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24. September 2015

Everest

Sit down, man. Acclimatize.

Das Einmalige ist preislos – sollte man meinen. In Steven Spielbergs Jurassic Park erkannte die Filmfigur des Anwalts mit dem Dino-Park ein lukratives Geschäft. “We can charge anything we want, 2,000 a day, 10,000 a day, and people will pay it”, frohlockt Donald Gennaro. Für Park-Gründer John Hammond ein No-Go. Jeder habe das Recht, an diesem einmaligen Erlebnis zu partizipieren, findet Hammond. Quasi eine Mischung aus beiden Ansichten vertrat wohl der Bergsteiger Rob Hall, der mit zu den ersten seiner Zunft gehörte, die kommerziell geführte Besteigungen anboten. In diesem Fall am Mount Everest, mit 8.848 Metern der höchste Berg der Erde. Seinen Gipfel zu erreichen ist kein leichtes Unterfangen – vor allem für Nicht-Profis.

Regisseur Baltasar Kormákur widmet sich in Everest nun jenem Everest-Unglück vom 10./11. Mai 1996, als zwei geführten Gruppen gemeinsam den Gipfelsturm in Angriff nahmen. Am Ende sollten acht der 33 Personen ihr Leben auf dem Berg lassen, nachdem zeitliche Verzögerungen und ein Sturm die Pläne der Expeditionsleiter kreuzten. Der Film fokussiert sich dabei auf den bereits erwähnten Rob Hall (Jason Clarke), der in Kathmandu auf seine Klienten wartet, ehe diese in den 40 Tagen bis zur Gipfelbesteigung an die Bedingungen akklimatisiert werden. Zu Halls Gruppe gehören dabei neben dem Journalisten Jon Krakauer (Michael Kelly) auch der Pathologe Beck Weathers (Josh Brolin) sowie der Postbote Doug Hansen (John Hawkes).

Für Hansen war es ein erneuter Anlauf, den Gipfel des Everest zu erreichen, nachdem ihn Hall in der Vergangenheit bereits zu einer Umkehr gezwungen hatte. Währenddessen bereiten Hall einerseits die Schwangerschaft seiner Frau Jan (Keira Knightley) Sorgen, für deren Entbindung er wieder zurück in seiner Heimat Neuseeland sein möchte, aber auch die Vielzahl an geführten Expeditionen, die an seinem eigenen designierten Termin (10. Mai) zum Gipfel wollen. Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, legt Hall seine Führung mit der seines Konkurrenten Scott Fischer (Jake Gyllenhaal) zusammen. Doch bereits im Verlaufe des Aufstiegs zwischen den verschiedenen Basiscamps zeichnen sich Spannungen und Problemfelder ab.

Das in – weitestgehend verschenktem – 3D gedrehte Abenteuer-Drama teilt sich von seiner Dramaturgie in zwei Hälften auf: die zum Aufstieg führende und die den Abstieg begleitende. Zwar nimmt Rob Hall dabei die Rolle der Hauptfigur ein, doch angesichts der Vielzahl von Figuren – Emily Watson spielt Halls Basiscamp-Leiterin und Elizabeth Debicki dessen Arzt, Sam Worthington einen befreundeten Bergsteiger – gerät Everest mehr zu einem Ensemblefilm. Dies gereicht ihm durchaus zum Vorteil, selbst wenn in dessen Folge vielschichtige Figuren wie Krakauer oder Fischer und ihre Motive fraglos weniger beleuchtet werden, als vielleicht möglich gewesen wäre. Nur: Everest will keine persönliche, sondern eine kollektive Geschichte erzählen.

Es ist also nicht zwingend von Bedeutung, welche der vielen vermummten Personen nun wer ist oder wo genau sich jede einzelne von ihnen gerade am Gipfel befindet. Eine räumliche Aufteilung der entscheidenden Figuren wird auch aufgrund von klarer Farbunterlegung deutlich, weiß man, wer und wo Hall, Hansen, Fischer und Weathers sind. Besonders wenn der Sturm den Everest erreicht, steigert sich Kormákurs Film nochmals, überlässt der Regisseur jegliche narrative Dramaturgie ganz den unglücklichen Ereignissen von 1996. Obschon man Everest vorwerfen kann, dass er viele Umstände ziemlich subtil interpretiert und erklärt, der Film jedoch bereits die Vorfälle von damals auf zwei Stunden komprimiert und Figurenmomente kürzt.

Die Dosierung der vielen Hollywood-Stars – Robin Wright taucht auch noch in einer Nebenrolle als Weathers’ Ehefrau auf – beherrscht Kormákur gekonnt. Der Umstand, dass Christian Bale, der ursprünglich Hall spielen sollte, ausschied und der Film somit charakterlich dezentralisiert wurde, avanciert zum Qualitätsmerkmal. Wer generell dem Subgenre mit solchen Filmen wie Touching the Void nicht abgeneigt ist, der wird auch bei Everest auf seine Kosten kommen. Wobei angesichts der wahren Begebenheiten – wie so oft – auch eine Dokumentation nicht verkehrt gewesen wäre. Dort hätte man auch die Kritik an der Kommerzialisierung der Everest-Besteigung verstärken können. Denn nur weil etwas da ist, muss es nicht jeder gleich besteigen.

7/10

6. August 2014

Dawn of the Planet of the Apes

Ape always seeks strongest branch.

Filmtitel werfen bisweilen so manche Frage auf. Zum Beispiel die von Christopher Nolans Batman-Trilogie oder warum Dawn of the Planet of the Apes auf Rise of the Planet of the Apes folgt. Da macht es der deutsche Verleih mit dem Wortspiel von „Prevolution“ und „Revolution“ auch nur bedingt besser. Wie dem auch sei, so ähnlich die Bedeutung der Titel für das neue Apes-Franchise auch sind, so ähnlich ist sich ihr Thema. Der jüngste Teil der Reihe bietet wahrlich so wenig Neues, dass er statt als Sequel getrost als Remake laufen könnte. Immerhin die Verantwortlichen sind frisch, wurde doch vom Regisseur über den Komponisten bis zum Kameramann und den Cuttern das Personal ausgetauscht. Gegenüber dem Vorgänger hat Dawn of the Planet of the Apes dennoch das Nachsehen. 

Auch vor der Kamera gibt es frische Gesichter. Grinsebacke James Franco wird ersetzt durch den hierzulande weithin unbekannten Jason Clarke. Der gibt Malcolm, einen Überlebenden jener Affengrippe, die am Ende von Rise of the Planet of the Apes fast die gesamte Menschheit ausgerottet hat. Mit anderen Menschen rund um Ex-Militär Dreyfus (Gary Oldman) hat sich Malcolm in den Überresten von San Francisco eingerichtet. Allerdings bedarf es Strom zum Überleben und den soll ein im Wald gelegener Damm besorgen. Blöd nur, dass sich in dessen Umgebung der intelligente Affenclan rund um Caesar (Andy Serkis) eingenistet hat. Mensch und Menschenaffe geraten in Konflikt miteinander und während Malcolm und Caesar um einen friedlichen Dialog bemüht sind, haben andere Parteien in beiden Lagern ihre ganz eigenen Interessen. 

So weit, so neu. Regisseur Matt Reeves (Cloverfield) inszeniert das Misstrauen zwischen beiden Rassen dabei gerade in seinem zweiten Akt relativ gekonnt. Wenn Malcolm mit Sohnemann (Kodi Smit-McPhee) und neuer Flamme (Keri Russell) „unter Affen“ leben darf, grenzt das Ganze zwar nicht an Culture Clash, doch es bahnen sich zwischenaffliche" Beziehungen an. Jugendliteratur verbindet eben Mensch und Affe und wenn man die Gattin des gegnerischen Führers heilt, bringt dies auch Bonuspunkte. Natürlich weiß jeder außer die direkt Beteiligten, dass dieser harmonische Friede nur von kurzer Dauer ist, da Caesars misstrauische rechte Hand Koba (Toby Kebbell) mitbekommt, wie Dreyfus und Co. Waffen zu horten beginnen. Hier zelebriert Reeves eine Spiegelung, wenn sowohl Clarke als auch Caesar in ihren eigenen Reihen mit Charakteren zu tun haben, die das Miteinander zwischen Mensch und Affe unterminieren. 

Die über allem stehende Botschaft ist: so verschieden sind wir gar nicht. Wie Caesar feststellt, schließt das auch die negativen Züge mit ein. Das Mantra „Affe nicht tötet Affe“ muss dann ab einem bestimmten Zeitpunkt das Zeitliche segnen – und mit ihm auch die ruhigen Momente. Der gibt sich im Finale schließlich ganz seinem Action-Wahnsinn hin, wenn auf Pferden reitende Schimpansen im Akimbo-Stil ihre MG-Magazine leeren. Und so zieht und zieht sich der Schlussakt, bis man als Zuschauer gar nicht mehr weiß, warum die Affen jetzt eigentlich alle den 55. Stock einer Baustelle vereinnahmen und die Menschen sinnlos irgendwo C4 anbringen. All des Krawalls und Remmidemmis hätte es eigentlich nicht bedurft, aber Blockbuster scheinen heutzutage nicht mehr ohne pompöses Finale auszukommen. Dagegen war die Klimax des 1968er Originals fast schon kammerspielartig ruhig. 

Wirklich tiefgründig ist Dawn of the Planet of the Apes dabei nicht. Malcolms Offenheit könnte auch als Zugeständnis an die Situation gesehen werden, die von Caesar wiederum durch seine ehemalige Obhut in einem menschlichen Zuhause. Ungeachtet dessen funktioniert ihre Annäherung dennoch am besten, in einem schlichtweg viel zu lang geratenen Film. Ob es da der Eröffnungsszene auf Videospielgrafik-Niveau  bedurft hätte, sei dahingestellt. Grundsätzlich sehen die Affen im zweiten Teil (dessen Budget fast verdoppelt wurde) etwas besser aus als vor drei Jahren der Fall – es bleiben jedoch Pixel-Affen. Wer mag, kann Andy Serkis für sein Mo-Captioning loben, prinzipiell läuft sein Schimpanse aber auch nur weitestgehend mit ein und derselben Schnute durch die Gegend. Für einen Film, der sich primär durch seine Effekte auszeichnen will, ist das in Ordnung, aber nicht sonderlich bahnbrechend. 

Gegenüber dem ersten Teil baut die Fortsetzung somit leicht ab, wer jedoch bereits am Vorgänger Gefallen fand und wen die Vorstellung von MG-schwingenden Schimpansen in Ekstase versetzt, ist hier sicherlich an der richtigen Adresse. Dawn of the Planet of the Apes bietet Action und Drama - allerdings getrennt voneinander. Nur: Von der im Titel proklamierten Revolution zeigt sich im Film nicht viel (weshalb der Titel besser auf den Vorgänger gepasst hätte). Sei's drum, die Titel der Apes-Filme machten ja noch nie wirklich Sinn. Schließlich ist die Erde so wie so ein „Planet der Affen“ – selbst wenn sich der Mensch nicht gerne an seine biologische Familie erinnert.

6/10

22. Mai 2013

The Great Gatsby

You can’t repeat the past.

Als Weltliteratur erachtet man Werke, die über die Landesgrenzen des Autors hinaus bekannt und zugleich für die Bevölkerung der Welt bedeutsam sind. Beispielsweise Leo Tolstois Anna Karenina, der Einblicke in Werte wie Ehe und Moral des zaristischen Russlands gibt. Oder F. Scott Fitzgeralds im Jahr 1925 entstandener The Great Gatsby: Oberflächlich betrachtet eine tragische Liebesgeschichte in den wohlhabenden Goldenen Zwanzigern, zugleich aber auch ein Spiegel für die damalige Gesellschaft und ein kritischer Sozialkommentar zur Pervertierung des „American Dream“. Was einst das Streben nach Freiheit und Glück war, verkam in den 1920er Jahren nun zum Streben nach Reichtum und Macht.

Jenen als Klassiker geltenden Roman adaptierte im Vorjahr Baz Luhrmann, Hollywoods Mann für das extravagant Tragische. Zuletzt legte er mit Australia ein episches Genre-Mashup vor, das ein Liebesbrief an seine australische Heimat war, eingebettet in den Zweiten Weltkrieg. Dennoch ähnelt The Great Gatsby eher Moulin Rouge!, Luhrmanns Abschluss seiner Red Curtain-Trilogie von 2001. Hier wie da beginnt der Film mit einem verlorenen wirkenden Schriftsteller, der ein miterlebtes Liebestrauma per Schreibmaschine zu Papier bringen muss. Die Geschichte einer Liebe, korrumpiert von Macht und der Lust nach Reichtum. Führte in Moulin Rouge! Ewan McGregor durch den Film, ist es hier nun Tobey Maguire.

Er schlüpft in die Rolle von Nick Carraway, der zu Beginn der Handlung ein kleines Anwesen in Long Island anmietet, weil er sich in New York City als Börsenspekulant versuchen will. Direkt nebenan wohnt wiederum der mysteriöse Millionär Jay Gatsby (Leonardo DiCaprio), Mittelpunkt zahlreicher obskurer Gerüchte und zudem Gastgeber pompös-glamouröser Festivitäten am Wochenende. Zu einer dieser Partys wird Carraway eines Tages eingeladen und freundet sich daraufhin mit dem jungen Millionär an. Der hat jedoch eine Bitte: Carraway möge seine Cousine Daisy Buchanan (Carey Mulligan) zum Tee einladen. Mit ihr unterhielt Gatsby fünf Jahre zuvor eine Affäre, ehe der Erste Weltkrieg die Beiden trennte.

Daisy heiratete anschließend den Millionär Tom Buchanan (Joel Edgerton) und bewohnt die dekadente Villa gegenüber von Gatsby – getrennt durch das tosende Gewässer. Während ihr Gatte Affären unterhält, zum Beispiel zur Automechanikergattin Myrtle (kaum wiederzuerkennen: Isla Fisher), vertreibt sich Daisy die Zeit mit ihrer Freundin Jordan Baker (Elizabeth Debicki). In jene Welt der Schönen und Reichen sowie ihrer dubiosen Machenschaften und Affären wird nun Carraway geworfen, ein Platzhalter für das Publikum. Er fungiert zuerst als Cupidus, der die ehemaligen Liebenden wieder zusammenführt, zusätzlich ist er für Tom wie Daisy und Gatsby ein begleitender Vorwand zur Kaschierung des Ehebruchs.

Eine derartig glamouröse Welt wie die des Long Islands von 1922 ist natürlich wie geschaffen für einen Mann wie Baz Luhrmann. Speziell im ersten Akt feiert der Australier den Prunk und Protz der Jazz Ära. Während Gatsbys Anwesen zum wilden Party-Palast wird – dessen einziger Sinn und Zweck es ist, Daisy anzulocken –, stellt die Villa der Buchanans gerade auch visuell das Artifizielle der Welt von Daisy dar. Alle Farben fallen so knallig aus, dass einen das Grün des perfekt symmetrisch geschnittenen Rasens fast schon blendet. Eine perfekte Welt für unperfekte Menschen und zugleich Gegenentwurf zu den damaligen Corona Ash Dumps und heutigen Flushing Meadows – dem größten Park im Stadtteil Queens.

Es ist irgendwie passend, dass es Tom gerade hierhin verschlägt, um mit Myrtle eine Flamme aus der Arbeiterklasse aufzureißen, deren Ehemann (Jason Clarke) von all dem nichts ahnt. Die Wunder jener Welt der Buchanans, Bakers und Gatsbys werden Carraway ähnlich wie McGregors Christian in Moulin Rouge! mittels anachronistischer Verwendung von Gegenwartsmusik vermittelt. Da swingen dann Jay-Z (zugleich einer der Produzenten des Films), Gattin Beyoncé sowie Fergie und will.i.am durch die Lautsprecher, während Newcomerin Lana Del Rey mit „Young and Beautiful“ ein traurig-schön-melancholisches Herz-Schmerz-Lied (“Will you still love me when I’m no longer young and beautiful?”) trällern darf.

Das alles ist natürlich herausragend inszeniert, wenn Gatsby zu Begin nur andeutungsweise zu sehen ist, Carraway in einem Meer aus weißen Vorhängen Daisy wieder trifft oder diese sich begeistert einem Regen von edelsten Hemden aus Gatsbys Kleidersammlung unterwirft. Das Glanz und Gloria der damaligen Zeit, die Dekadenz dieser von Fitzgerald beschriebenen Welt – sie sind der eigentliche Star von The Great Gatsby. Denn die Charaktere bleiben nie mehr als reine Figuren, die zumeist hohle Phrasen vor sich hin seufzen. “He gives large parties, and I like large parties”, offenbart Jordan Baker zu Beginn über Gatsbys wöchentliche Gratis-Feste. “They’re so intimate. Small parties, there isn’t any privacy.”

Unterdessen verliert sich DiCaprio in der unzähligen Verwendung der Floskel “old sport” und Mulligans Daisy in den Untiefen der Dummheit ihrer Figur. “That’s the best thing a girl can be in this world, a beautiful little fool”, hofft sie für ihre kleine Tochter, die bis zum Ende die gesamte Dauer des Films in der Obhut des Kindermädchens verbringen darf. Weder kann sich ihre Figur zwischen Gatsby und Tom entscheiden, noch scheint sie überhaupt zu wissen, was sie will. Da Maguires Rolle lediglich die des Beobachters ist, darf Gatsby noch als interessantester Charakter erachtet werden. Insbesondere wenn sich im dritten Akt herausstellt, was es alles beinhaltet, Jay Gatsby zu sein und worin dies seinen Ursprung hat.

The Great Gatsby ist ein Fest für die Sinne und trotz seiner fast zweieinhalb Stunden sehr kurzweilig. Bedauerlich ist, dass der Film nach seinem ersten, an Moulin Rouge! erinnernden, Akt für den Fortlauf der Handlung mehr und mehr auf Australia-Niveau fällt. Was an sich nicht schlimm ist, allerdings vor Augen führt, dass hier noch mehr für Luhrmann herauszuholen gewesen wäre. Und sicher gab es schon originellere und lebendigere Figuren als hier, beides ist jedoch Fitzgeralds Roman geschuldet. Dessen Bedeutung als sozialkritischen Blick zur Pervertierung des „American Dream“ wird Luhrmanns Adaption aber durchaus gerecht. Gewohnt großes Kino also vom Mann fürs extravagant Tragische.

7.5/10