If you kill off my demons my angels might die too.
Eine Matrjoschka ist eine berühmte russische Holzpuppe, die bunt bemalt ist und in sich selbst noch weitere Matrjoschka verschachtelt hat. Sie beherbergt somit mehr, als auf den ersten Blick offenbart wird und bei jedem genaueren Blick, stößt man auf eine neue Matrjoschka. Ohne Frage wäre Brad Andersons neuer Film Transsiberian gerne eine solche Matrjoschka. Aber nur weil der Film die eine oder andere Wendung nimmt, macht ihn das noch lange nicht zur einer. Mit Session 9 und The Machinist machte sich Anderson im Business einen Namen, wenn man es so sehen will. Dabei war das Eindrucksvollste an The Machinist noch Christian Bales Gewicht, konnte der Film mit seiner finalen Wendung doch wenig überraschen. Aber Andersons neuer Film beschreitet da ganz andere Wege, ist weniger ausgeklügelter Thriller und spannender Horror als vielmehr ein konventioneller Thriller mit Kaltem Krieg-Flair, der ohne Probleme Ende der achtziger oder Anfang der neunziger Jahre stammen könnte. Mit namhafter Besetzung wird hier ein Drogendrama erzählt, welches sich im Transsiberian-Zug von Peking nach Moskau abspielen soll. Hierbei spielen unterschiedliche menschliche Persönlichkeiten und den Wandel, den sie im Laufe ihres Lebens durchlaufen (können) eine entscheidende Rolle. Als kleiner Nebendarsteller funktioniert dabei der kammerspielartige Raum jenes Zuges, in dem sich viel der Handlung abspielt und die Protagonisten auf enger Fläche zusammen zwängt.
Die Richtung des Filmes gibt Anderson dabei gleich zu Beginn vor. Der russische Ermittler Grinko (Ben Kingsley) fahndet nach gestohlenem Kokain und macht sich auf den Weg zu einer Konferenz. In der folgenden Stunde wird man Grinko nicht mehr zu Gesicht bekommen, er ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als ein Erzähler, der die Drogen im Film als Objekt etabliert. Stattdessen dreht sich Transsiberian um die Ehe von Roy (Woody Harrelson) und Jessie (Emily Mortimer). Beide trieb Roys Kirche auf Missionarsarbeit nach Beijing, nun treten sie die Heimreise an. Dass die Ehe auf wackeligen Beinen steht, zeigt Anderson in einer Sexszene, die deshalb nicht zu Stande kommt, weil Jessie unbedingt verhüten will. Der nicht vorhandene Kinderwunsch als Skylla ihrer Persönlichkeit. Die Spannungen werden erst gelockert, als sie in ihrer Kabine Zuwachs durch das Backpacker-Pärchen Carlos (Eduardo Noriega) und Abby (Kate Mara) erhalten. Doch beide scheinen ein Geheimnis mit sich zu Tragen, ein Geheimnis, in welchem Jessie schneller als sie sich versieht selbst Teil wird. Anderson wählt hier Emily Mortimers Figur der Jessie als zentrale Protagonisten seines Filmes, die im Fokus des Geschehens steckt. Jessie selbst ist eine ambivalente Figur, ehemals wild und ziellos und nunmehr durch ihre Liebe zu Roy quasi gezähmt. Bei diesem „Geständnis“ verwundert es einen umso mehr, dass gerade der gläubige Kirchengänger Roy, der sich so sehr für Eisenbahnen interessiert, dass er seinen Zug verpasst, mit jener wilden Jessie zusammen gerät. Denn im Grunde wirkt für jemanden von Jessies Persönlichkeit gerade Carlos weitaus anziehender und passender. Ziellos im Leben, die Heimat auf dem Rücken. Ab einem gewissen Zeitpunkt verliert Anderson daher Roy und Abby aus den Augen, um sich stattdessen auf die anderen beiden Figuren zu konzentrieren.
Jene sind es auch, die der Geschichte ihre entscheidende Wendung geben. Bis es soweit ist zeichnet Anderson in Transsiberian jedoch den Clash der Kulturen. Während Roy und Jessie bei ihrem Abschied von ihren westlichen Mit-Missionaren freundlich behandelt werden, begegnet ihnen im transsiberischen Zug allerlei Animosität. Die Zugbegleiterinnen reagieren wiederholt barsch und ausfallend, die Polizisten wiederum nicht weniger aggressiv. Ein durchaus xenophobes Bild, welches Anderson hier zeichnet und noch mit Anekdoten eines französischen Passagiers garniert, dem die Zollbehörde zwei Zehen amputierte, ehe er sich bereit erklärte eine größere Summe als „Lösegeld“ zu bezahlen. Russland als Land der unmoralischen Zustände. Damit der Eindruck noch verstärkt wird erzählt später auch Grinko noch den einen oder anderen Schwank. Es sei besser in Dunkelheit zu leben als im Licht zu sterben und die UdSSR war ja sowieso am besten. Transsiberian ist daher ein Film für das westliche Publikum, dem hier in fremden Territorium ruhig etwas mulmig werden darf. Enge Zugräume, unfreundliches Personal und die Aussicht sich seine Grenzüberschreitung erkaufen zu müssen. Einfluss hat das insbesondere auf Jessie, während der extrovertierte Roy die Situation so nimmt, wie sie kommt. Schließlich muss man immer den Donut im Auge behalten und nicht sein Loch. Always look on the bright side of life.
So vereinbart Anderson viele kleine Facetten in seinem neuen Film. Einen Hauch Der Fremde im Zug hier, eine Prise Express in die Hölle da, gepfeffert mit etwas Hostel – von allem ist ein bisschen was dabei. Obschon Transsiberian in einem Zug spielt nimmt die Handlung nie wirklich Fahrt auf, legt kaum einen Zahn zu. Sie rollt vorwärts, stetig aber sicher. Der Weg, den sie beschreitet, ist mitunter etwas holprig, so zum Beispiel am Wendepunkt der Geschichte in der Mitte des Filmes, aber bleibt geerdet. Das Tückische an Andersons Neuem ist, dass er spektakulär unspektakulär ist. Über die Wahl der Besetzung darf man sich streiten, so nimmt man Harrelson den braven Ehemann gerade zu Beginn nicht wirklich ab, zu sehr beißt sich das mit seiner Filmographie. Auch für Mortimer scheint ihre Rolle gelegentlich eine Nummer zu groß zu sein, während Noriega herrlich schmierig auftreten darf. Dagegen können sich Mara und Kingsley nicht sonderlich hervortun, während Deutschlandexport Thomas Kretschmann bis auf wenige Sätze (und die sind in Russisch) lediglich böse schauen darf. Die Geschichte, welche der Film zu erzählen versucht, hat zwar Hand und Fuß und ist dabei nicht einmal unbedingt unglaubwürdig. Doch fehlt ihr viel zu sehr die Spannung, eine gewisse Beschleunigung. Große Sprünge sollte man sich vom neuesten Werk Brad Andersons also nicht erwarten, denn wirklich gut ist er nicht. Wirklich schlecht jedoch ebenfalls nicht und hier liegt fast schon die Krux des Ganzen. Transsiberian ist ein durchschnittlicher Thriller, der es seinem Publikum schwer macht, überhaupt eine gesonderte Emotion hinterher zu fühlen, weshalb er unterm Strich gesehen wieder selbst wie ein Zug ist. Man schenkt ihm kurz Aufmerksamkeit, aber aus den Augen ist aus dem Sinn.
6/10 - erschienen bei Wicked-Vision
Eine Matrjoschka ist eine berühmte russische Holzpuppe, die bunt bemalt ist und in sich selbst noch weitere Matrjoschka verschachtelt hat. Sie beherbergt somit mehr, als auf den ersten Blick offenbart wird und bei jedem genaueren Blick, stößt man auf eine neue Matrjoschka. Ohne Frage wäre Brad Andersons neuer Film Transsiberian gerne eine solche Matrjoschka. Aber nur weil der Film die eine oder andere Wendung nimmt, macht ihn das noch lange nicht zur einer. Mit Session 9 und The Machinist machte sich Anderson im Business einen Namen, wenn man es so sehen will. Dabei war das Eindrucksvollste an The Machinist noch Christian Bales Gewicht, konnte der Film mit seiner finalen Wendung doch wenig überraschen. Aber Andersons neuer Film beschreitet da ganz andere Wege, ist weniger ausgeklügelter Thriller und spannender Horror als vielmehr ein konventioneller Thriller mit Kaltem Krieg-Flair, der ohne Probleme Ende der achtziger oder Anfang der neunziger Jahre stammen könnte. Mit namhafter Besetzung wird hier ein Drogendrama erzählt, welches sich im Transsiberian-Zug von Peking nach Moskau abspielen soll. Hierbei spielen unterschiedliche menschliche Persönlichkeiten und den Wandel, den sie im Laufe ihres Lebens durchlaufen (können) eine entscheidende Rolle. Als kleiner Nebendarsteller funktioniert dabei der kammerspielartige Raum jenes Zuges, in dem sich viel der Handlung abspielt und die Protagonisten auf enger Fläche zusammen zwängt.
Die Richtung des Filmes gibt Anderson dabei gleich zu Beginn vor. Der russische Ermittler Grinko (Ben Kingsley) fahndet nach gestohlenem Kokain und macht sich auf den Weg zu einer Konferenz. In der folgenden Stunde wird man Grinko nicht mehr zu Gesicht bekommen, er ist zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als ein Erzähler, der die Drogen im Film als Objekt etabliert. Stattdessen dreht sich Transsiberian um die Ehe von Roy (Woody Harrelson) und Jessie (Emily Mortimer). Beide trieb Roys Kirche auf Missionarsarbeit nach Beijing, nun treten sie die Heimreise an. Dass die Ehe auf wackeligen Beinen steht, zeigt Anderson in einer Sexszene, die deshalb nicht zu Stande kommt, weil Jessie unbedingt verhüten will. Der nicht vorhandene Kinderwunsch als Skylla ihrer Persönlichkeit. Die Spannungen werden erst gelockert, als sie in ihrer Kabine Zuwachs durch das Backpacker-Pärchen Carlos (Eduardo Noriega) und Abby (Kate Mara) erhalten. Doch beide scheinen ein Geheimnis mit sich zu Tragen, ein Geheimnis, in welchem Jessie schneller als sie sich versieht selbst Teil wird. Anderson wählt hier Emily Mortimers Figur der Jessie als zentrale Protagonisten seines Filmes, die im Fokus des Geschehens steckt. Jessie selbst ist eine ambivalente Figur, ehemals wild und ziellos und nunmehr durch ihre Liebe zu Roy quasi gezähmt. Bei diesem „Geständnis“ verwundert es einen umso mehr, dass gerade der gläubige Kirchengänger Roy, der sich so sehr für Eisenbahnen interessiert, dass er seinen Zug verpasst, mit jener wilden Jessie zusammen gerät. Denn im Grunde wirkt für jemanden von Jessies Persönlichkeit gerade Carlos weitaus anziehender und passender. Ziellos im Leben, die Heimat auf dem Rücken. Ab einem gewissen Zeitpunkt verliert Anderson daher Roy und Abby aus den Augen, um sich stattdessen auf die anderen beiden Figuren zu konzentrieren.
Jene sind es auch, die der Geschichte ihre entscheidende Wendung geben. Bis es soweit ist zeichnet Anderson in Transsiberian jedoch den Clash der Kulturen. Während Roy und Jessie bei ihrem Abschied von ihren westlichen Mit-Missionaren freundlich behandelt werden, begegnet ihnen im transsiberischen Zug allerlei Animosität. Die Zugbegleiterinnen reagieren wiederholt barsch und ausfallend, die Polizisten wiederum nicht weniger aggressiv. Ein durchaus xenophobes Bild, welches Anderson hier zeichnet und noch mit Anekdoten eines französischen Passagiers garniert, dem die Zollbehörde zwei Zehen amputierte, ehe er sich bereit erklärte eine größere Summe als „Lösegeld“ zu bezahlen. Russland als Land der unmoralischen Zustände. Damit der Eindruck noch verstärkt wird erzählt später auch Grinko noch den einen oder anderen Schwank. Es sei besser in Dunkelheit zu leben als im Licht zu sterben und die UdSSR war ja sowieso am besten. Transsiberian ist daher ein Film für das westliche Publikum, dem hier in fremden Territorium ruhig etwas mulmig werden darf. Enge Zugräume, unfreundliches Personal und die Aussicht sich seine Grenzüberschreitung erkaufen zu müssen. Einfluss hat das insbesondere auf Jessie, während der extrovertierte Roy die Situation so nimmt, wie sie kommt. Schließlich muss man immer den Donut im Auge behalten und nicht sein Loch. Always look on the bright side of life.
So vereinbart Anderson viele kleine Facetten in seinem neuen Film. Einen Hauch Der Fremde im Zug hier, eine Prise Express in die Hölle da, gepfeffert mit etwas Hostel – von allem ist ein bisschen was dabei. Obschon Transsiberian in einem Zug spielt nimmt die Handlung nie wirklich Fahrt auf, legt kaum einen Zahn zu. Sie rollt vorwärts, stetig aber sicher. Der Weg, den sie beschreitet, ist mitunter etwas holprig, so zum Beispiel am Wendepunkt der Geschichte in der Mitte des Filmes, aber bleibt geerdet. Das Tückische an Andersons Neuem ist, dass er spektakulär unspektakulär ist. Über die Wahl der Besetzung darf man sich streiten, so nimmt man Harrelson den braven Ehemann gerade zu Beginn nicht wirklich ab, zu sehr beißt sich das mit seiner Filmographie. Auch für Mortimer scheint ihre Rolle gelegentlich eine Nummer zu groß zu sein, während Noriega herrlich schmierig auftreten darf. Dagegen können sich Mara und Kingsley nicht sonderlich hervortun, während Deutschlandexport Thomas Kretschmann bis auf wenige Sätze (und die sind in Russisch) lediglich böse schauen darf. Die Geschichte, welche der Film zu erzählen versucht, hat zwar Hand und Fuß und ist dabei nicht einmal unbedingt unglaubwürdig. Doch fehlt ihr viel zu sehr die Spannung, eine gewisse Beschleunigung. Große Sprünge sollte man sich vom neuesten Werk Brad Andersons also nicht erwarten, denn wirklich gut ist er nicht. Wirklich schlecht jedoch ebenfalls nicht und hier liegt fast schon die Krux des Ganzen. Transsiberian ist ein durchschnittlicher Thriller, der es seinem Publikum schwer macht, überhaupt eine gesonderte Emotion hinterher zu fühlen, weshalb er unterm Strich gesehen wieder selbst wie ein Zug ist. Man schenkt ihm kurz Aufmerksamkeit, aber aus den Augen ist aus dem Sinn.
6/10 - erschienen bei Wicked-Vision
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