„Nimm ein Butterfly Messer mit“, sagt die Mutter zu dem Sohn. Ein gut gemeinter Ratschlag, wenn in der Nachbarschaft die Mörder des eigenen Bruder leben. In The Look of Silence widmet sich Regisseur Joshua Oppenheimer nochmals den Massakern von 1965/66, als in Indonesien die Diktatur den Massenmord von Mitgliedern und Sympathisanten der Kommunistischen Partei veranlasste, nachdem er in The Act of Killing die Täter von damals ihre Verbrechen hatte nachstellen lassen. „Surreal und pietätlos“, beschrieb ich das damals. „Den Überlebenden jener Massaker sowie den Nachkommen der Getöteten wird die Dokumentation allerdings so nicht gerecht.“ Dies versucht Oppenheimer nun mit seinem Nachfolgefilm.
Zwei Jahre bevor er gezeugt wurde, verloren die Eltern von Adi ihren Sohn Ramli in jenem Massaker. „Kommunisten sind grausam“, lernt Adis Sohn in der Schule. „Es sind alles Lügen“, klärt Adi den Sohn auf. Und macht sich selbst daran, die Wahrheit aus dem Mund der Lügner zu hören. Immer wieder sehen wir Adi, wie er sich auf einem Fernseher Szenen aus The Act of Killing ansieht, in denen die Täter ihren Mord an Ramli beschreiben. Im Verlauf des Films besucht Adi jene Orte, an denen der Bruder, den er nie gekannt hat, sein Martyrium erlitt. Darunter teils mit einem Überlebenden der Massaker. „Ich will mich nicht erinnern“, sagt dieser. „Das würde nur Ärger heraufbeschwören.“ Schließlich leben die Täter weiter unter ihnen.
Wenn sie Ramlis Mördern im Dorf begegnet, sprechen sie nicht miteinander, erzählt Adis Mutter Rohani. Es mache keinen Sinn sich jetzt aufzuregen, zugleich betet sie aber, dass auch „die Kinder und Enkel der Täter büßen werden“ – selbst wenn die mit dem Massaker von damals nichts zu tun haben. Adi wird im letzten Akt der Dokumentation einigen Nachfahren des Mörders seines Bruders gegenübersitzen. Die wiederum wollen nicht mit den Taten ihrer Väter konfrontiert werden. „Das Vergangene ist vergangen“, hört Adi immer wieder. Von den Tätern, ihren Verwandten, aber auch den eigenen. Wie seinem Onkel, der als Gefängniswärter über die Kommunisten wachte, vom Massenmord an diesen jedoch nichts geahnt haben will.
Ähnliches kennst man hinsichtlich deutscher Erlebnisse aus der NS-Zeit. Mitbekommen hat niemand etwas und die, die es taten, hatten keine Wahl. „Keiner fühlt sich verantwortlich“, merkt Adi im Gespräch mit den Tätern, die auf die Regierung oder Befehlskette verweisen. „Einige haben so viele Menschen getötet, dass sie wahnsinnig wurden“, weiß einer der Mörder. Das Einzige was half, war, das Blut der Opfer zu trinken. Salzig und süß sei es gewesen, sinniert der Täter, während Adi ihm konsterniert zuhört. Der titelgebende Blick des Schweigens findet sich unterdessen nicht nur bei Adi – und dem Zuschauer –, sondern auch bei seinen Gesprächspartnern, wenn er ihnen Fragen zu ihren Motiven und Gefühlen bezüglich ihrer Taten stellt.
Das kommt bei den wenigsten gut an. Einer der Mörder echauffiert sich, dass Adi „weitaus tiefgründigere Fragen“ stelle „als Joshua [Oppenheimer] es je getan hat“. Und in der Tat stellt Adi den Tätern all jene Fragen, die sich Oppenheimer in The Act of Killing sparte. Was damals noch irritierte, kriegt nun womöglich eine Erklärung, sieht man, wie Adis Gegenüber immer wieder seine Fragen abblocken. Vielleicht ließ Oppenheimer die Mörder deshalb zuvor einfach drauflos labern, um die ungeschminkte Wahrheit auf Band zu haben, mit der Adi als Basis für die „Fortsetzung“ arbeiten kann. Allerdings haben die Täter wenig Probleme, einem Familienmitglied direkt zu berichten, wie man dessen Verwandten seinerzeit verunstaltet und malträtiert hat.
Insofern macht der Film den Vorgänger fast obsolet, der als Referenz besser funktioniert als für sich betrachtet. The Look of Silence ist das beste zweier Welten: die Berichte der Täter kombiniert mit der Reaktion der Opfer. Entsprechend muss man The Act of Killing nicht gesehen haben, um dieser Dokumentation folgen zu können. So erschütternd das Gezeigte auch ist, weiß Oppenheimer die Stimmung aufzulockern, indem er Adi mit seiner unbeschwerten Tochter zeigt. Sie weiß, ähnlich wie die erwachsene Tochter eines Täters später, scheinbar nichts von den mörderischen Umständen von 1965/66. Doch wenn The Look of Silence uns etwas zeigt, dann, dass das Vergangene nicht vergangen ist – zumindest nicht für die Opfer.
Zwei Jahre bevor er gezeugt wurde, verloren die Eltern von Adi ihren Sohn Ramli in jenem Massaker. „Kommunisten sind grausam“, lernt Adis Sohn in der Schule. „Es sind alles Lügen“, klärt Adi den Sohn auf. Und macht sich selbst daran, die Wahrheit aus dem Mund der Lügner zu hören. Immer wieder sehen wir Adi, wie er sich auf einem Fernseher Szenen aus The Act of Killing ansieht, in denen die Täter ihren Mord an Ramli beschreiben. Im Verlauf des Films besucht Adi jene Orte, an denen der Bruder, den er nie gekannt hat, sein Martyrium erlitt. Darunter teils mit einem Überlebenden der Massaker. „Ich will mich nicht erinnern“, sagt dieser. „Das würde nur Ärger heraufbeschwören.“ Schließlich leben die Täter weiter unter ihnen.
Wenn sie Ramlis Mördern im Dorf begegnet, sprechen sie nicht miteinander, erzählt Adis Mutter Rohani. Es mache keinen Sinn sich jetzt aufzuregen, zugleich betet sie aber, dass auch „die Kinder und Enkel der Täter büßen werden“ – selbst wenn die mit dem Massaker von damals nichts zu tun haben. Adi wird im letzten Akt der Dokumentation einigen Nachfahren des Mörders seines Bruders gegenübersitzen. Die wiederum wollen nicht mit den Taten ihrer Väter konfrontiert werden. „Das Vergangene ist vergangen“, hört Adi immer wieder. Von den Tätern, ihren Verwandten, aber auch den eigenen. Wie seinem Onkel, der als Gefängniswärter über die Kommunisten wachte, vom Massenmord an diesen jedoch nichts geahnt haben will.
Ähnliches kennst man hinsichtlich deutscher Erlebnisse aus der NS-Zeit. Mitbekommen hat niemand etwas und die, die es taten, hatten keine Wahl. „Keiner fühlt sich verantwortlich“, merkt Adi im Gespräch mit den Tätern, die auf die Regierung oder Befehlskette verweisen. „Einige haben so viele Menschen getötet, dass sie wahnsinnig wurden“, weiß einer der Mörder. Das Einzige was half, war, das Blut der Opfer zu trinken. Salzig und süß sei es gewesen, sinniert der Täter, während Adi ihm konsterniert zuhört. Der titelgebende Blick des Schweigens findet sich unterdessen nicht nur bei Adi – und dem Zuschauer –, sondern auch bei seinen Gesprächspartnern, wenn er ihnen Fragen zu ihren Motiven und Gefühlen bezüglich ihrer Taten stellt.
Das kommt bei den wenigsten gut an. Einer der Mörder echauffiert sich, dass Adi „weitaus tiefgründigere Fragen“ stelle „als Joshua [Oppenheimer] es je getan hat“. Und in der Tat stellt Adi den Tätern all jene Fragen, die sich Oppenheimer in The Act of Killing sparte. Was damals noch irritierte, kriegt nun womöglich eine Erklärung, sieht man, wie Adis Gegenüber immer wieder seine Fragen abblocken. Vielleicht ließ Oppenheimer die Mörder deshalb zuvor einfach drauflos labern, um die ungeschminkte Wahrheit auf Band zu haben, mit der Adi als Basis für die „Fortsetzung“ arbeiten kann. Allerdings haben die Täter wenig Probleme, einem Familienmitglied direkt zu berichten, wie man dessen Verwandten seinerzeit verunstaltet und malträtiert hat.
Insofern macht der Film den Vorgänger fast obsolet, der als Referenz besser funktioniert als für sich betrachtet. The Look of Silence ist das beste zweier Welten: die Berichte der Täter kombiniert mit der Reaktion der Opfer. Entsprechend muss man The Act of Killing nicht gesehen haben, um dieser Dokumentation folgen zu können. So erschütternd das Gezeigte auch ist, weiß Oppenheimer die Stimmung aufzulockern, indem er Adi mit seiner unbeschwerten Tochter zeigt. Sie weiß, ähnlich wie die erwachsene Tochter eines Täters später, scheinbar nichts von den mörderischen Umständen von 1965/66. Doch wenn The Look of Silence uns etwas zeigt, dann, dass das Vergangene nicht vergangen ist – zumindest nicht für die Opfer.
7.5/10