Ende der 90er etablierte sich Wes Anderson unter den neuen kreativen Filmemachern. Mit Filmen wie Rushmore, The Royal Tenenbaums oder The Life Aquatic with Steve Zissou konnte er sich nicht nur jedes Mal aufs Neue beweisen, sondern es gelang ihm sogar, sich zu steigern. Anderson selbst sieht seine Filme vom indischen Regisseur Satyajit Ray beeinflusst und ließ es sich nicht nehmen sein aktuelles Werk, das passender Weise in Indien spielt, diesem großen Regisseur zu widmen. Er verzichtete dabei auf einen eigenständigen Score und nahm stattdessen mehrere verschiedene, aus indischen Filmen stammende, Lieder in seinen Soundtrack auf. Dieser ist ebenso schön anzuhören, wie der Film selbst wiederum anzusehen.
In Indien treffen sich in einem Abteil des Darjeeling Limited die Brüder Francis (Owen Wilson), Pete (Adrien Brody) und Jack (Jason Schwartzman). Eine spirituelle Reise soll sie als Familie wieder zusammenführen und ihre Reise bei ihrer Mutter (Anjelica Huston) finden – so von Francis geplant im Unwissen seiner beiden Brüder. Mit ihren verschiedenen Persönlichkeiten prallen die Drei während ihrer Reise vermehrt aneinander und alte Zwistigkeiten brechen auf. Dies führt schließlich dazu, dass sie nach einer Auseinandersetzung aus dem Darjeeling Limited fliegen. Mitten in der Pampa im Nirgendwo scheinen sie nun an ihren Grenzen angelangt und endgültig zerstritten, ehe sie ein gemeinsames Erlebnis wieder zusammenschweißt.
Sieht man sich Andersons Film an, weiß Owen Wilson als sympathisch-optimistischer Francis von allen drei Darstellern am besten zu überzeugen, dicht gefolgt vom ebenfalls glänzend aufspielenden Adrien Brody. Neben der exzellenten Musik stechen wie bei Anderson für gewöhnlich die Farben hervor. Er präsentiert ein knalliges, warmes und strahlendes Indien – selbst wenn dieses abseits jeglicher Armut gezeigt wird. Stattdessen konzentriert er sich auf den positiven Charakter des Landes, besonders erkenntlich in einer Szene, in der die Brüder von indischen Jungen ausgelacht wird und Francis nur erwidert: „Ich liebe dieses Land.“ Drei einsame Figuren finden in einsamer Einöde in gewisse Weise schließlich wieder zu gemeinsamer Nähe.
Dabei greift Anderson wie in allen seinen Filmen die Thematik der elterlichen Abstinenz auf. Die Brüder wurden von ihrer Mutter verlassen, die nicht zur Beerdigung des Vaters erschien und seither in einem Kloster in Indien lebt. Auch mit den Vater scheinen die Drei ihre Probleme gehabt zu haben, ihre Zuneigung zu ihm zeigt sich dann aber darin, dass sich alle seine Louis-Vuitton-Koffer untereinander aufteilten. Doch neben dem väterlichen Erbe sind es besonders die privaten Geheimnisse, die jeder für sich behält und dann gegen den anderen ausspielt. Den Dreien ist das Vertrauen abhanden gekommen und brüderliche Automatismen – wie das Mitbestellen von Francis für seine beiden Brüder am Tisch – sorgen nur noch für Streitereien.
Ein- und ausgeleitet wird der Film vom Erreichen eines abfahrenden Zuges, dessen Reise durch das Herz Indien sinnbildlich für die der drei Protagonisten zu sich selbst und ihrem alten Familienverbund steht. Speziell die finale Montage bildet einen mehr als gelungenen Abschluss dieses Films, für dessen Handlung zwei Trauerfeiern entscheidend sind. Die eine reißt die Familie auseinander, die andere bringt sie schließlich wieder zusammen. Wes Anderson fängt dies in meisterlichen Bildern und wunderschönen Montagen ein, seine Figuren sind grandios komisch und schrullig, das Drehbuch und die Dialoge exzellent. Der Mann versteht einfach sein Handwerk und setzt seine bisher glanzvolle Karriere mit The Darjeeling Limited somit tadellos fort.
8.5/10
Die Suche nach einem Kino im Ruhrgebiet, das den Film zeigt ist mal wieder sehr ernüchternd. So werden wir wohl am Donnerstag I am Legend sehen müssen, von dem ich aufgrund des Hauptdarstellers erst einmal gar nichts erwarte.
AntwortenLöschenNaja, ich bin kein großer Wes Anderson Verehrer. Rushmore ist ein niedlicher kleiner Film, vielleicht sogar eine Indi-Perle, aber The Royal Tenenbaums halte ich für reinen Schrott, der nur wegen des gewaltigen Kritikerhypes ein so hohes Ansehen genießt. The Life Aquatic with Steve Zissou habe ich mir deshalb auch erspart - aber nach deiner so positiven Besprechung werde ich The Darjeeling Limited wohl eine Chance geben, sobald er auf DVD erhältlich ist...
AntwortenLöschen@Jochen: The Royal Tenenbaums ist sicher sehr eigen, aber Life Aquatic kann ich nur empfehlen, alleine wegen des O.S.T. und vielleicht ist DL auch wirklich nur für WA-Fans zu genießen...
AntwortenLöschen@tumulder: Das Problem kenne ich, ich bin ja schon froh, wenn sie solche Filme wenigstens zu einer vernünftigen Zeit in der Landeshauptstadt (Stuttgart) zeigen, sodass ich nach der Uni den einen oder anderen Film noch "mitnehmen" kann. Der Kleriker ist z.b. extra nach Tübingen gefahren - lohnen tut es sich jedoch :)
Die bösen Multiplexe sag ich da nur;-)
AntwortenLöschenWow. Im Ruhrgebiet besteht die Alternative zu "Darjeeling Limited" in "I am Legend"? Hat es das Arthouse-Kino bei Euch echt so schwer, auf die Leinwände zu kommen? Lustigerweise kann ich Andersons Film, wenn ich denn nur wollte, in fünf Kinos sehen und zwischen der deutschen, der Original- und der OmU-Fassung wählen... und dabei werde ich den im Kino vermutlich gar nicht sehen.
AntwortenLöschenIch freu mich drauf! Werde aber wohl erst bei der DVD zuschlagen... keine Zeit :-(
AntwortenLöschenStudent müsste man noch sein... ;-)
@moviescape: Dafür fehlt mir das Geld, das andere Leute haben die arbeiten ;) Ist doch gehüpft wie gesprungen *g*
AntwortenLöschen@probek: So viel Auswahl, darunter OV? Du hast es ja gut, wenn das Arthouse bei dir so top vertreten ist :o
@probek
AntwortenLöschenKlar kulturell hat das Ruhrgebiet nichts zu bieten.
http://www.kir-net.de/
http://www.trailer-ruhrgebiet.de/
Wobei noch anzumerken, daß bei trailer-kinokultur.de die kleineren Kinos nicht gelistet sind:( und es deshalb schwieriger ist Darjeeling Limited zu finden.
AntwortenLöschenKam ich so hochnäsig rüber? So war das nicht gemeint (aber als Zugroaster gibt man sich im Zweifel Mühe, auch mal als richtiger Münchner Grantler zu erscheinen).
AntwortenLöschenIm Ruhrgebiet gibt es ja nun doch auch ein paar Kinos bzw. Leinwände - mich täte es tatsächlich wundern, wenn ein Film wie "Darjeeling Limited" dort nicht in einem Kino in der Nähe zu sehen wäre. Das wäre schon ein Armutszeugnis, oder? So ganz unbekannt ist Wes Anderson ja nun auch wieder nicht. Und selbst wenn München mit seinen rund 80 Leinwänden ganz gut bzw. vielleicht sogar besser versorgt sein mag (und mit dieser Leinwandzahl etwa gleichauf mit Hamburg liegt) - Deutschlands Kinohauptstadt ist und bleibt Berlin mit über 250 Leinwänden. Das ist das deutsche Kino-Eldorado, darauf darf man ggf. ein bisschen neidisch sein.
Mich hat eher gewundert, dass die Alternative zu "Darjeeling" ausgerechnet ein Film wie "I Am Legend" sein soll, der ja aus einem komplett anderen Film-Universum kommt. (Soll ich nebenbei mal sagen, wie mir "I Am Legend" gefallen hat... nö, besser nicht, wenn der Verschwender noch reingehen will)
I am Legend ist bei uns heute fest eingeplant, mangels Männer kompatiblen Alternativen;-) Ich schätze mal auf 80 Leinwände kommen wir hier im Ruhrgebiet auch locker. Das Problem hier ist eigentlich, daß es keinen Dienst im Web gibt, der wirklich alle Angebote listet. Das ist schon ein wenig traurig. Kirchturmdenken ist in der Region trotz der nach außen hin offiziell dargestellten "Wir" Mentalität immer noch die größte Bremse, auch im kulturellen Bereich. Da bleiben soviele mögliche Synergien auf der Strecke, eigentlich unglaublich. Aber das ist ein anderes Thema.
AntwortenLöschen@tumulder: Weiß ja nicht wo genau du wohnst, aber probier es doch mal mit http://www.meinestadt.de/deutschland/kino, vielleicht findest du ja dort ein entsprechendes Kino in deiner Umgebung :)
AntwortenLöschen@therudi
AntwortenLöschenDanke für den Link. Der war mir natürlich bekannt. Ich habe auch schon ein Kino in meiner Nähe gefunden. Nur ist der Aufwand für die Suche natürlich größer als wenn ich das Kinoprogramm für eine einzelne Stadt durchforste. 11 kreisfreie Städte, 4 Kreisstädte mit 42 Gemeinden. Da geht schon mal die eine oder andere Info unter;-)
sollte den film wohl als lieberhaber von "the life saquatic" wohl doch noch im kino mitnehmen, wenn ich mir so Deinen text durchlese.
AntwortenLöschen@marcus: Tu das, es wird sich für dich lohnen!
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