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13. Juni 2015

Jurassic World

Spare no expenses.

In seinem sehenswerten Debütfilm Safety Not Guaranteed lässt Regisseur Colin Trevorrow eine Annonce seine Handlung in Gang bringen. “Wanted: Someone to go back in time with me. This is not a joke”, beginnt sie. Und endet mit dem Hinweis: “SAFETY NOT GUARANTEED.” So ähnlich könnten auch Stellenausschreibungen für Colin Trevorrows Folgefilm Jurassic World aussehen, der dritten Fortsetzung von Steven Spielbergs Jurassic Park. Da passt es, dass in einer Szene des Films der Ex-Navy-SEAL und Velociraptor-Trainer Owen (Chris Pratt) einen seiner Mitarbeiter darauf hinweist, wieso es wohl eine offene Position zu besetzen gab. Denn ähnlich wie schon vor 22 Jahren gilt für den Dinosaurier-Park erneut: Sicherheit wird nicht garantiert.

Die jüngste Fortsetzung negiert dabei die Ereignisse aus The Lost World und Jurassic Park III, präsentiert dem Zuschauer vielmehr einen inzwischen und scheinbar seit Jahren voll funktionsfähigen Themenpark als Luxusressort. Jurassic World ist nun im Besitz von Simon Masrani (Irrfan Khan), einem liebenswürdig schrulligen Milliardär, dessen erste Frage an seine Park-Managerin Claire (Bryce Dallas Howard) lautet, ob die Besucher und die Tiere glücklich seien. Und beides, so hat es den Anschein, ist wohl der Fall. Völlig begeistert ist auch Claires Neffe Gray (Ty Simpkins), der mit seinem älteren Bruder Zach (Nick Robinson) von ihren Eltern, die sich daheim um ihre Scheidung kümmern wollen, zu Claire nach Isla Nublar abgeschoben wird.

Obschon Jurassic World Gewinne abwirft, arbeiten Claire und Co. an einer neuen Attraktion, um das Besucherinteresse anzufeuern. Dinosaurier, so die Botschaft, sind zu gewöhnlichen Zoo-Tieren verkommen und begeistern von alleine kaum noch. Was durch eine in den Film-Kritiken vielzitierte Szene, in der Zach bei der T-Rex-Fütterung dieser desinteressiert den Rücken zuwendet und telefoniert, untermauert werden soll. Nur zeigt sich bei den übrigen Park-Besuchern keinerlei Abnutzungserscheinung. Gerade Grays Generation wirkt hellauf begeistert, von Infografiken über Dino-Streichelzoos und Baby-Triceratops-Reiten. Selbst Zach verfällt dabei im Laufe seines Besuchs der von John Hammond erhofften Magie des prähistorischen Parks.

Trotz alledem soll eine neue Dino-Attraktion her, ein noch nie da gewesener Saurier, genetisch aus verschiedenen Spezies von Dr. Henry Wu (BD Wong) erschaffen. Indominus Rex heißt das neue Untier, dessen Gehege auf Wunsch von Masrani durch Owen inspiziert werden soll. Der zeigt sich skeptisch ob der Ideen von Claire und wie sich zeigt auch zurecht. Kurz darauf bricht die neue Attraktion aus ihrem Käfig aus und terrorisiert den Park. Die Zuschauer werden ins Inselzentrum zurückgezogen und eine Sondereinheit ausgesandt, den Indominus Rex einzufangen. Weil aber Zach und Gray auf Abwegen selbst im Park unterwegs sind, machen sich Claire und Owen auf, die beiden Jungen zu erreichen ehe der neue Dinosaurier ihnen dabei zuvorkommt.

Soweit, so Jurassic Park. Das Original dient Trevorrow ziemlich offensichtlich als Vorlage für seinen eigenen Entwurf, obschon sich Jurassic World leider auch zur Genüge bei Jurassic Park III bedient. Was dort der Spinosaurus ist hier der Indominus Rex – eine wilde und nicht zu bändigende Bestie, die für herunterhängende Kiefer sorgen soll. Gruseliger und mehr Zähne soll die neue Attraktion haben, so die Vorgabe. Wieso, wird jedoch nicht erklärt. Wer schon mal in einem Zoo war, wird sehen, dass Elefanten, Affen und Seehunde nicht weniger Interesse erwecken als Eisbären und Löwen. Wenn Owens Kollege Barry (Omar Sy) dann später sagt, “these people, they never learn”, ist das zugleich auch die Maßgabe für Trevorrows gesamten Film.

Der Regisseur inszeniert seinen Film in gewisser Weise als Kommentar auf sich selbst, als überkandideltes Werk, das ähnlich wie der Indominus Rex größer und spektakulärer sein muss als das, was vor ihm kam, um mit den Age of Ultrons und Fury Roads mithalten zu können. Das Scheitern von Trevorrows Film liegt darin begründet, dass er selbst zu glauben scheint, dass ein Film wie Jurassic Park heute nicht mehr genauso funktionieren könne wie 1993. Statt eher sporadischem Dino-Einsatz und diesen zugleich stets in Verbindung zwischen Animatronics und VFX stammt hier nun meist alles bis auf die menschlichen Darsteller aus dem Rechner. Was im Falle des Parks als solchen sicher noch funktioniert, bei den Dinos eher weniger.

Großes Aufhebens wurde da um die Raptoren gemacht, die nun wie Löwen von Owen in Zaum gehalten werden können, da er als ihr Alpha-Tier fungiert und wie Jacob in der Twilight-Serie von Geburt an auf sie geprägt hat. Jeder Raptor, so Trevorrow und Co., hätte seine eigene Persönlichkeit und sehe unterschiedlich aus. Wovon der Zuschauer im Film selbst wenig mitbekommt, abgesehen von Beta-Tier Blue. Im Grunde haben die Raptoren – die ohnehin eine kaum erwähnenswerte Rolle spielen – noch weniger Persönlichkeit als der Indominus Rex, der als Reagenzglasprodukt Amok läuft, um seine Grenzen auszutesten. Zumindest dienen die Raptoren als Aufhänger eines Subplots rund um den InGen-Sicherheitschef Hoskins (Vincent D’Onofrio).

Der will die Tiere militarisieren und im Kampf gegen ISIS, Taliban und Co. einsetzen – was wie ein Überbleibsel von John Sayles’ seinerzeitigem Drehbuchentwurf wirkt, als Dinosaurier-Mensch-Hybriden als Soldaten dienen sollten. Sinn und Unsinn des Geschehens in Jurassic World sollte man jedoch besser nicht hinterfragen, von Letzterem gibt es gerade im letzten Drittel des Films schließlich reichlich zu sehen. Dabei gelingt es Trevorrow durchaus, zumindest zu Beginn das Flair des Originals zu evozieren. Der Park als solcher ist ein beeindruckendes Produkt und durchaus jenes, welches John Hammond damals im Kopf gehabt haben mag. Nur die Prämisse des Films will aufgrund ihrer Umsetzung eben nicht so recht überzeugen.

Eine Übersättigung seitens des Publikums ist nicht festzustellen, sogar Zach, der einzige negative Teilnehmer den wir erleben, ist vom Mosasaurus begeistert (“that was awesome”). Das Tier dürfte selbst einer der Vorgänger des Indominus Rex sein, was Claires Behauptung, man brauche alle paar Jahre eine neue Attraktion, ebenfalls Wind aus den Segeln nimmt. Dem Film gelingt es nicht, seinem Indominus Rex eine wirkliche Existenzberechtigung zu schenken, weshalb das Tier in letzter Konsequenz nicht für das Publikum von Jurassic World erschaffen wurde, sondern für das Publikum von Jurassic World. Dabei kriegt der Indominus Rex keine einzige Szene, die ansatzweise mit den T-Rex- und Raptor-Momenten aus dem Original mithalten kann.

Ähnlich verhält es sich mit dem ästhetischen Look des Films, der wohl auch aufgrund seiner übermäßigen Rückgriffe auf die Dinosaurier enorm artifiziell und übersaturiert wirkt. Die digitalen Effekte selbst überzeugen auch nur bedingt und selbst wo Animatronics zum Einsatz kommen, wirken die Szenen mehr dated als selbige des 1993er Originals. Was die Figuren angeht, kriegen diese mehr Luft zum Atmen wie im Vorfeld vielleicht zu erwarten war. Irrfan Khans Besitzer meint es gut, weiß es nur eben nicht besser. Was ihn wiederum mit Claire eint, die eine kalte Karriereperson mimt, die zwischenmenschliche Beziehungen wieder zu schätzen lernen muss. Owen selbst ist ein altkluger Recke mit dem Charme eines 80er-Jahre-Kino-Heroen.

Die Darsteller füllen ihre Figuren entsprechend ihrer Charakterisierung aus, auch der unterforderte Vincent D’Onofrio macht aus seinem Bilderbuch-Arschloch das Beste, während Jake Johnson in einer Nebenrolle als Mix aus Ray Arnold und Dennis Nedry fast schon der heimliche Star des Films ist. Die Zitate zum Original wirken zwar bemüht, sind aber gern gesehen, weil – sicher auch wegen ihres Nostalgie-Faktors – weitaus lebendiger als der Rest. Grundsätzlich hadert Jurassic World mit jenen Vorgaben, die Spielberg der Fortsetzung auferlegte: ein Amok laufender Dinosaurier, Kinderfiguren und gezähmte Raptoren. Vielleicht hätte Colin Trevorrow mit mehr eigenständiger Kreativität einen etwas weniger blutarmen Film wie diesen hinbekommen.

So bleibt am Ende ein reichlich generischer Blockbuster, der selbst innerhalb seines Franchises keine sonderlichen Akzente zu setzen vermag. Erneut geht es nach Costa Rica, auf eine Insel voller Dinosaurier. “Oooh, ahhh, that’s how it always starts”, wusste schon Ian Malcolm in The Lost World. “Then later there’s running and, um, screaming.” Das Problem von Jurassic World ist jenes, das der Film schlicht dasselbe Konzept hochwürgt wie das Original vor zwei Jahrzehnten. Nur dass es mehr Dinosaurier gibt und mehr Leute, die vor ihnen davonrennen. Wirklich etwas Neues zu erschaffen gelingt Colin Trevorrow mit Jurassic World nicht. Weshalb verständlich ist, dass er bereits einem fünften Teil absagte, um stattdessen etwas Originäres zu machen.

5.5/10

26. August 2010

Lascars

Pas de vacances pour les vrais gars!

Als gangsta hat man es nicht leicht, denn auch der muss eine bestimmte Erwartungshaltung erfüllen. Da versteht es sich von selbst, dass sogar ein street thug mal Abstand braucht von seinem Viertel. Und wo kann man besser entspannen als in der Karibik? Als die beiden Pseudo-Gangster Narbé und Sammy jedoch am Flughafen wieder rausgeschmissen werden, drohen sie ihre street credibility zu verlieren. Um also ihren Ruf zu wahren, quartieren sie sich kurzerhand in einem tropischen Wasserpark mitten in Paris ein und schicken MMS an ihre homiez aus dem Block. Ebensowenig Strandurlaub erwartet dieses Jahr die beiden Kumpel und aufstrebenden Rapper Tony und José. Auch wenn Tony alles versucht, um doch noch an das nötige Geld zu kommen - selbst wenn er dafür für den richtigen Viertelgangster Zoran fünf Kilo Hasch innerhalb weniger Tage verticken muss. José versucht sich derweil daran, einem städtischen Richter dessen Sauna zusammen zu bauen. Schließlich ist Clémence, des Richters Tochter, eine ziemlich scharfe Perle.

In Frankreich begeisterte Lascars eine halbe Million Französinnen und Franzosen. Das Filmkonzept selbst basiert dabei auf der gleichnamigen Serie, die 1998 und 2007 in einer jeweils eigenen Staffel ausgestrahlt wurde. Größtes Merkmal des Animationsfilmes ist seine … sagen wir ... zeitgenössische Sprache, die sich am jugendlichen Hip-Hop-Slang versucht. Doch nicht überall wo Ghetto draufsteht, ist auch unbedingt Ghetto drin. Im Gegenteil, abgesehen von Zoran - der selbst nur eine Karikatur eines Drogenbosses ist - will an sich so gar keiner der Beteiligten ins Ghetto passen, wie auch das Ghetto selbst lediglich eine Wohnhaussiedlung darstellt. Die Tatsache, dass sich (ursprünglich) sowohl José und Tony als auch Narbé und Sammy Tickets nach Santo Rico leisten konnten, spricht ebenfalls für sich bzw. gegen die proklamierte Ghettomentalität. Somit ist Lascars letzten Endes dann doch nichts weiter als eine reine Milieu-Komödie, die sich bevorzugt über ihre eigenen Figuren lustig macht (allerdings in einem positiven Sinne).

Beginnt sich der Film ab einem gewissen Zeitpunkt etwas in unterschiedliche Richtungen zu bewegen, laufen die verschiedenen Handlungsstränge dann doch stets wieder ineinander. Dabei fokussiert sich Lascars, das merkt man schon am Vorspann und dem Plakat, primär auf die von Vincent Cassel gesprochene Figur des Tony. Dieser ist gleich an drei Fronten beschäftigt, wenn er neben seinen Momenten mit Kumpel José auch noch den Fängen von sowohl Zoran als auch seiner stalkenden Polizistenfreundin Manuella entkommen muss. Während es das Leben somit nicht wirklich gut mit Tony zu meinen scheint, wendet sich das Blatt für die anderen drei verhinderten Strandurlauber. Narbé und Sammy stolpern zu Beginn des Dritten Aktes in einen Pornofilmdreh - zu dessen Crew sie plötzlich dazu zählen - und auch die Rechnung von José scheint zu seiner eigenen Freude aufzugehen. Ein missglückter Abend endet nämlich doch noch im Bett von Clémence, die hier von Diane Kruger gesprochen wird, deren Französisch weitaus erträglicher ist, als ihr Englisch oder ihre Heimatsprache Deutsch.

Insgesamt ist Lascars ein recht charmanter Film. Der Animationsstil kann sich sehen lassen und ist in Zeiten von Volldigitalisierung der Häuser Pixar und DreamWorks etwas erfrischend anderes. Dass die Figuren lediglich eindimensionale Klischees sind, stört dabei nicht sonderlich. Denn dafür entwickelt der Film zu oft flow, als dass man sich darüber mokieren würde, dass der ehrwürdige Richter gleich zwei gangsta während seiner Abwesenheit in sein Haus lässt. So wundert sich das Kinopublikum auch wohl kaum, wenn der Film schließlich in einer großen und brachialen Sause kulminiert. Das Gesehen regt letztlich durchaus hier und da zum Mitlachen an, will als harmonisches Ganzes jedoch aber nur bedingt funktionieren. Dafür sind Figuren wie Narbé und Sammy zu sehr reiner comic relief oder andere Charaktere wie Momo oder Casimir für die eigentliche Handlung vollkommen belanglos. Nett weggucken lässt sich Lascars aber allemal.

5.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision