25. Juni 2015

Game of Thrones – Season Five

The gift of a great name. Sometimes that’s all one needs.

Seit vier Jahren begeistert HBO’s Game of Thrones, jene Fantasy-Adaption von George R. R. Martins Romanserie, die 1996 begann, die Zuschauer weltweit. Jüngst ging die fünfte Staffel zu Ende, womit nunmehr – erstmals – die Fernseh- wie die Romanserie inhaltlich auf derselben Höhe sind, dienen doch die Ereignisse des fünften Romans A Dance with Dragons als Vorlage für die fünfte Staffel. Als Game of Thrones seinerzeit debütierte, verfolgte ich die ersten drei Episoden, legte die Show jedoch alsbald als „Lord of the Rings fürs Pay-TV“ zu den Akten. Zufällig habe ich nun die fünfte Staffel dieses Jahr gesehen, als Einstieg in die Materie – und warum auch nicht. So bot sich mir ein Blick von außen, was vielleicht auch ganz zuträglich ist.

Nun mag man sagen, für Game of Thrones braucht es das Vorwissen – wenn schon nicht der Romane, dann doch der Vorgängerstaffeln. Andererseits lässt sich die Qualität der Serie womöglich wenn schon nicht besser, dann doch zumindest interessanter mit einer Perspektive von außen einschätzen. Zudem sich ja vielerlei Pop-Kultur im Web 2.0-Zeitalter ohnehin nicht umschiffen lässt, somit auch Außenstehende wissen, was mit dem Familienclan der Starks (Red Wedding!) geschah oder “Winter is coming” eigentlich heißt. Und grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Serie zumindest produktionstechnisch – zum Glück – zugelegt zu haben scheint seit dem ersten Jahr. Aber kann auch der Inhalt einen Serien-„Wildling“ überzeugen?

Eines der großen Probleme der Serie scheint mir die Vielzahl der Charaktere und Handlungsstränge zu sein. Nicht so sehr, weil sie mir nicht alle vertraut sind, sondern weil manche von ihnen bisweilen eher sporadisch auftauchen und wenig zu tun haben. Beispielsweise jene Sequenzen rund um Arya (Maisie Williams) in Braavos, wo die zweitjüngste Stark-Tochter bestrebt ist, im House of Black and White mit Hilfe von Jaqen H’ghar (Tom Wlaschiha) eine(r) der Faceless Men zu werden. Ein beispielhafter Handlungsstrang zugleich, um zu verdeutlichen, dass sich die Handlung aller Plotlines in der Serie sehr gestreckt anfühlt. Weitaus ausgedehnter, um das, was sie dem Zuschauer mitteilen wollen auch mitzuteilen. Weniger ist manchmal mehr.

Ähnlich verhält es sich auch mit jener Episode, die Jaime Lannister (Nikolaj Coster-Waldau) nach Dorne führt, wo er seine Tochternichte zurück nach King’s Landing bringen will, die im Süden der Liebe wegen weilt. Es wirkt wie Beschäftigungstherapie für die Figur in einem Nebenstrang, der viel Lärm um nichts macht. Auch hier wird, wie andernorts in Westeros, intrigiert – in diesem Fall von Ellaria Sand (Indira Varma), die ihre Töchter Rache an der Lannister-/Baratheon-Tochter für einen Todesfall üben lassen will. Viele grimmige Gesichter, zumindest ein netter Szeneriewechsel und schließlich weiteres Drama wirken inzwischen mehr als Selbstzweck einer Serie, die sich – so hört man – das Entledigen ihrer Figuren zum Merkmal gemacht hat.

Ähnlich stagnierend erscheinen die Geschehnisse in King’s Landing, wo Cersei Lannister (Lena Headey) als Strippenzieherin selbst in jene Grube fällt, die sie für andere gegraben hat. Ihre perverse Vergangenheit holt die Königsmutter ein, als sie in die Schusslinie des High Sparrows (Jonathan Pryce) und seiner religiös-fanatischen Spatzen gerät. Womöglich erklärt Martin in seinen Romanen wieso jene – zahlenmäßig eher geringen – Fanatiker relativ tun und lassen können was sie wollen. Und infolgedessen de facto die Hauptstadt regieren. Mir scheint, das Haus Baratheon/Lannister war schon mal mächtiger, wenn hier beliebig königliches Geschlecht in Kerker geworfen und sonstige Prominenz nebenbei nonchalant ermordet wird.

Interessanter, wenn auch nicht minder in die Länge gezogen, sind da schon die Ereignisse im Norden. Der schmierige Petyr Baelish (Aidan Gillen) liefert Sansa Stark (Sophie Turner) in ihrer alten Heimat ab, überlässt sie dort den Mördern ihrer Familie und soll durch Vermählung mit diesen, namentlich Ramsay Bolton (Iwan Rheon), ihr Überleben sichern. Und die Mörder durch die Beziehung mit einem Nachkommen ihrer Vorgänger ihre Position stärken. Was folgt, sind Szenen einer Ehe, kulminierend in einem – relativ harmlos inszenierten, aber dennoch im Internet mit “shock value” wahrgenommenen – Ereignis zum Abschluss von Unbent, Unbowed, Unbroken. Glücklich, so scheint es, kann in Game of Thrones keiner der Protagonisten werden.

Schon gar nicht im Norden, wo sich das Elend die Hände reicht und Blut reicher fließt als Wasser. Als neuer Nachtwachen-Kommandeur ist Jon Snow (Kit Harington) bestrebt, die Wildlinge jenseits des Walls auf seine Seite zu bringen. “Winter is coming” und damit die Zombies. Derweil plant Stannis Baratheon (Stephen Dillane) den Sturm auf Winterfell als Zwischenstation zur Hauptstadt und den Iron Throne. Der ist auch Wunschobjekt im östlichen Essos, wo Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) Halt in Meereen macht, sich dort jedoch mit ihren eigenen Fanatikern, den Sons of the Harpy, rumschlagen muss. Da passt es, dass ihr verjagter (Ex-)Vertrauensmann Jorah Mormont (Iain Glen) mit Tyrion Lannister (Peter Dinklage) auftaucht.

Die Geschehnisse im Norden wie im Osten sind die spannenderen Dramen, die Game of Thrones erzählt. Dabei will ich zugestehen, dass manch narrative Länge auch dadurch bedingt ist, dass immer wieder die Handlung unterbrochen und nach King’s Landing, Braavos, Dorne oder sonst wo geschnitten wird. Dennoch lässt mich der Eindruck nicht los, dass viel von dem, was sich Staffel 5 zur Brust nimmt, auch zügiger hätte erzählt werden können. Sei es Cersei Lannister und der High Sparrow, Jon Snow und die Wildlinge oder Daenerys und die Zustände in Meereen. Auch, weil in jeder Handlung relativ wenig geschieht, was jedoch nicht immer etwas Schlechtes sein muss. Vielmehr liegt hierin auch eine, wenn nicht die Stärke der Show.

Faszinierend gerät die Serie oft, wenn zwei (entscheidende) Figuren das Gespräch miteinander suchen. Und sich dabei aneinander und dem Charakter oder den Idealen ihres Gegenübers aufreiben. Perfektioniert natürlich von Peter Dinklages Publikumsliebling, aber auch Aidan Gillen lässt genüsslich den ihm zugeschriebenen Text von der Zunge rollen. Game of Thrones lebt zuvorderst von den Figuren und ihrem Verhältnis zueinander. Entsprechend überzeugen die Dialoge, wie zwischen Jon Snow und Mance Rayder (Ciarán Hinds) im Staffelauftakt The Wars to Come oder Tyrion Lannister und Daenerys in Hardhome. Beide zählen mit Kill the Boy zu den herausragenden Folgen einer sonst zwar unterhaltsamen, aber wenig mitreißenden Staffel.

Zweifelsohne mag die Serie dabei für all jene, die ihr seit vier Jahren treu geblieben sind oder die Bücher kennen eine andere, intimere Rolle einnehmen. Solche Zuschauer nimmt das Schicksal von Arya vermutlich mit, genauso wie die etwaigen Tode, die insbesondere das Staffelfinale Mother’s Mercy abrunden. Für sie mag sich auch manche Situation mehr erklären, was hinter den Handlungen von Petyr Baelish steckt, wieso Daenerys Meereen so wichtig ist oder was für eine Rolle – falls überhaupt – Dorne für das größere Ganze in Westeros spielt. Wie wichtig ist der Iron Throne, wenn kleinere religiöse Gruppen wie die Faceless Men, Sparrows oder Sons of the Harpy in ihren Städten ohnehin das Geschehen regeln? Oder zu regeln scheinen.

Womöglich (vermutlich?) finden sich die Antworten in den Vorgänger-Staffeln oder der Buchreihe, ist man als Außensteher insofern doch etwas verlassen. Genauso was die emotionale Wucht angeht, die all jene Missetaten gegen lieb gewonnene Figuren oder gar deren Tod auszulösen scheint. Die einen verfluchen das in den sozialen Medien und drohen mit dem Serien-Bruch, für die anderen liegt hier ein kongeniales Spiel mit den Erwartungen. Mit Blick von außen wirkt nicht jeder Mord zwingend sinnig, eher als Schockmoment, wie man es in der Hochphase von Serien wie Lost kannte. Angesichts so mancher Figur, die im Finale – scheinbar (?) – Lebewohl gesagt hat, ist fraglich, wie ihr Handlungsstrang nun im nächsten Jahr weitergehen soll.

Ohnehin steht die Serie als solche nun vor einem Fragezeichen, wo sie jetzt auf Augenhöhe mit den Büchern ist. George R. R. Martin hofft, The Winds of Winter vor der sechsten Staffel zu publizieren, was HBO bis zum siebten und finalen Band, der womöglich erst in einigen Jahren erscheint, erzählen will, ist für mich fraglich. Grundsätzlich lässt sich nach Sichtung dieser Staffel schon eher nachvollziehen, wieso um die Serie ein derartiger Hype existiert. Selbst wenn ich diesen nicht teilen kann, obschon Game of Thrones viele Elemente besitzt, die durchaus anregend sind. Allen voran spannende (Neben-)Figuren wie Alexander Siddigs Prinz Doran Martell oder Liam Cunninghams Sir Davos. Letzterer begeistert sogar einen Außenstehenden.

7/10

19. Juni 2015

Fehér isten [Underdog]

Wir sind hier die Bestien.

Wenn man sagt, ein Land geht vor die Hunde, dann meint man dies vermutlich nicht wirklich im Sinne von Kornél Mundruczós Festival-Überraschung Fehér isten, international bekannt als White God und in Deutschland nun unter dem ungelenken Titel Underdog vertrieben. Erzählt wird darin von Hagen, einem Budapester Labradormischling, der vom Vater seiner Besitzerin Lili (Zsófia Psotta) auf der Straße ausgesetzt wird, weil dieser keine Hundehaltungsgebühr bezahlen will. Während Lili fortan gegen den Vater rebelliert und nach Hagen sucht, gerät dieser alsbald von einem „Besitzer“ zum anderen, ehe er im Tierheim landet und dort schließlich eine Rebellion der Hunde lostritt, die wie eine Welle über Budapest schwappt.

Ein Bild, mit dem Mundruczó seinen Film einleitet, wenn die uns hier noch unbekannte Lili auf ihrem Fahrrad durch verlassene Straßen fährt, während sich hinter ihr eine Horde Hunde Bahn bricht. Es hat etwas von einem Zombiefilm, dieses Intro, auch wenn Fehér isten anschließend keineswegs ins Tierhorror-Genre abdriftet. Vielmehr wird in doppelter Hinsicht eine Wiedervereinigungsgeschichte erzählt, müssen doch im Verlauf sowohl Hagen als auch Lilis Vater (Sándor Zsótér) zu dem jungen Mädchen auf ihre jeweils eigene Art und Weise zurückkehren. Eine Aufgabe, die für Vater Dániel fast noch schwieriger erscheint, wirkt seine Beziehung zu seiner Tochter doch weniger von liebevoller als von herrischer Natur geprägt.

Ohnehin bevölkern den Film meist alte, schreiende Männer, denen Autorität aus jeder Pore abgeht. Lilis Musiklehrer ist wenig besser, genauso wie die Männer, denen Hagen nach seiner Aussetzung begegnet. Die wiederum geschieht etwas überzogen schnell bereits einen Tag nachdem Dániel seine Tochter und deren Hund von seiner Ex-Frau anvertraut bekommt. Die Aggressivität der Figuren wirkt reichlich überzogen, um die Menschen zum klaren Antagonisten dieses Films zu machen. Da wundert es nicht, dass Lili ihrer „Promenadenmischung“ liebevoll begegnet und beim Anblick eines Hundehalters, der seinen Schäferhund erzieht, Hagen versichert: „Keine Angst. Das mache ich nicht mir dir.“ Seine späteren Besitzer dafür schon.

Von einem Obdachlosen kommt Hagen zu einem Hundehändler, von diesem aus landet er bei einem Kampfhund-Tierhalter. Der wiederum drillt den gutmütigen Mischling mit Steroiden und spitz geschliffenen Zähnen zum Killer. Es sind bedrückende Szenen für all jene, für die Tiere nicht bloß „Viecher“ sind. Umso faszinierender gerät Hagens Odyssee durch die Straßen von Budapest, ehe er schließlich sein Schicksal in die eigene Pfote nimmt. 200.000 Straßenhunde leben in Ungarn, heißt es zu Beginn. 274 von ihnen sind in Fehér isten zu sehen und hierbei brillant von Tiertrainer Árpád Halász für den Film abgerichtet. Die Blicke, die Reaktionen und Interaktionen der Hunde sitzen in praktisch jeder Einstellung. Vor allem Hagen beeindruckt.

Der Film tut sich jedoch keinen Gefallen, indem wir gut ein Drittel der Laufzeit nicht mit den Hunden, sondern mit Lili verbringen müssen. Die gibt sich mal renitent, dann wieder handzahm. Sucht erst nach Hagen und lässt es dann wieder sein. Es ist ein halbgares Familiendrama, das von Mundruczó entsprechend unoriginell zu einem Happy End zusammengeführt wird. Als Hinleitung zu Hagens Aussetzen wäre die übersteigerte Darstellung von Dániel noch akzeptabel gewesen, wenn Fehér isten daraufhin seinen Fokus auf die Hunde legen würde. Und wie diese wie die Primaten in Rise of the Planet of the Apes über die Stadt herziehen, um in einer Hommage zu Birds die Bevölkerung zu attackieren und Rache an Hagens Quälern zu nehmen.

Und mit der enormen Laufzeit von zwei Stunden, die dem Subplot um Lili geschuldet ist, hat sich Mundruczó keinen Gefallen getan. Vielmehr zerstört er sich über weite Strecken aufgrund seines menschlichen Elements im Film eine grundsätzlich interessante und herausragend inszenierte Prämisse. Infolgedessen geht in Fehér isten weniger das Land als der Film selbst vor die Hunde, so überzeugend, wenn auch vorhersehbar, das Finale der Geschichte letztlich ausfällt. Hier wäre durchaus mehr drin gewesen, weshalb Underdog einer der wenigen Filme ist, wo ich bei einer richtigen Herangehensweise durchaus ein US-Remake befürworten könnte. Alles was es dazu braucht, ist Trainer Árpád Halász und rund 300 Straßenhunde.

4/10

13. Juni 2015

Jurassic World

Spare no expenses.

In seinem sehenswerten Debütfilm Safety Not Guaranteed lässt Regisseur Colin Trevorrow eine Annonce seine Handlung in Gang bringen. “Wanted: Someone to go back in time with me. This is not a joke”, beginnt sie. Und endet mit dem Hinweis: “SAFETY NOT GUARANTEED.” So ähnlich könnten auch Stellenausschreibungen für Colin Trevorrows Folgefilm Jurassic World aussehen, der dritten Fortsetzung von Steven Spielbergs Jurassic Park. Da passt es, dass in einer Szene des Films der Ex-Navy-SEAL und Velociraptor-Trainer Owen (Chris Pratt) einen seiner Mitarbeiter darauf hinweist, wieso es wohl eine offene Position zu besetzen gab. Denn ähnlich wie schon vor 22 Jahren gilt für den Dinosaurier-Park erneut: Sicherheit wird nicht garantiert.

Die jüngste Fortsetzung negiert dabei die Ereignisse aus The Lost World und Jurassic Park III, präsentiert dem Zuschauer vielmehr einen inzwischen und scheinbar seit Jahren voll funktionsfähigen Themenpark als Luxusressort. Jurassic World ist nun im Besitz von Simon Masrani (Irrfan Khan), einem liebenswürdig schrulligen Milliardär, dessen erste Frage an seine Park-Managerin Claire (Bryce Dallas Howard) lautet, ob die Besucher und die Tiere glücklich seien. Und beides, so hat es den Anschein, ist wohl der Fall. Völlig begeistert ist auch Claires Neffe Gray (Ty Simpkins), der mit seinem älteren Bruder Zach (Nick Robinson) von ihren Eltern, die sich daheim um ihre Scheidung kümmern wollen, zu Claire nach Isla Nublar abgeschoben wird.

Obschon Jurassic World Gewinne abwirft, arbeiten Claire und Co. an einer neuen Attraktion, um das Besucherinteresse anzufeuern. Dinosaurier, so die Botschaft, sind zu gewöhnlichen Zoo-Tieren verkommen und begeistern von alleine kaum noch. Was durch eine in den Film-Kritiken vielzitierte Szene, in der Zach bei der T-Rex-Fütterung dieser desinteressiert den Rücken zuwendet und telefoniert, untermauert werden soll. Nur zeigt sich bei den übrigen Park-Besuchern keinerlei Abnutzungserscheinung. Gerade Grays Generation wirkt hellauf begeistert, von Infografiken über Dino-Streichelzoos und Baby-Triceratops-Reiten. Selbst Zach verfällt dabei im Laufe seines Besuchs der von John Hammond erhofften Magie des prähistorischen Parks.

Trotz alledem soll eine neue Dino-Attraktion her, ein noch nie da gewesener Saurier, genetisch aus verschiedenen Spezies von Dr. Henry Wu (BD Wong) erschaffen. Indominus Rex heißt das neue Untier, dessen Gehege auf Wunsch von Masrani durch Owen inspiziert werden soll. Der zeigt sich skeptisch ob der Ideen von Claire und wie sich zeigt auch zurecht. Kurz darauf bricht die neue Attraktion aus ihrem Käfig aus und terrorisiert den Park. Die Zuschauer werden ins Inselzentrum zurückgezogen und eine Sondereinheit ausgesandt, den Indominus Rex einzufangen. Weil aber Zach und Gray auf Abwegen selbst im Park unterwegs sind, machen sich Claire und Owen auf, die beiden Jungen zu erreichen ehe der neue Dinosaurier ihnen dabei zuvorkommt.

Soweit, so Jurassic Park. Das Original dient Trevorrow ziemlich offensichtlich als Vorlage für seinen eigenen Entwurf, obschon sich Jurassic World leider auch zur Genüge bei Jurassic Park III bedient. Was dort der Spinosaurus ist hier der Indominus Rex – eine wilde und nicht zu bändigende Bestie, die für herunterhängende Kiefer sorgen soll. Gruseliger und mehr Zähne soll die neue Attraktion haben, so die Vorgabe. Wieso, wird jedoch nicht erklärt. Wer schon mal in einem Zoo war, wird sehen, dass Elefanten, Affen und Seehunde nicht weniger Interesse erwecken als Eisbären und Löwen. Wenn Owens Kollege Barry (Omar Sy) dann später sagt, “these people, they never learn”, ist das zugleich auch die Maßgabe für Trevorrows gesamten Film.

Der Regisseur inszeniert seinen Film in gewisser Weise als Kommentar auf sich selbst, als überkandideltes Werk, das ähnlich wie der Indominus Rex größer und spektakulärer sein muss als das, was vor ihm kam, um mit den Age of Ultrons und Fury Roads mithalten zu können. Das Scheitern von Trevorrows Film liegt darin begründet, dass er selbst zu glauben scheint, dass ein Film wie Jurassic Park heute nicht mehr genauso funktionieren könne wie 1993. Statt eher sporadischem Dino-Einsatz und diesen zugleich stets in Verbindung zwischen Animatronics und VFX stammt hier nun meist alles bis auf die menschlichen Darsteller aus dem Rechner. Was im Falle des Parks als solchen sicher noch funktioniert, bei den Dinos eher weniger.

Großes Aufhebens wurde da um die Raptoren gemacht, die nun wie Löwen von Owen in Zaum gehalten werden können, da er als ihr Alpha-Tier fungiert und wie Jacob in der Twilight-Serie von Geburt an auf sie geprägt hat. Jeder Raptor, so Trevorrow und Co., hätte seine eigene Persönlichkeit und sehe unterschiedlich aus. Wovon der Zuschauer im Film selbst wenig mitbekommt, abgesehen von Beta-Tier Blue. Im Grunde haben die Raptoren – die ohnehin eine kaum erwähnenswerte Rolle spielen – noch weniger Persönlichkeit als der Indominus Rex, der als Reagenzglasprodukt Amok läuft, um seine Grenzen auszutesten. Zumindest dienen die Raptoren als Aufhänger eines Subplots rund um den InGen-Sicherheitschef Hoskins (Vincent D’Onofrio).

Der will die Tiere militarisieren und im Kampf gegen ISIS, Taliban und Co. einsetzen – was wie ein Überbleibsel von John Sayles’ seinerzeitigem Drehbuchentwurf wirkt, als Dinosaurier-Mensch-Hybriden als Soldaten dienen sollten. Sinn und Unsinn des Geschehens in Jurassic World sollte man jedoch besser nicht hinterfragen, von Letzterem gibt es gerade im letzten Drittel des Films schließlich reichlich zu sehen. Dabei gelingt es Trevorrow durchaus, zumindest zu Beginn das Flair des Originals zu evozieren. Der Park als solcher ist ein beeindruckendes Produkt und durchaus jenes, welches John Hammond damals im Kopf gehabt haben mag. Nur die Prämisse des Films will aufgrund ihrer Umsetzung eben nicht so recht überzeugen.

Eine Übersättigung seitens des Publikums ist nicht festzustellen, sogar Zach, der einzige negative Teilnehmer den wir erleben, ist vom Mosasaurus begeistert (“that was awesome”). Das Tier dürfte selbst einer der Vorgänger des Indominus Rex sein, was Claires Behauptung, man brauche alle paar Jahre eine neue Attraktion, ebenfalls Wind aus den Segeln nimmt. Dem Film gelingt es nicht, seinem Indominus Rex eine wirkliche Existenzberechtigung zu schenken, weshalb das Tier in letzter Konsequenz nicht für das Publikum von Jurassic World erschaffen wurde, sondern für das Publikum von Jurassic World. Dabei kriegt der Indominus Rex keine einzige Szene, die ansatzweise mit den T-Rex- und Raptor-Momenten aus dem Original mithalten kann.

Ähnlich verhält es sich mit dem ästhetischen Look des Films, der wohl auch aufgrund seiner übermäßigen Rückgriffe auf die Dinosaurier enorm artifiziell und übersaturiert wirkt. Die digitalen Effekte selbst überzeugen auch nur bedingt und selbst wo Animatronics zum Einsatz kommen, wirken die Szenen mehr dated als selbige des 1993er Originals. Was die Figuren angeht, kriegen diese mehr Luft zum Atmen wie im Vorfeld vielleicht zu erwarten war. Irrfan Khans Besitzer meint es gut, weiß es nur eben nicht besser. Was ihn wiederum mit Claire eint, die eine kalte Karriereperson mimt, die zwischenmenschliche Beziehungen wieder zu schätzen lernen muss. Owen selbst ist ein altkluger Recke mit dem Charme eines 80er-Jahre-Kino-Heroen.

Die Darsteller füllen ihre Figuren entsprechend ihrer Charakterisierung aus, auch der unterforderte Vincent D’Onofrio macht aus seinem Bilderbuch-Arschloch das Beste, während Jake Johnson in einer Nebenrolle als Mix aus Ray Arnold und Dennis Nedry fast schon der heimliche Star des Films ist. Die Zitate zum Original wirken zwar bemüht, sind aber gern gesehen, weil – sicher auch wegen ihres Nostalgie-Faktors – weitaus lebendiger als der Rest. Grundsätzlich hadert Jurassic World mit jenen Vorgaben, die Spielberg der Fortsetzung auferlegte: ein Amok laufender Dinosaurier, Kinderfiguren und gezähmte Raptoren. Vielleicht hätte Colin Trevorrow mit mehr eigenständiger Kreativität einen etwas weniger blutarmen Film wie diesen hinbekommen.

So bleibt am Ende ein reichlich generischer Blockbuster, der selbst innerhalb seines Franchises keine sonderlichen Akzente zu setzen vermag. Erneut geht es nach Costa Rica, auf eine Insel voller Dinosaurier. “Oooh, ahhh, that’s how it always starts”, wusste schon Ian Malcolm in The Lost World. “Then later there’s running and, um, screaming.” Das Problem von Jurassic World ist jenes, das der Film schlicht dasselbe Konzept hochwürgt wie das Original vor zwei Jahrzehnten. Nur dass es mehr Dinosaurier gibt und mehr Leute, die vor ihnen davonrennen. Wirklich etwas Neues zu erschaffen gelingt Colin Trevorrow mit Jurassic World nicht. Weshalb verständlich ist, dass er bereits einem fünften Teil absagte, um stattdessen etwas Originäres zu machen.

5.5/10

6. Juni 2015

Bande de filles [Girlhood]

«Shine bright like a diamond.»

Das Erwachsenwerden ist nicht immer leicht. Unabhängig davon, ob man nun eher zu den Jocks oder Nerds zählt. Insofern ist das Coming of Age im Film ein eigenes Genre. Erst im vergangenen Jahr begeisterte Richard Linklaters Boyhood die Kritiker wie das Publikum, gelang dem Regisseur doch weniger ein herkömmlicher Film als vielmehr die Verdichtung der Jugend. Anlehnend daran mag sich wohl der nordamerikanische Verleiher für Céline Sciammas Bande de filles (übersetzt: Mädchenclique) den Titel Girlhood überlegt haben. Und liegt dabei gar nicht so weit daneben, auch wenn die Welt der von Sciamma geschilderten Mädchen sicher sehr speziell ist. Die spielt sich nämlich primär in einer Banlieu eines Pariser Vorortes ab.

Und die wird primär von Menschen mit afrikanischen Migrationshintergrund bevölkert, darunter auch von der Familie der 16-jährigen Marieme (Karidja Touré). Ihr wird zu Beginn des Films gesagt, dass ihre Noten nicht fürs Gymnasium reichen, der Besuch einer Berufsschule wird ihr nahegelegt. Stattdessen freundet sie sich mit der Mädchengang von Lady (Assa Sylla) an, mit der sie schon bald tagsüber durch die Banlieu oder die Pariser Innenstadt zieht. “I want to be like others. Normal”, kommentierte sie zuvor ihren Wunsch, auf eine höhere Schule zu gehen. “It’s a bit too late for that”, ist die lapidare Antwort ihrer Lehrerin. Ein Entschluss, der anschließend den weiteren Lebensweg des aufgeweckten Mädchens bestimmen wird.

Marieme erscheint als eine Gefangene ihrer Umstände. Die Mutter arbeitet scheinbar zwei Jobs, die Erziehung der jüngsten Schwester Mini teilen sich Marieme und ihre Schwester. Ein Vater ist nicht vorhanden, die Rolle wird von Mariemes aggressivem älteren Bruder Djibril (Cyril Mendy) ausgefüllt. “You have to do what you want”, bleut Lady dem Cliquenneuling ein. Und Marieme will in der Tat nicht wie ihre Mutter enden, als Putzfrau nachts hinter den Leuten aufzuwischen. Selbst wenn sie mit dem halbkriminellen Leben von Lady und ihrer Gang, die Schülerinnen auf ihrem Weg zur Klasse erpressen, spätestens dann zu hadern beginnt, als ihre jüngere Schwester Bébé (Simina Soumaré) ebenfalls Teil einer eigenen Mädchengang wird.

Dabei sind Lady und Co. keineswegs bösartig, vielmehr zeigt Sciamma mehrfach, dass ihr Gehabe schlicht eine Fassade ist. Eine, die sie teils sogar innerhalb der Clique aufrecht erhalten. Bemerkenswert ist eine Szene, in der sich die Mädchen Kleider kaufen und in ein Hotelzimmer einchecken, um dort einfach zusammen zu sein – und Playback zu Rihannas “Diamond” zu singen. Dramatisch wird es nur, wenn es um den Zwist mit einer anderen Clique geht. Hier zeigt sich, dass der Respekt, der den Jugendlichen aufgrund ihres ethnischen Hintergrunds – Marieme wird in einer Boutique wegen ihrer Hautfarbe automatisch des Diebstahls bezichtigt – außerhalb der Banlieu verwehrt bleibt, von ihnen eben innerhalb ihres Viertels gesucht wird.

Als Marieme später die Anführerin einer rivalisierenden Gang in einem Kampf erniedrigt, nachdem diese zuvor dasselbe mit Lady getan hat, wird der 16-Jährigen nicht nur der Respekt im Viertel zuteil, sondern auch der von Djibril. Und gibt womöglich mit den Ausschlag dafür, dass sich Marieme mit Ismaël (Idrissa Diabaté) einlässt, einem Freund ihres Bruders, für den sie schon länger schwärmte. Sie habe für Lady gekämpft, meint Marieme nach dem Kampf etwas kleinlaut zu ihrer Anführerin. “You did it for yourself”, entblößt diese korrekt. Marieme emanzipiert sich in der Folge derart schnell, dass sie über die unausgesprochenen Gesetze und Regeln ihrer Banlieu hinaus agiert. Was wiederum entsprechende destruktive Konsequenzen mit sich bringt.

Hier, in seinem dritten Akt, beginnt sich – der von allen Beteiligten nebenbei vorzüglich gespielte – Bande de filles etwas in die Länge zu ziehen und zu verlieren. Wäre dies eine Fernsehserie, würde sich hier der Auftakt zu einer zweiten Staffel finden, so erscheint die Handlung jedoch wie ein unnötiges Anhängsel eines Schicksals, das Sciamma auch gut hätte bloß anreißen können und in einem offenen Ende ausklingen lassen. Insofern ist Bande de filles, so überzeugend er letztlich doch ausfällt, ein kleiner Rückschritt zum etwas lockerer erzählten Gender-Drama Tomboy von vor drei Jahren. Aber auch, wenn die Mädchenwelt in Céline Sciammas jüngstem Film sehr speziell ist, dürften sich dennoch viele Zuschauer streckenweise in ihr wiederfinden.

6/10

1. Juni 2015

Filmtagebuch: Mai 2015

8MM
(USA 1999, Joel Schumacher)
6/10

AT FIRST SIGHT [AUF DEN ERSTEN BLICK]
(USA 1999, Irwin Winkler)

5.5/10

THE BIG DOLL HOUSE
(USA/RP 1971, Jack Hill)
6/10

BIG TROUBLE IN LITTLE CHINA
(USA 1986, John Carpenter)
6/10

BLOODLINE – SEASON 1
(USA 2015, Johan Renck/Ed Bianchi u.a.)
7/10

BROOKLYN NINE-NINE – SEASON 2
(USA 2014/15, Dean Holland u.a.)
7.5/10

THE CABIN IN THE WOODS
(USA 2012, Drew Goddard)
3.5/10

CAGED HEAT
(USA 1974, Jonathan Demme)
5/10

DARK BLUE
(USA/UK/D 2002, Ron Shelton)
5.5/10

DEAR WHITE PEOPLE
(USA 2014, Justin Simien/Adriana Serrano)
3.5/10

THE DUKE OF BURGUNDY
(USA 2014, Peter Strickland)
4/10

THE EMPEROR’S NEW GROOVE [EIN KÖNIGREICH FÜR EIN LAMA]
(USA 2000, Mark Dindal)

6.5/10

ESCAPE FROM L.A. [FLUCHT AUS L.A.]
(USA 1996, John Carpenter)

4.5/10

ESCAPE FROM NEW YORK [DIE KLAPPERSCHLANGE]
(USA/UK 1981, John Carpenter)

7.5/10

EX MACHINA
(UK 2015, Alex Garland)
5.5/10

THE GUEST
(USA/UK 2014, Adam Wingard)
9/10

A HISTORY OF VIOLENCE
(USA/D/CDN 2005, David Cronenberg)
7/10

THE INVISIBLE WAR
(USA 2012, Kirby Dick)
7.5/10

IT FOLLOWS
(USA 2014, David Robert Mitchell)
5.5/10

JOHN WICK
(USA 2014, Chad Stahelski/David Leitch)
7/10

JUSTICE LEAUGUE: DOOM
(USA 2012, Lauren Montgomery)
4.5/10

MAGGIE
(USA/CH 2015, Henry Hobson)
7.5/10

THE NEWSROOM – SEASON 3
(USA 2014, Anthony Hemingway/Alan Poul u.a.)
7/10

PANIC ROOM
(USA 2002, David Fincher)
4/10

THE RING
(USA/J 2002, Gore Verbinski)
5.5/10

THE RING 2
(USA 2005, Hideo Nakata)
4/10

SPRING
(USA 2014, Justin Benson/Aaron Moorhead)
5.5/10

TEENAGE MUTANT NINJA TURTLES
(USA/HK 1990, Steve Barron)
7.5/10

TEENAGE MUTANT NINJA TURTLES
(USA 2014, Jonathan Liebesman)
4/10

THE THING [DAS DING AUS EINER ANDEREN WELT]
(USA 1982, John Carpenter)

8/10

THE THIN RED LINE [DER SCHMALE GRAT]
(USA 1998, Terrence Malick)

8.5/10

TURTLE POWER: THE DEFINITIVE HISTORY
OF THE TEENAGE MUTANT NINJA TURTLES

(USA 2014, Randall Lobb)
5.5/10

WATERWORLD
(USA 1995, Kevin Reynolds)
7/10

X-MEN: DAYS OF FUTURE PAST [X-MEN: ZUKUNFT IST VERGANGENHEIT]
(USA/UK 2014, Bryan Singer)

6.5/10

Retrospektive: Mad Max


MAD MAX
(AUS 1979, George Miller)
7/10

MAD MAX 2: THE ROAD WARRIOR
[MAD MAX 2 – DER VOLLSTRECKER]
(AUS 1981, George Miller)
6/10

MAD MAX BEYOND THUNDERDOME
[MAD MAX – JENSEITS DER DONNERKUPPEL]
(AUS 1985, George Miller/George Ogilvie)
7.5/10

MAD MAX: FURY ROAD
(AUS/USA 2015, George Miller)
3/10