27. April 2018

Only the Brave [No Way Out: Gegen die Flammen]

Act like we’ve done it before.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte das Beratungsunternehmen Gallup mit dem „Engagement Index“ eine Studie, nach der 85 Prozent der Arbeitnehmer kaum eine Bindung zu ihrem Arbeitsgeber haben. Die Folge ist Dienst nach Vorschrift. Buchstäblich Feuer und Flamme für seinen Job sein und dabei Dienst nach Vorschrift verrichten – das schließt sich nicht aus, wie die Waldbrandbekämpfer in Joseph Kosinskis Only the Brave deutlich machen. In Deutschland kommt das auf wahren Begebenheiten beruhende Drama unter dem Titel No Way Out in die Kinos. Mit dem bilingualen Zusatz „Gegen die Flammen“, um wohl die Verwechslungsgefahr mit dem gleichnamigen Spionage-Thriller von Roger Donaldson aus dem Jahr 1987 zu minimieren.

Kosinski erzählt in seinem dritten Film nach den Sci-Fi-Ausflügen Tron: Legacy und Oblivion von Feuerwehrmann Eric Marsh (Josh Brolin) und seinen Bemühungen, seinen Trupp als Spezialeinheit für Waldbrandbekämpfung – in den USA “Hotshots” genannt – zertifiziert zu bekommen. Als Neuling im Team stößt der drogensüchtige Taugenichts Brendan McDonough (Miles Teller) zum Team, der nach einem One-Night-Stand mit Kindesfolge seine Tochter finanziell unterstützen will.  Gemeinsam mit Duane Steinbrink (Jeff Bridges), dem Chef der lokalen Feuerwehr und Marshs Vorgesetztem, hadern die designierten Waldbrandbekämpfer mit dem Tribut, den sie ihrem Job zollen, während das Familienleben daheim darunter zu leiden droht.

Die Geschichte von Marsh und seinem Team der Granite Mountain Hotshots nahm am 30. Juni 2013 ein tragisches Ende, als fast die gesamte Einheit beim Yarnell Hill Waldbrand ums Leben kam. Das seiner Zeit insgesamt zwölf Tage währende Feuer zerstörte eine Fläche von 34 km2 und das Leben von 19 der Hotshots aus Prescott, Arizona – womit es der tödlichste Waldbrand für Feuerwehrleute in 90 Jahren war. Vom Aufbau und der Struktur her erinnert Only the Brave somit an die jüngeren Werke eines Peter Berg, der in Filmen wie Patriot’s Day, Deepwater Horizon oder Lone Survivor zuletzt gerne reale Tragödien um menschliche Helden inszenierte. Ein Gespür für dieses Genre, das Sci-Fi-Mann Kosinski noch nicht ganz zu besitzen scheint.

Only the Brave erstreckt sich über einen Zeitraum von acht Jahren, ohne dass dies dem Zuschauer wirklich bewusst würde. Das narrative Konstrukt macht dabei durchaus für sich Sinn, wenn wir Marsh sowie seine Männer um Jesse Steed (James Badge Dale) und Christopher MacKenzie (Taylor Kitsch) erstmals im Jahr 2005 begegnen, wo sie noch als Aufräum-Trupp für richtige Hotshots tätig sind. Was folgt, ist in gewisser Weise eine Underdog-Story, die sich jedoch nicht mit vermeintlichen Widrigkeiten für die Feuerwehrleute aufhält. Wie wenig Fleisch die Geschichte im Kern am Knochen hat, zeigt sich schon dadurch, dass Kosinski sie mit allerlei Nebenhandlungen unterfüttert, die für den Verlauf der eigentlichen Geschichte nicht von Relevanz sind.

So ist eines der wiederkehrenden Motive das der Familie und der Opfer, die sie für den Job der Männer zu bringen hat. Man muss seinen Gatten eben mit dem Feuer teilen, weist da eine unterbeschäftigte Andie MacDowell als Marvel Steinbrink ihr Gegenüber Amanda Marsh (Jennifer Connelly) hin. Letztere will eigentlich Kinder, auch wenn ihr Mann von Beginn an deutlich gemacht haben will, dass er sich nicht nach welchen sehnt. Ein emotionales Drama, das sich auch in der intendierten Katharsis von Brendan McDonough widerspiegelt. Wie es mit dem (Familien-)Leben anderer Männer wie dem Familienvater Steed oder auch MacKenzie aussieht, lässt Only the Brave außen vor. Womöglich, um nicht zu viele Bälle gleichzeitig zu jonglieren.

Nicht jede Entscheidung lässt sich hierbei aber gänzlich nachvollziehen. So ist Amanda zu einem Zeitpunkt in einen Autounfall verwickelt und Brendan wird irgendwann während der Arbeit von einer Klapperschlange gebissen. Beide Ereignisse führen nicht wirklich irgendwo hin, legen kein narratives oder charakterliches Fundament. Sie bieten im besten Fall einen kurzen Einblick in den aktuellen Familienstatus der betroffenen Figuren. In der Folge blähen sie den Film, der eigentlich nur auf die dramatische Entwicklung des Yarne Hill Fires hinarbeitet, aber unnötig auf über zwei Stunden auf. Jener Brand, der damals mit der höchsten Gefahrenstufe als Großschadensbrand und als Naturkatastrophe eingestuft wurde, geht unterdessen etwas unter.

Manche Elemente und Metaphern funktionieren sehr gut, zum Beispiel wenn Amanda auf ihrer Farm ein geplagtes Pferd mit Vorgeschichte aufnimmt, während Eric zur selben Zeit Brendan eine neue Chance bietet. Andere Szenen, wie ein in Brand stehender Bär als bebilderte Anekdote, fallen wiederum eher unglücklich aus. Das Ensemble gibt sich immerhin bemüht, von Brolin und Teller über Connelly bis hin zu Hintergrunddarstellern wie Geoff Stults und Ben Hardy. Wäre nur die Handlung etwas runder und packender, die in ihrer jetzigen Form wenig mehr beim Publikum hängen bleibt als der Plot des fiktiven und thematisch ähnlichen Films “Smoke Jumpers” aus der fünften Staffel von HBOs Meta-Hollywood-Serie Entourage.

“Sooner or later, the fire… she’s gonna come a-knocking”, prognostiziert Eric Marsh da an einer Stelle im Film, der durchaus mitunter in Klischeegefilde abdriftet. Kosinski kommt so nicht umhin, nach einem erfolgreich bekämpften Brand eine Krankenschwester schmachtend seufzen zu lassen, wie heldenhaft die Granite Mountain Hotshots seien. Ebenso heldenhaft darf Brendan später wie ein VIP in die lokale Bar eintreten, aus der er zu Beginn noch von den Türstehern gewaltsam entfernt werden musste. Etwas mehr Tiefgang hätte Only the Brave in solchen Momenten nicht geschadet. “What can I live with and what can I die without?”, stellt Duane Steinbrink einmal in den Raum. Eine Antwort auf die Frage liefert der Film aber leider nicht.

Der Zuschauer müsse die Verletzlichkeit der Figur spüren, die den Kern ihres Dilemmas bildet. “Like an onion. Without a core, there’s no layers”, weist Regisseur Verner Vollstedt (Stellan Skarsgård) in der Entourage-Folge Playing With Fire am Set von “Smoke Jumpers” seinen Star Vincent Chase (Adrian Grenier) hin. Ähnlich wie dieser Film liefert Only the Brave auf der einen Seite zwar Brand-Spektakel, dreht sich jedoch im Kern um Menschen mit verschiedenen Ebenen. Und ähnlich wie Verner im „Dienst nach Vorschrift“ von Vincent Chase vermag man als Zuschauer dies in Kosinskis Film nicht ausreichend in Handlung und Charakteren zu erkennen. Selbst wenn die sie spielenden Darsteller für ihren Job Feuer und Flamme sind.

5.5/10

20. April 2018

First Blood [Rambo]

Have a Coke and smile.

Wie kaum ein anderer Krieg hat sich der Konflikt der USA von 1964 bis 1975 in Vietnam ins kollektive cineastische Gedächtnis gebrannt. Keine glühende heroische Verehrung wie es sie zum 2. Weltkrieg gibt herrschte hier in der filmischen Aufarbeitung vor. Vielmehr widmen sich Filme wie Apocalypse Now und Platoon eher dem Wahnsinn des Krieges als solchen, während Werke wie The Deer Hunter, Coming Home, Jacob’s Ladder und Born on the Fourth of July sich mit den psychologisch-sozialen Folgen für die US-Soldaten und der Gesellschaft in der Heimat befassten. Auch Ted Kotcheffs First Blood – in Deutschland unter dem Titel Rambo vermarktet – zählt zu diesen Post-Vietnam-Filmen, obgleich die Thematik hier eher subtil behandelt wird.

Basierend auf dem gleichnamigen Roman von David Morrell von 1972 erzählt First Blood von dem Kampf eines Soldaten gegen seine Kriegsdämonen sowie dem der zivilen Gesellschaft gegen den Dämon Krieg. “Wearing that flag on that jacket, looking the way you do, you’re asking for trouble around here”, lässt Sheriff Will Teasle (Brian Dennehy) eingangs den plötzlich in seiner Kleinstadt Hope auftauchenden Vietnam-Veteranen John Rambo (Sylvester Stallone) wissen. Der ist eigentlich bloß auf der Durchreise, aber eben jemand, der nur von Armee-Vorgesetzten Befehle annimmt. Rambo ist nicht Willens, nachzugeben, als ihn Teasle am Ortsausgang absetzt. Teasle wiederum kann und will sein Gesicht nicht verlieren, als Rambo dann bockt.

Beide Figuren repräsentieren exemplarisch den generellen Konflikt zwischen Vietnam-Veteran und Zivilist. “Most of them had been warned to expect a hostile reception”, zitiert David K. Shipler in einem Artikel des New Yorker den Autoren James E. Wright. Der Zwiespalt der Gesellschaft, die erstmals einen Krieg ihrer Nation von zuhause am Fernseher verfolgen konnte, übertrug sich auf diejenigen, die ihn für sie durchführten. Statt auf diejenigen, die ihn verantworteten. Auch Rambo klagt im Finale des Films gegenüber seinem ehemaligen Vorgesetzten Trautman (Richard Crenna), dass er bespuckt und als „Baby-Mörder“ bezeichnet worden sei. Statt einer Unterstützung erfährt er nur Misstrauen und Gleichgültigkeit ob des Erlebten.

“I didn’t do anything”, wird Rambo mehrmals und zweideutig in First Blood reklamieren – selbst als die Lage bereits eskaliert ist. “Why you pushing me?”, fragt er da eingangs noch keck Teasle, als der ihn nicht einmal etwas essen lassen will. Der versteckt sich hinter dem vermeintlichen Vorwurf der Landstreicherei. Es handele sich um ein ruhiges, ja, langweiliges Städtchen, das keinen Ärger sucht. Hoffnung ist für Rambo in Hope also keine zu finden – ein geradezu zynisches Statement. Inwieweit die Gemeinde durch Rambos Präsenz hätte beunruhigt werden können, bleibt offen, ein wirkliches Bild zeichnet Kotcheff von Hope vor der Eskalation nicht. Ganz haltlos mag der Verdacht von Teasle grundsätzlich dabei gar nicht einmal gewesen sein.

Etwa vier von zehn Vietnam-Veteranen waren mit finanziellen Problemen und Arbeitslosigkeit konfrontiert. Speziell unter den Minderheiten und ärmeren, ungebildeten Schicht, wie Ron Suskind in der New York Times schon 1985 schrieb. Von Rambo hören wir im Finale ähnliche Vorwürfe. “Back there (…) I was in charge of million dollar equipment”, echauffiert er sich, “back here I can’t even hold a job parking cars.” Das Gefühl der Alleingelassenheit wird zu Beginn noch dadurch verstärkt, dass Rambos letzter überlebender Kamerad seiner Einheit von acht Mann ohne sein Wissen ebenfalls verstorben ist. Und das auch noch an den Folgen von chemischer Kriegsführung in einem Konflikt, der nun öffentlich als verachtenswert gesehen wird.

Ein Verständnis erwartet die Figur nicht – nicht einmal wirklich von Trautman selbst, der einen gebrochenen Rambo zum Schluss in seine Arme nimmt. Vom Militärapparat fallen gelassen, von der Gesellschaft verstoßen. Etwas bedauerlich gerät da, dass First Blood in Teasle einen weiteren Kriegsveteranen präsentiert, dies die Figur aber selbst gar nicht wahrnimmt. Teasle kämpfte im Korea-Krieg, ist dabei wie Rambo selbst hochdekoriert – das zeigt ein Medaillen-Trio in einer späteren Szene in seinem Büro. Woher die sofortige Animosität von Teasle gegenüber Rambo stammt, bleibt somit unklar. Vielleicht ist es der leise Vorwurf des verlorenen Krieges, womöglich auch der über die dort teilweise verübten unmenschlichen Verbrechen.

Spannend gerät in First Blood dabei die Reinszenierung des Vietnam-Kriegs unter verkehrten Vorzeichen. Getriezt bis ihn seine posttraumatische Belastungsstörung in die Defensive drängt, sucht Rambo das Weite und verschwindet in den umliegenden Wäldern. Hier mutiert er selbst zu einer Ein-Mann-Version des Vietcong, wenn er überall und nirgendwo ist, sich das Terrain zu eigen macht und in scheinbar übermenschlicher Art und Weise die Eindringlinge der US-amerikanischen Exekutive aus dem Verkehr zieht. “Like bringing the pigeons to the cat”, unkt Col. Trautman nach seiner Ankunft angesichts der vergeblichen Bemühungen der städtischen Polizei und der sie unterstützenden – sowie aus Zivilisten bestehenden – Nationalgarde.

“You sure picked one hell of a guy to mess around with”, wird Teasle von einem seiner Beamten vorgehalten, als Rambos Identität geklärt ist. Als “war hero”, bezeichnet er diesen aufgrund seiner Medal of Honor – der höchsten militärischen Auszeichnung. Wenn Trautman über Rambo spricht, so tut er dies weniger als Held, denn als Werkzeug. Als Kriegsmaschine und Ein-Mann-Armee, für die das Ende des Krieges zugleich das Ende ihrer Verwertbarkeit bedeutet. “Don’t push it”, macht Rambo seinem Gegenüber Teasle da später nochmals klar. “Let it go! Let it go.” Zu dem Zeitpunkt ist mit dem Tod von Teasles Untergebenen und Freund Art Galt (Jack Starrett) aber die Brücke eines Auswegs bereits abgebrannt, die Hoffnung in Hope erloschen.

Gerade die Szene auf der Polizeistation spiegelt dabei weniger die Abneigung gegenüber Vietnam-Veteranen wider, als dass sie ein frühes Statement zur Polizeigewalt darstellt. In Galt und dem jungen Beamten Mitch (David Caruso) zeichnet Kotcheff ebenfalls Gegenentwürfe voneinander. Ersterer kennt nur rohe Gewalt, die sich vielleicht gerade deshalb Bahn bricht, weil die „langweilige“ Stadt Hope – so der O-Ton von Teasle – ihm sonst wenig Gelegenheit zur übertriebenen Ausübung seiner Staatsgewalt bietet. Mitch hingegen gibt sich verständiger und dient im Verlauf noch am ehesten als Identifikationsfigur des Zuschauers, ehe Caruso in der zweiten Filmhälfte nicht mehr am Geschehen teilnimmt, nachdem ihn Rambo im Wald attakiert.

First Blood ist ungeachtet all dessen jedoch vordergründig kein Kommentar auf die Lage der Nation oder den Vietnam-Krieg. Im Kern handelt es sich um einen Action-Film, der dem Subgenre des „Einer-gegen-Alle“ zuzuordnen ist, das später noch Vertreter wie Die Hard hervorbringen sollte. Kotcheff vermag aber durchaus, den Krieg als solchen nicht unter den Teppich zu kehren, ohne sich deswegen gleich in unsäglichen Rückblenden zu verlieren. Die sind kurz und prägnant inszeniert, um als Erklärung für Rambos vermeintliche Überreaktion zu dienen. Im Fokus steht aber die Hauptfigur als Getriebener, mitunter buchstäblich, sei es wenn Rambo auf dem Motorrad vor Teasle flieht oder sich vor dem auf ihn schießenden Galt in einen Abgrund stürzt.

Stallone spielt den Part physisch sehr überzeugend, auch wenn sein finaler und tränenreicher Schlussmonolog etwas zu theatralisch ausfällt. Wie erwähnt wäre es schön gewesen, First Blood wäre noch etwas mehr auf die Beziehung von Teasle zu Rambo eingegangen bzw. hätte diese zu einem Zeitpunkt einmal reflektiert. Dass beide Charaktere im Gegensatz zu Morrells Vorlage überleben, mag die gelungenere, wenngleich romantischere, Botschaft sein. Optional hätte auch die Medienberichterstattung im Film selbst das Problem der vergessenen Kriegs-Veteranen aufgreifen können, was in der dreistündigen Rohfassung der Fall gewesen sein mag, mit seinen nun 90 Minuten reizt der Film dafür sein Spannungsmoment nicht aus.

“I learned in war the price that is paid when diplomacy fails”, hat John Kerry, US-Außenminister unter Präsident Obama und seines Zeichens selbst Vietnam-Veteran, einmal gesagt. Ähnlich ergeht es Teasle in First Blood – auch wenn er es, ähnlich wie Rambo, nicht einsehen mag. “People start fucking around with the law and all hell breaks loose”, ätzt der Sheriff später. Der von Trautman unternommene Versuch eines Dialogs mit Rambo scheitert, für die Beteiligten scheint Diplomatie keine Lösung. “They drew first blood, not me”, jammert Rambo in der Manier eines Kleinkindes, auch wenn ihn das nicht zum Schuldigen macht. Letztlich, das mag die Botschaft des Films sein, kennt ein Krieg eben immer nur Verlierer – auf beiden Seiten.

7.5/10

13. April 2018

Roman J. Israel, Esq.

Doing the impossible for the ungrateful.

Es heißt ja, der erste Schritt sei immer der Schwerste. Gerade für Regisseure ließe sich aber fast sagen, dass ihr 2. Film oft weitaus diffiziler ist. So mancher Debütfilm legt die Messlatte schon ziemlich hoch, mit denen der ein oder andere Regisseur daraufhin zu kämpfen hat. Zwar war Richard Kellys Southland Tales ein kongenialer Nachfolger seines Kultfilms Donnie Darko, floppte jedoch aufgrund seiner Kreativität sowohl finanziell wie im Feuilleton. Mit The Box versuchte es Kelly im Anschluss nochmals, scheiterte aber erneut. Seither ist es still geworden um das einstige Talent. Und auch Dan Gilroy, der vor ein paar Jahren mit dem Satire-Thriller Nightcrawler ein wahres Brett als Debüt rausgehauen hat, steht nun in dessen Schatten.

Überaus ambitioniert ist es da, mit Roman J. Israel, Esq. ausgerechnet ein Justiz-Drama ins Rennen zu schicken. In diesem wird der Rechtsbeistand Roman J. Israel (Denzel Washington) mit dem schweren Krankheitsfall seines Kanzlei-Partners konfrontiert. Das gemeinsame Büro muss aus finanziellen Gründen schließen und auch wenn Roman in der renommierten Kanzlei von George Pierce (Colin Farrell) unterkommt, tut sich der exzentrische Bürgerrechtsaktivist dort merklich schwer und eckt mit seinen sozialen Ticks und Störungen bei den Kollegen an. Roman hadert mit seinen politischen Idealen von einst, die heute nicht mehr gefragt scheinen – nicht einmal in einer entsprechenden Organisation wie der von Maya (Carmen Ejogo).

“Hope don’t get the job done”, ist eine jener betrüblichen Erkenntnisse ihres Justizsystems, die drohen, engagierte Charaktere wie Roman und Maya mental zu brechen. Die Entschlossenheit der Hauptfigur eint sie dabei in gewisser Weise mit Jake Gyllenhaals Louis Bloom aus Gilroys Debütwerk. Wo dieser aber sein Glück selbst in die Hand nahm, ist Roman weitaus lethargischer. “My lack of success is self-imposed”, weiß er sehr wohl. Sieht sich jedoch – potentiell – in einer Reihe mit Bürgerrechts-Größen wie Bayard Rustin. Seit vielen Jahren arbeitet Roman an einer Mandats-Reform für das im US-Justizsystem populäre Strafmilderungsverfahren, für dessen Abschluss er aber scheinbar weder seinen alten Partner noch Pierce gewinnen kann.

Wie ein Relikt aus alten Zeiten inszeniert Gilroy auch seinen Protagonisten. Der echauffiert sich, wieso Männer nicht stehenden Damen ihren Platz anbieten, nutzt noch ein Klapphandy und trägt alte Anzüge auf. Während sein Kanzlei-Partner nach außen das Gesicht des Büros war und die Verfahren leitete, war Roman im stillen Kämmerlein für deren Vorbereitung zuständig. Was er an sozialen Schwächen mitbrachte, wurde so wohl nur noch verstärkt. “I can always count on you to say the utterly inappropriate thing”, wirft ihm da eingangs nach einem verbalen Fauxpas die Sekretärin vor. Die Ideale von Roman und seinem Partner sind überholt in einer Welt, die auf Effizienz und Gewinn ausgelegt ist, statt auf Moral und Ethik.

“This place runs more like a charity service than a law firm”, kritisiert Lynn (Amanda Warren), die Tochter von Romans Partner. Und erklärt so das aufgehäufte finanzielle Defizit, das zur Schließung führt. Entgegen dieser Beschreibungen ist Roman J. Israel, Esq. aber nicht an einem Gegenüber von Damals und Heute interessiert. Ebenso wenig wie an jenem Mandat, das Roman seit jeher vorbereitet. Im Grunde wird der Zuschauer etwas im Stich gelassen – womöglich analog wie manche von Romans Klienten selbst vom Justizsystem –, was nun die Geschichte einem eigentlich erzählen will. Vom Scheitern eines Idealisten? Nur bedingt, dafür wird das Engagement zu wenig angerissen, als dass sich ein Bild inklusive Rahmen dazu ergibt.

Statt an einem Thema oder einer spezifischen Handlung hängt Gilroy seinen zweiten Spielfilm an seiner Hauptfigur und ihrer Faszination auf. Diese erstreckt sich dabei auf die anderen Charaktere fast eher als auf das Publikum. Sowohl Pierce als auch Maya entwickeln ihre ganz eigenen Beziehungen zu Roman, der in ihnen eher unwillkürlich – obschon gewollt – eine Art neues Feuer des Aktivismus entfacht. Ganz im Gegensatz zur Figur selbst, die im Verlauf ob der Widrigkeiten bei einem Mordfall gegen seinen Klienten Ellerbee (DeRon Horton), eher desillusionierter gerät. Was in anderen Justiz-Filmen nun der Auftakt für ein kathartisches Hauruck wäre, avanciert hier eher zum halbgaren Blick in den moralischen Abgrund.

Roman J. Israel, Esq. fehlt ein wenig der Fokus – sei es auf einen konkreten Fall, ein alles übergreifendes Thema oder die inneren Mechanismen seiner Figur. So ist der Film am Ende von allem etwas, aber eben nichts davon wirklich oder genug. Geschultert von einer soliden und erfreulicherweise weitestgehend zurückgenommenen Darbietung von Denzel Washington, findet sich nicht wirklich ein Zugang zu dem, was Dan Gilroy hier versucht, zu erzählen. Roman mag zwar seine sozialen Ticks haben, ist aber keineswegs so charismatisch wie der soziopathisch veranlagte Louis Bloom. Wo Nightcrawler eine Botschaft transportierte (stellenweise sicher mit dem Holzhammer), mäandert Roman J. Israel, Esq. zu sehr im Nichts.

Von verschenktem Potential kann man im Fall von Roman J. Israel, Esq. dabei nicht mal reden. Die Zahl der mitreißenden und aussagekräftigen Justiz-Filme ist überschaubar und Gilroys Werk keines, das dem Genre sonderlich viel hinzuzufügen hat. Gut möglich, dass es der Kohärenz der Geschichte in die Parade fuhr, dass Gilroy nach eigenen Aussagen Washington zu viel Einfluss auf die Gestaltung schenkte, sodass eine leichte Fehlharmonie entstand. Oder es ist schlicht die Erwartungshaltung Schuld: Wer nach einem starken Debütfilm ebenso überzeugend im Nachfolger an den Zuschauer liefern soll, kann vielleicht nur scheitern. Oder wie es Roman J. Israel selbst im Film sagt: “Doing the impossible for the ungrateful.”

5/10

6. April 2018

Classic Scene: The Goonies – “Okay, I’ll talk.”

Die Szenerie: Eingesperrt in dem Unterschlupf der Verbrecherfamilie Fratelli büxen die Goonies über einen Kaminkanal in den Untergrund aus, während ihr Mitglied Chunk (Jeff Cohen) über ein Kellerfenster flieht, um Hilfe zu holen. Unterwegs sammeln ihn nachts zufällig die Fratellis wieder ein und bringen ihn zurück in ihr Versteck. Dort plant Mama Fratelli (Anne Ramsay) den Jungen per Gewaltandrohung dazu zu bringen, Informationen über die Goonies preiszugeben. Als Hilfsmittel dient ein angeschalteter Mixer, indem sie zur Demonstration eine Tomate fallen lässt, die sofort zerstückelt wird.

INT. LIGHTHOUSE BASEMENT – KITCHEN – NIGHT

CLOSE UP – Hamilton Beach blender. A hand comes into frame and drops a tomato into the activated blender. The tomato gets crushed instantly, turned to mush from the bottom to the top. We HEAR Mama Fratelli’s VOICE OVER as the tomato is crushed:

MAMA FRATELLI: First, we’ll start with the pudgy little fingers. Then the plump little hands.

The camera zooms back to reveal Mama Fratelli controlling the blender while Chunk sits on the kitchen table, crying and shaking.

MAMA FRATELLI (cont.): Then the fleshy arms.

Mama Fratelli stops the blender and turns to Chunk.

MAMA FRATELLI: Now, tell me where your other little friends are.

Chunk gives up the information immediately without hesitation and points at the fireplace.

CHUNK (sobbing): In the fireplace.

MAMA FRATELLI: Don’t lie to me!

CHUNK: Honestly. We went over to Mikey’s dad’s place and we found a map that said that underneath this place is buried treasure.

JAKE FRATELLI: Now don’t give us none of your bullshit stories, huh?

Francis grabs Chunk by the throat.

FRANCIS FRATELLI: Hey kid, I want you to spill your guts. Tell us everything.

CHUNK (whispers): Everything?

FRANCIS FRATELLI: Everything.

CHUNK (sobbing): Everything... okay, I’ll talk.

CHUNK (cont.): In 3rd grade, I cheated on my history exam.

CHUNK (cont.): In 4th grade, I stole my uncle Max’s toupee and I glued it on my face when I played Moses in my Hebrew school play.

Francis looks incredulously at his mother. Jake is confounded too.

CHUNK (cont.): In 5th grade, I knocked my sister Edith down the stairs, and I blamed it on the dog.