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23. November 2018

Under the Silver Lake

I can’t quite see it but I’m close.

Satanische Rückwärtsbotschaften in Musik-Stücken, Illuminaten-Symbole auf Geldscheinen – Verschwörungstheoretiker finden in vielen Details des Alltags Anhaltspunkte für ihren Fetisch. Sei es, weil ihm langweilig ist oder er sich nach Höherem bestrebt fühlt, aber auch der arbeitslose Schauspieler Sam (Andrew Garfield) beginnt in David Cameron Mitchells Under the Silver Lake im Laufe des Films, mehr und mehr nach Botschaften, Symbolen und ihren Bedeutungen Ausschau zu halten. Schuld ist – wen wundert’s – eine Frau. Genauer gesagt seine neue Nachbarin Sarah (Riley Keough) in der Wohnanlage, die kaum eingezogen auch schon wieder ihre Koffer gepackt hat. Allerdings in einer Nacht- und Nebelaktion, was Sam auf den Plan ruft.

Under the Silver Lake ist dabei ein Neo-Noir-Film mit Mystery-Elementen, der mit Bildzitaten und -hommagen sowie einem gewissen Retro-Faktor daherkommt. So hängen in Sams Apartment Filmposter zu Creature of the Black Lagoon, Videospiele zockt er auf einer NES-Konsole und zum Masturbieren nutzt er nicht das Internet, sondern klassisch ein Playboy-Cover von Janet Wolf aus dem Juli 1970. Die Ablenkung der vermeintlich verschwundenen Sarah passt dem Slacker gut in den Terminkalender, da er seine Tage sonst damit verbringt, rauchend per Fernglas seiner nackten Nachbarin nachzustellen. Doch die Suche nach Sarah führt ihn schließlich in ungeahnte – und teils buchstäbliche – Abgründe der Hollywood Hills.

Mitchell inszeniert seinen dritten Spielfilm als eine Art wildes cineastisches Potpourri, in dem sich unter anderem (respektive je nach Sichtweise) leichte Echos von Rian Johnsons Brick über Paolo Sorrentinos La grande bellezza hin zu Barton Fink der Coen-Brüder wiederfinden. Ohnehin spielen wiederkehrende Elemente und Personen in Under the Silver Lake eine große Rolle. Mehrfach landet Sam beispielsweise auf extravaganten Partys, die scheinbar stets dieselben Leute besuchen. Darunter Sams Berufskollege und Kumpel Allen (Jimmi Simpson), jenes Mädchen-Trio (u.a. Zosia Mamet), das in Verbindung mit Sarahs „Verschwinden“ zu stehen scheint oder eine Gruppe Schauspielerinnen-Escorts (u.a. India Menuez, Grace Van Patten).

Die Geschichte gibt sich dabei bewusst schrullig, wirft viele Fragen auf, ohne sich unbedingt um Antworten darauf zu scheren. Unterwegs trifft Sam einen Comic-Zeichner (Patrick Fischler), der noch tiefer in Verschwörungstheorien steckt, als er selbst. Es geht um den kleinen Mann und seinen Kampf gegen das System – zwischendurch trifft sich die Hauptfigur noch zum gemeinschaftlichen Drohnen-Voyeurismus mit einem Freund (Topher Grace) oder auf ein sexuellen Stelldichein mit einer Schauspielkollegin (Rikki Lindhome). Mit seinem leicht verplanten, nichtstaugenden, ermittelnden Protagonisten und dessen schusselig-kompetenten Entdeckungen ähnelt der Film irgendwie auch The Big Lebowski von den Coen-Brüdern.

Sam ist dabei keineswegs so sympathisch wie der Dude und das Komplott, in welches er sich verstrickt, weitaus konstruierter als bei den Coens. Mitchell weiß aber dennoch im steten Wechsel der Locations und der Figurenkonstellationen sowie einprägsamer Szenenmomente die Faszination an der Geschichte aufrecht zu erhalten. Was angesichts der Laufzeit von fast zweieinhalb Stunden bemerkenswert ist, obschon Under the Silver Lake durchaus etwas kompakter geschnitten hätte werden können. Mitunter droht sich die ohnehin nicht vollends fokussierte Handlung in sich selbst zu verlieren, laufen manche Szenen – gerade im finalen dritten Akt – ein paar Minuten zu lang oder stehen mehr für sich selbst, als etwas beizutragen.

Da dem allen dennoch eine Originalität innewohnt, nimmt der Zuschauer es Mitchell und seinem Film nicht krumm. Selbst plakative Referenzen zu Rebel Without a Cause oder des Regisseurs Debüt-Werk The Mysteries of the American Sleepover wirken irgendwie passend zu Sams Suche, die ihn zu Figuren wie Milliardärs-Tochter und IT-Girl Millicent Sevence (Callie Hernandez) oder dem König der Obdachlosen (David Yow) führt. Liebevolle Telefonanrufe von Sams Mutter, eher lethargischen Versuche, seine Wohnungsräumung zu verhindern sowie ein maliziöser Hundemörder oder Auto-Vandalen fügen sich allesamt authentisch in diese von Mitchell erschaffene Welt respektive Parallel-Kosmos des wahren Los Angeles ein.

Sam repräsentiert zugleich eine Generation, die leicht orientierungslos im Leben steht. Sie folgt keinem wirklichen Ziel, weshalb sie in einer Stadt wie Los Angeles, bevölkert von Träumern eines besseren weil einfacheren Lebens, ideal aufgehoben scheint. Die Popkultur und diejenigen, die sie produzieren, scheinen allgegenwärtig – sei es in Figuren wie Allen oder Sams Affäre, die aktiv an ihrer Filmkarriere arbeiten oder die Mitglieder des Escort-Services, die diesbezüglich bereits gescheitert scheinen. Die Suche nach Sarah wirkt da in gewisser Weise autark um ihrer selbst willen, anstatt dass Sam wirklich inspiriert ist durch eine tiefere Beziehung abseits seiner sexuell-romantischen Faszination zur Figur von Riley Keough allgemein.

Die Nachforschungen von Sam sind letztlich spannender als die Auflösung der Umstände und Hintergründe von Sarahs Verschwinden. Auch wenn David Cameron Mitchell sich zum Schluss immerhin nicht die Mühe macht, auf alles zuvor Gezeigte einen Reim machen zu wollen. Schließlich war es insbesondere auch seine Uneindeutigkeit, die ihm zwei Stunden lang zuvor seine sympathische Sogwirkung verliehen hat, indem sich Andrew Garfield stets nur an der Peripherie der scheinbaren Verschwörung bewegt. “A good conspiracy is unprovable”, hieß es schon in Conspiracy Theory von Richard Donner. “If you can prove it, it means they screwed up somewhere along the line.” Wie gut, dass Under the Silver Lake es am Ende nicht vergurkt.

9/10

27. Oktober 2017

The Meyerowitz Stories (New and Selected)

Was that a spot?

Künstler sind oft exzentrisch – von Vincent van Gogh bis hin zu Salvador Dali. Hierin liegt wohl auch mit ein Faktor für die Faszination mit jenen Künstlern. Der Bildhauer Harold Meyerowitz (Dustin Hoffman) ist ebenfalls leicht exzentrisch, wenn er im Trenchcoat Sohn Danny (Adam Sandler) und Enkelin Eliza (Grace Van Patten) daheim empfängt. Die Faszination der Kunstwelt mit ihm hält sich inzwischen jedoch in Grenzen. Auch deswegen organisieren Danny und seine Schwester Jean (Elizabeth Marvel) eine Retrospektive für den Vater, der aktuell plant, sein Haus sowie Kunstbestand aufzulösen. Noah Baumbach erzählt in seinem neuen Film The Meyerowitz Stories (New and Selected) in Auszügen aus dem Leben dieser Familie.

Zu ihr gehört auch Matthew (Ben Stiller), der jüngste Sohn Harolds, der aus der Ehe mit seiner zweiten Frau stammt. Er ist der Gegenentwurf zu seinem Halbbruder: Beruflich erfolgreich als Finanzberater genießt er die Zuneigung seines Vaters, auch wenn er diesen in seiner Heimat New York als Angelito eher selten besucht. Danny hingegen hat nur eine gescheiterte Karriere als Pianist vorzuweisen, seit Elizas Geburt hat er gar nicht gearbeitet, sondern war Hausmann. Da die Tochter nun selbst ein Filmstudium beginnt, können auch die Eltern endlich ihre gescheiterte Ehe offiziell machen. Was Danny wiederum obdachlos macht, weshalb er vorerst bei Harold und dessen vierter Ehefrau und Alt-Hippie Maureen (Emma Thompson) unterkommt.

Weitestgehend erinnert The Meyerowitz Stories dabei an eine Mischung aus Woody Allen und Wes Anderson, der Humor ist subtil und nuanciert. Baumbachs Film dreht sich im Kern um die Beziehung von Eltern zu ihren Kindern. So hat Danny zwar weder eine Arbeit noch eine Bleibe, dafür aber ein sehr inniges Verhältnis zu seiner jugendlichen Tochter, die er bereitwillig bei ihren pornografischen Avantgarde-Kurzfilmen unterstützt. Die Beziehung von Danny und Eliza kontrastiert dabei die von Danny zum eigenen Vater. Von Harold wurde Danny meist außen vor gelassen, was mit dadurch begünstigt war, dass Letzterer zumeist bei seiner Mutter und getrennt vom Vater lebte. Der wiederum konzentriert sein Interesse auf Matthew.

Zwar ist Matthew selbst kein Künstler, kommt aber ganz nach dem Vater. Der Kontakt zu Harold ist ähnlich eingeschränkt wie der zum eigenen Sohn, der bei der Ex-Frau lebt. Per Facetime kommuniziert Matthew zwischendurch, ist aber mehr unterwegs als im Leben des Sohnes präsent. Missgunst von Danny und Jean ist dennoch kaum vorhanden, auch wenn Matthew später vom großen (Halb-)Bruder vorgeworfen wird: “You make me feel real bad about myself.” Noch weniger leicht hatte es Jean, die den Brüdern bei einem offenen Austausch gesteht, sie würden nie nachvollziehen können “what it means to be me in the family”. Obschon weniger geliebt als Matthew sind es trotzdem gerade Danny und Jean, die sich mehr um Harold kümmern.

Der weiß dies wenig zu schätzen, selbst als er im Verlauf stürzt und Zeit im Krankenhaus verbringt. Baumbach nutzt diesen Umstand, um die drei Geschwister, speziell die Brüder, wieder einander näher zu bringen. Dabei steht Adam Sandler im Zentrum, der eine seiner seltenen ernsthaften Rollen spielt und dabei wie jeher überzeugt. Das gefällige Ensemble, zu dem auch Judd Hirsch als Harolds erfolgreicherer Kunstkollege L.J. Shapiro gehört, trägt den Film die meiste Zeit insgesamt sehr gut. Garniert mit kurzweiligen Gast-Auftritten von Sigourney Weaver, Candice Bergen und Adam Driver. Nur wenn The Meyerowitz Stories gegen Ende zeitweilig eine emotionale Richtung einschlägt, fällt speziell Ben Stiller leicht aus dem Rahmen.

Ob es für die Beziehung von Harold zu seinen Kindern zu spät ist, bleibt dabei offen. Zumindest die der Geschwister untereinander wirkt jedoch zum Schluss der Geschichte(n) gestärkt. “It’s always been the same, same old story”, sang Cat Stevens in seinem Evergreen “Father and Son” über das schwierige Verhältnis eines Vaters zu seinem Sohn. Noah Baumbach inszeniert seine Version dieser Beziehung mit seiner gewohnten unernsten Ernsthaftigkeit, der im Vergleich zu seinen letzten Filmen Frances Ha und Mistress America – mit Muse und Freundin Greta Gerwig – etwas die Leichtigkeit fehlt. Exzentrisch genug ist The Meyerowitz Stories aber allemal. Womit ihm eine gewisse Faszination nicht abgesprochen werden kann.

6.5/10