7. September 2008

Mirrors

Objects in the mirror are closer than they appear.

Gefeiert hat man ihn, den Franzosen Alexandre Aja. Und nicht nur ihn, nein, auch seinen Film Haute tension, der sei ja so gewitzt und überhaupt mal wieder was Frisches im Horrorgenre. Damit zählte Aja gemeinsam mit Eli Roth zu der Nouvelle Vague jenes Genres, das in den letzten Jahren unzählige Filme hervorbrachte, die in dieselbe Richtung vorstießen. Sein zweites Werk, The Hills Have Eyes war dann schon etwas mehr an Hollywood orientiert, das Remake vom Kultregisseur Wes Craven. Aber immer noch für sich genommen speziell, keine Frage, Ajas Touch blieb erkennbar. Nun also Mirrors und wenn man es hart ausdrücken will, ist Aja nunmehr vollends zur „Mainstream-Hure“ verkommen. Sein neuer Horrorthriller reiht sich ein neben den vielen überschwemmenden Remakes asiatischer Filme. So ist Mirrors ein Remake des südkoreanischen Filmes Geoul sokeuro aus dem Jahr 2003 und unterscheidet sich im Grunde nur insofern von seinen Pendants The Grudge, The Ring und The Eye indem er nicht The Mirrors heißt und somit der Artikel fehlt. Das neue „Wunderkind“ Aja, welches sich inzwischen an konventioneller amerikanischer Horrorthriller-Kost verdingt und einen Film inszeniert, der sich nicht treffender beschreiben lässt, als wenn man anstelle von Vater Merrin in Jonathan Demmes Der Exorzist kurzerhand Jack Bauer platziert hätte.

Der Film beginnt mit einer Hetzjagd und einem Mann, der von seinem Spiegelbild ermordet wird. So hat es zumindest den Anschein. Und bereits zu diesem frühen Zeitpunkt verstrickt Aja sich in Widersprüche. Während das Spiegelbild sich von rechts nach links die Kehle aufschlitzt, geschieht dies bei dem Mann vor dem Spiegel von links nach rechts, also parallel zum Spiegel. Mhm. Okay. Egal. Ist ja auch nur ein Vorspiel und im Grunde einer der kleinsten logischen Fehler in Ajas Film. Stattdessen jetzt die Reise des Helden. Ein fertiger Kerl, Ben Carson (Kiefer Sutherland), Alkoholiker und Tablettensüchtig. Also quasi wie Jack Bauer aus 24. Den Schmerz dieser Figur transferiert Aja allerdings nicht. Jemanden erschossen hat er, aber wen erfährt man nicht, auch nicht die Umstände und die Auswirkungen, die es auf Carson hatte. Und Auswirkungen hatte es, schließlich ist er Tablettenabhängig und von zu Hause ausgezogen, hat seinen Job quittiert und so weiter. Egal. Carson kriegt einen neuen Job als Nachtwächter einer runter gebrannten Gebäudes, welches voller Spiegel steht, die allesamt unversehrt sind. Den Job übernimmt Carson von Gary Lewis, das ist jener Kerl, der zu Beginn des Filmes gestorben ist. Und wie es sich so verhält mit Horrorthrillern, bald passieren mysteriöse Dinge. Geräusche, Handabdrücke und Gestalten – doch alle unreal, alles nur in den Spiegeln. Was hat es mit den Spiegeln auf sich und wieso fangen sie an Carson und seiner Familie Schaden zuzufügen? Ein großes, dunkles Geheimnis naht – zumindest erhofft man sich das.

Ohne Frage inszeniert Aja seinen Mirrors stylistisch überaus gelungen. Diese zwei Welten des hellen New York draußen und des düsteren Hauses voller Spiegel innen fängt der Franzose gelungen ein. Die Atmosphäre eines Kiefer Sutherland mit Taschenlampe und Knarre (kann der eigentlich auch noch ohne?) ist gespannt, besonders wenn hier und da die typischen, klassischen Schockelemente zum Tragen kommen. Immer mehr verliert sich Carson in der düsteren Welt jenes Hauses, das mehr als ein Geheimnis und eine Leiche in seinem Keller birgt. Schon bald ergreifen die Spiegel Besitz von Carson und bedrohen sein Leben. Doch nicht zum Spaß, nein, sie wollen etwas von ihm. „Esseker“ – ein ominöses Wort, scheinbar ein Name. „Rosebud“ war gestern, heute ist nur „Esseker“ entscheidend. Und zwar dalli, denn ehe Carson sich versieht, ist seine Schwester (Amy Smart) tot. Aber wie, hier darf Aja sich mal kurz austoben und Effekte vom Computer präsentieren. Das ganze wirkt zwar weniger gruselig als zum Schreien komisch, aber egal, für komische Auflockerung weiß Aja durchaus den ganzen Film hindurch zu sorgen (allein der Witz, dass Sutherland sagen darf, dass er trocken ist, regt zum Brüllen an – obschon es ein Insider ist).

Zuerst also Wachmann Gary Lewis, nun Wachmann Ben Carson. Da Carson nur für Nachts zuständig ist, patroulliert tagsüber der Kollege Sapelli. Den haben die Spiegel aber all die Jahre in Ruhe gelassen, keinen Piep von sich gegeben. Dabei wirken jene Spiegel ziemlich notgeil auf diese „Esseker“-Person. Komisch, durchaus. Vielleicht agieren die Spiegel aber auch nur nachts, wäre ja möglich, obschon sie auch tagsüber in Erscheinung getreten sind. Spielt aber auch keine Rolle, es geht schließlich um das große Ganze. Und das ist ein dunkles Geheimnis, wie alle diese Geschichten ein dunkles Geheimnis haben. Meistens hat es mit Kindern zu tun und damit liegt man grundsätzlich schon mal nicht falsch. Somit dreht sich in Mirrors alles um Carson Hetzjagd, ein Wettlauf gegen die Zeit. In klaren Bildern photographiert, mit namhafter Besetzung und dem einen oder anderen kleinen Goreeffekt. Aber dann doch viel zu sehr nach Schema, viel zu strukturiert und konventionell inszeniert. Kaum etwas Neues, nicht mal das Ende hat man in der Form nicht in den letzten Jahren zu Hauf gesehen. Sutherland spielt seine Jack-Bauer-Performance – außer der er wohl nichts beherrscht – konsterniert runter, Amy Smart verdingt sich mit Jason Flemyng in einer kurzen Nebenrolle und lediglich Paula Patton sticht, vordergründig durch ihr Aussehen, aus dem Ensemble heraus. Der Rest ist eine Anhäufung von Logikfehlern, einer Handlung, die so keinen Sinn ergibt und einem Ende, dass alles zuvor Dagewesene des Filmes nur noch mal zu toppen weiß.

Letztlich sind nicht nur die Spiegel böse oder sitzt alles böse nicht nur in Spiegeln, sondern in allem, was sich spiegelt. Also auch Wasser oder Türknaufe. Logischerweise würden hierzu auch Autolackierungen oder die menschliche Iris dazu gehören, nur verfolgt der Film dies nicht weiter. Auch nicht die Tatsache, dass es hier scheinbar Konventionen für das Spiegelböse gibt, die allerdings nur dann zum Tragen kommen, wenn es Aja in den Kram passt. Kurzum, die Story in Mirrors stimmt von vorne bis hinten nicht, ergibt zu keinem Zeitpunkt Sinn und verrät sich selbst in ihrer eigene Logik bereits nach wenigen Minuten. Viele Pfeiler der Handlung werden außen vor gelassen, nicht thematisiert, lediglich als Aufhänger bedient. Alles für den großen Showdown, für das schockierende Finale, welches sich letztlich in die Schwachpunkte des restlichen Filmes einreiht. Zugegeben, der Film fügt sich hier mit seiner Kompromisslosigkeit wieder in das Motto des Fantasy Filmfestes ein, aber dennoch ist das alles insgesamt zu wenig, um sowohl funktionieren als auch fesseln zu können. Zu belanglos und zu fehlerhaft verpackt Aja das, da hilft ihm auch seine gelungene Optik nicht mehr viel. So schön die Geschenkverpackung auch ist, wenn man am Ende nur ein paar Socken darin vorfindet, ist die Enttäuschung nur umso größer. Scheinbar hat der Franzose seins Innovativität bei der Einreise in die USA am Zoll gelassen, sein Remake jedenfalls reiht sich in neben die vielen anderen überflüssigen amerikanischen Remakes japanischer oder koreanischer Horrorfilme. Der große Seelenausverkauf geht jedoch schon weiter, als nächstes dreht Aja Piranha 3-D. Wenn wundert es, es ist ein Remake.

4/10 - erschienen bei Wicked-Vision

13 Kommentare:

  1. Hört sich ja nicht gerade toll an. Ich werde ihn mir aber natürlich trotzdem gönnen, wenn er ins Kino kommt...

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  2. Tu das, vielleicht kannst du ihm ja etwas abgewinnen.

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  3. tje rudi und Horror, andererseits bleibt Aja immer noch was schuldig und Mirrors sah schon im Trailer nicht sonderlich innovativ aus

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  4. Hm, trotzdem bleibt MIRRORS mein Horror-Most-Wanted.Allein der Trailer haut rein. Abwarten.

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  5. Der Trailer war schon derbe scheiße. Da sich die negativen Stimmen immer mehr häufen, gehe ich davon aus, dass Aja nach zwei brillanten Filmen jetzt wirklich daneben geschlagen hat.

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  6. zwei brillante Filme?

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  7. Woher bitte nimmst du die Zeit, so viel zu schreiben?^^

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  8. Hey, Aja hatte bei The Hills have Eyes ja auch nur Glück Wes Craven als Produzenten hinter sich stehen zu haben, obwohl sein Film natürlich auch nur Durchschnittsware war. Sorry, THHE war ja schon meilenweit von dem entfernt was Aja mit Haute Tension ablieferte. Hätte er Cojones in der Hose, hätte er bestimmt kein Asia Remake auf der To Do Liste stehen gehabt. Aber wie das halt so ist, Geld stinkt nicht.

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  9. Dabei war "Haute Tension" schon ziemlich grausame Scheisse, die lediglich eine sehenswerte Szene hatte (die Verfolgungsjagd zum Song von Muse) und sich ansonsten nur an ihrem ach-so-cleveren Plottwist ergötzt hat - der aber das ganze vorhergehende bei näherere Betrachtung völlig lächerlich gemacht hat.

    Hach, könnte mich jetzt schon wieder über diese furchtbare Kopfgeburt aufregen - dabei ist die Ansicht nun schon Jahre her...

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  10. die lediglich eine sehenswerte Szene hatte (die Verfolgungsjagd zum Song von Muse)

    Amen, Bruder!

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