erhalten. In Person von Durotan wird an den Aktionen von Gul’dan gezweifelt, das Sterben der eigenen Welt und die Hintergründe hinterfragt. Neben seinem besten Freund Orgrim (Robert Kazinsky) ist er allerdings die Ausnahme von der Regel, agieren Gul’dan oder Heerführer Blackhand (Clancy Brown) doch sonst als das, was die Orcs im Prinzip sind: kaltherzige Invasoren einer friedliebenden Welt. Eine Dualität, die auf der Gegenseite keineswegs so ausgewogen stattfindet, wo die Geschichte unterdessen Garona als eine Mittlerin beider Welten in den Zwiespalt schickt.

Während die eine Seite angetrieben von einem übermächtigen Anführer und im Angesicht der eigenen Auslöschung auf Konflikt aus ist, bemüht sich Llane Wrynn um eine rationale Lösung. In der Folge ereignen sich Abläufe, die man als erfahrener Zuschauer durchaus kommen sieht. Aber Warcraft hält auch – zumindest für Materie-Laien wie mich – Ereignisse parat, die angesichts der Tatsache, dass der Film ein Kino-Property starten soll, unerwartet sind. Und gerade deswegen eine Fortführung der Geschehnisse auf Basis dessen, was in diesem Teil – der bei uns entsprechend als Warcraft: The Beginning vertrieben wird – passiert, umso interessanter und spannender macht. Wird doch genug Fundament für eine zukünftige dramatische Vertiefung gelegt.

Für einen Fantasy-Blockbuster fallen die darstellerischen Leistungen solide aus. Vikings-Veteran Travis Fimmel scheint zwar bisweilen Channing Tatum nachzueifern, Dominic Cooper ruft sein Standard-Programm ab, Ben Foster kämpft mit dem Overacting und Paula Patton erweist sich praktisch als heimlicher Star. Auf der Gegenseite wirken die Synchronsprecher der Orcs sehr viel überzeugender als das sie zum Leben erweckende CGI. Wohl auch aufgrund des eher „moderaten“ Budgets von 160 Millionen Dollar wirken die Effekte von Warcraft die meiste Zeit ziemlich unrund und erinnern eher an eine gut animierte Zwischenszene eines Videospiels als dass sie den Ansprüchen von (pseudo-)realistischem Fantasy-Kino gerecht werden.

Für das, was er sein will, funktioniert Warcraft trotz einiger Längen in seiner zweiten Hälfte jedoch erstaunlich gut. Da passen die negativen Kritiken, die schon mit ähnlichen Blockbuster-Filmen wie Speed Racer, John Carter oder The Lone Ranger einhergingen, im Grunde ins Bild. Ob Fans der Vorlage mit diesem Warcraft glücklich werden, kann der Laie schwer beurteilen, wer jedoch Spaß an Fantasy-Filmen hat, dürfte das Kino weitestgehend zufrieden verlassen. Nach dem zuvor eher enttäuschenden Source Code als Nachfolger seines starken Debüts Moon hat Duncan Jones mit seiner dritten Regiearbeit jedenfalls sein Talent untermauert. Vielleicht ist für gelungene Videospiel-Adaptionen also die Hoffnung doch noch nicht vollends verloren.

7/10

4. Juni 2016

A Life Less Ordinary [Lebe lieber ungewöhnlich]

I thought we agreed there’d be no cliches.

Für europäische Regisseure ist der Schritt nach Amerika oft eher ein Schritt zurück als nach vorne. Der Norweger Ole Bornedal kehrte 1997 in seine Heimat heim, als er mit dem Remake zu seinem Nattevagten scheiterte. Sein schwedischer Kollege Mikael Håftström zog es dagegen durch, selbst wenn sein Debüt Derailed durchwachsen ausfiel. Hollywood lockt europäische Regisseure durch ihre innovativen Arbeiten zu sich, wo diese Innovation dann aber nicht gefragt ist, da zu riskant zu vermarkten. Stattdessen müssen sie sich an den Konsummarkt anpassen, Zuschauerfreundliche Geschichten inszenieren. Das klappt mal mehr, mal weniger. Immerhin schaffte es Danny Boyle nach Shallow Grave und Trainspotting, in seinem US-Debüt A Life Less Ordinary noch seine eigene Note einzubringen.

Drehbuchautor John Hodge liefert hier eine Stockholm-Syndrom-Komödie ab, in der sich Ewan McGregor als stylisch fragwürdiger Entführer um eine verwöhnte Cameron Diaz kümmert. Speziell in der ersten Hälfte bedient sich der Film gängiger Entführungsklischees als comic relief. Da fragt McGregor, wie er sich den so schlägt als Entführer, während Diaz erzählt, wie ihr dasselbe bereits mit zwölf Jahren passierte. “God, that’s terrible”, befindet McGregor bestürzt, während er sein Opfer an einen Stuhl fesselt. Ohnehin gibt der Schotte keinen grandiosen Entführer ab, kann weder Blut sehen, noch richtige Lösegeldforderungen an den Vater des Opfers (Ian Holm) stellen. “You’re the worst kidnapper I’ve ever met”, entgegnet Diaz – und nimmt ihre Entführung kurzerhand einfach selbst in die Hand.

Dabei bezieht A Life Less Ordinary natürlich viel von seinem Humor aus den unterschiedlichen Hauptfiguren. So spielt Ewan McGregor mit Robert eine Putzkraft, die es danach sehnt, einen Trash-Roman über die uneheliche Tochter von John F. Kennedy und Marilyn Monroe zu schreiben. Da wird er unerwartet ein Opfer der fortschreitenden Technologisierung und buchstäblich durch einen Roboter ersetzt. Sogar einen, der seine Arbeit besser und zuverlässiger macht als Robert selbst. Des Unheils nicht zu wenig macht am selben Tag auch gleich noch seine Freundin mit ihm Schluss. Grund genug für Danny Boyle, sich ein wenig zu profilieren: Der erklärte Fan von Francis Ford Coppola nutzt hier nun den Moment, um jene Szene des Ausdrucks von Unheil in Coppola-typischem Rot-Ton zu halten.

Der Grundstein für die Entführung der Tochter des Chefs und das hieraus folgende Road Movie der beiden Figuren ist nunmehr gelegt. Im krassen Gegensatz zu Robert steht dabei Diaz’ Figur der reichen Celine. Diese leidet unter dem Patriarchat ihres Vaters, der von ihrer zur Schau gestellten Inkompetenz nicht sonderlich erfreut ist. Das Verhältnis der beiden Charaktere wird am deutlichsten, wenn Celine ihrem Entführer Robert erzählt, dass ihr Vater damals sechs Wochen gewartet hatte, ehe er sie mit dem Lösegeld befreite. Liebe sieht irgendwie anders aus, entsprechend ist es also keine herzliche Beziehung zwischen Vater und Tochter. Dies wiederum erklärt auch, weshalb Celine im weiteren Verlauf der Geschichte Robert unentwegt dazu anspornt, das Szenario ihrer Entführung durchzuziehen.

Typisch für einen Danny Boyle ist in A Life Less Ordinary der Soundtrack, der im Vergleich zum Vorgänger Trainspotting jedoch sehr viel dezenter gerät. Auch die Bilder wirken ruhiger und zurückhaltender als sie der Brite in Trainspotting oder The Beach – die Filme, die A Life Less Ordinary flankieren – inszenierte. Somit ist dieses Werk, für das er damals seine Beteiligung an Alien: Resurrection absagte, im boyleschen Verständnis weder Fisch noch Fleisch. Zu zahm für einen richtigen Film des Briten, zu schräg für die konventionelle Hollywood-Komödienromanze. Mitunter wirkt die Handlung leicht konfus, einige Wendungen nicht immer plausibel und das Filmtempo gerät ins Stocken. Ohnehin ist A Life Less Ordinary vielleicht Danny Boyles schwächster Film – aber deswegen nicht zwingend ein schlechter.

Die Chemie zwischen McGregor und Diaz stimmt, auch Delroy Lindo und Holly Hunter spielen als Engel munter auf, während Holm etwas unter seiner geringen Präsenz leidet. Für ein US-Debüt ist das aber ordentlich, wobei der Film mit The Beach deutlich macht, dass der amerikanische Mainstream-Markt Danny Boyle nicht so recht liegen mag (welch Ironie, dass Slumdog Millionaire dafür so ein Aufsehen bei US-Filmkritikern erregte). Boyles Platz ist und bleibt nun mal abseits des Geschehens, wo er sich frei entfalten und verwirklichen kann. Dass er ein Großer seiner Zunft ist, das merkt man daran, dass selbst einer seiner schwächeren Filme seinen Charme besitzt. A Life Less Ordinary erzählt eine absurde, irrationale Geschichte. Wieso glauben wir sie also? “Because we’re dreamers”, würde der Film sagen.

7/10