25. Oktober 2007

Picnic at Hanging Rock

There’s some questions got answers and some haven’t.

Wenn sich ein Film als Wegbereiter verstanden wissen will, muss es sich konsequenterweise um einen Klassiker handeln. Picnic at Hanging Rock war im Jahre 1975 Australiens erster großer internationaler Hit und bildete den Anfang eines australischen New Wave Kinos unterstützt von George Millers Mad Max und Mel Gibson. Heutzutage versammeln sich viele bekannte Australier, sowie ihre Nachbarn die Neuseeländer, in und um Hollywood. Neben den Oscarpreisträgern Peter Jackson, Nicole Kidman und Russell Crowe gelten auch Naomi Watts, Heath Ledger oder Hugh Jackman als Exportschlager. Der australische Film selbst ist inzwischen wieder in eine Independent-Nische geschlüpft und selten auf dem grobschichtigen Filmmarkt zu finden, auch wenn Baz Luhrmanns nächstjähriges Projekt Australia mit Kidman und Jackman in den Hauptrollen hier eine Ausnahme bildet. Mit Picnic at Hanging Rock gelang es Peter Weir jedenfalls vor gut zwanzig Jahren den Fokus der Welt auf das australische Kino zu ziehen und hat dadurch und unterstützt von Joan Lindsays Romanvorlage von 1967 den Hanging Rock zu einem Nationalmonument gemacht, das noch heute von Touristen besucht wird.

Im beschaulichen Australien dürfen die Schülerinnen des Appleyard College am Valentinstag 1900 zu einem Picknick an der Felsenformation Hanging Rock aufbrechen. Die schöne Miranda (Anne-Louise Lambert) verabschiedet sich von ihrer Zimmernachbarin Sara (Margaret Nelson), welche aus disziplinarischen Gründen als einzige im College bleiben muss. Fernab von ihrer strengen Direktorin Mrs. Appleyard (Rachel Roberts) versprechen sich die Mädchen einige unbeschwerte Stunden, auch wenn ihre Aufpasserinnen Miss McCraw und Mademoiselle de Portiers (Helen Morse) sie darauf hinweisen, dass sie in der Umgebung vor den Felsen und Schlangen gefeit sein sollen. Miranda, sowie ihre Freundinnen Irma (Karen Robson), Marion und die nervige Edith (Christine Schuler) erhalten von Mademoiselle die Erlaubnis den Hanging Rock zu erkunden, sollen jedoch rechtzeitig wieder zur Abfahrt zurück sein. Als die Mädchen den Fels besteigen, werden sie von dessen spiritueller Schönheit eingenommen und in einem tranceähnlichen Zustand verschwinden Miranda, Irma und Marion in einer der Felsspalten, während die nörgelnde Edith zurückbleibt.

Die nächste Szene ist die Ankunft am College, Mrs. Appleyard ist erbost, dass Miss McCraw die angegebene Uhrzeit nicht eingehalten hat und wird schließlich damit konfrontiert, dass drei der Mädchen und Mis McCraw verschwunden sind, die in Tränen aufgelöste Mademoiselle ohne sie zurückgekehrt ist. Die Polizei unter der Führung von Sgt. Bumpher (Wyn Roberts) kann keinerlei Misshandlung an Edith feststellen und findet auch keine Spuren über den Verbleib der anderen Mädchen. Während Mrs. Appleyard um den Fortbestand ihres Colleges zittert und einen Privatkrieg mit Sara beginnt, untersuchen die jungen Michael (Dominic Guard) und Albert (John Jarrat) selber das Verschwinden von Miranda und den anderen im Hanging Rock. Michael, von einer Faszination für Miranda angetrieben, als er diese am Tag des Picknicks selber am Hanging Rock ausgemacht hat. Und in der Tat findet Michael eine Spur, welche nach einem Transport ins Krankenhaus von Albert weitergeführt wird, der anschließend auf Irma stößt. Kann sie das Geheimnis aufklären?

Peter Weir besetzte seine Schulmädchen – abgesehen von Anne-Louise Lambert - mit unbekannten Mädchen aus Südaustralien, die nicht wegen ihrer Schauspielerei, sondern wegen ihrer unschuldigen Gesichter ausgesucht wurden. Dies hatte zur Folge, dass die Dialogszenen bei den Mädchen auf das Mindestmaß begrenzt wurden und in der Tat werden die meisten Dialoge von den älteren Schauspielern übernommen. Infolgedessen transportiert Weir den Hauptteil der Handlung durch seine Bilder und die musikalische Unterstützung, vor allem durch das Panflötenspiel von Gheorghe Zamfir. Dieses begleitet insbesondere das Verschwinden von Miranda und den anderen und verleiht dem ganzen dadurch etwas mystisches und übernatürliches. Aber auch die anderen musikalischen Verwendungen von klassischen Stücken unterstützen diesen sozusagen historischen Rahmen des Filmes und stehen damit im Kontrast zur rauen Umgebung Australiens. Dieser Kontrast wird auch durch die Hintergrundhandlung des klassischen britischen Mädchencolleges in der wüstenartigen Umgebung der britischen Kolonie hervorgehoben. Auch die lesbischen Untertöne nicht nur von Sara, sondern auch von Mademoiselle gegenüber Miranda gehören zu diesem Kontrastbild.

Mit einem geradezu lächerlichen Budget von rund vierhunderttausend Dollar gelingt es Weir eine eindringliche und dichte Atmosphäre zu schaffen, natürlich speziell ausgelöst durch den Steinkreis des Hanging Rock. Das Paublikum befindet sich in derselben Position, wie die Mädchen des Appleyard College und Einwohner des umliegenden Dorfes – was mit Miranda und den anderen geschehen ist. Wurden sie Opfer eines Verbrechens oder haben sie sich verirrt und sind in eine der Schluchten gefallen? Auch als Irma gefunden wird, kann das Geheimnis nicht aufgelöst werden, da sie sich an nichts mehr erinnert. Und der Film offeriert auch keine Lösung, gerade dieses offene Ende hat die amerikanischen Zuschauer daher verstört, als sie ein solches nicht gewöhnt waren. Ursprünglich hatte Lindsays Roman am Ende ein aufklärendes Kapitel, welches dem Leser offenbart, was wirklich mit Miranda und den anderen geschehen ist. Es wurde jedoch wieder aus der Fassung herausgenommen, da es die Wirkung des Romans zerstört. Und in der Tat ist die Handlung mit ihrem interpretativen Ende sehr viel abgerundeter, wie durch ihr tatsächliches Ende. Die Antwort auf die Handlung ist jedoch eine ganz klar übernatürliche, was durch Zamfirs Musik und Mirandas Wortwahl zu Beginn, sowie den Stillstand der Uhren beim Picknick überdeutlich wird. Das ganze Geschehen bildet nach Lindsays Wunsch eine Symbiose aus den westlichen, englischen Einflüssen und der spirituellen Umgebung des Australiens der Aborigines.

Als Miranda verschwindet, bezeichnet Mademoiselle sie als einen Engel Botticellis und ihre Blicke sagen hierbei mehr wie tausend Worte. Ähnlich ergeht es Sara, der Miranda zu Beginn klar macht, dass sie lernen muss, andere Menschen zu lieben. Die Ursache für die disziplinarische Maßnahme liegt scheinbar in Saras Gefühlen für Miranda, was wiederum erklärt, weshalb Mademoiselle im Laufe des Filmes so beschützerisch über Sara wacht. Auch Michael fasziniert Miranda und weckt damit sein Interesse an ihrem Verschwinden und führt schließlich dazu, dass Irma gefunden werden kann. Der Film beginnt zwar mit einer Einblendung, welche vermuten lässt, dass seine Handlung auf wahren Begebenheiten beruht, tatsächlich tut er dies jedoch nicht. Dies war ein kreativer Kniff von Lindsay, welche ihrem Roman dadurch noch mehr Mystik einhauchen wollte. Durch seine für das australische Kino maßgebende inszenatorische Stärke durch schöne Landschaftsaufnahmen und eine Einbeziehung der englischen und einheimischen Ursprünge gelingt es Picnic at Hanging Rock eine greifbare Spannung aufzubauen und zugleich protestierend gegen das damalige Establishment vorzugehen. Weir wollte 1998 mit einem gekürzten Director’s Cut einigen inhaltlichen Längen entgegnen, was von der Fangemeinde jedoch auf Ablehnung stieß. Somit ist trotz einiger Längen die ursprüngliche Fassung vorzuziehen und macht Picnic at Hanging Rock zu einem Klassiker von bildhafter Schönheit.

9/10

1 Kommentar:

  1. Tolle Vorstellung einer meiner Lieblingsfilme, Rudi! Den hätte ich auch beinahe schon einmal besprochen. Deiner Rezension habe ich nichts Wesentliches hinzuzufügen. Für mich Peter Weirs lyrischster und bester Film...

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