12. November 2008

Quantum of Solace

Everything he touches withers and dies.

Casino Royale ist kein Bond-Film, er ist die Vorbereitung auf einen Bond-Film und (..) Craig (…) ist (..) noch nicht vollends angelangt, den Gentleman-Spion zu verkörpern, den Bond eigentlich darstellt. Wohl auch noch nicht in Quantum of Solace (…)“. So lautete meine Meinung zum Neustart der Kinoreihe um den smarten MI6-Agenten aus der Feder von Ian Fleming. Und letztlich wird sie durch Marc Forsters Film sowohl untermauert als auch widerlegt. Mit dem neuesten Abenteuer von 007 verbindet MGM sowohl das Alte mit dem Neuen, schickt sich in Referenzen an die Vorgänger und bleibt seinem zuvor begonnenen Weg dennoch treu. Dabei begeht der neue Bond durchaus neue, ungewöhnliche Wege. Unabhängig davon, dass er wie die meisten neuen Bonds scheinbar finanziell die Rekorde des Vorgängers zu brechen weiß auch in anderer Hinsicht. Inhaltlich knüpft der Film direkt an Casino Royale an, was ihn nicht unbedingt zu einer direkten Fortsetzung macht, allerdings dennoch auf dem letzten Werk fußt.

Hierbei ist Jeffrey Wright der erste Darsteller, der zweimal hintereinander in die Rolle des CIA-Agenten Felix Leiter schlüpfen darf. Zum ersten Mal wird der Bond-Song auch von zwei Künstlern gemeinsam angestimmt. Natürlich dürfen für die Post-Brosnan-Ära die Missstimmungen nicht folgen. Ich selbst erachte Jack Whites und Alicia Keys Another Way to Die als Verbesserung zu Chris Cornells vorherigem Beitrag. Der Song ist kraftvoll und rebellisch, verfolgt seinen eigenen Sinn und passt damit durchaus zu Quantum of Solace. Lediglich die Titelsequenz ist wenig kreativ von MK12 gestaltet worden, da gefällt mir sogar die Coke Zero Werbung von der Aufmachung besser. Selbst der Filmtitel, so dümmlich er zu Beginn auch geklungen haben mag, will im finalen Film mit dessen gezeigter Handlung durchaus harmonieren. Eine konsequente Fortführung von Bonds „Wiedergeburt“, wenn auch nicht frei von Mäkeln und unnötigen Fehlern.

Barbara Broccoli sagte Quantum of Solace würde zwei Minuten nach Casino Royale einsetzen. Daniel Craig behauptet es wären zwanzig Minuten. Produzent Michael G. Wilson erklärt es sei eine Stunde. Man mag davon halten was man will, auf jeden Fall scheint es für James Bond (Daniel Craig) leichter gewesen zu sein, an Mr. White (Jesper Christensen) heran zu kommen, als wieder von dessen Anwesen weg zu gelangen. Zu Beginn des Filmes flieht er in seinem Aston Martin vor Maschinengewehrwütigen Gegnern und liefert sich eine wilde Verfolgungsjagd Richtung Siena (in Italien, nicht Miller). Mit im Gepäck ist der werte Mr. White. Doch was Bond und seine Vorgesetzte, M (Dame Judi Dench), von White erfahren, erfreut sie nicht sonderlich. Er sei Mitglied einer geheimen Untergrundorganisation. So geheim sogar, dass der MI6 von ihrer Existent keine Kenntnis hat. Außerdem habe man etliche Einrichtungen und Regierungen infiltriert. Sagte er und schon wird auf M und Bond ein Attentat verübt – aus den eigenen Reihen. Eine interessante und gelungene Wendung, die Dench’s M später mit unbeholfener Verletztheit schauspielerisch überzeugend darzustellen weiß.

007 setzt kurzerhand über die Dächer Sienas zur Verfolgung an, welche wenige Minuten später mit einem toten Zeugen endet – sehr zum Missfallen von M. Die einzige Spur die dem MI6 bleibt, führt nach Haiti. Bond begibt sich nach Port-au-Prince und stößt dort alsbald auf den nächsten toten Zeugen zu seinen Füßen. Als er dessen Identität annimmt landet er prompt zwischen den Fronten. Zum einen macht er die Bekanntschaft der hart gesottenen Camille (Olga Kurylenko), zum anderen des kühlen und kalkulierten Öko-Industriellen Dominic Greene (Mathieu Amalric). Um Camilles Leben zu retten gibt Bond seine Identität preis, trifft aber bereits kurz darauf in Bregenz erneut auf Greene. Hier werden die Ausmaße seiner Organisation für den MI6 erst wirklich erfassbar. Doch eine weitere unnötige Leiche bringt M’s Fass zum Überlaufen. Bond wird der Fall entzogen, doch für 007 ist es längst eine private Vendetta geworden.

In Casino Royale charakterisierte ich Bond noch als jemanden, „(…) der sich zu Beginn des Filmes bereits in bester Bourne-Manier durch das Geschehen prügeln darf“. Ähnlich verhält es sich bedauerlicherweise auch in Quantum of Solace. Enttäuschend ist hier weniger, dass man sich an der Figur Bournes selbst orientiert, sondern dass man mit der Häuserverfolgungsjagd in Siena, sowie der Zimmerprügelei in Port-au-Prince direkt zwei Szenen aus der Bourne-Reihe übernommen hat. Dabei hat Bond dies gar nicht nötig, ist er doch Bestandteil einer weitaus unterhaltsameren und stringenteren Serie. Was dem ganzen jedoch noch die Krone aufsetzt ist der überzogene Schnitt in der ersten Viertelstunde. Hier lässt Regisseur Marc Forster die Kamera kaum zwei vollständige Sekunden auf einem Bild ruhen, was durch die diffuse Wahl seiner Einstellungen nur noch verstärkt wird. Die Schnitte sind zwar nicht diffus, aber zu mannigfaltig.

Dies bessert sich zwar im Laufe des Filmes, verrät allerdings die Wurzeln des gebürtigen Deutschen im Drama-Fach und seine Schwierigkeiten mit dieser actionlastigen Handlung. Dennoch verfügt sein Film über die notwendige Waage an ruhigen wie schnellen Momenten, wobei letztere oft schöne kleine Reminiszenzen an die dalton’schen Bonds The Living Daylights und Licence to Kill beinhalten. Zudem verfügt das Drehbuch von Oscarpreisträger Paul Haggis noch über eine offensichtliche Hommage an den Klassiker Goldfinger. Doch auch wenn sich die Produzenten bemüht haben den Geist vergangener Tage hochzuhalten, bleiben sie ihrer bond’schen Frischzellen-Kur weiterhin treu. Bonds Vendetta unterscheidet sich durchaus von Daltons Rachefeldzug in Licence to Kill. War jener rein privater Natur, wird er diesmal in den Auftrag integriert bzw. geht mit diesem einher. Hier wie dort beginnt 007 sich jedoch von seinem Arbeitgeber zu distanzieren, als dieser ihm einen Riegel in seine Ermittlungen vorschieben möchte. So bleibt der smarte Brite weiterhin der etwas störrische Bulle, auch wenn seine Entwicklung zum Schluss wieder vorangetrieben wird.

Die meiste Zeit des Filmes über ist Bond weiterhin vom Tod Vesper Lynds (Eva Green) gebeutelt. Und das obwohl sie ihn verraten hat, selbst wenn sie es für ihren Freund tat. 007 bedeutet es etwas, jene Verantwortlichen zur Strecke zu bringen. Dazu gehört Mr. White, aber auch Dominic Greene. Auf beeindruckende Weise hält Haggis hier seiner Figur aus Casino Royale die Treue, wenn er Camille obschon ihrer offensichtlichen Reize die meiste Zeit auf sexueller Basis ignoriert. Das ist bei Bond nicht selbstverständlich. Und es zugleich ein Ausdruck von Respekt, den Bond für die Bolivianerin empfindet, was man gerade an seinem Verhalten gegenüber Agent Strawberry Fields (Gemma Arterton) merkt. Kaum auf dem Hotelzimmer, entledigt er sich kurzerhand seiner Klamotten. Kein großes Geplänkel, kein Werben oder Umgarnen wie bei Vesper der Fall. Bezeichnend ebenso für die Figur von Fields, dass sie ohne Kommentar, vielmehr mit einem Lächeln im Gesicht, quasi „Gehorsam“ leistet und sich ihrer Rolle als reine sexuelle Staffage fügt. Sehr schön auch die Einbettung in das Bond-Motto des Filmes, welches von Greene treffend formuliert wird: „Everything the touches withers and dies.“ Denn wenig später liegt auch Fields tot zu Füßen von Bond.

Generell reiht sich Arterton bestens in die lange Liste der klassischen eindimensionalen Betthäschen des britischen Agenten ein. Was jedoch Bond und Camille verbindet – wie die Szene in der chilenischen Wüste schön einzufangen weiß – ist der ungestillte Rachedurst für den Verlust einer geliebten Person. Wie sehr beide von diesem eingenommen sind, zeigt Bonds Entschuldigung Camille gerettet zu haben, als sie die Chance hatte ihr Hassobjekt, General Medrano (Joaquin Cosío), zu erschießen. „This man and I have some unfinished business“, gilt somit sowohl für Bond als auch für Camille. Im Gegensatz zu anderen stark emanzipierten Bond-Filmen, gerade denen der Brosnan-Ära, ist Camille in ihrer Rolle jedoch weniger Unterstützung als Begleitung. Obschon einst eine Agentin ihrer Regierung verfügt sie nicht über die Härte und Schlagkraft einer Wai Lin (Michelle Yeoh) oder Jinx (Halle Berry). Umso erstaunlicher, dass Bond sie im Finale auf eigenen Pfaden wandeln lässt.

Sehr schön ist auch die Weiterführung der QUANTUM-Handlung gelungen, die in Anlehnung an die klassische SPECTRE-Organisation geschieht. Hatte es Bond einst mit Dr. No als Handlanger der Untergrundverbindung zu tun, arbeitete er sich Stück für Stück empor, bis er schließlich beim Kopf, Blofeld, angelangt war. Ähnlich verhält es sich beim Neustart der Reihe. Hatte es 007 zuvor mit dem Banker von QUANTUM, Le Chiffré (Mads Mikkelsen) zu tun, arbeitet er sich nunmehr ein Stück in deren internen Personalstruktur empor. Ähnlich wie Le Chiffré ist auch Greene kein physischer Gegner für den Briten. Ein kühler, kalkulierter Kopf und gerade deswegen so bedrohlich. Als unbestimmbares Mitglied von QUANTUM nimmt Greene eine hohe, allerdings wie schon bei Le Chiffré nicht unersetzbare Position ein. Die Gefahr, die Greene ausstrahlt, transferiert Amalric dabei beeindruckend allein durch seine Augen.

Bedenkt man wie unterschiedlich Greene und White von QUANTUM behandelt werden, lässt dies hohe Hoffnungen für den kommenden Teil zu. Das ganze Konzept der Organisation, der in „Quantum of Solace“ nicht einmal sonderlich Gefahr von Bond oder einer der Regierungen droht, könnte sich als Gewinn für die craig’schen Bonds auszahlen. Allerdings bedarf es dann auch hierfür eines derartigen starken Charakters vom Niveau eines Ernst Stavro Blofeld. Jedoch ohne diesen über mehrere Teile zur Witzfigur verkommen zu lassen wie in On Her Majesty’s Secret Service geschehen. Aber ein Gegner auf Augenhöhe im nächsten Beitrag der Reihe wäre in der Tat eine wünschenswerte Ergänzung zu einem bisher durchaus akzeptablen Neustart von Flemings Erbe. Denn ernsthafte (körperliche) Gefahr geht für Bond jedoch im aktuellen Film nicht aus, dafür sind Anatole Taubman als Witzfigur Elvis, sowie Fernando Guillén Cuerco als Polizeichef der bolivianischen Polizei zu blass und keinerlei Konkurrenz zum Dobermann-artigen Craig.

Reizvoll ist auch die Rückkehr der beiden Figuren Felix Leiter (Jeffrey Wright) und René Mathis (Giancarlo Giannini). Während ersterer wie bereits in Casino Royale nicht über den Part des Schubsgebers im entscheidenden Moment hinaus kommt, ist es gerade Giannini, der mit seiner Figur nachhaltig für Eindruck sorgen kann. Bonds Besuch bei Mathis zur Mitte des Filmes hin ist damit eine durchaus gelungene Aufarbeitung der Ereignisse des vorangegangenen Teiles, gebührend abgeschlossen von ihrer Szene in La Paz. Lobend erwähnt werden sollte auch die musikalische Untermalung von David Arnold, dessen Stücke sich gut mit den Bildern zu verbinden wissen. Letztlich ist Quantum of Solace weit weniger actionreich geworden, wie man zuerst hat befürchten müssen. Ignoriert man die erste halbe Stunde hat Marc Forster einen durchaus überzeugenden Bond-Beitrag geleistet, der gerade in seinem schön fotografierten Finale Spaß macht. Auch wenn nicht klar werden will – oder erläutert wird – was ein Öko-Hotel mitten in der chilenischen Wüste macht. Passenderweise ist dieses dann so aufgebaut, dass es eher als Bühne für einen finalen Kampf wirkt, als zur Entspannung anregt.

Höhepunkt des Filmes ist sicherlich das QUANTUM-Meeting während der Aufführung von Tosca in Bregenz. Löblich zudem, dass Haggis den emotionalen Aspekt, insbesondere die Weiterentwicklung der Figur, nicht vernachlässigt hat. Zwar ist Bond noch immer nicht wirklich Bond, aber er ist erneut einen guten Schritt weitergekommen auf seinem Weg dorthin. Dass er sich schon längst nicht mehr über seine persönliche Vorstellung, Cocktailwünsche oder technischen Spielereien definiert, konnte man bereits in Casino Royale etablieren. Für mich selbst ist Craig jedoch weiterhin nicht Bond, wird es vermutlich auch nie werden. Unabhängig davon schlägt er sich jedoch wacker und gut, absorbiert den Charakter und rechtfertigt unterm Strich gesehen seine Besetzung. Es wäre allerdings zu empfehlen, nicht wie bei Brosnan den Zug zum Absprung zu verpassen. Noch zwei, maximal drei Filme rund um QUANTUM und Craig und man könnte äußerst gelungen eine Serie innerhalb der Serie integrieren. Letztlich vermag Quantum of Solace nicht an die Stärken von Casino Royale anzuknüpfen, was an den nicht wirklich ausgearbeiteten Figuren liegt, aber auch an der etwas simplen und ausgedehnten Handlung. Nichtsdestotrotz ist es ein solider Beitrag innerhalb der Serien-Geschichte, der immerhin Potential für den nächsten Beitrag bietet.

6.5/10

10 Kommentare:

  1. Alles in allem gehe ich mit den inhaltichen Aspekten deiner Besprechung d'accord (Gelungene Weiterentwicklung der Story, schrecklicher Schnitt von Forster in der Anfangsphase, Gelungene Reminiszenzen, der Hinsweis auf den Charakter der Camille/Bond Beziehung, sowie den Hinweise auf die mangelnde Tradition die ein Bourne hat, und so de facto schon mal (noch) keine Konkurrenz darstellt.

    Einzig mit den wiederholten Hinweisen auf die "Craig-ist-nicht-Bond-Nummer", einer Einshätzung der ich diametral!!! :D gegenüber stehe, bin ich nicht einverstanden. Aber das ist ja letzlich Geschmackssache. Überrascht hat mich dann aber doch die hohe Wertung, die ich von dir nicht erwartet hätte, die ich aber natürlich teile...

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  2. ein Smart ist auch kein Mercedes und Craig hat soviel Stil wie ein Auerochse.

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  3. Der Film ist ein Quantum Quark. Da helfen auch die ganzen Verweise nicht weiter. Fürchterliche Regie.

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  4. Jepp, aber Rudis Bewertung überrascht mich nicht im Geringsten. Wenn ich wochenlang höre, wie enttäuschend ein Film sein soll, finde ich es dann natürlich nicht mehr ganz so enttäuschend, dass er so enttäuscht... plus , dass er gerne etwas gegen den Strom schwimmt halt.

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  5. Vega überascht ja ohnehin gar nichts. Ich hatte ja schon beim 2. Trailer geschrieben, dass ich schon überzeugter war. Dass die Regie nicht so der Knüller ist, hatte ich angesprochen, alles in allem fand ich den Film jedoch ordentlich - zumindest besser als jeden Streifen aus der Moore-Ära. Ich schrieb es ja bei Kaltduscher: Bond bewertet jeder Fan anders.

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  6. Ich bin halt alt, das ist meine Lebenserfahrung.

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  7. zumindest besser als jeden Streifen aus der Moore-Ära.

    Macht ja eigentlich keinen Sinn den aktuellen Bond mit Bonds vergangener Tage zu vergleichen, jedenfalls wenn sie schon mehr als 20 alt sind.

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  8. @tumulder: Vom Unterhaltungsfaktor finde ich schon.

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