21. Juni 2007

The Big Lebowski

That rug really tied the room together.

Ein Kult bezeichnet ein Objekt, welches verehrt wird und logischerweise zugleich eine Gruppe, welche dieses Objekt verehrt. Somit handelt es sich um einen Kultfilm, wen dieser eine eigene Anhängerschaft entwickelt hat und von dieser kultisch verehrt wird. Im Jahr 2002 entstand Louisville (Kentucky) das sogenannte ”Lebowski Fest“, welches aus einer Bowlingnacht, sowie mehreren Wettbewerben zu Trivia und Zitaten besteht. Sechs Mal wurde es bereits abgehalten und hat inzwischen Ableger in Los Angeles oder London gefunden. Niemand würde also bezweifeln, dass The Big Lebowski von Joel und Ethan Coen ein solcher Kultfilm ist. Einen der wenigen, der diesen Namen tatsächlich verdient.

Dabei zeichnet sich The Big Lebowski durch dieselben Elemente und Stilmittel aus, wie sie die meisten Filme der Coen-Brüder besitzen: Neben vielen Schreien und übergewichtigen Menschen ist es vor allem die Darstellerriege, die aus Freunden und Bekannten der Brüder besteht. Mit den meisten von ihnen haben sie bereits in früheren Filmen und teilweise mehrfach zusammengearbeitet, sodass es nicht weiter verwundert, dass die Chemie zwischen dem Ensemble oft reibungslos zu funktionieren scheint. Und ohne an dieser Stelle Miller’s Crossing, Barton Fink und Fargo schmälern zu wollen, ist The Big Lebowski wohl der beste, weil rundeste Film, den die Coens in ihrer bisherigen Karriere abgeliefert haben.

Die gesamte Handlung kommt ins Rollen, als der Dude (Jeff Bridges) zu Hause von Geldeintreibern überrascht wird, die ihm auf seinen geliebten Teppich pinkeln. Dabei haben sie den Dude, der bürgerlich Jeffrey Lebowski heißt, mit dem gleichnamigen Millionär verwechselt. Der Dude will dies nicht auf sich sitzen lassen und sucht den richtigen, den Big Lebowski (David Huddleston), auf, um seinen Teppich rückerstattet zu bekommen. Dabei macht er auch die Bekanntschaft von dessen rechter Hand, Brandt (Philip Seymour Hoffman), und seiner nymphomanen Frau Bunny (Tara Reid). Als diese scheinbar entführt wird, soll der Dude für Mr. Lebowski die Lösegeldübergabe in Höhe von $20,000 übernehmen.

Die Situation entwickelt sich zum Albtraum, als der Dude seinen Bowlingkumpel und Vietnamveteran Walter (John Goodman) einweiht. Der bezweifelt, dass eine Entführung stattgefunden hat und schustert den Entführern, drei deutschen Nihilisten (darunter Peter Stormare) einen falschen Hasen zu. Als dann die Lösegeldübergabe schiefgeht und dem Dude sein Auto mit dem Lösegeld gestohlen wird, scheint die Lage zu eskalieren. Zugleich werden die beteiligten Personen, die der Dude auf seiner Odyssee trifft, immer skurriler: Von einem allwissenden texanischen Cowboy (Sam Elliott) über einen Unterwelt-Porno-Boss (Ben Gazzara) bis hin zu Maude Lebowski (Julianne Moore) und ihrer Agenda.

Was sich wie eine komplexe Geschichte liest, entpuppt am Ende lediglich als leere Luft. Denn die Coens haben es geschafft, einen Film ohne jeglichen Inhalt zu drehen, der aber dennoch über seine gesamte Laufzeit zu fesseln und zu unterhalten weiß. In ihrer an Raymond Chandlers The Big Sleep angelehnten und inspirierten Geschichte, gespickt mit vielen gewohnt farbigen Figuren, die ihrer eigenen Umgebung entstammen, bilden die Coens eine Seinfeldeske Komödie, die sich nach den Angaben der Brüder um nichts dreht. So hat sich am Ende der Handlung keine der Figuren weiterentwickelt – schon gar nicht der Dude. Klar, dass auch der als Erzähler auftretende Cowboy nicht weiß, worum es im Film ging.

Das Geniale dabei ist, es stört sich auch niemand daran. Denn das Geniale ist, dass die Geschichte dadurch erst genial wird. Viel wird gezeigt, wenig wird erklärt. So spielen Maude Lebowski oder Jesus Quintana (John Torturro) für die eigentliche „Handlung“ eine untergeordnete bis gar keine Rolle. Das Bowling-Halbfinalspiel von Walter und dem Dude gegen Jesus wird in zwei Szenen thematisiert, dann jedoch im weiteren Verlauf des letzten Drittels total fallen gelassen. Ebenso wie der Teppich für den Dude erst den Raum ausgemacht hat, so machen gerade diese (unnötigen) Figuren und Handlungsebenen erst The Big Lebowski aus. Und ohne diese sinnlosen Handlungsstränge wäre der Film ein ganzes Stück ärmer.

Natürlich kann man dem Film eine gewisse Tiefe durch Interpretation verleihen, wenn man wie Dan Jolin in der Empire The Big Lebowski gleichstellt mit Amerikas Verstrickungen im Mittleren Osten (wobei der Dude für Kuwait, die Nihilisten für den Irak und Walter für die USA steht). Diese Rechnung geht hier durchaus auf, ob dies aber die Intention der Coens war, ist jedoch fraglich. Den Film einmal aus diesem Blickwinkel zu sehen, tut dem Spaß jedoch keinen Abbruch. Unbestreitbar ist der Dude aber ein in sich ruhender Charakter, den mit einem Joint und einem White Russian in der Hand absolut nichts aus der Fassung bringen kann und der liebend gerne die Sätze anderer Leute zu eigenen Zwecken entfremdet.

Was genau seine Motivation ist und wie er es überhaupt schafft zu überleben und seine Miete zu bezahlen, thematisiert der Film nicht. Ursprünglich sollte der Dude von einem Erbe leben, doch widersprach dies wohl dem Grundgedanken des Dude. Wäre dieser finanziell abgesichert, wäre er einem automatisch weniger sympathisch. Was den Dude sicherlich kaum stören würde (“Fuck sympathy!”). Aber auch die Tatsache, dass Jeff Bridges hauptsächlich seine eigenen Klamotten als Dude trug, bestärkt diesen Faktor weiterhin. Viel mehr lässt sich zu diesem Meisterwerk kaum sagen, da, wie erwähnt, keine richtige Handlung vorhanden ist und alles Weitere nur das Filmerlebnis trübt. In diesem Sinne: The Dude abides.

10/10

2 Kommentare:

  1. "Don't fuck with da Jesus!" Muss ich mir auch mal wieder anschauen, aber ohne White Russian ;-) Werden mir vielleicht nach all den Noirs, die ich mir in letzter Zeit angesehen habe, wieder einige neue nette Anspielungen auffallen...

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  2. Das geile an dem Film ist unter anderem dass man ihn immer wieder sich anschauen kann ohne dass er einem mit der zeit zu blöd würde wie viele Filme mit einer richtigen Handlung.
    Der Dude ist für mich eine der sympatischsten Filmfiguren - und coolsten :)
    Aber wem erzähl ich das hier? Wohl nur gleichgesinnten...

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