27. April 2008

On Her Majesty’s Secret Service

We have all the time in the world.

Nach fünf Abenteuern war es schließlich soweit. Mit 37 Jahren hängte der Schotte Sean Connery seine Lizenz zum Töten an den Nagel und verabschiedete sich mit You Only Live Twice von seiner ihn für immer formenden Figur des James Bond. Er würde jedoch noch zwei Mal zurückkehren, das erste Mal in dem kanonischen Diamons Are Forever und schließlich noch ein letztes Mal in Never Say Never Again, dem Bond-Abenteuer außerhalb der Bond-Reihe. Doch was war Ende der Siebziger passiert, dass Connery zurückgeholt wurde? Man war unzufrieden mit dem neuen Darsteller der Figur, dem Australier George Lazenby. Oder Lazenby war unzufrieden mit dem Franchise, so genau ist das bis heute nicht geklärt und wahrscheinlich schreibt sich jeder selbst das zu, was ihm am wenigsten Scham beschert. Viele bezeichneten den Film als Flop an den Kinokassen, andere jedoch schreiben ihm zu, dass er über das Zehnfache seiner Kosten eingespielt habe (87 Millionen Dollar Einspiel bei 7 Millionen Dollar Kosten) und der zweitertragreichste Film des Kinojahres 1969 gewesen sei.

Die Fakten sprechen jedoch gegen den Film, nur From Russia With Love, das zweite Abenteuer der Reihe, spielte bis dato weniger Geld ein als On Her Majesty’s Secret Service (zuzuschreiben sicherlich zu einem Teil dem unbekannten Gesicht von Lazenby). Doch die Produzenten durften sich den Misserfolg auch selbst zuschreiben, wurde schließlich auf dem Plakat zum Film erstmals der Name des Darstellers unter den Titel gesetzt und bisweilen sogar vermieden Lazenbys Gesicht zu zeigen. Eine Verlegenheitslösung scheint er gewesen zu sein, bemühte man sich schließlich bereits damals um die beiden späteren Bonds Roger Moore und Timothy Dalton. Während Moore noch vertraglich an seine Serie The Saint gebunden war, fühlte sich Dalton 1969 mit 25 Jahren schlicht und ergreifend zu jung, um den britischen Agenten zu spielen. Als er die Rolle in The Living Daylights 1987 letztlich anging, war er bereits 42 Jahre alt, der zweitälteste Bond nach Moore.

Flemings Romanversion von OHMSS markiert den elften Band in seiner vierzehnbändigen Serie und wurde abgefasst während der Dreharbeiten zu Dr. No. Ursprünglich sollte der Band dann auch das zweite Abenteuer von Bond darstellen, doch da US-Präsident Kennedy From Russia With Love so gut gefiel, entschied man sich stattdessen den fünften Roman vorzuziehen. Danach sollte das Werk als viertes Bond-Abenteuer herhalten, aus zeitlichen Gründen wurde es dann auf die fünfte Verfilmung verschoben, am Ende entstand die Verfilmung überhaupt nicht mehr unter der Ära Connery. Dabei hat OHMSS zwei interessante Konstellationen, im Grunde eigentlich sogar mehr als zwei. Am ungewöhnlichsten ist sicherlich die Tatsache, dass Bond nach dem Finale heiratet. Die gesamte Inthronisierung der Liebesgeschichte zwischen Bond und der Contessa Teresa di Vicenzo ist ungewöhnlich, bildet der Suizidversuch der Contessa die Eröffnungsszene des Filmes und endet schließlich in dem einzigen Durchbrechen der vierten Wand einer Bond-Figur im Kanon.

Nachdem Bond der Contessa das Leben gerettet hat, flieht diese mit ihrem Wagen vor ihm, was Lazenby zu der sarkastischen Aussage bewegt: „This never happened to the other fellow“. Auch anschließend ist die Beziehung zwischen den beiden mehr als bockig und wird nur noch von der Tatsache überboten, dass Teresas Vater, Syndikatsboss Marc-Ange Draco, Bond bietet seine Tochter zu ehelichen. Dies kulminiert in einem äußerst harmonischen Zusammenschnitt eines turtelnden Bonds, untermalt von Louis Armstrongs Bond-Lied We Have All the Time in the World, welches nicht in den Eröffnungscredits gespielt wird, sondern erstmalig in diesen romantischen Szenen. Gleichzeitig markiert Armstrongs Bond-Lied das letzte Stück, welches dieser vor seinem Tod in einem Studio aufgezeichnet hat. Doch die traute Zweisamkeit wird plötzlich unterbrochen und Bonds wahre Mission geht in ihre erste Beginnungsphase.

Der Bösewicht des Filmes ist Ernst Stavro Blofeld, mit dem Bond bereits in unbewusst in From Russia With Love und Thunderball zu tun hatte, ihm allerdings erst in You Only Live Twice wahrhaft gegenübersteht. Da letzterer auf dem gleichnamigen Roman basierte, der nach OHMSS erschien, verwundert es einen zuerst, dass sich Bond und Blofeld hier gegenüberstehen, einander jedoch nicht erkennen. Man wechselte mit Telly Savalas den Darsteller, wurde Blofeld noch im Vorgänger von Donald Pleasance dargestellt. Savalas würde vier Jahre später seinen Ruhm mit der Fernsehserie Kojak zementieren und in dieser Rolle unsterblich werden. Wie es sich für Bond-Filme gehört, sind sie aber nicht frei von dem gängigsten Klischee: Bond in Gefangenschaft seines Gegners, der sich nicht die Mühe macht ihn gleich zu töten. Savalas verzichtet zwar darauf, seinem Gegenspieler ein möglichst spektakuläres Ende zu setzen, wie beispielsweise ein Yaphet Kotto, die Einsperrung im Maschinenraum ist dabei auch nicht besser. Doch es gehört zur Serie, damit hat man sich inzwischen abgefunden, dass Bond sein Leben durch die Dummheit seiner Gegner geschenkt wird.

Dafür zeichnet sich OHMSS an anderen Stellen aus. Der Lazenby-Bond besticht durch das vollständige Verzichten dümmlicher Gadget, die ihren lächerlichen Höhepunkt in Die Another Day erreichen werden. Keine Raketen im Auto, keine Laser oder Seile in der Rolex versteckt. Vielmehr kämpft Lazenby mit bloßen Fäusten und ist sehr oft mehr Gejagter als Jäger. Dieser Bond ist nicht unbesiegbar, dieser Bond kommt auch mal ins Straucheln. Bester Beweis hierfür die erste Unterbrechung der bondschen Fluchtsequenz, wenn Lazenby während einer nächtlichen Ski-Abfahrt nicht nur einmal, sondern gleich zweimal stolpert und stürzt. So menschlich wird man Bond in späteren Filmen nicht mehr begegnen, die gesamte Fluchtsequenz - die immer spektakuläre fünfzehn Minuten dauert - wird dabei recht schnörkellos erzählt, ohne einfallsreiche Ausweichmanöver. Wenn Bond in einer Jahrmarktsmasse unterzutauchen versucht, merkt man ihm die Panik an, als er mit einem Passanten unterwartet zusammenstößt und bereit ist zu sterben.

Am brillantesten ist jedoch das Ende geraten, von einer Eindringlichkeit, wie sie bis dato kein Bond-Film erreicht hat, völlig frei von jeglicher Weichspülerei der folgenden Bonds. Teresa Bond wird wenige Minuten nach ihrer Hochzeit erschossen, Attentäterin ist Fräulein Bunt, die aus einem fahrenden und von Blofeld gesteuerten Wagen das Feuer auf Bonds Auto eröffnet. Auch die Tatsache, dass beide Bösewichte ungeschoren davon kommen, ist eine Seltenheit bei Bond-Filmen. Später wird auf dieses Ereignis auch nur noch fünfmal verwiesen, hierbei lediglich dreimal direkt, am intensivsten in For Your Eyes Only, in welchem Bond das Grab seiner Frau besucht. Gerade diese Szene würde auch erklären, weshalb Bonds Beziehungen zu Frauen durch ihn zum Scheitern verurteilt werden, selbst wenn er dieses Verhalten bereits vorher an den Tag legt. Äußerst schade ist es, dass Lazenby keinen zweiten Auftritt erhielt, wäre eine Fortsetzung mit ihm wahrscheinlich eine Anknüpfung an dieses Ereignis gewesen. In Licence to Kill wird man begutachten dürfen, was er mit denjenigen anstellt, die seinen Freunden Leid zufügen, auch wenn dies der 80er-Action-Ära zuzuschreiben ist.

Besonders stark die letzte Einstellung von Lazenby, dessen Version mit Tränen von Regisseur Peter Hunt verworfen wurde. Insgesamt ist OHMSS eine äußerst getreue Adaption der Romanvorlage von Fleming, mit bis zu achtzig Prozent identischem Material. Bis zum Erscheinen von Casino Royale bildete Hunts Film auch den längsten im Bond-Kanon, mit 136 Minuten Laufzeit dabei nur vier Minuten kürzer als Martin Campbells zweite Involvierung. Zudem ist OHMSS maßgebend für folgende Bond-Abenteuer geworden, präsentierte er die erste Rückblende in der Serie und schnallte Bond auf Skier. Die bereits angesprochene Ski-Flucht-Szene beeindruckt dabei durch ihre Dauer von beinahe fünfzehn Minuten - von einer Liebesnacht in der Scheune unterbrochen - und findet Referenz in den Bond-Filmen The Living Daylights und The World Is Not Enough. Auch das Ende, in welchem sich Bond über seine Befehle des MI6 hinwegsetzt und einen Angriff im Team auf Blofeld beginnt, erhält in For Your Eyes Only ein filmisches Echo.

Doch es fehlen nicht die Bond-typischen Elemente, kenntlich in der Szene wenn sich Bond als Genealoge Sir Hilary Bray ausgibt und in einem sprichwörtlichen Harem landet. Lazenby meistert alle diese Szenen spielend, tut sich lediglich damit schwer, die bondschen Einzeiler mit der gewohnten Ironie rüberbringen, welche Roger Moore wenige Jahre später perfektionieren wird. Dies spricht für Lazenbys Ansicht über die Figur, die dazu führte, dass er sie für zu rudimentär hielt, als das sie in den liberalen Siebzigern in Zeiten von Easy Rider funktionieren könne. Es sei somit seine eigene Entscheidung gewesen, nicht in die Rolle von Bond zurück zu kehren. Eine andere These besagt, dass Produzent Albert R. Broccoli mit der jugendhaften Arroganz von Lazenby nicht zu recht kam, die unter anderem dazu führte, dass Lazenby sich bei einem Stunt, den er selbst vornehmen wollte, den Arm brach.

Eine dritte Vermutung bezieht sich auf die Unzufriedenheit der Kritiker mit Lazenby, der den Erwartungen nach Connery nicht gerecht werden wollte. Die Wahrheit ist wahrscheinlich eine Mischung aus allem. Schade ist es allerdings doch, präsentiert Lazenby die beste Improvisation der Figur James Bond nach Sean Connery, übertrifft bei weitem jedoch den clownesken Roger Moore. On Her Majesty’s Secret Service selbst ist sicherlich der gelungenste Bond-Film, fernab von einer idiotischen Handlung eines Moonraker oder Die Another Day, ohne dümmliche technische Spielsachen wie in The Spy Who Loved Me. Stattdessen ein Portrait gelungener Verfolgungsjagden und eines verliebten Bond, der nicht frei von Fehlern ist und öfters auf Unterstützung zurückgreifen muss. Dabei vernachlässigt der Film keineswegs den humoristischen Aspekt und ist zugleich namhaft mit Diana Rigg von The Avengers besetzt. Alles in allem wurde in OHMSS richtig gemacht, was eben richtig gemacht werden konnte, was ihn zum komplettesten und gelungensten Bond-Film macht.

8.5/10

12 Kommentare:

  1. Zustimmung! OHMSS ist der beste Bondfilm, der bislang gedreht wurde! Ich traue dem derzeitigen Bondteam allerdings zu, OHMSS vom Thron zu stoßen, wenn sie konsequent an dem anschließen, was sie bei Casino Royale neu entwickelt haben.

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  2. @Jochen: Wusste ich ja bereits, dass du meine Meinung teilst ;)

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  3. Tatsächlich einer der wenigen Bonds, die ich noch nie gesehen habe. Zumindest nicht mehr als zu 20%. Aber warum mag ich wohl Moonraker und Diamantenfieber besonders gerne? Weil ersterer ja eigentlich schon als Persiflage auf Bond anzusehen ist und letzterer gerade durch die Unambitioniertheit (gibt es dieses Wort eigentlich wirklich?) des Hauptdarstellers lebt. Aber in einem werden wir uns doch wohl einig sein, der schlechteste Bond aller Zeiten, ja das war Pierce Brosnan.

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  4. @tumulder: Der schlechteste Bond ist außer jeder Konkurrenz Roger Moore. :P

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  5. Aber Moores Bonds waren wenigstens noch ne Ecke stilvoller als der langweilige Action Quark, der mit Brosnan herauskam. Doppel:P

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  6. @tumulder: Na, für die Filme kann Brosnan ja nichts ;) Die gefallen mir zudem dennoch besser als der Schrott in dem Moore mitgespielt hat :P

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  7. ihr seid ja verrückt.
    JEder Bond steht doch auch stellvertretend für die jeweilige Zeit.Und wie bewertet man denn Bond-Darsteller?
    Nach ihrem ursächlichen Talent als Darsteller, da schneiden Connery als auch Moore aber ganz mies ab, ebenso natürlich Knallcharge Craig.
    Dalton war als Bond zwar mies, kann aber wie auch schon bewiesen einiges mehr, siehe auch Brosnan.
    Auch wenn das wenig qualitativen Anspruch hegt, dennoch lieferte Brosnan die erfolgreichsten Filme der Serie ab.
    Was bei Casino Royale so neu war wüsste ich auch gerne, ausser dass er seine Martinis nun säuft wie er will.

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  8. Was bei Casino Royale so neu war wüsste ich auch gerne, ausser dass er seine Martinis nun säuft wie er will.

    LOL. Moore war einfach zu alt, speziell in den späteren Filmen, ich hab ihm nie die Rolle des Bond abgekauft. Bei Craig hab ich auch so meine Probleme, da sein Bond eher an Bourne als an Bond angelegt ist. Dalton hat wiederum seine Sache sehr gut gemacht, vor allem in LtK. Brosnan hatte Style, das steht außer Frage und war zumindest in meinen Augen ein würdiger Bond. Connery ist eben der Ur-Bond, da kommt man schlecht dran ran. Lazenby gefiel mir (s. Text) am zweitbesten, schade, dass es bei nur einem Film blieb.

    Im Übrigen haben Bond-Filme mit Schauspielerei überhaupt nichts zu tun, da ist jede Kindergarten-Theatergruppe talentierter ;)

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  9. O.K., über Brosnan läßt sich wirklich streiten. Mir war er jedenfalls zu geleckt. Panzer fahren, Kampfjet fliegen. Nee laß mal lieber. Das hatte mit Bond eigentlich schon überhaupt nichts mehr zu tun. Ich genieße da lieber die Trashattidüde der Moore Bonds. Bei Casino Royal hat mir eigentlich nur der Anfang mit der Parcour Szene und der Schluß in Venedig nicht gefallen. War irgendwie völlig überflüssig übertrieben bzw. generell überflüssig. Aber j.m.k. hat schon recht, wenn er schreibt man müsse die Bonds im Kontext ihrer Zeit sehen. Das gilt übrigens für mich für jeden Film.

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  10. Hilfe, was denn geht denn hier vor sich?

    Ist ja ungeheuerlich. Moore ist der beste, weil lustigste und selbstironischste Bond. Connery der sexyste. Dalton der absolut unterschätzte (und LICENCE TO KILL ist eh der beste Film der Serie). Brosnan war ganz gut, hatte aber das Pech, nur in schlechten Filmen dabei sein zu dürfen (die Qualität der Bondfilme hat doch nur sehr wenig mit dem Darsteller zu tun!?). OHMSS mag ich übrigens nicht besonders, ist mir zu gefühlsduselig.

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  11. Zu gefühlsduselig....Hilfe!

    Moore ist der beste, weil lustigste und selbstironischste Bond.

    Bond hat in meinen Augen nicht komisch zu sein, wenn ich einen lustigen Geheimagenten sehen will, schau ich Austin Powers oder Agent Null Null Nix an ;) Moore ist ´ne Trantüte! *duckundweg*

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