28. Oktober 2008

Obsluhoval jsem anglického krále

Es war immer mein Glück, Unglück zu haben.

So beginnt die Geschichte von Jan Dítě (Oldrich Kaiser), der nach 15 Jahren Gefängnishaft in die Freiheit entlassen wird. Beziehungsweise 14 Jahren und 9 Monaten. Jan Dítě ist ein Mann der Gastronomie, kein Lebemann, aber ein Frauenheld. Und noch etwas zeichnet Jan Dítě aus: er hat den Kaiser von Äthiopien bedient. Für jenen Abend hat er sogar einen Orden bekommen, obwohl er diesen nicht unbedingt verdient gehabt hat. Aber das ist zu weit vorgegriffen, denn Jan Dítěs Geschichte beginnt Anfang der dreißiger Jahre an einem der Bahnhöfe in der Tschechoslowakei. Als Würstchenverkäufer händigt Jan Dítě (Ivan Barnev) einem Geschäftsmann eine Wurst aus, braucht jedoch so lange zum Abzählen des Rückgeldes, dass jener mit erhobener Faust den Blondschopf hinterher zürnt. Mit dem neu gewonnenen Geld weiß Jan dann seinem Traum eines Tages Millionär zu werden ein Stückchen näher zu kommen. Seine nächste Stelle zeigt ihn dem Publikum als Aushilfskellner in einer kleinen Gastronomie. Als Spielball seines Chefs lernt Jan hier alles zu Sehen und zu Hören – dabei jedoch nichts zu Sehen und zu Hören. Der junge Mann geht in seiner Stelle auf, weiß gekonnt alle Schritte seines täglichen Geschäftes blind auszuüben. Eine Änderung tritt mit der Ankunft einer Prostituierten ein. Jan entwickelt ein Interesse, beginnt das weibliche Geschlecht zu bemerken und spart sich sein Geld zusammen für einen ersten Besuch. Schon bald ist Jan auch nicht mehr in seiner aktuellen Anstellung tragbar und wechselt ein Ferienhotel für reiche Juden. Hier werden die kulinarischen mit den sexuellen Gelüsten kombiniert und auch Jan bekommt seinen Teil ab, vom großen erotischen Kuchen. Stück für Stück entwickelt sich Jan weiter, wird nicht mehr tragbar und sucht sich eine neue, höhere Stellung.

Einen Wendepunkt nimmt sein Leben als er die Stellung eines Kellners im renommiertesten Prager Hotel Paříž annimt. Hier untersteht er dem Oberkellner Skřivánek (Martin Huba), einem erfahrenen Bediensteten, der von sich behaupten kann, den englischen König bedient zu haben. Jene Tätigkeit hat Skřivánek einen geschulten Blick verlieren, sodass er nicht nur die Herkunft seiner Gäste erahnen sondern auch ihre Bestellungen vorausahnen kann. Auch im Hotel Paříž setzt sich die Verbindung von kulinarischen und erotischen Genüssen fort. Doch das Leben in der Tschechoslowakei ändert sich Ende der Dreißiger. Das Dritte Reich annektiert die sudetendeutschen Teile des Landes und sorgt für Verstimmungen in Prag. Bei einem Übergriff seiner Landsleute kommt Jan der Sudetendeutschen Líza (Julia Jentsch) zu Hilfe. Fortan entspinnt sich eine Romanze zwischen den beiden jungen Menschen, die jedoch starke Einschränkungen durch Lisas starke faschistische Züge erhält. Doch aus Liebe lässt Jan alles über sich ergehen und entfernt sich immer mehr von seinen eigenen Landsleuten. „Es war immer mein Glück, Unglück zu haben“, erklärte Jan Dítě zu Beginn des Filmes. Eine Äußerung die sich dem Publikum nicht unbedingt erschließen will. Denn Unglück hat Jan Dítě keines in seinem Leben. Alles was er tut bringt ihn letztlich weiter. Nicht auf Umwegen, sondern direkt. Es verwundert durchaus, dass Jan stets gute Zeugnisse ausgestellt bekommt, wo er doch nach eigenen Aussagen ab einem gewissen Zeitpunkt stets nicht mehr tragbar sei. Egal ob er ein enormes Trinkgeld oder eine Auszeichnung des äthiopischen Kaisers erhält. Für seine Verhältnisse geht es Jan somit ausgesprochen gut, denn selbst wenn er in einer kleinen Wohnung lebt, spart er sich sein Geld lediglich für seinen Traum eines eigenen Hotels auf.

Die Filmographie des tschechischen Regisseurs Jiří Menzel ist durchzogen von zwei Namen. Zum einen stechen viele Filme hervor, deren Drehbuch von Zdenek Sverák, der dieses Jahr mit Vratné lahve im Kino war, geschrieben wurden. Zum anderen durch seine Adaptionen der Geschichten von Schriftsteller Bohumil Hrabal. Deren Zusammenarbeit fand ihren Höhepunkt bereits 1966, als Menzel den Fremdsprachenoscar für Ostre sledované vlaky entgegen nehmen durfte. Auch Obsluhoval jsem anglického krále (dt. Ich habe den englischen König bedient) stellt erneut eine Adaption eines von Hrabals Romanen dar. Menzel versucht in seinem neuesten Film viele verschiedene Aspekte einzubringen. Eine gehörige Portion Satire, jedoch gefüllt mit etwas Ernsthaftigkeit. Seine Geschichte, die sich als tschechische Variante von Forrest Gump anmaßen könnte, jedoch nicht in deren Tiefe und Komik einzudringen vermag, versucht sich ein ums andere Mal als Historienfilm. Hier scheitert der Film jedoch gerade an seiner mischartigen Form einer ernsten Satire beziehungsweise eines satirischen Dramas. Zwar möchte Menzel die Figur Adolf Hitler nicht zu einer allgegenwärtigen und –mächtigen Bedrohung verkommen lassen, doch seine zaghaften Versuche ihn in komische Momente einzubinden (Jan ändert sein Äußeres nach dem Führer, da Líza, wie sich später bei dem gemeinsamen Befruchtungssex zeigen wird, eine sexuelle Affinität zu diesem hat) scheitern am Rest der Handlung.

Denn von einem period piece erwarte ich dann auch, dass man sich der Begebenheiten und Probleme der Situation gemäß annimmt. Die Blauäugigkeit und Naivität von Jan in allen Ehren, aber eine einzelne Szene am Bahnhof, wenn er Juden bei Abtransport sieht und dann mit einem Leib Brot hinter dem fahrenden Zug her rennt, um in einer Analogie zum Anfang des Filmes jenen das Zukommen zu lassen, was ihnen zusteht, ist einfach nur enttäuschend. Schön und gut dass Jan sich quasi die Beziehung zu Líza zu Nutzen macht, um der nationalsozialistischen Besatzung aus dem Weg zu gehen, aber diese vollkommene Fehlen jeglicher Reflektion auf das eigene Treiben und Umfeld ist mehr als dilettantisch. Hier hätte man sich nicht nur mehr Auseinandersetzung mit der faschistischen Bedrohung gewünscht, vielmehr wäre eine solche bitter nötig gewesen. Zudem ergibt der Nebenplot des gegenwärtigen Jan und seiner beiden Nachbarn im Exil wenig bis gar keinen Sinn, sprich er fügt sich nicht in das Ganze ein. Jenes Ganze selbst ist auch keineswegs stringent, sondern bisweilen überaus redundant. Durchaus reizvoll die Idee, dass Jan stets Münzen auf den Boden schmeißt, um die Reichen dabei zu beobachten, wie sie sich sprichwörtlich erniedrigen, um an jenes Geld zu kommen. Allerdings wirkt dies auf Dauer ebenso eintönig, wie sein offensichtlicher Fetisch seine sexuellen Gespielinnen hinterher mit beliebigen Gegenständen zu bedenken. Von der Diskrepanz zwischen seinen Affären und ihm selbst ebenso zu schweigen, wie der Tatsache, dass Fräulein Jentsch sich beginnt wie die meisten deutschen Schauspieler in Filmen mit nationalsozialistischer Thematik zu verlieren. Immerhin hat sich inzwischen den Hitlergruß aus dem ff drauf. Allen Lobeshymnen zum Trotz (Filmstarts vergibt 9/10, Rotten Tomatoes 80%) ist Obsluhoval jsem anglického krále ein durchschnittlicher Film – aber immerhin einer mit viel weiblicher nackter Haut.

5.5/10

3 Kommentare:

  1. Da bin ich ja froh, dass ich mir den gespart habe :D

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  2. fällt nur mir das auf oder sieht der typ auf dem foto aus wie hitler ? ^^

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  3. @maksim:

    Jan ändert sein Äußeres nach dem Führer, da Líza, wie sich später bei dem gemeinsamen Befruchtungssex zeigen wird, eine sexuelle Affinität zu diesem hat

    ;)

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