29. Juni 2012

The Interrupters

You gotta drown yourself with these people.

Im Englischen gibt es das Sprichwort “sticks and stones may break my bones, but words will never hurt me”. Aber zumindest in vielen US-amerikanischen Großstädten scheint dies nicht der Fall zu sein. “Words could get you killed“, weiß Ameena Matthews. Sie ist seit mehr als drei Jahren ein sogenannter “violence interrupter” für die Organisation CeaseFire in Chicago. Ziel ist es, als Mediator Konflikte unter Gangs zu entschärfen. “They’re not trying to dismantle gangs“, erläutert CeaseFire-Leiter Tio Hardiman. “What they’re trying to do is save a life.” Und von solchen Leben gibt es viele, insbesondere auch in Chicago, wo allein im Jahr 2007 täglich im Schnitt fünf Personen angeschossen worden sind.

Obschon die drittgrößte Stadt der USA, gehört Chicago nicht zu den US-Metropolen mit einer extrem hohen Mord- oder Kriminalitätsrate. Dennoch rückte The Windy City gerade 2009 in den nationalen Fokus, als der Schüler Derrion Albert am 24. September auf offener Straße zu Tode geprügelt wurde. Es war jenes Jahr, in dem der Dokumentarfilmer Steve James zum ersten Mal seit Hoop Dreams wieder für eine Produktion in Chicago war. In The Interrupters folgt er der Arbeit dreier Mediatoren, darunter Ameena Matthews, die auch zur Tröstung von Derrion Alberts Mutter eilt. Nicht die einzige Trauerzeremonie in James’ Film, der aber neben Gewalt und Tod auch Hoffnung und Vergebung in sich birgt.

Neben Ameena Matthews arbeiten seit einigen Jahren auch Cobe Williams und Eddie Bocanegra für CeaseFire in Chicago. Sie eint nicht nur ihre Arbeit als violence interrupters, sondern auch ihre Vergangenheit als Kriminelle. Das Bestreben, ehemalige in der Szene verankerte Mitglieder für ihre Arbeit zu gewinnen, ist die andere Seite der Medaille von CeaseFire. “From gangster to peacemaker“, umschrieb es der Journalist Alex Kotlowitz in einem Artikel über die Organisation für die New York Times. Jener Artikel wiederum gab für James den Ausgangspunkt, The Interrupters zu inszenieren. Die kriminelle Vergangenheit der Mediatoren ist das beste Beispiel für zweite Chancen und einen Ausweg.

Zugleich verschafft ihr Strafregister den Mediatoren auch den Respekt ihres Gegenübers. So ist Ameena die Tochter von Jeff Fort, “one of the biggest gang leaders in the history of Chicago“, der seit 1987 eine Haftstrafe von 155 Jahren verbüßt. Eddie wiederum ist seit zwei Jahren aus dem Gefängnis, nachdem er 14 Jahre wegen Mordes einsaß. Schwer vorstellbar, dass die Mediatoren Zugang zu Gangmitgliedern erhalten würden, wären sie nicht einer von ihnen. “Cobe has big time credibility with the gang members“, weiß Hardiman. Auch Cobe saß im Gefängnis, insgesamt 12 Jahre für Drogenhandel und versuchten Mord. Mit ausgelöst hat dies sein krimineller Vater. “He was my role model“, sagt Cobe.

Eine Mitschuld in der Erziehung lässt sich auch ausmachen, als Cobe sich mit Kenneth, einem anderen Gangmitglied, trifft. “My life would be totally different if my father was here“, resümiert er hinsichtlich des inhaftierten Erzeugers. Kenneth wurde wie viele sich selbst überlassen, sodass sein Bruder und er den Lebensstil des Vaters adoptierten. “I know I could get shot tomorrow“, sagt er wie selbstverständlich. “These children don’t expect to live past 30“, verrät uns auch der Besitzer eines Beerdigungsinstituts. Noch immer ist Mord die häufigste Todesursache unter jungen afroamerikanischen Männern und wenn man sich einige Vorfälle in The Interrupters ansieht, wundert man sich nicht darüber.

So gibt es zu Beginn der Dokumentation ein Handgemenge, weil ein Mann Ärger mit jemandem hatte, der ihm daraufhin die Zähne ausschlug. Nun tauchen seine Schwestern mit Küchenmessern bewaffnet auf, um die Familienehre zu verteidigen. “It’s a war zone“, sagt einer in die Kamera, von jemand anderes heißt es, die Polizei traue sich schon gar nicht mehr nach Englewood, einem der berüchtigsten Viertel in Chicago. Und während die Polizei bei einer Trauerbekundung eines getöteten Jugendlichen Präsenz zeigt, wird sie auch schon wieder weggerufen, weil anderswo ein weiterer Mord verübt wurde. Die Opfer sind oftmals Kinder, allein 37 von ihnen starben zwischen 2008 und 2009 in den Straßen von Chicago.

Um die Kinder dreht es sich auch bei den anderen beiden Mediatoren. Eddie, der während seiner Haft das Malen begonnen hat, unterrichtet einige Latino-Kids darin, ihre Gefühle in Bildern zum Ausdruck zu bringen. Einige von ihnen wurden bereits Zeuge eines Todesfalls, in einem Fall sogar dem des eigenen Bruders. Auf den Zuschauer wirkt Eddie nicht wie jemand, der einen anderen Jungen eiskalt hingerichtet hat. Nicht einmal dann, als er mit dem Kamerateam an den Tatort zurückkehrt und die Geschehnisse erneut Revue passieren lässt. Auch Cobe wirkt so, als könne er niemandem ein Wässerchen trüben. Sie alle sind die besten Beispiele dafür, dass jeder eine zweite Chance verdient hat und diese nutzen kann.

Während Cobe und Eddie nach vielen Jahren im Gefängnis eine Läuterung erfahren haben, fand Ameena in der Konvertierung zum islamischen Glauben Halt. Sie gibt sich weitaus emotionaler als ihre zwei Kollegen, debattiert dabei oft hitzig, aber nie von oben herab. The Interrupters charakterisiert sie als “the Golden Girl“, stets auf der Suche nach dem “soft spot“ ihres Gegenübers. Wenn Ameena spricht, hört man ihr zu. Und das gilt nicht nur für den Zuschauer. Nicht selten sieht man sie umringt von Gangbangern, die zwar emotionslos dreinblicken, aber jedes ihrer Worte aufsaugen wie ein Schwamm. “You gotta drown yourself with the people“, erklärt Tio Hardiman das Schema seiner violence interrupters.

Mit über 500 Jahren Haftzeit, so einer der Mediatoren, verfüge CeaseFire über genügend Erfahrung und Respekt, um den Menschen zu helfen. Der Gründer von CeaseFire ist dabei jedoch alles andere als ein Krimineller. Ins Leben gerufen wurde die Organisation 1995 von dem Epidemiologe Gary Slutkin, als er nach zehn Jahren in Afrika zu der Erkenntnis kam, auch Gewalt sei eine infektiöse Krankheit. Als solche ließe sie sich auch behandeln, indem man sie am Punkt ihres Ausbruchs zu heilen versucht. “Slutkin wants to shift how we think about violence from a moral issue (good and bad people) to a public health one (healthful and unhealthful behaviour)”, schrieb Kotlowitz in seinem Feature in der New York Times.

Dementsprechend ist auch die junge Caprysha kein schlechter Mensch, bloß einer, mit einem ungesunden Verhalten. Vormerklich für sich selbst, weshalb Ameena viel unternimmt, um das Mädchen vor sich selbst zu retten. Hierbei fungiert sie halb als Freundin, halb als Mutter, wenn sie scherzend mit der Jugendlichen spricht, sie aber auch ermahnt oder belehrt. Es ist bewundernswert, wie viel Zeit sie für ihre Arbeit opfert, wo sie doch auch eine eigene Familie – die Tochter wird im Laufe des Films 9 Jahre alt – zu versorgen hat. Zwischen dem Verteilen von Flyern in der South Side, Gesprächen mit Caprysha, Teilnahmen an Trauerbekundungen und Beerdigungen, bleibt da überhaupt noch Zeit für einen selbst?

Scheinbar zu jeder Zeit ist auch Cobe unterwegs, wenn er abends mit Flamo einen alten Bekannten aus dem Gefängnis aufsucht. Seine Mutter und Bruder wurden aufgrund eines anonymen Waffen-Tipps in seinem Haus von der Polizei verhaftet, weswegen Cobe mit einem Kollegen versucht, Flamo soweit zu beruhigen, dass dieser nicht loszieht und die Verursacher erschießt. Ein anderes Mal begleitet er den jugendlichen Lil’ Mikey dabei, wie er nach drei Jahren Haft jene Opfer aufsucht, die er einst beraubte, um sich bei ihnen zu entschuldigen. Das Ergebnis ist eine hochemotionale Szene, die sinnbildlich für die gesamte Dokumentation steht. Für Wiedergutmachung, so lehrt uns der Film, ist es nie zu spät.

Der Untertitel von The Interrupters lautet: “Every City Needs Its Heroes”. Und was plakativ klingt, könnte in diesem Fall wahrer nicht sein. Die Mediatoren von CeaseFire sind beherzt bei der Sache und das oft auf eigene Kosten. Gegen Ende besucht Hardiman einen von ihnen, der bei einer violence interruption angeschossen wurde, im Krankenhaus. “You cannot mediate conflicts without confrontation“, erklärt Hardiman, kann aber die Tränen nicht zurückhalten. Es ist dieser Wandel den Cobe, Ameena und Eddie durchgemacht haben, den man auch den Capryshas, Kenneths und Lil’ Mikeys wünscht. Und wenn uns Steve James’ Film eines zeigt, dann, dass Worte einen nicht nur töten, sondern auch retten können.

10/10

22. Juni 2012

Hoop Dreams

My mother, God bless her, she’s always said
in America you can make something of your life.

-- Gene Pingatore

Die wunderbare Welt des Profi-Sports bietet vielen Menschen die scheinbar einzige Ausflucht aus ärmlichen Verhältnissen. Egal ob Fußballer in Brasilien oder Basketballspieler in den USA, die Geschichten der „Ghetto-Kids“, die es zu Ruhm und Reichtum gebracht haben, nähren die Träume und Hoffnungen der nachfolgenden Generationen. So auch die der beiden 14-jährigen Chicagoer Jungen William Gates und Arthur Agee, die gerne denselben Weg beschreiten würden wie Isiah Thomas. Aufgewachsen auf der Chicagoer West Side, spielte er Basketball für die St. Joseph High School und landete später in der NBA. In Steve James’ Dokumentation Hoop Dreams von 1994 scheint sich seine Geschichte zu wiederholen.

Ursprünglich 1987 als 30-minütiges Feature für PBS geplant, folgten James und sein Team anschließend ganze fünf Jahre und 250 Stunden Filmmaterial lang den beiden afroamerikanischen Jungen William und Arthur, wie sie als 14-Jährige im Chicagoer West Garfield Park gescoutet und an die St. Joseph High School in Westchester gelockt wurden. Hier erwartete sie das Versprechen auf ein besseres Leben. Eine bessere Bildung und eine bessere Perspektive, um wie Isiah Thomas den Sprung in die Profi-Liga zu schaffen. Stolze drei Stunden waren sie jeden Tag unterwegs (dabei ist ihr Viertel nur 16 Kilometer von St. Joseph entfernt), um die primär von weißen Schülern besuchte High School zu erreichen.

Kein einfacher Wechsel für die Jungen, die ein bis zwei Jahre im Unterrichtsstoff zurück sind und sich in der neuen Umgebung erst zurecht finden müssen. “I just never been around a lot of white people“, beschreibt Arthur gegenüber James seine Gefühle. Aber weder er noch William wollen sich unterkriegen lassen, die Herausforderung annehmen. “You can see your child mature“, sieht Sheila Agee die ersten Früchte des Schulwechsels. Für die Kids aus der Chicagoer West Side gilt es somit, sich in die römisch-katholische Welt von St. Joseph anzupassen. “The kids that are willing to do it are going to take something away that will help them for the rest of their lives“, verspricht Basketball Coach Gene Pingatore.

Zugleich ergänzt er, diejenigen, die sich nicht anpassen wollen, “are not going to be very successful as far as here“. Es herrscht ein Geben und Nehmen. Die Schule gibt eine Bildung auf die sich aufbauen lässt, die afroamerikanischen Jugendlichen geben ihr sportliches Talent der Schule. In einer späteren Szene wird Regisseur Spike Lee es einigen Kids in einem Nike Camp nochmals eintrichtern, sollten sie es vergessen haben. Ihr seid hier, um dem weißen Mann Spiele zu gewinnen. Schafft ihr das, verdient die Schule mehr Geld. An den Teenagern selbst ist man wenig interessiert, wie Arthur nach einem Jahr erfahren muss. Als im neuen Schuljahr die Gebühr erhöht wird, können sie seine Eltern nicht mehr bezahlen.

“You have to draw a line“, verteidigt Pingatore die Entscheidung. William hat diese Probleme nicht, denn die Hälfte seiner Schulgebühren (den Rest übernahm für beide St. Joseph) wird von einer reichen weißen Familie bezahlt. Für viele erscheint William als der neue Isiah Thomas, was dieser sichtlich als Belastung ansieht. “I’m trying to build my own identity“, sagt er verschmitzt. Während es William ins Varsity Team schafft, spielt Arthur bei den Freshmen. Am Ende hat sich sein Talent für St. Joseph wohl einfach nicht genug rentiert. Die Folge: Ein erneuter Schulwechsel, der ihn ein halbes akademisches Jahr kostet. Selbst seine Zeugnisse gibt man erst dann heraus, als die Eltern die fällige Restgebühr beglichen haben.

Fortan entwickeln sich die beiden Freunde unterschiedlich. William wird der Star seines Schulteams, im Sommer vermittelt ihm seine weiße Sponsorenfamilie ein Praktikum oder er besucht das Nike Camp für talentierte Spieler. Arthur dagegen muss zurück auf die West Side und besucht die John Marshall High School mit Wachpersonal am Eingang. Sein Vater verlässt die Familie, seine Mutter lebt von Sozialhilfe und Arthur verbringt die Sommer mit Blödeleien und jobbt später bei Pizza Hut. Mit den Marshall Commandos hat er nur bedingt Erfolg, während es William mit den St. Joseph Chargers zumindest in die Playoffs schafft. Wo Arthurs Leben von Leichtigkeit beherrscht wird, steht bei William der Druck.

Für ihn gilt es, dem Schatten von Isiah Thomas und den daraus folgernden Erwartungen an ihn gerecht zu werden. Was folgt, kennt man aus nahezu jedem High School Film: Der Star-Spieler fällt aus. Nach einer Verletzung steigt William zu früh ins Training ein, reißt sich dabei fast das Kreuzband und muss drei Monate pausieren. Er wird nach Operation und Reha in einem wichtigen Spiel wieder eingesetzt, die Ungewissheit der körperlichen Fitness dabei wie ein Damoklesschwert über ihm schwebend. Hält das Knie und damit seine Chance auf eine NBA-Karriere? “When this happens“, weiß Pingatore, “they may never be the player they were“. Oder in vielen Fällen zutreffender: Der Spieler, zu dem sie hätten werden können.

Williams Geschichte in Hoop Dreams ist eine von Rückschlägen. Neben seiner Verletzung und etwaigen Rückfällen muss er auch um das Bestehen seines Studierfähigkeitstest (SAT) bangen, während seine Freundin eine Tochter zur Welt bringt. Für William geht es um viel, hat er mit seinem großen Bruder Curtis doch bereits ein Familienmitglied, das einst ein Basketball-Stipendium verlor und sich später als Wachmann verdingte. Und trotz aller Ereignisse glaubt auch Arthur noch an seinen Traum von der großen Karriere. “This is what I wanna do for the rest of my life“, erklärt er. Basketball erscheint als eine der wenigen Perspektiven im Viertel, das für die Jugendlichen meist nichts Konstruktives bereithält.

“You can see why half of ‘em become gangbangers”, sieht auch Arthurs Mutter das Problem. Und mehr und mehr kristallisiert sich in James’ Film heraus, dass dies die Geschichte ihres Sohnes ist. Die Tragik wohnt sicher William bei, die Hoffnung personifiziert sich aber in Arthur. Wie es ein Hollywood-Regisseur nicht besser (oder anders) inszenieren könnte, nimmt die Entwicklung der Geschehnisse im Abschlussjahr der beiden Jugendlichen ihren ganz eigenen Lauf. Es ist verständlich, wieso Steve James so fasziniert von diesem Milieu gewesen ist und dass aus einem 30-Minuten-TV-Feature eine Kino-Dokumentation von fast schon epischen drei Stunden Lauflänge wurde, die das 17-fache ihrer Kosten einspielte.

Verdientermaßen gilt Hoop Dreams weithin als einer der besten Sportfilme aller Zeiten. Die Geschichte weist alle Stärken auf, die dem Genre verhaftet sind, ohne dass jedoch die Klischees wie Klischees wirken. Wer ein Fan des Sports ist, kommt auf jeden Fall auf seine Kosten, selbst wenn das Spiel an sich eher im Hintergrund steht. Hoop Dreams ist vielmehr eine Milieustudie, die sich wie so viele Filme mit dem klassischen Thema des American Dream beschäftigt. Für William und Arthur ist Basketball der einfachste Ausweg aus einem Leben, das im Normalfall wenig für sie bereithält. Um von ihrer jetzigen zu der von ihnen ersehnten Welt zu gelangen, müssen sie Halt in der Welt der Weißen machen.

Hier von „Basketball-Sklaven“ zu sprechen, wäre sicher zuviel des Guten, da es auch ein altbekanntes Schema im US-Profi-Sport ist. Spieler werden gedraftet und getauscht wie eine Ware und oft ohne rechten Einfluss der Betroffenen. Es ist, wie gesagt, ein Geben und ein Nehmen, bei dem zumindest in der Schullandschaft die Spieler vermutlich das höhere Risiko tragen. Als Milieustudie gerät Hoop Dreams dabei nicht weniger fesselnd wie als Sportfilm. Im Vordergrund stehen nie die beiden jungen Spieler, sondern ihre Persönlichkeiten. Keiner von beiden hat es zum nächsten Isiah Thomas oder in die NBA geschafft. Aber dennoch haben beide etwas mitgenommen, das ihnen für ihr späteres Leben weitergeholfen hat.

8.5/10

15. Juni 2012

When the Levees Broke: A Requiem in Four Acts

Katrina. That bitch.

Eine Woche zuvor war er noch ein simpler Sturm, entstanden über den Bahamas, ehe er an Südflorida vorbeizog und sich dem Golf von Mexiko zuwandte. Dort wiederum sammelte Hurrikan Katrina über die Tage an Kraft und nahm an Stärke zu. Soweit, dass er in der letzten Augustwoche 2005 zur Kategorie 5, der höchsten Einordnungsstufe für Stürme, angehoben wurde und das in Louisiana gelegene New Orleans eine vollständige Evakuation anordnete. Was folgte, war nicht nur der sechststärkste Atlantiksturm aller Zeiten, sondern auch die teuerste Naturkatastrophe in der Geschichte der USA. Am Ende stand ein Schaden von über 100 Milliarden US-Dollar und mehr als 1.800 Todesopfern.

Dabei war Katrina letzlich nicht einmal in voller Stärke über New Orleans und Louisiana hereingebrochen, sondern hatte die Region lediglich als Sturm der Kategorie 3 heimgesucht. Wie kam es also dazu, dass dennoch 80 Prozent von New Orleans unter Wasser standen? Für die Naturkatastrophe war, wie sich herausstellte, weniger Katrina verantwortlich, denn menschliches Versagen bei der Konstruktion der Deiche. Als diese brachen, breitete sich das Wasser in New Orleans, das zum Großteil fast zwei Meter unter dem Meeresspiegel liegt, besonders in den Gemeinden The Ninth Ward und St. Bernard Parish aus. Was genau geschah und welche Folgen es hatte, arbeitete Spike Lee für HBO auf.

In seiner vierteiligen Dokumentation When the Levees Broke lässt Lee die Betroffenen zu Wort kommen, vom einfachen Flutopfer bis hin zur Gouverneurin von Louisiana, Kathleen Blanco. Während der erste Teil, „Act I“, den 29. August 2005 und die folgenden Tage Revue passieren lässt, beschäftigen sich die übrigen drei Akte mit der Frage, wer die Schuld für das Brechen der Deiche und die anschließende Inkompetenz bei der Katastrophenhilfe trägt. Klar, dass Emotionen hoch kochen, wenn Menschen Familienmitglieder verlieren oder vor den sprichwörtlichen Trümmern ihrer Existenz stehen. Denn über kein Unglück regt man sich mehr auf, als über eines, das hätte vermieden werden können.

Wie ernst Katrina ausfallen würde, hatte dabei wohl keiner erwartet. Seit Hurrikan Betsy (1965) war New Orleans von größeren Stürmen weitestgehend verschont geblieben. Weshalb nach einer ersten Ankündigung des Hurrikans nicht wenige Einwohner beschlossen, “that they could weather the storm“, wie der Jazz-Saxofonist Donald Harrison sagt. Seine Schwiegermutter war wie einige andere in der Stadt geblieben, angeordnete Evakuierung hin oder her. Sie hatte wie so viele den letzten Hurrikan, 40 Jahre zuvor, mit er- und überlebt. Und allzu dramatisch war Katrina selbst nicht einmal ausgefallen, wären da nicht die Deiche gewesen, die das Flutwasser eigentlich hätten zurückhalten sollen.

Bereits in der Vergangenheit waren die Dämme des vormerklich von Afroamerikanern bewohnten Stadtteils Ninth Ward gesprengt worden, damit das Wasser nicht ins renommierte French Quarter fließen würde. “This wasn’t about race, it was about money“, erinnert der Autor John Barry. Als aber 2005 viele Anwohner eine Explosion vernahmen, waren sie sich sicher, dass sich die Geschichte wiederholte. “These people have a long experience of being ripped off“, zeigt Historiker Doug Brinkley Verständnis. Wie sich herausstellte, waren dieses Mal die Deiche (engl. levees) aber nicht von der Regierung gesprengt worden. Was allerdings nicht heißt, dass diese nicht trotzdem die Schuld für das Desaster trägt.

Denn nach Betsy wurden die Deiche vom US Army Corps of Engineers neu installiert und für Hurrikans der höchsten Stufe gerüstet. Am Ende waren sie aber keineswegs tief genug in den Boden platziert worden. Robert Bea, Professor für Ingenieurswesen, nennt das Brechen der Deiche in New Orleans 2005 daher “the most tragic failure of a civil-engineered system in the history of the United States“. Scheinbar wurde an der Ausführung gespart, wie ohnehin New Orleans und Louisiana stark benachteiligt scheinen, was die föderale Gewinnung von Erdöl und -gas vor ihrer Küste angeht. “The money doesn’t stay in Louisiana“, bestätigt Brinkley. Wäre Louisiana eine Kolonie, so der Historiker, es wäre finanziell besser dran.

Ohnehin ist der Tenor aus When the Levees Broke, dass Louisiana im Allgemeinen und New Orleans im Speziellen reichlich stiefmütterlich von der Regierung in Washington D.C. behandelt werden. Das Army Corps konstruierte fehlerhafte Deiche, die Bush-Regierung zeigte wenig Handlungsgeschick in Folge der Katastrophe und die FEMA (Federal Emergency Management Agency) glänzte auch Monate nach Katrina mit Abwesenheit. Wenn die Einwohner mit T-Shirts wie “Katrina survivor, FEMA victim“ herumlaufen, ist das bezeichnend. “You have to worry about a country that can look at a vast number of mistakes (…) that has directly affected people’s lives“, kritisiert Jazz-Trompeter Terence Blanchard.

Besonders benachteiligt fühlte sich die primär afroamerikanische Bevölkerung in New Orleans, was Kanye West dann wenige Tage nach Katrina bei einer Spendensammlung des Senders NBC zu den Worten hinreißen ließ: “George Bush doesn’t care about black people“. Eine Unmutsbekundung, die viele von Lees Gesprächspartnern teilen. So machte sich Bush erst nach zwei Wochen, am 11. September, vor Ort ein Bild von der Katastrophe. “Initially he stayed on holiday when New Orleans was drowning“, berichtet ein britischer Reporter aus dem Off. Wenig besser gab sich die aus Alabama stammende Condoleezza Rice, die am Tag des Unglücks lieber Schuhe einkaufen ging, anstatt Stellung zu nehmen.

Dass die US-Regierung ein Jahr zuvor nach dem Tsunami in Sri Lanka schneller und besser reagierte als im September 2005 im eigenen Land, streute zusätzlich Salz in die Wunden. Hilfe von Soldaten war nicht möglich, da diese einen unsinnigen Krieg im Irak kämpften, die Bewohner von New Orleans wurden sich selbst überlassen. Die Folge waren zahlreiche Plünderungen, Schießereien und Gewalt, Todesopfer der Überschwemmung wurden tagelang nicht eingesammelt oder abgeholt. “We want help!“, schrien die Einwohner in die Fernsehkameras der Medienanstalten, die dann die evakuierte Bevölkerung aus New Orleans landesweit als „Flüchtlinge“ brandmarkte. Sehr zu deren Missfallen.

“Damn“, fährt es dem Einwohner Gralen Banks aus, “when the storm came in, it blew away our citizenship too?“. Wer in den umliegenden Staaten Unterkunft fand, blieb dort oft auch. Schließlich erwartete einen in New Orleans nichts, nicht einmal Aufräumarbeiten. Die setzten erst vier Monate nach Katrina ein, selbst nach einem halben Jahr fanden heimkehrende Anwohner noch Leichen in ihren Häusern. Auf deren Schaden blieben viele sitzen, waren die meisten doch gegen Hurrikans versichert, aber nicht gegen Hochwasser. Was den Versicherungen in die Karten spielte. Ungläubig reagierte daher auch der Vater von Schauspieler Wendell Pierce (The Wire, Treme): “I’ve been paying them people for 50 years“.

Die Geschichte von When the Levees Broke ist eine Geschichte des Scheiterns. Aus den Fehlern von Hurrikan Betsy hat die Regierung anschließend nichts gelernt, das US Army Corps of Engineers beim Neuaufbau der Deiche daher schlampig gearbeitet. Die Zeche musste New Orleans am 29. August 2005 bezahlen, als die Deiche dem Ansturm von Katrina nicht standhielten. Anschließend zeigten FEMA und die Bush-Regierung zu spät Präsenz vor Ort und leisteten weniger Hilfe als angesichte der Umstände, immerhin die schlimmste Naturkatastrophe aller Zeiten in den USA, notwendig gewesen wäre. “You know, somebody needs to go to jail for this“, macht Terence Blanchard seinem Ärger Luft.

Und Ärger verspürt jeder der Beteiligten, vom ehemaligen Bürgermeister Marc Morial über Radiomoderator Garland Robinette bis hin zu Betroffenen, die vor den Ruinen ihrer Häuser stehen. Einen Raum zur Rechtfertigung erhalten die Beschuldigten nur bedingt, was sicher auch damit zusammenhängt, dass sie zur Zeit von Lees Dokumentation noch in offiziellen Ämtern standen. Gleichzeitig steht außer Frage, dass die Regierung in Washington, die alte wie damals aktuelle, im Zuge von Katrina keine Freunde in New Orleans und Louisiana gewonnen hat. “These people have a long experience of being ripped off“, hatte Historiker Doug Brinkley in „Act I“ gesagt. Katrina gehört nun zu dieser Erfahrung dazu.

Was uns Spike Lee in seiner umfangreichen und vierstündigen Dokumentation auch zeigt, ist den Überlebenswillen der Einwohner von The Big Easy. Wenige Monate nach Katrina feiern sie wie gewohnt Mardi Gras, ein kulturelles Ereignis, das sie nicht missen wollen. Hier manifestiert sich ihr Leid in Galgenhumor, gerne mit T-Shirts zur Schau getragen (“Katrina, that bitch“). Mittels mannigfaltiger Interviews und Archivmaterial gelingt Spike Lee in When the Levees Broke eine gelungene Rekapitulation der damaligen Ereignisse. Was am 29. August und in den Folgetagen geschah, aber noch viel eindringlicher, wie es dazu kommen konnte und warum hinterher wenig bis nichts seitens der Regierung getan wurde.

Von den vier Akten aus Lees Requiem ist „Act II“ dabei sicherlich der Stärkste, wenn sich die Enttäuschung über die Inkompetenz der Bush-Regierung Bahn bricht und ihre Ausmaße aufgedeckt werden. Ähnliches trifft auch auf „Act IV“ zu, wenn der Film ein halbes Jahr verstreichen lässt, ohne dass sich New Orleans wirklich weiter entwickelt hat. Somit stellt When the Levees Broke einen essentiellen Rückblick auf Hurrikan Katrina dar, seine Ursachen und seine Folgen. Der Kummer, die Trauer und die Wut in Lees Dokumentation sind authentisch und nachvollziehbar. Denn über kein Unglück regt man sich mehr auf, als über eines, das hätte vermieden werden können. Und das war hier der Fall.

8/10

11. Juni 2012

Veep - Season One

Did the President call?

Spaßeshalber rutscht der Vizepräsidentin der USA das Wort “retard“ in einer Rede heraus, genauso wie der Kommentar, ein Governeur und potentieller Polit-Konkurrent könne gar nicht Präsident werden, weil er kein geborener Amerikaner sei, noch auf dem Mikro eines Interviews landet. Wahrlich, US-Vizepräsidentin Selina Meyer (Julia Louis-Dreyfus), meist in der umgangssprachlichen Berufsabkürzung “veep“ adressiert, tritt von einem Fettnäpfchen ins nächste. Ihr schusseliger Stab rund um Leiterin Amy (Anna Chlumsky), sowie Kommunikationsdirektor Mike (Matt Walsh) und seinen Stellvertreter Dan (Reid Scott) ist ihr ebenfalls keine Hilfe. Ihr Büro, so Selina, sei daher “completely non-fucking-functioning“.

Und gerade deswegen ist Veep, die aktuelle Serie von Armando Iannucci, so vorzüglich vergnüglich. Nach Jahren des Pitchens und Produzierens hat es die US-Version von Iannuccis Paradestück The Thick of It nun endlich zu einem Sender geschafft. Und glücklicherweise ist dies HBO. Dass das Konzept von Iannuccis politischer Satire beim ursprünglichen ABC nicht aufgehen konnte, war eigentlich absehbar. Und dennoch versucht worden. Wer aber den Skripten des Briten ihre Flüche austreibt, beraubt sie zugleich ihrer Stärke. Und so wird nun auf HBO geflucht, geschimpft und beleidigt was das Zeug hält. Und das Zeug hält jede Menge. Wo Iannuccis Quasi-Kino-Spin-off In the Loop noch strauchelte, reüssiert Veep wieder.

In seiner halbstündigen Show legt er den Fokus nun wieder darauf, was The Thick of It vor sieben Jahren ausgezeichnet hat: Politische Shitstorms. Einst als Präsidentschaftskandidatin gestartet, stürzte Meyer ab und musste sich letztlich mit dem Posten als “veep“ begnügen. Fernab des Weißen Hauses bemüht sie sich nun um Senatorenunterstützung für eigene Anträge und den Hindernissen, die sich ihr dabei in den Weg stellen. Sei es die Öl-Lobby oder der Präsident. Er tritt ähnlich wie der Premierminister in The Thick of It nicht on screen auf, sondern fungiert über seinen von Meyer und ihrem Stab gehassten Liaison Jonah (Timothy Simons). Und der wiederum ist - leider - alles andere als ein zweiter Malcolm Tucker.

Gefilmt wird das wie zuvor schon Iannuccis britischer Vorgänger mit einer Single Camera im Cinéma-vérité-Stil in Büros und Bürogängen, stets mit einer zynischen Bemerkung auf den Lippen. Zwar mag man sich nicht wirklich vorstellen, dass das Büro eines US-Veeps so inkompetent ist, allerdings bedurfte es für das US-Publikum wohl eines spektakuläreren Settings als ein fiktives Nebenministerium wie in The Thick of It. Gut möglich, dass obschon die politische Ausrichtung der Regierung ungenannt bleibt, Meyer ein Abziehbild der Palins und Bachmanns darstellt. Ohnehin erinnert Louis-Dreyfus nicht nur ein Mal an Tiny Fey, während Themen wie der Geburtsort eines Polit-Konkurrenten ebenfalls bekannt vorkommen.

Die große Stärke von Veep sind dann die Dialoge von Iannucci. Im Stakkato-Stil bellt sie das Ensemble durch die Räume, dabei genüsslich den Wortwitz der Zeilen goutierend. Besonders schöne Phrasen drischt dabei der karrieregeile Dan, wenn er einem Journalisten “major scoops“ verspricht und hinzufügt: “I major in major“. Oder er erklärt “You got to network to get work“ und setzt dies in der Folge „Baseball“ sogleich mit einem 8-Jährigen in die Tat um. Zum amüsanten running gag verkommt Mikes fiktiver Hund Simon, der ihn bei Selina vor Überstunden bewahren soll und den der restliche Stab daher als “bullshitzu“ tituliert. Auch Selina erhält einige Spitznamen, darunter “creepy veepy“ von der First Lady.

Dient die Pilotfolge noch zur Orientierung und Gewöhnung an Julia Louis-Dreyfus als unbeholfene “veep”, steigert sich die Serie im Anschluss. Highlight und Sinnbild für ihre Qualitäten ist dabei die Folge „Catherine“, in der Meyer unter anderem die Namensgebung eines Hurrikans „Selina“ verhindern will, damit sie selbst später nicht durch Assoziationen darunter leidet (“I’ve met some people, okay? Real people, and I gotta tell you, a lot of them are fucking idiots”). Das Ensemble schlägt sich überzeugend, mit Tony Hale im Arrested Developtment-Modus als Meyers Personal Assistant als dem Aushängeschild. Und da Veep von HBO für eine zweite Staffel verlängert wurde, darf man sich auf weitere Fettnäpfchen freuen.

7.5/10

4. Juni 2012

Deutschland von oben

Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land,
Mit seinen Eichen, seinen Linden,
Werd’ ich es immer wiederfinden.

(Heinrich Heine, Nachtgedanken)

Wer sich einen Überblick verschaffen will, der steigt meist hoch. Dort, wo sich alles überschauen lässt, man einen Blick über das große Ganze gewinnt. Folglich dürfte kaum einer Deutschland schon mal so gesehen haben, wie es sich gibt, wenn man auf es von oben schaut. Das dachte sich vermutlich auch die ZDF-Programmmarke „Terra X“ mit ihrer Sendereihe Deutschland von oben, die 2010 von Petra Höfer und Freddie Röckenhaus initiiert wurde. Mit einer Cineflex-Helikopter-Kamera wurde die Bundesrepublik überflogen und in einem Zeitraum von drei Jahren in gut 600 Flugstunden über 300 Stunden an Material gewonnen. Einiges davon findet sich nun in der Kinodoku Deutschland von oben wieder.

Fünf Millionen Fernsehzuschauer sorgten dafür, dass Höfer und Henri-Nannen-Preisträger Röckenhaus ihr visuell beeindruckendes Schauspiel im Kino fortsetzen durften. Orientiert an den vier Jahreszeiten und unterteilt in die zwölf Kalendermonate stellten sie ein Potpourri unterschiedlichster Eindrücke zusammen. Vom Wattenmeer zum Watzmann, von der Berliner Siegessäule in die Calwer Altstadt, von den Dülmener Wildpferden im Merfelder Bruch bis zu Taucherarchäologen im Bodensee und Fallschirmspringern aus Flugzeugen und Frankfurter Hochhäusern. Deutschland von oben ist facettenreich und vermittelt uns den Eindruck, dass wir Deutschland erst wirklich kennen, wenn wir es von oben kennen.

Denn inwieweit haben wir schon eine Vorstellung, wie grün unser Land in den Zeiten von Hochtechnologisierung und Industrie eigentlich noch ist? Wenn die Kamera uns also gleich zu Beginn eine Steinbockfamilie in den zugigen Höhen der Allgäuer Alpen präsentiert, hat dies einen ersten Aha-Effekt. Ohnehin versäumen es Höfer und Röckenhaus nicht, uns immer wieder vor Augen zu halten, dass auch Tierfamilien zu Deutschland gehören. Von den Helgoländer Robben, deren Fischzüge mittels GPS und Satellitenüberwachung nachvollzogen werden, über die Dülmener Wildpferde, die Mitte des 19. Jahrhunderts von Herzog Alfred von Croÿ gerettet wurden, bis hin zu Zugvögeln wie Störchen und Gänsen.

Wir erhaschen die träumerischen Landschaften des Berchtesgadener Landes und der Elbtalaue, erklimmen die Spitzen von Watzmann und Zugspitze und streifen die Küsten von Helgoland und dem Wattenmeer. Unterlegt von der Musik Boris Salchows präsentiert Deutschland von oben jedoch nicht nur die natürliche Pracht dieses Landes, sondern auch den Platz, den sich die Menschen darin geschaffen haben. Die Bilder zeigen uns in die Heidelberger Innenstadt und die Fachwerkhäuser von Hermann Hesses Geburtstadt Calw, wir sehen den Fernsehturm in Berlin und den Münchener Marienplatz. Vergleichsweise besonders viel Zeit widmet sich die Dokumentation jedoch der Geschichte von Regensburg und Hamburg.

Per Grafik werden die Regensburger Strukturen eines alten römischen Militärlagers (castra regina) aufgedeckt, beziehungsweise das Hamburger Bombardement durch die Alliierten-Operation „Gomorrha“ vom 25. Juli bis 3. August 1943 veranschaulicht. Auch die meisten anderen deutschen Städte wie Nürnberg waren nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Großteil zerstört. Umso erstaunlicher ist es daher, wenn man bedenkt, wie Deutschland es geschafft hat, sich derart zu erholen und zu alter Blüte aufzurichten. Wirklich gewahr wird dies einem erst beim Anblick dieser Bilder, die einem angesichts des heutigen Status der Bundesrepublik merklich Respekt abgewinnen, für die Leistung, die hier erbracht wurde.

Wir sehen auch andere Errungenschaften wie den Kölner Dom und die Dresdener Frauenkirche, das Schloss Neuschwanstein oder aber die industrielle Kraft, die Deutschland beherbergt. Von den letzten Stahlwerken am Rhein bei Duisburg bis hin zum scheinbar endlosen Braunkohletageanbau in Welzow in der Lausitz. Der „Wahnsinn“ der Deutschen macht aber nicht vor dem Boden Halt. Höfer und Röckenhaus zeigen uns Segelflugzeugflieger und Fallschirmspringer, die sich über den Wolken für fünf Minuten in die Tiefe stürzen oder auch für weitaus kürzere Distanz auf Frankfurter Hochhäuser klettern. Deutschland von oben zu sehen, ist für viele wohl nicht genug – zumindest nicht nur im Fernsehen.

Kritisieren lässt sich am ehesten, dass der Dokumentation bisweilen ein roter Faden fehlt. Da schwebt die Cineflex-Kamera kurz über dem Dortmunder Signal Iduna Park, um für wenige Sekunden auch noch schnell die Münchener Allianz Arena ins Bild zu rücken. Auch die Störche tauchen immer mal wieder statt in einem Block auf, während man doch überrascht ist, wie wenig Regentage es in Deutschland zu geben scheint. Selbst in den Wintermonaten wirkt die Republik durchweg wie ein kleines europäisches Paradies. Ein absolut authentisches Bild muss Deutschland von oben allerdings auch nicht zeigen, kennen wir die hässlichen Seiten des Landes doch zur Genüge. Und die Schönen spätestens jetzt auch.

7.5/10

1. Juni 2012

Filmtagebuch: Mai 2012

THE BIG BANG THEORY - SEASON 5
(USA 2012, Mark Cendrowski u.a.)
7.5/10

TO CATCH A THIEF
(USA 1955, Alfred Hitchcock)
7.5/10

COMMUNITY - SEASON 3
(USA 2012, Tristram Shapeero u.a.)
7.5/10

DET SJUNDE INSEGLET [DAS SIEBENTE SIEGEL]
(D 1957, Ingrid Bergman)
8/10

DEUTSCHLAND VON OBEN
(D 2012, Petra Höfer/Freddie Röckenhaus)
8/10

THE DIVIDE
(USA/D/CDN 2011, Xavier Gens)
4/10

FAMILY GUY - SEASON 10
(USA 2012, Brian Iles/Greg Colton u.a.)
6.5/10

FERRIS BUELLER’S DAY OFF
(USA 1986, John Hughes)
8.5/10

FORCES SPÉCIALES
(F 2011, Stéphane Rybojad)
2.5/10

HANNA
(USA/UK/D 2011, Joe Wright)
6.5/10

HOW I MET YOUR MOTHER - SEASON 7
(USA 2012, Pamela Fryman u.a.)
7/10

IN TIME
(USA 2011, Andrew Niccol)
5/10

INTO THE ABYSS
(USA/UK/D 2011, Werner Herzog)
7/10

MOONRISE KINGDOM
(USA 2012, Wes Anderson)
7/10

NATURAL CITY
(ROK 2003, Min Byung-chun)
4/10

THE OFFICE - SEASON 8
(USA 2012, David Rogers/B.J. Novak/Matt Sohn u.a.)
7/10

PARKS AND RECREATION - SEASON 4
(USA 2012, Dean Holland u.a.)
7.5/10

PROJECT NIM
(USA/UK 2011, James Marsh)
8/10

ROME - SEASON 1
(USA 2005, Michael Apted u.a.)
7/10

ROME - SEASON 2
(USA 2007, John Maybury u.a.)
7/10

SONS OF ANARCHY - SEASON 1
(USA 2008, Stephen Kay u.a.)
7.5/10

SONS OF ANARCHY - SEASON 2
(USA 2009, Gwyneth Horder-Payton u.a.)
7.5/10

SONS OF ANARCHY - SEASON 3
(USA 2010, Gwyneth Horder-Payton/Stephen Kay u.a.)
7.5/10

LE TEMPS QUI RESTE [DIE ZEIT, DIE BLEIBT]
(F 2005, François Ozon)
5.5/10

THE VAMPIRE DIARIES - SEASON 3
(USA 2012, John Behring u.a.)
6.5/10