7. April 2008

Der Rote Baron

You are a real hero.

Als Legende bezeichnet man die Menschen, die aufgrund besonderer Leistungen und starker medialer Präsenz zu Berühmtheit gelangt sind. Ein Held wiederum ist eine Persönlichkeit, mit besonders herausragenden Fähigkeiten, die sie zu besonders hervorragenden Leistungen treibt. Freiherr Manfred von Richthofen wird allgemein sowohl als Legende, als auch als Held angesehen. Der adelige von Richthofen gelangte 1916 im Luftgeschwader des deutschen Kaiserreichs erstmals zu Ruhm und erhielt schließlich ein Jahr darauf den Pour le Mérite, die höchste preußische Tapferkeitsauszeichnung. Doch es sollte das Jahr 1917 sein, welches von Richthofens Status als Legende begründete: im Januar 1917 wurde ihm die 11. Fliegerstaffel übertragen, welche alsbald als „Fliegender Zirkus“ für Aufsehen sorgte. Die Piloten der Staffel bemalten ihre Flugzeuge mit Mustern, von Richthofen selbst ließ seinen Fokker-Dr.I-Dreidecker blutrot anmalen, damit die Alliierten allein durch seien Präsenz schon in Angst und Schrecken versetzt würden. Es war auch eben jene rote Fokker, die ihm bei den Franzosen schließlich den Spitznamen „Le diable rouge“ (Der rote Teufel) einbrachte,, sein berühmterer Spitzname – „der rote Baron“ – entstammt den britischen Zeitungen, jedoch erst nach dem Ersten Weltkrieg. Wenn auch heute mitunter strittig betrachtet, so werden von Richthofen doch ganze achtzig Abschüsse feindlicher Maschinen angerechnet, was ihm zum größten Piloten des Ersten Weltkrieges machte (auch wenn zum Beispiel sein jüngerer Bruder Lothar sehr viel effizienter war, als der taktisch geschulte Manfred).

Am 21. April 1918 hob von Richthofen mit seiner Fokker ab und sollte nie wieder lebendig landen, er wurde über feindlichem Gebiet abgeschossen, die genauen Umstände sind bis heute unsicher. Gerade Die Welle hat zuletzt wieder gezeigt, dass der Deutsche über nichts lieber einen Film dreht, als über seine eigene Geschichte. Was bietet sich da besser an, als ein Kriegsheld, eine deutsche Legende? Gerade weil man von solchen Kriegshelden wenig bis gar keine hat (und selbst wenn, wer wollte sich auf sie berufen oder einen Rommel auf der Leinwand abfeiern?). Und da die deutsche Geschichte dieses Kinojahr dank Deutschland-Retter Mr. Cuise eine internationale Renaissance erfährt, lässt sich auch ein von Richthofen-Film ganz gut vermarkten. Das lobenswerterweise unabhängig finanzierte Projekt Der Rote Baron mauserte sich mit achtzehn Millionen Euro Produktionskosten zum zweitteuersten Film in der deutschen Kinogeschichte. Wolfang Petersens Die Unendliche Geschichte (17 Millionen Euro) und Das Boot (16 Millionen Euro) konnten knapp hinter sich gelassen werden, die Luft zu Oliver Hirschbiegels Der Untergang (13 Millionen Euro) ist etwas größer, an Tom Tykwers Spektakel Das Parfüm (63 Millionen Euro) kommt das diesjährige deutsche Kinohighlight dennoch nicht heran. Überraschenderweise zeichnet sich hier einmal nicht Bernd Eichinger verantwortlich, der sonst jeden Filmkrümmel in Deutschland produziert, stattdessen schwang sich der gebürtige Stuttgarter und TV-Regisseur Nikolai Müllerschön hinter die Kamera, um den größten heimischen Kinofilm des Jahres zu drehen, der höchstens noch von Der Baader-Meinhof-Komplex Konkurrenz erhalten könnte. Die ursprüngliche Planung den 25-jährigen von Richthofen durch den 49-jährigen Val Kilmer darstellen zu lassen, wurde schließlich zugunsten der patriotischen Entscheidung (Matthias Schweighöfer) fallen gelassen. 

Müllerschön konzentriert sich in seinem Film auf die Beziehung zwischen von Richthofen und der Fliegerei. Von Richthofen und seine Männer haben im Film wenig mit dem Krieg selbst zu tun, vielmehr sehen sie sich als Sportsmänner, die eine Art Wettbewerb über den Wolken austragen. Erst in einer späten Szene wird sich von Richthofen mit den Opfern des Krieges und dem Ausmaß an Gewalt und Tod konfrontiert sehen. Bis dahin ist er jedoch ein narzisstischer, arroganter Schnösel, der zum As der Asse werden möchte, wie eine Szene offenbart, die unmittelbar aus Tony Scotts Militär-Propaganda Top Gun entnommen wurde. Doch Müllerschön will seinen Helden auch als solchen präsentieren, als Ehrenmann, der zur Beerdigung seines größten Gegner fliegt, der seinen Feinden nicht noch mit Maschinengewehrsalven nachsteigt, wenn diese schon am Absturz sind. Ein Vorzeigesoldat, ein Gentleman der Lüfte, dass ist das transferierte Bild der Produzenten. Von Richthofen wird als einer dieser Männer dargestellt (siehe Top Gun oder Pearl Harbor), die nur Fliegen wollen und sich quasi lebensunfähig sehen, wenn man ihnen „ihre Flügel nimmt“. Daher versteht sich ein Respekt für und vor dem Gegner von selbst, sodass von Richthofen auch einem Flugzeugwrack nacheilt und dem kanadischen Piloten Arthur „Roy“ Brown (Joseph Fiennes) rettet. Hierbei trifft er auf die belgische Krankenschwester Käte (Lena Headey) und ist natürlich prompt verliebt, die Romanze der Geschichte wurde soeben eingeführt. Später wird von Richthofen Brown nochmals in einem Luftkampf begegnen, der ein bizarres Ende nimmt, absolut konträr zum Finale des Filmes – exemplarisch für Müllerschöns mangelhaftes Talent eine Dramaturgie aufzubauen.
Die Effekte entstammen der Animationsschmiede Pixomondo, in welcher unter anderem Mitarbeiter der Effektgewitter King Kong oder The Matrix angestellt sind, so weißt Der Rote Baron insgesamt auch 400 CGI-Szenen auf, die sich hauptsächlich in den Flugsequenzen wiederfinden. Wirklich glaubhaft wirken diese jedoch nicht, unverkennbar, dass das alles vor Greenscreen im Studio gefilmt wurde, da wirkt hingegen das Berlin von 1917 sehr viel überzeugender. Unverständlich auch, weshalb Müllerschön den Film nicht mit dem Geld von US-Studios gedreht hat, denn nach seinen eigenen Angaben, waren diese für das Projekt sofort Feuer und Flamme, weshalb sie ihm auch die exorbitant hohe Summe von 40 Millionen Dollar zur Verfügung stellen wollten (zur Erinnerung, das inhaltlich fast identische Projekt Flyboys des vergangenen Jahres wurde für sechzig Millionen Dollar produziert). Doch Müllerschön „sah seine Version einer europäischen Geschichte in ein typisches Hollywood-Movie abdriften“. Betrachtet man seinen fertigen Film, widerspricht er sich dadurch in jedem Detail selbst. Von der Einführung in den Film (die unnützer nicht sein könnte), bis hin zur Überzeichnung seiner Figuren (widerstrebender love interest, Vorgesetzter als Witzfigur) und kulminierend in der Top Gun-Referenzszene orientiert sich dieser Film so sehr an Hollywood, dass es schon fast schmerzt. Allen voran hierbei der unsägliche Soundtrack von Dirk Reichardt (wohl von Schweiger an Bord geholt, nachdem er mit ihm zuletzt dreimal zusammengearbeitet hat). 

Auch wenn er sich in der zweiten Hälfte bessert, so ist doch gerade die erste Stunde von einer musikalischen Arschkriecherei sondersgleichen durchzogen, vor der sich ein Hans Zimmer glatt verneigen würde. Dabei war es Produzent Dan Maag wichtig, mit dem Film nah an der Realität zu bleiben und keine Geschichtsverfälschung zu betreiben. Sprachs und besetzte alle seine Figuren mit Darstellern, die zum Teil die Eltern ihrer Charaktere hätten sein können. Weshalb die Figur des 20-jährigen Werner Voss mit dem 45-jährigen Til Schweiger besetzt wurde, kann wahrscheinlich keiner der Macher erklären. Ausschlaggebend dürfte hier allein der Name des deutschen Stars gewesen sein, denn an seinem schauspielerischen Talent wird es hier (wie in all seinen Filmen) kaum gelegen haben. Auch Joseph Fiennes ist weitaus älter, wie die Figur, die er im Film darstellt. Von einer optischen Ähnlichkeit zwischen Darstellern und Figuren zu sprechen, käme einer tolldreisten Lüge drein. Wieso die Macher nicht ein solches historisches Thema für die Jugend aufbereitet haben, wenn alle Flieger damals entsprechend jung waren (von Richthofen 25, Voss 20, Brown 24), ist wie so vieles schwer nachvollziehbar. An entsprechenden Schauspielern (Franz Dinda, Kostja Ullmann) dürfte es nicht gemangelt haben. Bedenkt man die Leinwandpräsenz von Fiennes, so war auch seine Besetzung lediglich für die Plakate gedacht. Schließlich castete man noch für eine deutsche Produktion die Britin Lena Headey, damit diese eine belgische Krankenschwester mit französischem Akzent spielt (die Rolle hätte eine Sandra Speichert oder Diane Kruger auch übernehmen können, von französischen, belgischen oder schweizerischen Schauspielern ganz zu schweigen).

Bizarres Highlight des ganzen ist das Eingeständnis den Film – der wegen seiner historischen Bedeutung so wichtig war in Deutschland zu drehen mit Deutschen und fernab vom bösen, bösen Einfluss Hollywoods – auf Englisch zu drehen, damit er sich im Ausland besser vermarktet. Dies führt wiederum dazu, dass er für die deutsche Bevölkerung synchronisiert werden musste, sodass Ton und Lippenbewegung in den wenigsten Szenen übereinstimmen. Müllerschöns Film – der im übrigen gefühlte drei Stunden lang ist – beweist wieder einmal eine These, die ich zuletzt bei Die Welle ansprach: Deutsche können keine Filme drehen. Hier kann man nur wieder das Zitat von Jens Friebe anführen: „Es ist ja nicht so, dass mir alles aus Hollywood gefällt, aber das deutsche Kino ist nun mal das schlechteste der Welt“. Was Müllerschön hier dem Publikum zeigt, ist stümperhaft zusammengeschnitten, dramaturgisch erbärmlich erzählt. Mehrere Luftkämpfe werden gezeigt, die historisch ohne jede Bedeutung sind, die entscheidenden Momente werden dann jedoch nicht gezeigt, gerade die Kämpfe Voss und von Richthofen betreffend. Auch wenn es nicht zu hundert Prozent sicher ist, spricht die Wahrscheinlichkeit jedoch für die Tatsache, dass von Richthofen durch eine Kugel eines australischen Soldaten gestorben ist, als er von Brown verfolgt wurde, während er einen alliierten Soldaten nachjagte. Auslöser für sein Verhalten war eine Kopfverletzung, die er sich vier Wochen zuvor zugezogen hat. Im Grunde eine spannende Geschichte, umso idiotischer, wieso die Macher sich für ihre eigene, gähnend-langweilige Variante entschieden. Auch das ständige Herumgereise der Krankenschwester Käte während Kriegszeiten (!) ist einfach nur lächerlich, wie es im Grunde der gesamte Film ist. Ein Armutszeugnis für das deutsche Filmwesen, in all seinen Facetten so inszeniert, wie man einen guten Film nicht inszenieren sollte. Hier kann lediglich Yvonne von Wallenbergs Ausstattung überzeugen.

2.5/10

6 Kommentare:

  1. Das Problem hast Du so schön mit einem Wort beschrieben. TV-Regisseur!

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  2. Das Bild erinnert mich wieder an den Trailer mit seinen Star Wars-Luftschlachten. *rolleyes*

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  3. man fragt sich schon warum Menschen mit solcher Vita soviel Geld bekommen um soviel Schrott abzuliefern. Warum fragt mich eigentlich niemand?!

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  4. Ich habe jetzt auch endlich den Trailer gesehen. Ich frage mich was der Quark soll. Hätte mich nicht gewundert wenn Karl Dall durch die Kulisse getorkelt wäre. Ist das ganze wirklich auf Actionkomödie getrimmt? Der Trailer auf Youtube hinterläßt bei mir jedenfalls den Eindruck.

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  5. Ah, das ist der Veriss, auf den ich auf dieser Seite schon gewartet habe. ;-) Mittlerweile denke ich mir, dass ich mir das Geld für den Kino-Besuch dringend sparen sollte, und in einen besseren Film investieren sollte.

    Wobei ich noch anmerken möchte: Deine Pauschal-These über den deutschen Film finde ich dann doch schon ziemlich hart. ;-)

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  6. @C.H.: Da ist natürlich auch Frust dabei. Finde es einfach enttäuschend, dass die Franzosen mit im Grunde denselben Mitteln so viel bessere Filme machen. Ich kann einem Ein Freund von mir oder Goodbye Lenin! auch viel abgewinnen. Bei deutschen Filmen pauschalisiere ich einfach gerne ;)

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