8. September 2008

Acolytes

Chicks have zero curiosity.

Dass die Aussies in Sachen Horror der restlichen Welt in nichts nachstehen, haben sie 2005 mit Wolf Creek bewiesen. In Greg Mcleans Thriller verstrandeten einige Backpacker im australischen Outback, ehe sie auf ihre Peiniger trafen. Und Jon Hewitt macht mit seinem Acolytes der ausländischen Reisekultur auch nicht unbedingt einen Gefallen. Schließlich werden auch hier Backpacker Opfer eines Mörders. Aber das spielt nur eine Nebenrolle, viel mehr geht es um subversive Themen, zu denen unter anderem Rache und Eifersucht gehören. Es ist eine vielschichtige Geschichte, die Hewitt dem Publikum erzählt, die sich langsam entfaltet und eine interessante Wendung nimmt, obschon deren Resultat – wenn auch nicht für die Figuren selbst – vorhersehbar ist. Alles beginnt mit drei Freunden und einem Waldstück. Bereits in der seiner ersten Einstellung merkt man Mark (Sebastian Gregory) an, dass er Gefühle für Chasely (Hanna Mangan Lawrence) hegt. Allerdings ist da auch noch James (Joshua Payne), Chaselys Freund und Marks Kumpel. In ihren nachmittäglichen Streifzügen wirkt Mark dabei oft wie das fünfte Rad am Wagen, ereifern sich die anderen beiden doch in ihrer Sexualität, die Mark nur allzu gerne aus der nahen Ferne beobachtet. Ob sich hier bereits ein Indiz für das Ende des Filmes findet, bleibt dem Zuschauer nach dem Abspann selbst vorbehalten. Es wäre zwar nicht eindeutig, aber im Grunde nahe liegend. Was ebenfalls verwundert, ist die Beziehung der Drei untereinander. Erhält man zuerst den Eindruck, dass Mark eher von Chasely in den Freundeskreis gebracht wurde, ist es vielmehr James, den seine Vergangenheit mit Mark verbindet.

Was genau mit Mark und James geschah, eröffnet Acolytes erst langsam. Als Kinder wurden sie sexuell misshandelt von dem Twen Gary Parker (Michael Dorman). Das Dramatische hieran ist, dass Parker im selben Ort lebt, wie die beiden Schüler. Wenn er mit seiner schwarzen Corvette durch die Straßen brettert, bleibt vor allem Mark jedes Mal sichtlich das Herz stehen. Ein Schockerlebnis, welches die beiden nie losgelassen hat. Dieses Erlebnis, welches beide entweder enger zusammengeschweißt haben könnte oder aber für immer auseinander getrieben, ist hier ambivalent. Etwas verbindet Mark und James, das ist ersichtlich, aber dennoch unterscheiden sich die beiden. James ist oft harsch, nicht nur zu Mark, auch zu seiner Freundin Chasely. Was Parker ihm antat hat sichtliche Spuren hinterlassen. Der Raub ihrer Unschuld hat beide Jungen zu dem werden lassen, was sie heute sind und konditioniert wohl die Ereignisse, die sie in Hewitts Film auslösen werden. Später im Film wird Mark seinen ehemaligen Peiniger Parker fragen, warum er ihnen angetan hat, was er ihnen angetan hat. Es ist eine sehr emotionale Szene, vielleicht sogar die emotionalste Szene, da auch Parker so etwas wie Gefühle zeigt. Einen kurzen Augenblick lang flackert die Schuld in seinen Augen auf, das Wissen falsch gehandelt zu haben. Aber Parker hat seine Entscheidung längst gefällt, ist längst den falschen Pfad gegangen und kann scheinbar nicht mehr zurück zu seinem alten Leben. „Weil ich es konnte“, ist seine Antwort an Mark. Jenes betrunken machende Gefühl der Macht, die man einem Menschen in die Hände legen kann, hatte Parker damals zu dem gemacht, was er heute ist. Ein Mensch voller Hass, sicherlich auch auf sich selbst – aber nur irgendwo da drin, ganz tief.

Als Mark im Wald einen Mann (Joel Edgerton) etwas vergraben sieht, packt ihn und James die Neugier. Sie buddeln entgegen der Ansicht von Chasely das Loch wieder auf und entdecken die Leiche einer jungen Frau. Doch anstatt die Polizei zu rufen, vergraben sie die Leiche wieder. James hat es sich in den Kopf gesetzt den Mörder selbst zur Strecke zu bringen, schließlich ist es eine kleine Stadt und Mark hat das Fahrzeug des Täters identifizieren können. Auf ihrer Suche nach dem Wagen treffen die Jugendlichen auf Parker – eine schicksalsträchtige Begegnung oder vorgereift? Mark und James bietet sich eine glänzende Möglichkeit, die sie gegen besseren Wissens dennoch nutzen wollen. Zu diesem Zeitpunkt haben sie den Mörder ausfindig gemacht und beginnen ihn zu erpressen. Sie halten still, wenn er dafür einen weiteren Mord begeht. Einen Mord an Gary Parker. Nun liegt die Wendung, die der Film nehmen wird, ziemlich offensichtlich da. Sie erschließt sich dem Publikum, jedoch nicht den beiden Figuren. Der Fehler, den sie gemacht haben ist offensichtlich und er ist tödlich. Irgendjemand wird und muss sterben. Dieses fehlgeleitete „Ich weiß was, das du nicht weißt“-Spiel geht wider Erwarten dann sogar auf, man nimmt den Figuren ihren Fehler nicht übel, obschon man selbst es besser weiß.

Hewitt lässt viel offen in seinem Film. Es ist unklar, ob Parker überhaupt vor Gericht gelandet ist für seine Taten. Das Verhalten einiger Männer vor einer Bar lässt dies jedoch nicht vermuten. Dennoch wundert es in dem Fall, wieso Chasely nichts von jenem Verbrechen wusste, da es in der Kleinstadt ein offenes Geheimnis ist. Auch Mark und James bleiben in ihrer Charakterisierung etwas blass. Man wird das Gefühl nicht los, dass sie nur aufgrund ihrer gemeinsamen Erlebnisses noch miteinander befreundet sind. Dass dieses nicht spurlos an ihren vorbei gegangen ist, und an beiden unterschiedlich, skizziert Acolytes. Dessen Titel bezieht sich auf die Funktion des Akolyth, des kirchlichen Messdieners oder Gefolgsmannes und dient somit als Referenz zu Mark und James, die mit ihrem Mord an Parker in die Fußstapfen jenes Mörders aus dem Wald folgen wollen. Die oftmals ausgesprochen hellen Bilder erhalten ihren einzigen „Schock“-Effekt durch hohe, schrille Töne, die Hewitt gelegentlich zur Dramatisierung verwendet.

Man kann sich darüber streiten, ob sie ihren Zweck erfüllen, der Film selbst ist zumindest eher schon ein Drama, denn ein Thriller. Besonders ist zudem die Tatsache, dass Hewitt oft dem Mörder mit der Kamera direkt über die Schulter schaut, gerade als er entdeckt, dass ihm jemand auf die Schliche gekommen ist. Einen kurzen Moment lang spielt er mit dem Gedanken Suizid zu begehen, überlegt es sich dann jedoch anders. Über weite Strecken ist Acolytes ein gelungener Film, sehr solide inszeniert und mit einem funktionierenden Spannungsbogen versehen. Am Ende jedoch gleitet er dann etwas ab, der Verlauf, auf den Hewitt hingearbeitet zu haben scheint, überzeugt nicht. Die finale Auflösung ist zwar in gewissem Sinne überraschend, aber nicht innovativ. Hier hätte Hewitt durchaus noch etwas mehr herausholen können.

6.5/10- erschienen bei Wicked-Vision

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