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27. April 2018

Only the Brave [No Way Out: Gegen die Flammen]

Act like we’ve done it before.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Beratungsunternehmen Gallup mit dem „Engagement Index“ eine Studie, nach der 85 Prozent der Arbeitnehmer kaum eine Bindung zu ihrem Arbeitsgeber haben. Die Folge ist Dienst nach Vorschrift. Buchstäblich Feuer und Flamme für seinen Job sein und dabei Dienst nach Vorschrift verrichten – das schließt sich nicht aus, wie die Waldbrandbekämpfer in Joseph Kosinskis Only the Brave deutlich machen. In Deutschland kommt das auf wahren Begebenheiten beruhende Drama unter dem Titel No Way Out in die Kinos. Mit dem bilingualen Zusatz „Gegen die Flammen“, um wohl die Verwechslungsgefahr mit dem gleichnamigen Spionage-Thriller von Roger Donaldson aus dem Jahr 1987 zu minimieren.

Kosinski erzählt in seinem dritten Film nach den Sci-Fi-Ausflügen Tron: Legacy und Oblivion von Feuerwehrmann Eric Marsh (Josh Brolin) und seinen Bemühungen, seinen Trupp als Spezialeinheit für Waldbrandbekämpfung – in den USA “Hotshots” genannt – zertifiziert zu bekommen. Als Neuling im Team stößt der drogensüchtige Taugenichts Brendan McDonough (Miles Teller) zum Team, der nach einem One-Night-Stand mit Kindesfolge seine Tochter finanziell unterstützen will.  Gemeinsam mit Duane Steinbrink (Jeff Bridges), dem Chef der lokalen Feuerwehr und Marshs Vorgesetztem, hadern die designierten Waldbrandbekämpfer mit dem Tribut, den sie ihrem Job zollen, während das Familienleben daheim darunter zu leiden droht.

Die Geschichte von Marsh und seinem Team der Granite Mountain Hotshots nahm am 30. Juni 2013 ein tragisches Ende, als fast die gesamte Einheit beim Yarnell Hill Waldbrand ums Leben kam. Das seiner Zeit insgesamt zwölf Tage währende Feuer zerstörte eine Fläche von 34 km2 und das Leben von 19 der Hotshots aus Prescott, Arizona – womit es der tödlichste Waldbrand für Feuerwehrleute in 90 Jahren war. Vom Aufbau und der Struktur her erinnert Only the Brave somit an die jüngeren Werke eines Peter Berg, der in Filmen wie Patriot’s Day, Deepwater Horizon oder Lone Survivor zuletzt gerne reale Tragödien um menschliche Helden inszenierte. Ein Gespür für dieses Genre, das Sci-Fi-Mann Kosinski noch nicht ganz zu besitzen scheint.

Only the Brave erstreckt sich über einen Zeitraum von acht Jahren, ohne dass dies dem Zuschauer wirklich bewusst würde. Das narrative Konstrukt macht dabei durchaus für sich Sinn, wenn wir Marsh sowie seine Männer um Jesse Steed (James Badge Dale) und Christopher MacKenzie (Taylor Kitsch) erstmals im Jahr 2005 begegnen, wo sie noch als Aufräum-Trupp für richtige Hotshots tätig sind. Was folgt, ist in gewisser Weise eine Underdog-Story, die sich jedoch nicht mit vermeintlichen Widrigkeiten für die Feuerwehrleute aufhält. Wie wenig Fleisch die Geschichte im Kern am Knochen hat, zeigt sich schon dadurch, dass Kosinski sie mit allerlei Nebenhandlungen unterfüttert, die für den Verlauf der eigentlichen Geschichte nicht von Relevanz sind.

So ist eines der wiederkehrenden Motive das der Familie und der Opfer, die sie für den Job der Männer zu bringen hat. Man muss seinen Gatten eben mit dem Feuer teilen, weist da eine unterbeschäftigte Andie MacDowell als Marvel Steinbrink ihr Gegenüber Amanda Marsh (Jennifer Connelly) hin. Letztere will eigentlich Kinder, auch wenn ihr Mann von Beginn an deutlich gemacht haben will, dass er sich nicht nach welchen sehnt. Ein emotionales Drama, das sich auch in der intendierten Katharsis von Brendan McDonough widerspiegelt. Wie es mit dem (Familien-)Leben anderer Männer wie dem Familienvater Steed oder auch MacKenzie aussieht, lässt Only the Brave außen vor. Womöglich, um nicht zu viele Bälle gleichzeitig zu jonglieren.

Nicht jede Entscheidung lässt sich hierbei aber gänzlich nachvollziehen. So ist Amanda zu einem Zeitpunkt in einen Autounfall verwickelt und Brendan wird irgendwann während der Arbeit von einer Klapperschlange gebissen. Beide Ereignisse führen nicht wirklich irgendwo hin, legen kein narratives oder charakterliches Fundament. Sie bieten im besten Fall einen kurzen Einblick in den aktuellen Familienstatus der betroffenen Figuren. In der Folge blähen sie den Film, der eigentlich nur auf die dramatische Entwicklung des Yarne Hill Fires hinarbeitet, aber unnötig auf über zwei Stunden auf. Jener Brand, der damals mit der höchsten Gefahrenstufe als Großschadensbrand und als Naturkatastrophe eingestuft wurde, geht unterdessen etwas unter.

Manche Elemente und Metaphern funktionieren sehr gut, zum Beispiel wenn Amanda auf ihrer Farm ein geplagtes Pferd mit Vorgeschichte aufnimmt, während Eric zur selben Zeit Brendan eine neue Chance bietet. Andere Szenen, wie ein in Brand stehender Bär als bebilderte Anekdote, fallen wiederum eher unglücklich aus. Das Ensemble gibt sich immerhin bemüht, von Brolin und Teller über Connelly bis hin zu Hintergrunddarstellern wie Geoff Stults und Ben Hardy. Wäre nur die Handlung etwas runder und packender, die in ihrer jetzigen Form wenig mehr beim Publikum hängen bleibt als der Plot des fiktiven und thematisch ähnlichen Films “Smoke Jumpers” aus der fünften Staffel von HBOs Meta-Hollywood-Serie Entourage.

“Sooner or later, the fire… she’s gonna come a-knocking”, prognostiziert Eric Marsh da an einer Stelle im Film, der durchaus mitunter in Klischeegefilde abdriftet. Kosinski kommt so nicht umhin, nach einem erfolgreich bekämpften Brand eine Krankenschwester schmachtend seufzen zu lassen, wie heldenhaft die Granite Mountain Hotshots seien. Ebenso heldenhaft darf Brendan später wie ein VIP in die lokale Bar eintreten, aus der er zu Beginn noch von den Türstehern gewaltsam entfernt werden musste. Etwas mehr Tiefgang hätte Only the Brave in solchen Momenten nicht geschadet. “What can I live with and what can I die without?”, stellt Duane Steinbrink einmal in den Raum. Eine Antwort auf die Frage liefert der Film aber leider nicht.

Der Zuschauer müsse die Verletzlichkeit der Figur spüren, die den Kern ihres Dilemmas bildet. “Like an onion. Without a core, there’s no layers”, weist Regisseur Verner Vollstedt (Stellan Skarsgård) in der Entourage-Folge Playing With Fire am Set von “Smoke Jumpers” seinen Star Vincent Chase (Adrian Grenier) hin. Ähnlich wie dieser Film liefert Only the Brave auf der einen Seite zwar Brand-Spektakel, dreht sich jedoch im Kern um Menschen mit verschiedenen Ebenen. Und ähnlich wie Verner im „Dienst nach Vorschrift“ von Vincent Chase vermag man als Zuschauer dies in Kosinskis Film nicht ausreichend in Handlung und Charakteren zu erkennen. Selbst wenn die sie spielenden Darsteller für ihren Job Feuer und Flamme sind.

5.5/10

18. August 2015

True Detective – Season Two

Here we are, under the bright lights.

Erfolg kann auch eine Bürde sein und Fußstapfen bereiten, die anschließend schwer auszufüllen sind. So haderte auch Michael Douglas’ Figur in Wonder Boys damit, nach einem umjubelten Debütroman ein Folgewerk zu liefern, dass den Ansprüchen gerecht würde. Ähnlich verhält es sich mit der zweiten Staffel von True Detective, die im vergangenen Jahr quasi durch die Bank für ihre Atmosphäre und ihr Schauspielduo um Matthew McConaughey und Woody Harrelson gelobt wurde. Wie sich zeigte, wohl eher eine Eintagsfliege, deren Qualität sich scheinbar zuvorderst Regisseur Cary Joji Fukunaga verdankte, statt Serienschöpfer und Autor Nic Pizzolatto. Der liefert mit True Detectives zweiter Staffel krude Dialoge und uninteressante Charaktere.

Statt in Amerikas Süden spielt die Handlung im zweiten Jahr inmitten der korrupten fiktiven Industriestadt Vinci. Deren Stadtdirektor Ben Caspere wird tot von High Patrol Officer und Kriegsveteran Paul Woodrough (Taylor Kitsch) entdeckt. Woodrough soll gemeinsam mit den Ermittlern Ani Bezzerides (Rachel McAdams) und Ray Velcoro (Colin Farrell) den Mord an Caspere aufklären. Während Bezzerides promiskuitiv und spielsüchtig ist, ist Velcoro ein korrupter Polizist, der für seine Vorgesetzten in Vinci notfalls die Ermittlungen torpedieren soll. Zugleich arbeitet Velcoro auch noch dem Clubbesitzer und Anzug-Gangster Frank Semyon (Vince Vaughn) zu, der mit Caspere ein Millionenprojekt am laufen hatte und nun ohne Geld dasteht.

Die große Frage ist: Wer hat Caspere umgebracht und wieso? Und kann Semyon sein Geld zurück bekommen, dass ihm eigentlich mit einem Eisenbahnprojekt den Weg in die Legalität ebnen sollte? Kein leichtes Unterfangen. Schon gar nicht, weil das zweite Jahr True Detective eine Vielzahl an Figuren auf die Zuschauer loslässt, die alle irgendwie miteinander unter einer Decke stecken. Und mit verschiedenen nebulösen Subplots, die acht Episoden lang vor sich hin vegetieren, ohne wirklich von Belang zu sein. Beispielsweise Woodroughs heimliche Homosexualität oder das (erfolglose) Bestreben von Semyon und seiner Frau Jordan (Kelly Reilly), ein Kind zu zeugen. Hinzu kommen dann noch ein paar Fälle von vermissten Personen.

Am gelungensten ist True Detective zu Beginn in den ersten Folgen – primär, weil noch nicht klar ist, wo das zweite Jahr hinführt. Bis sich die Plan- und Orientierungslosigkeit der Staffel, die vermutlich versucht, sich in Noir-Gefilden zu bewegen, in den anschließenden Episoden verstärkt offenbart. Der Mord an Caspere ist weitaus weniger spannend als die Ritualmorde aus der ersten Staffel. Dass mit Caspere auch Semyons Zukunft sterben könnte, hat für das Publikum ebenfalls wenig Belang. Die Figur ist einem schlicht egal, was durch oft grausige Dialoge, die ihr Pizzolatto in den Mund legt, nicht besser wird. Ähnlich verhält es sich auch mit den drei Ermittlerfiguren, von denen kaum eine ihre Eindimensionalität zu überwinden vermag.

Bezzerides hadert mit ihrer Kindheit in der Hippie-Kommune ihres Vaters Eliot (David Morse), Woodrough mit seiner Zeit als Blackwater-Söldner in Afghanistan und seiner Liebelei mit einem Kameraden. Velcoro wiederum befindet sich in Semyons Schuld, da der ihm einst verriet, wer seine Frau (Abigail Spencer) vergewaltigt hatte. Eine Selbstjustiz-Wunde, die bis in die Gegenwart schmerzt und dem korrupten Ermittler ein zerrüttetes Verhältnis zu seinem Sohn beschert, der womöglich der Nachwuchs des Täters ist. Viel Drama, auch bei den anderen Figuren, wie dem versoffenen Vinci-Bürgermeister, dessen Zuhälter-Sprößling oder unter Semyons Männern, von denen plötzlich ebenfalls einer tot und mit Casperes Wunden auftaucht.

Es gibt derart viele Charaktere, dass man ihnen schwerlich allen folgen kann. Gesichter tauchen auf und gehen, hängen irgendwie miteinander zusammen. Eine Zuordnung fällt eher schwer, was aber auch nicht sonderlich problematisch ausfällt. Die Handlung dümpelt vor sich hin, die Ermittlungen im Fall bewegen sich zwar voran, werden Mitte der Staffel dann jedoch ausgebremst und dann wieder auf Anfang gestellt. Wo die Morde im ersten Jahr eine gewisse Faszination ausstrahlten, hält die zweite Staffel nur mit Mühe ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit. Dass man der Handlung dermaßen egal begegnet, liegt zugleich daran, dass man keine interessanten Charaktere hat, die einen an die Hand nehmen und durch den Plot begleiten.

Das Cop-Trio will nie wirklich miteinander harmonieren, am ehesten gelingt dies noch Velcoro und Bezzerides. Die Figuren bauen weder eine Beziehung zueinander auf, wie ihre Vorgänger im Vorjahr, noch reiben sie sich wie diese aneinander. Dass Pizzolatto dennoch so tut, als würden sich die Drei im Verlauf als Team und Einheit sehen, ist da schon fast bemitleidenswert. Hinzu kommen durch die Bank bedauernswerte Dialoge, die die Charaktere von sich geben müssen und sie teils noch dümmer dastehen lassen als sie durch ihre Aktionen bereits wirken. Schon jetzt ein Klassiker ist Woodroughs Ausspruch, als er in einer Folge auf eine Reihe Verträge stößt: “These contracts… signatures all over them!”, entfährt es Woodrough da ungläubig.

Übrige Gespräche werden meist von Plattitüden unterfüttert, die direkt aus Screenwriting for Dummies stammen könnten. Tempo gewinnt die Show nur dann, wenn buchstäblich Action geboten wird. Wie zum Ende der zweiten und vierten Folge oder auch im ansonsten katastrophalen Staffelfinale Omega Station. Am überzeugendsten gerät hier noch Night Finds You, auch aufgrund ihrer Schlussszene, die dann in der Folgeepisode sogleich revidiert wird. Kurzum: Es fehlt der zweiten Staffel True Detective das, was die erste Staffel ausgezeichnet hat. Interessante Figuren mit einer spannenden Dynamik und eine Atmosphäre, die eine im Grunde beliebige Handlung zu überstrahlen vermag. Fußstapfen, die für das zweite Jahr zu groß waren.

6.5/10

6. Januar 2015

Filmtagebuch: Dezember 2014

20,000 DAYS ON EARTH
(UK 2014, Iain Forsyth/Jane Pollard)
3/10

E AGORA? LEMBRA-ME [WHAT NOW? REMIND ME]
(P 2013, Joaquim Pinto)

5/10

ALL THIS MAYHEM
(UK/AUS 2014, Eddie Martin)
6.5/10

BLENDED [URLAUBSREIF]
(USA 2014, Frank Coraci)
8/10

BOOMERANG
(USA 1992, Reginald Hudlin)
6.5/10

THE CASE AGAINST 8
(USA 2014, Ben Cotner/Rob Reiner/Ryan White)
5.5/10

CITIZENFOUR
(USA/D 2014, Laura Poitras)
7.5/10

CLOUDS OF SILS MARIA [DIE WOLKEN VON SILS MARIA]
(F/CH/D 2014, Olivier Assayas)

6.5/10

THE CRASH REEL
(USA 2013, Lucy Walker)
7/10

EL CUERPO [THE BODY – DIE LEICHE]
(E 2012, Oriol Paulo)

5/10

LE DERNIER DES INJUSTES [DER LETZTE DER UNGERECHTEN]
(F/A 2013, Claude Lanzmann)

4/10

THE EXPENDABLES 3 [DIRECTOR’S CUT]
(USA/F 2014, Patrick Hughes)

3/10

FRIENDS – SEASON 4
(USA 1997/98, Peter Bonerz u.a.)
8/10

FRIENDS – SEASON 5
(USA 1998/99, Gary Halvorson/Kevin S. Bright u.a.)
7.5/10

THE GRAND SEDUCTION [DIE GROSSE VERSUCHUNG]
(CDN 2013, Don McKellar)

6/10

GUARDIANS OF THE GALAXY
(USA 2014, James Gunn)
6.5/10

THE GUEST
(USA 2014, Adam Wingard)
7.5/10

HOME ALONE [KEVIN – ALLEIN ZU HAUS]
(USA 1990, Chris Columbus)

10/10

HOME ALONE 2: LOST IN NEW YORK [KEVIN – ALLEIN IN NEW YORK]
(USA 1992, Chris Columbus)

7.5/10

HOW TO TRAIN YOUR DRAGON 2 (3D)
[DRACHENZÄHMEN LEICHT GEMACHT 2]
(USA 2014, Dean DeBlois)

6.5/10

HROSS Í OSS [OF HORSES AND MEN]
(IS/D/N 2013, Benedikt Erlingsson)

5/10

IL ÉTAIT UNE FORÊT [DAS GEHEIMNIS DER BÄUME]
(F 2013, Luc Jacquet)

5.5/10

JODOROWSKY’S DUNE
(USA/F 2013, Frank Pavich)
8.5/10

K2: SIREN OF THE HIMALAYAS
(USA 2012, Dave Ohlson)
6/10

KAGUYAHIME NO MONOGATARI [DIE LEGENDE DER PRINZESSIN KAGUYA]
(J 2013, Takahata Isao)

6.5/10

KILL ZONE USA
(D 2014, Helmar Büchel)
5.5/10

KIŞ UYKUSU [WINTERSCHLAF]
(TR/F/D 2014, Nuri Bilge Ceylan)

5.5/10

KREUZWEG
(D 2014, Dietrich Brüggemann)
6/10

LET’S BE COPS
(USA 2014, Luke Greenfield)
4/10

LISTEN UP PHILIP
(USA 2014, Alex Ross Perry)
4.5/10

LOCKE [NO TURNING BACK]
(UK/USA 2013, Steven Knight)

0/10

MAGIC IN THE MOONLIGHT
(USA/UK 2014, Woody Allen)
3/10

MR. TURNER
(UK/F/D 2014, Mike Leigh)
7/10

NEXT GOAL WINS
(UK 2014, Mike Brett/Steve Jamison)
6/10

NIGHTCRAWLER
(USA 2014, Dan Gilroy)
8.5/10

THE NORMAL HEART
(USA 2014, Ryan Murphy)
7/10

NYMPH()MANIAC [DIRECTOR’S CUT]
(DK/D/B/UK/F 2013, Lars von Trier)

6/10

THE RAID: BERANDAL
(RI/USA 2014, Gareth Evans)
2.5/10

THE RETURN TO HOMS
(SYR/D 2013, Talal Derki)
5/10

RICH HILL
(USA 2014, Andrew Droz Palermo/Tracy Droz Tragos)
7.5/10

SACRO GRA
(I/F 2013, Gianfranco Rosi)
6/10

SONS OF ANARCHY – SEASON 7
(USA 2014, Paris Barclay u.a.)
7/10

SOUTH PARK – SEASON 18
(USA 2014, Trey Parker)
7/10

A SPELL TO WARD OFF THE DARKNESS
(F/EST/D 2013, Ben Rivers/Ben Russell)
4/10

THE THEORY OF EVERYTHING [DIE ENTDECKUNG DER UNENDLICHKEIT]
(UK 2014, James Marsh)

7/10

TIMBUKTU
(F/RIM 2014, Abderrahmane Sissako)
7/10

TRACKS [SPUREN]
(AUS 2013, John Curran)

6/10

TURIST [HÖHERE GEWALT]
(S/F/N 2014, Ruben Östlund)

7/10

ZULU
(F/ZA 2013, Jérôme Salle)
4/10

2. März 2012

John Carter

„Der Tag bricht an, und Mars regiert die Stunde.“
(Friedrich Schiller – Wallensteins Tod, I, 1)

Die technische Revolution des Kinos im vergangenen Jahrzehnt wirkte Wunder für das Genre des Fantasy-Films. Peter Jacksons Lord of the Rings-Verfilmungen generierten ein Einspiel in Milliardenhöhe, James Cameron zog mit Avatar vor ein paar Jahren nach. Eine ganze phantastische Welt, gerendert aus Rechnern, bestehend aus Bits und Bytes. Wenn nicht jetzt, wann dann sollte also das Projekt A Princess of Mars aus seiner fast 80 Jahre währenden development hell auferstehen? Denn der Fantasy-Roman von Tarzan-Schöpfer Edgar Rice Burroughs, zuerst 1912 als Under the Moons of Mars publiziert, sollte bereits in den 1930er Jahren als erster Animationsfilm der Geschichte umgesetzt werden.

Stattdessen lag das Projekt Jahrzehnte lang auf Eis, während unter anderem Filme wie Star Wars und ebenjener Avatar von Burroughs’ sogenannten Barsoom-Romanen, die A Princess of Mars einläutete, inspiriert wurden. Wie passend, dass Disney nun zum 100-jährigen Jubiläum von Burroughs’ erstem literarischen Erzeugnis mit John Carter, dem Spielfilmdebüt des Pixar-Regisseurs Andrew Stanton, aufwartet. Mit einem Budget von 250 Millionen Dollar und gefühlt ebenso vielen digitalen Effekten könnte John Carter nach The Hobbit: An Unexpected Journey das Fantasy-Highlight des Kinojahres 2012 werden. Und eines dürfte sicher sein: Edgar Rice Burroughs wäre mit dem Film wohl mehr als zufrieden.

Vordergründig geht es in John Carter um Existenzpolitik auf dem Mars, von Burroughs Barsoom genannt. Die übernatürliche Rasse der Therns rund um Matai Shang (Mark Strong) stattet Sab Than (Dominic West), Anführer der Stadt Zodanga, mit einer gewaltigen Waffe aus. Den Untergang seiner Stadt Helium vermag deren Anführer Tardos Mors (Ciarán Hinds) nur zu verhindern, indem er seine Tochter Dejah Thoris (Lynn Collins) mit Than vermählt. Auf ihrer darauf folgenden Flucht wird sie von John Carter (Taylor Kitsch) gerettet, einem Erdenmenschen und Veteran des US-Bürgerkriegs aus Virginia, der nach dem Verlust seiner Familie dem Krieg abgeschworen hat und zufällig nach Barsoom transportiert wurde.

Mars ist in der römischen Mythologie der Gott des Krieges und seinem Namensgeber wird Barsoom im Folgenden auch gerecht. Denn von einem Bürgerkrieg scheint Carter direkt zum nächsten zu gelangen. Bemerkenswert gerät hierbei die Darstellung des Helden. Aufgrund der geringeren Schwerkraft des Mars verfügt Carter über eine gesteigerte (Sprung-)Kraft. Was ihn in gewisser Weise zu einer Art Proto-Superman macht: Ein Fremdling von einem anderen Planeten, der in seiner neuen Umgebung gegenüber deren Einwohnern über enorme Kräfte verfügt. Diese erregen die Aufmerksamkeit des grünen Marsianers und Anführers der Tharks, Tars Tarkas (Willem Dafoe), der Carter gefangen nimmt.

Es sind nun seine übernatürlichen Kräfte, die den Erdenmenschen sowohl für Tars Tarkas als auch für Dejah Thoris so interessant machen. Denn als er die Prinzessin während einer Luftschlacht mit Sab Than rettet und sein Kraftpotential zur Schau stellt, ernennt ihn Tarkas zum Thark ehrenhalber. Nur will der als kriegsmüde eingeführte Carter weder für die Tharks noch für Helium kämpfen – trotz des Bittens und Drängens von Thoris. Diese soll ihn stattdessen zu einer heiligen Stätte der Therns führen, wo sich Carter Anleitungen für seine Heimkehr erhofft. Dabei dürfte es wenig überraschen, dass sich der Kriegsveteran nach einer Katharsis letztlich doch noch auf die Seite der gefährdeten Marsianer schlagen wird.

Unweigerlich fallen in John Carter also der Aspekt des Fremden in einer fremden Welt und die Ähnlichkeit zu Camerons Avatar auf. In beiden Fällen hilft ein US-Kriegsveteran einer außerirdischen Rasse bei ihrem Kampf gegen einen übermächtig erscheinenden tyrannischen Gegner – und verliebt sich in die Prinzessin ebenjener Rasse. Ist John Carter folglich nur der Avatar von 2012? Nicht wirklich. Dafür ist Stantons Film zu sehr im Fantasy-Genre verhaftet, trotz seiner vorhandenen SF-Elemente wie der wandernden Stadt Zodanga und den Fluggeräten der roten Marsianer. Vielmehr erinnert die Geschichte auch aufgrund ihres Wüstensettings an He-Man oder eine jugendgerechte Version von Conan der Barbar.

Dabei gelang Burroughs eine interessante Verschmelzung von futuristischen und antiken Vorstellungen. Leicht bekleidete Marsianer kämpfen mit Schwertern auf fliegenden Luftschiffen, Dejah Thoris ist einerseits ganz klassische Prinzessin, andererseits kundig in den Wissenschaften, insbesondere der Astronomie. Wie das alles genau funktioniert, versucht John Carter erst gar nicht zu beantworten. Und das kann er vermutlich auch gar nicht, erscheint Burroughs hier erschaffene Welt zu groß und komplex für einen zweistündigen Film. Etwas unter geht da zum Beispiel die Bedeutung, dass Tars Tarkas in Sola (Samantha Morton) eine Tochter hat, obschon Tharks keine Elternschaft billigen.

Ähnlich verhält es sich mit der Mitteilung zu Beginn, dass Barsoom im Sterben liegt. Dies ist weniger für die folgende Handlung von imminenter Bedeutung, sondern eher ein roter Faden für eine sicherlich intendierte Fortsetzung, sollte der erste Film von Erfolg gekrönt sein. Zwar gibt sich John Carter reichlich Mühe, offene Fragen ausreichend – sowohl was die Inanspruchnahme der Laufzeit als auch den Erklärungsbedarf angeht – zu beantworten, völlig zufriedenstellend gerät das allerdings nicht immer. Weniger mit einem „aha!“ als mit einem „okay...“ bedenkt man als Zuschauer daher dann, wenn Matai Shang gegenüber Carter später die Intentionen und Aktivitäten der Therns auf Barsoom erkärt.

Allzu störend gerät dies jedoch nicht, da Stanton gekonnt die Welt von Burroughs auf die Leinwand transferiert. Nicht zuletzt verdankt sich dies der überzeugenden Digitaleffekte, die für die glaubwürdige Kreation der Tharks zuständig sind. Aber auch sonst wirkt die Welt von John Carter lebendig, obschon stets zu erkennen ist, was aus dem Rechner stammt und was sich tatsächlich im Studio vor dem green screen befunden hat. Möglich macht dies auch die Tatsache, dass die Tharks abgesehen vom ersten Akt und Solas späterer Involvierung weitaus weniger präsent sind als man vermuten würde, und der Film speziell in seinem Mittelteil eher den Genres des Road Movie und Abenteuerfilm zuzurechnen ist.

Wer sich also auf den Fantasy-Aspekt der Geschichte einlässt, dürfte kaum enttäuscht werden. Ähnlich wie im Dezember sein Pixar-Kollege Brad Bird mit Mission: Impossible - Ghost Protocol reüssiert auch Andrew Stanton mit seinem ersten Ausflug in die Gefilde des Live-Action-Films. Hierbei beschränkt er sich auf die Erzählung der inzwischen 100 Jahre alten Geschichte, ohne sich allzu sehr in einem politischen Subtext zu verlieren wie beispielsweise Avatar. John Carter hat keine direkte Moral, auch wenn sich Parallelen zur Zeitgeschichte finden lassen würden. So lernt Carter, dass es durchaus wert sein kann Kriege zu führen, solange es etwas gibt, das es zu bewahren gilt. Selbst wenn dies nur ein love interest ist.

Erwähnenswert ist dabei die Rolle von Lynn Collins’ Mars-Prinzessin, die zwar auch love interest ist, zusätzlich jedoch nicht nur über reichlich wissenschaftliche Kenntnisse verfügt, sondern auch über ansprechende Schwertkünste. Genauso sind die übrigen zentralen Figuren des Films mehr als nur Abziehbilder aus dem Blockbuster-Panini-Heft. Tars Tarkas darf sich ebenso wie Sola von ihrem Volk durch empathische Züge abgrenzen, James Purefoys merklich unterforderter Kantos Kan hinterlässt einen charmanten Eindruck als loyaler Captain von Helium und selbst Bryan Cranstons lediglich zu Beginn auftauchender Konföderierten-Colonel erlebt in seinen wenigen Minuten eine sympathische Wandlung.

Somit ist Disneys John Carter in seiner Summe ein imposantes und vergnügliches Fantasy-Epos, dem man allenfalls vorwerfen kann, mehr in seinen zwei Stunden erzählen zu wollen, als ihm vielleicht gut tut. Womöglich wäre es einfacher gewesen, die Handlung von A Princess of Mars nicht noch durch den komplexen Subplot mit Matai Shang und den Therns zu erweitern. An der gelungenen Adaption von Andrew Stanton ändert dies allerdings wenig, die neben einer spannenden neuen Welt mit sympathischen Figuren und überzeugenden Digitaleffekten (sowie einer zwar überflüssigen, aber nicht störenden 3D-Konvertierung) aufwartet. Die fast 80 Jahre andauernde development hell hat sich folglich gelohnt.

8/10

27. April 2009

Panel to Frame: X-Men Origins: Wolverine

I'm the best there is at what I do, but what I do isn't very nice.

Für die meisten Menschen steht Wolverine wohl sinnbildlich für die X-Men. Und wahrscheinlich ist er tatsächlich ihr zuverlässigstes Zugpferd. Im eigentlichen Sinne ist Wolverine jedoch kein X-Man, zählt er schließlich nicht zu den kreativen Kindern von Stan Lee und Jack Kirby, sondern ist eine Schöpfung von Len Wein und John Romita, Sr. Seine Geburt feierte er in der 181. Ausgabe von The Incredible Hulk im Herbst 1974, als er für die kanadische Regierung den grünen Riesen bekämpfen sollte. Erst ein halbes Jahr später sollte Wolverine, erneut unter Federführung von Wein, zu dem Superheldenteam von Charles E. Xavier stoßen. Über die vergangenen drei Jahrzehnte hinweg hat der mysteriöse Kanadier seine ganz eigene Fanbase entwickelt und unzählige Abenteuer auch abseits der X-Men erlebt. Mit X-Men Origins: Wolverine beschreitet Marvel nun neue Wege, indem sie einem ihrer X-Men Charaktere ein eigenes Spin-Off verleihen. Und wem würde diese Ehre eher gebühren, als dem ambivalenten Logan mit seiner vielschichtigen Vergangenheit.

Es verwundert nicht, dass bereits Regisseur Bryan Singer in seinen beiden X-Men-Ausflügen in einer Nebenhandlung auf Logans Vergangenheit einging. Wobei dies primär hinsichtlich des Weapon-X-Programms der Fall war. Für den Australier Hugh Jackman sollte seine Portraitierung der Kultfigur den Durchbruch im Filmgeschäft bedeuten. Ähnlich wie seine Kollegen (namentlich Tobey Maguire oder Daniel Radcliffe) ist Jackman inzwischen unzertrennlich mit seiner populären Figur verwoben. Dankenswerterweise weiß der Australier jene Figur aber nicht als eine Bürde zu empfinden, sondern als Geschenk. Dementsprechend stand es für Jackman nie in Frage, ein weiteres Mal in die Rolle von Wolverine zu schlüpfen. Das Ende der X-Men-Trilogie sollte noch lange nicht das Ende von Wolverines Geschichte darstellen. Gerade seine Vorgeschichte offenbarte ungeahnte Möglichkeiten. Seien es seine Ursprünge, die Paul Jenkins, Joe Quesada und Bill Jemas von 2001 bis 2002 in der Origin-Reihe aufdeckten oder jenes traumatische Erlebnis des Weapon-X-Programmes, welches brillant von Barry Windsor-Smith 1991 in Weapon X umgesetzt wurde.

In X-Men Origins: Wolverine versuchen Skip Woods und David Benioff nun aus vielen dieser Wolverine-Geschichten ein großes Potpourri zu kreieren. Mit Oscarpreisträger Gavin Hood hinter der Kamera und aufstrebenden Hollywood-Stars wie Ryan Reynolds in kleinen Nebenrollen, versucht der Film in die Phalanx der aktuellen Comic-Verfilmungen vorzustoßen. Da kann das Budget für den Ableger der X-Men schon mal höher ausfallen, als damals für die X-Men selbst. Neben über einem Dutzend Marvel-Figuren finden dann auch Fan-Lieblinge wie Remy LeBeau und Wade Wilson Einzug in den Film, der scheinbar – sollte das Einspiel stimmen – Auftakt einer eigenständigen Trilogie sein könnte. Doch zuvor muss sich Wolverine erst zwei Vergleichen stellen. Kann er mithalten, mit der aktuellen Kino-Superhelden-Riege rund um Iron Man, The Dark Knight und Co.? Und wird er dem Bild gerecht, welches Singer in seinen beiden formidablen Filmen von ihm gezeichnet hat? Schließlich ist von dem Erfolg des Filmes abhängig, ob demnächst auch eigene Spin-Offs für Nebenfiguren wie Gambit oder Deadpool ins Haus stehen. Eines dürfte sicher sein, der Film wird die Comic-Gemeinde sehr zwiespältig zurücklassen.

Der Film folgt zu Beginn dem Werk von Jenkins, Quesada und Jemas. Im britischen Nordamerika, jenem Gebiet, das zwei Jahrzehnte später Kanada sein würde, liegt ein von Krankheit gebeutelter James Howlett in seinem Bett. An seiner Seite sein Freund, der etwas ältere Victor Creed. Als ein Schrei durch die Villa fährt, sieht James’ Vater nach dem Rechten. Ein Gewehrschuss kurz darauf reißt den Jungen jedoch aus seinem Krankenlager. Im Foyer findet er seinen Vater sterbend auf dem Boden. Der Mörder ist Victors Vater. Es ist jenes Erlebnis, welches dafür sorgt, dass James’ X-Gen ausgelöst wird. Aus seinen Handgelenken wachsen Knochenkrallen und die Wut über den Verlust des Vaters bildet den Beginn für James’ eigene Tragödie. Benioff und Woods weichen hier bereits entscheidend von den Ursprüngen Wolverines ab. Kurzerhand wird aus Dog Logan Victor Creed und sein Vater ersetzt John Logan. Was in der Origins-Reihe wahrscheinlich impliziert wurde, wird im Film zur Realität: James und Victor sind Brüder. Doch durch den Mord muss James fliehen, gemeinsam mit seinem Bruder an seiner Seite.

Das generelle Problem ist nicht unbedingt die Abänderung der Origins-Storyline, sondern vielmehr, dass Benioff und Woods explizit James und Victor als Brüder herausstellen wollten. Dummerweise versäumt es der Film in seinen folgenden neunzig Minuten durchgehend auch nur annähernd auf diese Bruderbeziehung der beiden einzugehen. Woher resultiert Victors Abneigung gegen seinen Vater, woher seine Sympathie für James? Wie entwickelte sich die Beziehung der Brüder, nachdem sie von ihrer Verwandtschaft erfuhren? Es ist eine erzwungene Beziehung, welche die Grundlage für jenen Protagonist-Antagonist-Aufbau bilden soll, die X-Men Origins: Wolverine inne wohnt. Betrachtet man den Konflikt der Beiden miteinander, so wird jedoch überdeutlich, dass es die ganz „normale“ Beziehung aus der Comic-Serie genauso getan hätte. De facto ist es auch jene Beziehung, da der Film in der Tat jener Bruderschaft keine sonderliche Tiefe verleiht. Das Intro in den Film ist ohnehin mit Makeln behaftet, die letztlich signifikant für das hauptsächliche Problem der Adaption allgemein stehen. Wo sich Origins jenem Trauma über fünfzig Seiten widmet, opfert Hood kaum mehr als zwei Minuten. Der Nichtkenner des Comics wird die aufgeworfenen Fragen somit schwerlich von selbst beantworten können.

Ähnlich verhält es sich mit dem Vorspann, der wie Watchmen versucht in wenigen Einstellungen die der Geschichte vorangegangenen Epochen zusammenzufassen. Im Gegensatz zu Snyder vermag dies bei Hood jedoch weniger zu gelingen, was nicht nur an der Redundanz der Kriegseinstellungen liegt, sondern auch an dem sehr gewöhnungsbedürftigen Schnitt. Anschließend geht das Dilemma gleich weiter. Es schadet dem Film ungemein, dass er versucht viele Handlungsstränge um Wolverine in seine Geschichte einzugliedern. Dies hat zur Folge, dass jenen Handlungssträngen nur wenige Minuten Leinwandzeit geschenkt werden, die in keiner Weise offenzulegen vermögen, welche Bedeutung sie für die Figur haben. So wird so knapp wie möglich in der ersten Viertelstunde eine Spanne von 130 Jahren überwunden, wobei der Team-X-Episode nur wenig mehr Zeit geschenkt wird, als Wolverines Jugend. Erneut dient die Sequenz einzig der Etablierung eines Handlungselements, indem neben Major William Stryker (Danny Huston) auch die übrigen Mitglieder des Teams wie Wade Wilson (Ryan Reynolds), Fred Dukes (Kevin Durand), Agent Zero (Daniel Henney), Bolt (Dominic Monaghan) und Wraith (Will.i.am) eingeführt werden. Für einige der Mitglieder hat sich die Anwesendheit im Film mit jener kurzen Sequenz im Grunde auch fast schon wieder erledigt.

Auch im Verlaufe des Filmes wird immer wieder ein neues Kapitel im Leben von Wolverine (Hugh Jackman) aufgeschlagen, ohne dass jene Kapitel eine nähere Betrachtung erfahren. Beispielsweise beginnt Stryker in der Mitte des Filmes plötzlich James „Logan“ zu nennen, ohne das im Film – da ja die Namensgebung durch die Origins-Serie entfällt – darauf eingegangen wird, wieso Logan nun „Logan“ heißt. Solche inhaltlichen Fragen wirft der Film öfters auf, auch hinsichtlich der Kampfführungen von Gambit und Deadpool. Ohne Frage hapert es in X-Men Origins: Wolverine an der Quantität des Inhalts und dem geringfügigen zeitlichen Rahmen für diesen Inhalt. Die Aufnahme von Logans Ursprung, den Erfahrungen mit Team X, Weapon X und die Beziehung zu Silver Fox (Lynn Collins) führen dazu, dass all diesen Episoden kaum mehr Raum als wenige Minuten eingeräumt wird. Die Hektik mit der Wood und Benioff hier durch Logans Leben schreiten, stört dabei das Eintauchen in sein Universum ungemein. Wo der Fan leicht verschmerzt das Gesicht verzieht, wird der Comic-fremde Zuschauer sicher gelegentlich verwirrt die Stirn runzeln.

Dies betrifft nicht minder die Vielzahl an Charakteren, die im Film meist nicht über den Status des Stichwortgebers hinauskommen. Sei es Fred Dukes alias Blob, Wraith, Bolt oder Emma Frost. Sie alle sind im Grunde reine Staffage, denen es obliegt in einem Moment der Handlung diese durch eine kurze Handlung oder einen Satz etwas in die richtige Richtung zu stoßen. Das ist in manchen Fällen mal mehr (Emma Frost) und mal weniger (Bolt) ärgerlich. Mit Charaktertreue nehmen es Benioff und Woods ohnehin nicht so genau. Da werden Mutantenfähigkeiten mal eben ausgetauscht (was anschließend zu unnötigen Wendungen führt) und etwaige Figuren auf einmal zu Brüdern und andere zu Schwestern. Die Spitze des Eisberges bildet dann die Pervertierung von Deadpool, der kaum noch etwas mit seinem Comic-Pendant gemein hat. Zwar gestattet der Film Reynolds zu Beginn noch einige Charakteristika des „merc with a mouth“, doch wie sich die Figur anschließend entwickelt, ist enorm enttäuschend. Wenn schließlich Agent Zero mehr Präsenz zeigen darf, als die – extra eingefügten – Fanlieblinge Gambit und Deadpool, spricht das nur für die Probleme, die X-Men Origins: Wolverine aufwirft. Allerdings ist diese etwas respektlose Einbindung von Figuren bereits in den Vorgängern (Sabretooth/X-Men, Lady Deathstrike/X2, Angel/X-Men: The Last Stand) zutage getreten.

Am erwähnenswertesten wäre noch der Auftritt von Gambit anzuführen, dessen Darstellung durch Taylor Kitsch durchaus zu gefallen weiß. Nach fulminantem Auftritt wird ihm (auf wie oben angesprochen schwer nachvollziehbare Weise) die Luft aus den Segeln genommen, um ihm später in einer etwas unpassenden Han-Solo-Referenz ausklingen zu lassen. Aber auch Gambit kommt nicht umhin, das Schicksal der anderen Figuren, unter ihnen auch Scott Summers, zu teilen. Er ist letztlich nur Mittel zum Zweck für die eigentliche ménage à trois des Filmes. Dieser steht ganz unter dem Zeichen von Logans Rivalität mit Victor Creed (Liev Schreiber) und Stryker. Es ist der einzige Nebenplot, dem sich Hood wirklich ausgiebig widmet, selbst wenn er inhaltlich vormerklich Singers X2 folgt, denn den Motiven, die Windsor-Smith in Weapon X eingeführt hat. Zwar wird nicht unbedingt klar, welche Motivation Creed und Stryker antreibt (z.B. weshalb Team X sich aufgelöst hat), doch ist es zuvorderst die Rivalität zwischen Logan und Creed, die den Film zusammenhält. Bedauerlicherweise enttäuschen jedoch gerade (aber nicht nur) die Kampfszenen der beiden, die stets primär von einer Partei dominiert werden. Hier ist die Auseinandersetzung auf der Freiheitsstatue in X-Men sehr viel ausgeglichener und ansehnlicher choreographiert. Wobei Hoods Film nicht explizit deutlich macht, dass es sich bei Creed um dieselbe Person handelt, wie in Singers Sabretooth. Schließlich nimmt man es auch sonst bei den Charakterdarstellungen nicht immer sonderlich genau.

Doch X-Men Origins: Wolverine hat auch seine guten Momente, selbst wenn diese im Vergleich zu den Fehlern ehern geringfügiger auftreten. So ist die Besetzung generell als gelungen zu betrachten. Speziell Liev Schreiber geht in seiner Rolle des sadistischen Victor Creed vollends auf und auch Reynolds verleiht in seiner kurzen Zeit dem Charakter von Wade Wilson Leben. Ähnlich verhält es sich mit Durand, Will.i.am und Kitsch. Dagegen bleiben Jackman und Huston etwas blass und wissen wenig vom Innenleben ihrer Figuren preiszugeben. Besonders schade ist dies bei Logan, um dessen traumatische Erlebnisse sich schließlich der gesamte Film dreht. Collins hingegen agiert in ihrer Rolle als Silver Fox nicht mehr als nötig. Es ist zudem nicht unbedingt naheliegend, dass sie eine kanadische Blackfoot spielt, weshalb man auch hätte in Erwägung ziehen können, Q’Orianka Kilcher an ihrer Stelle zu besetzen. Das Ensemble selbst kann man jedoch kaum für das Versagen des Filmes verantwortlich machen, dafür ist vormerklich das schwach ausgearbeitete Drehbuch von Wood und Benioff verantwortlich.

Überraschenderweise sind es nicht die Actionszenen von Wolverine, die im Film beeindrucken. Vielmehr trumpfen hier die Sequenzen um Agent Zero, Wade Wilson und Gambit auf, während Logans Intermezzi eher eine Enttäuschung darstellen. Hierzu ist auch der Finalkampf zu zählen, dessen ganze Ausgangsbasis ohne sehr kritisch zu betrachten ist und nur das i-Tüpfelchen auf den Fehlern des Filmes darstellt. Viele der Choreographien wirken etwas einfallslos und ihre Inszenierung nicht immer ganz sauber. Die Effekte sind solide, schwanken jedoch in vereinzelten Fällen. Ist Durands Transformation zu Dukes bzw. dem Blob sehr nett geraten, so wirkt Emma Frosts Diamantüberzug doch etwas billig (selbst hinsichtlich Colossus’ schon nicht ganz sauberer Transformation in den beiden indirekten Vorgängern). Gavin Hood zeigt zudem, dass er nicht Bryan Singer ist, selbst wenn er dessen gelungene, liebevolle Gimmicks bisweilen versucht zu imitieren und in den Film einzubauen. Da darf natürlich auch Logans Adamantium-Mittelfinger nicht fehlen. Sehr schön – wobei wohl nur für Fans zu identifizieren – sind die Anspielungen an die Comics geraten. Da trägt Stryker einmal ein Kreuz an seinem Jacket und Logan darf seine Gegenüber „bub“ nennen. Für die Selbstironie der singerschen Filme reicht es dann aber doch nicht.

Was von X-Men Origins: Wolverine bleibt, ist ein Film, der sich trotz seines Prequel-Status’ konsequent an Brett Ratners misslungenen Abschluss der Trilogie anschließt. Es schadet dem Film eine mehr als ein Jahrhundert umspannende Geschichte erzählen zu wollen, da hier weder die Origins-Storyline, noch die Episoden um das Team X oder Weapon X entsprechend gewürdigt werden. Zudem verstört der Umgang mit den einzelnen Figuren, bei denen manche Abänderungen gar eklatant sind. Die Rahmenhandlung des Filmes wirkt ob ihrer Fülle oft ziemlich gehetzt, sodass man nicht wirklich in das Geschehen einzutauchen vermag. Hier wäre sicherlich mehr drin gewesen. Denn so ist der Wolverine-Ableger bedauerlicherweise nicht mehr als ein durchschnittlicher Abklatsch, der aus fantechnischen Gesichtspunkten sogar zu enttäuschen weiß. Damit gliedert sich Hoods Film in die aktuelle Welle misslungener Comicverfilmungen von The Spirit über Watchmen bis hin zu The Dark Knight ein. Es ist offensichtlich, dass für die Studios die Anpassung des Geschehens an die Sehgewohnheiten des angestrebten Mainstreampublikums Priorität besitzen. Dass dies den zu erzählenden Geschichten oft zuwider läuft, merkt man den Filmen wie in diesem Fall allerdings an. Wünschenswerter wäre eine getreuere Adaption mit stärkerem Fokus auf einen einzelnen Aspekt. Aber da Comic-Verfilmungen inzwischen das Genre finanziell zu dominieren scheinen, bleibt dies wohl auf nicht absehbare Zeit vorerst zumindest noch Wunschdenken.

4.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision