7. September 2008

Sasori

I thought about letting you go.

In unserer heutigen Zeit legen wir viel Wert auf Qualitätssiegel. Schließlich ist nicht alles gut, manches Obst gespritzt, da muss man wissen, was man da eigentlich konsumiert. Da wundert es auch nicht, dass selbst Filme Prädikate wie „Wertvoll“ und „Besonders wertvoll“ erhalten. In abgestumpfter Form repräsentiert sich das auch in den vielen „Präsentationen“ einiger Regisseure. Zum Beispiel Quentin Tarantino, der dem Publikum vor einigen Jahren Eli Roths Hostel präsentierte. Ein Qualitätssiegel also. Wenn Tarantino das gut findet, dann muss es ja gut sein. Und dass Tarantino gerade die Filme besonders gut findet, die er in seinen eigenen „verwurstet“, liegt da auf der Hand. Gerade der asiatische Raum hat es dem ehemaligen Videothekenmitarbeiter angetan. So zum Beispiel auch Shunya Ito’s Sasori – Scorpion aus dem Jahr 1972, welches sowohl den Regisseur, als auch Hauptdarstellerin Meiko Kaji zu Ruhm verhelfen sollte. Der Film zog nicht nur Fortsetzungen nach sich, sondern erhielt auch neben vielen anderen Filmen eine Referenz in Tarantinos Kill Bill – Vol. 1. Nun ist es auch nichts Neues, dass die heutige Zeit von Remakes nur so strömt. Gerade Michael Bay lässt quasi jeden Horrorfilm der Siebziger und Achtziger noch mal drehen. Dass es die Asiaten auch nicht unbedingt besser wissen, zeigt nun Joe Ma mit seinem Remake Sasori.

Dabei unterscheidet sich die grundsätzliche Geschichte von Ma nicht großartig von Itos, erzählen beide Filme doch von dem Rachefeldzug Nami Matsushimas. Die eigentliche Handlung jedoch, ist im Remake gänzlich variiert worden. Nami (Miki Mizuno) wartet auf ihren Freund und Polizisten, der seinen Vater abholt. Da erhält sie Besuch von vier, sagen wir, Yakuza, die jenen Vater töten wollen. Um wenigstens das Leben ihres Freundes zu retten, tötet Nami dessen Tochter. Ein perfider Tausch wenn man es so will. Wieso der Vater umgebracht wird und von wem beziehungsweise weshalb, wird zu diesem Zeitpunkt nicht geklärt, im Grunde auch nicht wirklich zum Schluss. Die Tat selbst eröffnet Nami nicht gegenüber der Polizei, sie landet im Frauengefängnis und wird von ihrem ehemaligen Freund verabscheut. Hier skizziert Ma nun den typischen Gefängnisfilm, von Gewalt unter Mithäftlingen, missbrauchenden Gefängnisdirektoren und der gewalttätigen Katharsis der Titelfigur. Nach dem Ramboschen Motto „Um den Krieg zu überleben, muss man selbst zum Krieg werden“ (welches so in etwa auch von einer Nebenfigur ausgesprochen wird), muss sich Nami nun beweisen. Will sie im Knast zu Grunde gehen, oder möchte sie grausame Rache üben, an all denen die ihr Unrecht getan haben? Die Wendung, die der Film hier nimmt, soll ihm letztlich sein Genick brechen und den Karren praktisch gegen die Wand fahren. Denn Ma erzählt die Geschichte nun in einem ganz anderen Genre weiter, als zuvor.

Die erste Hälfte des Filmes ist kaltherzig, düster und trostlos. Dementsprechend wirken auch die Bilder von Ma, welche die Atmosphäre entsprechend einfangen sollen. Die Hausszene mit dem Doppelmord zu Beginn ist der Auftakt für Namis Martyrium. Die Gefängnisszene selbst in einem leblosen Ocker Farbton gehalten und von Gewalt durchzogen. Die eingeschüchterte Nami gehört der Oberschicht an und wird somit logischerweise zum Spielball der Knastmutter Diyou. Der ersten Trachtprügel folgt die Nötigung durch den Gefängnisdirektor, die sich später noch mal wiederholen und stärkere Ausmaße annehmen soll. Es ist klar, dass dies keine Welt für Nami ist und von friedlich ihre Zeit absitzen kann überhaupt nicht die Rede sein. Sonst endet sie noch wie die Mitinsassin, an der man eine Lobotomie vornahm. Stattdessen trifft Nami eine Entscheidung, wie man sie aus Gefängnisfilmen kennt, da jenen Protagonisten ohnehin nur vier Möglichkeiten offen stehen. Entweder sie sträubt sich und findet ihren Tod, flieht, reißt die Macht an sich oder macht ihr eigenes Ding in ihrer eigenen Welt, wie Andy Dufresne in Stephen King’s Die Verurteilten. Nami entwickelt einen Plan, der auf den ersten Blick wenig Sinn ergibt und sie auch fast das Leben kostet. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte man Sasori durchaus noch Ernst nehmen, war die Handlung doch die meiste Zeit über authentisch gewesen oder zumindest plausibel. Mit Namis Katharsis ändert Ma jedoch den gesamten Grundton des Filmes.

Man könnte sagen, dass Nami die Flucht aus dem Gefängnis gelingt, wobei nicht nachvollziehbar ist, inwiefern es sich hier um eine Flucht handelt. Die Katharsis wird vorangetrieben, ein mysteriöser Leichensammler trainiert Nami zur Kämpferin. Der Zeitraum, in welchem die erste Hälfte des Filmes spielt, wird später auf ein Jahr beziffert werden. Wie sich dieses Jahr aufteilt, bleibt unklar. Die zuvor von Ma verwendeten leblosen und teils apatischen Farben für seine Einstellungen weichen nun kräftigeren und später auch harten Farbtönen. Am kritischsten ist allerdings der Wandel im Ton des Filmes. Jetzt verlässt Sasori – der zugegebenermaßen auf einem Comic basiert – die Pfade der ersten, ernsten Hälfte und beginnt in eine diffuse, wahnwitzige Welt abzugleiten. Auf einmal stellt sich heraus, wer für den Doppelmord verantwortlich ist und wieso. Das wird dem Zuschauer so salopp beigebracht, dass es sich einer gewissen Lächerlichkeit nicht entbehrt. Das große Ganze des Filmes, das Motiv für seine Geschichte, wird einem nicht wirklich klar, was auch nicht weiter stören würde, hätte Ma es unterlassen es nun, so spät, überhaupt noch mal zu erwähnen. Namis Ex-Freund hat sich inzwischen einer Hypnotherapie unterzogen und sein altes Leben vergessen, doch Nami spürt ihn ebenso auf, wie alle anderen Drahtzieher ihrer geraubten Unschuld. Das Wie und das Was unterschlägt Ma und konzentriert sich stattdessen auf seinen wilden Ausflug in die Welt der Wuxia-Filme.

Wie sich nun herausstellt, besitzen Namis Gegenspieler übernatürliche Kräfte, von denen am Anfang des Filmes aber nichts zu sehen war. Das macht die Kämpfe beziehungsweise die Choreographie dieser nicht unbedingt besser, eher noch lächerlicher. Von den unzähligen logischen Fehlern, selbst in der eigenen Welt, in der Sasori spielt, gar nicht erst zu sprechen. Während die erste Hälfte ein zumindest oberflächlich ernst gemeintes Gefängnis- oder Yakuza-Drama gewesen war, verkommt die zweite Hälfte zum Action-Trash-Feuerwerk ohne inhaltliche Struktur. Die Kombination beider Hälften zu einem gemeinsamen Film ist schließlich fatal, da ohne Chemie. Entweder ein Drama-Thriller mit ernstem Ton oder aber ein überkandideltes Trashfeuerwerk – beides zusammen kann nicht funktionieren und wenn, dann Hand in Hand und nicht hintereinander. Hier scheitert Joe Ma, der eigentlich im Fach der romantischen Komödie beheimatet ist, grandios und auf ganzer Ebene. Getoppt wird Sasori nur noch von seiner musikalischen Untermalung, die wie aus einem schlechten Softpornofilm wirkt und sich mit den debilen Schreien von Knastmutter Diyou zu einem unsäglichen Stück Film kombiniert. Wenigstens die beiden Darstellerinnen Miki Mizuno und Emme Wong sind hübsch anzusehen und wissen etwas über diese fast zwei verlorenen Stunden hinwegzutrösten. Statt Mas Remake sollte man sich also besser an Park Chan-wooks Lady Vengeance oder Itos Sasori – Scorpion versuchen. Da würde sicher auch Quentin Tarantino zustimmen.

2/10 - erschienen bei Wicked-Vision

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