26. September 2009

Up

Squirrel!

Wenn es um Pixar geht, kann man immer ganz gut die nackten Zahlen sprechen lassen. Von wegen über 4,5 Milliarden Dollar Gesamteinspiel und so. Das ist in etwa genauso beeindruckend wie die vier Oscars als bester Animationsfilm, die Andrew Stanton und Brad Bird für das Studio bisher gewinnen konnten (den Ehrenoscar für Toy Story nicht mit eingerechnet). Sowas animiert jemanden wie Jack Black bei den diesjährigen Academy Awards schon einmal, Späße auf Kosten des eigenen (in diesem Fall ist es DreamWorks Animation) Studios zu führen. Pixar ist also durchaus eine Macht in der Branche, da braucht man nicht drumherum reden. Jedes Jahr kommt ein neues Abenteuer heraus und seit 2001 wurde auch jeder der Filme für den Animationsfilm-Oscar nominiert. Dass dies bei Up ebenfalls so sein dürfte, ist wohl gesichert. Schließlich ist Up der erfolgreichste Pixar seit Finding Nemo und damit der Zweiterfolgreichste überhaupt.

Die Regie führt dieses Mal jedoch weder Andrew Stanton noch Brad Bird und schon gar nicht Ur-Vater John Lasseter. Pete Docter darf sich nach Monster Inc. erneut als Regisseur eines von Pixars abendfüllenden Abenteuer versuchen. Dabei beschreitet das Studio in diesem Jahr etwas neue Pfade, ist der Hauptprotagonist in Up weder ein Spielzeug, noch ein Fisch, ein Auto oder ein Roboter. Es ist ein Opa oder nennen wir ihn lieber Rentner, weil er selbst keine Nachkommen hat. Ein alter Mann also, der nun zwar für Kinder nichts vollkommen Fremdes ist, aber auch nichts so Aktives wie man es bisher vom Studio gesehen hat. Erneut sind es die ersten Minuten, die sich wohl eher an die Großen denn die Kleinen richten. Kam Wall•E zu Beginn noch wie ein Stummfilm daher, so widmet sich Up der Liebesbeziehung zwischen Carl und Ellie. Nach dem kurzen Zusammentreffen in der Kindheit begleitet Docter das Paar von der Hochzeit, bis hin zur Fehlgeburt und schlussendlich Ellies Tod.

Heirat? Kinder? Fehlge-was? Tod? Alles nicht gerade Themen, die auf dem Tagesplan der Zielgruppe stehen. Eher schon das inhaltliche Bonbon für ihre Begleitung, ihre Eltern. Dabei natürlich irgendwie auch über-konservativ, wenn sich Ellie und Carl im Kindesalter begegnen und fortan ihr Leben lang – bis dass der Tod sie scheidet – nicht mehr von der Seite des Anderen weichen. Dabei bildet Ellies Tod letztlich nur die Prämisse des Films, waren Beide doch als Kinder Fans des Abenteurers Charles Muntz und dessen Expedition nach Südamerika. Ein halbes Jahrhundert später wurde jedoch nichts aus dem großen Traum, es Muntz gleich zu tun. Und weil Carls Haus einem Bürokomplex weichen soll, gibt es für den rüstigen Rentner und ehemaligen Ballonverkäufer nun auch kein Halten mehr. Sprichwörtlich. Über Nacht werden Tausende Ballons am Haus befestigt und im Morgen beginnt dann die Reise gen Süden. Das letzte große Abenteuer. Beziehungsweise das erste große Abenteuer.

Mit einem Rentner auf die Reise gehen ist nun wahrscheinlich nicht das Interessanteste für Kinder, zumindest wenn sie sich primär in diesen alten Mann hineinversetzen sollen. Deswegen braucht er einen jungen Sidekick, der hier vom Pfadfinder Russell gegeben wird. Russell ist Asioamerikaner, was man ihm zwar irgendwie ansieht bzw. es mutmaßt, wenn man es nicht vorher bereits wusste, was jedoch auch nicht so deutlich ist, dass es einem nun ins Auge springt. Es scheint so als sei Russell gemeinsam mit der im Dezember kommenden Prinzessin Tiana Disneys neue politisch korrekte Neuerfindung. Was natürlich nur begrüßenswert ist, bedenkt man, dass in 30 Jahren die Kaukasier in den USA ohnehin die Minderheit darstellen werden. Russell ist also der abenteuerlustige Sidekick des zwar immer noch abenteuerlustigen, aber doch auch sehr mürrischen Misanthropen Carl. Alsbald führt ihr Weg dann auch nach Südamerika, doch das Ende ihrer Reise stellt eigentlich erst den Anfang ihres Abenteuers dar.

Könnte und sollte man meinen, doch Docter enttäuscht das Publikum. Als MacGuffin wird ein übergroßer und nerviger Paradiesvogel eingeführt, der nur noch von Dug, einem sprechenden Hund, überboten wird, während dieser wiederum erträglicher erscheint als die anderen sprechenden Hunde. Muntz betritt die Bühne als Abenteurer, der seit einem halben Jahrhundert versucht, jenen Paradiesvogel zu fangen, dessen Existenz die Wissenschaft seit jeher angezweifelt hat. Die Tatsache, dass er seinen Hunden Halsbänder angefertigt hat, die deren Gedanken Worte verleiht, zeugt wohl eindringlich von seiner Einsamkeit, die er verspüren muss. Und des Wahnsinns, der damit einhergegangen ist. Wie Ahab hinter seinen weißen Wal ist Muntz ohne Rücksicht auf menschliche Verluste hinter dem Vogel her, den Russell – ob seiner nervtötenden Art treffend – Kevin genannt hat. Für Carl heißt es fortan altruistisch zu handeln, anstatt nur seine eigenen Interessen zu verfolgen. Und somit auch endlich das Abenteuer zu leben, dessen er sich stets verweigert hat.

Das Problem von Up ist, dass das spannender klingt als es im Endeffekt ist. Denn die Handlung in Südamerika offenbart sich als ziemlich dünn, besteht sie doch nur aus ein, zwei Sequenzen. Diese wiederum versuchen sich darin, möglichst effizient Witze zu reproduzieren, die eine halbe Stunde zuvor noch gewirkt haben. Wie der Eichhörnchen-Gag oder das verstellte Halsband von Dobermann Alpha. Dass die Ideen wiederholt recycelt werden zeugt von der Ideenarmut, die Up heimgesucht hat. Es ist kein wirkliches Tempo drin in der Geschichte und eine besondere Moral am Ende von dieser auch nicht. Zwar weist der Film einige nette und manche ergreifende Einstellung auf, so zum Beispiel Ellies letzter Eintrag in ihr Abenteuertagebuch, aber dies vermag Up leider nicht über seine Laufzeit über Wasser zu halten. Zu uninspiriert ist die Handlung, die Muntz’ Reintegration mehr als deutlich ankündigt und damit weit weniger zu überraschen weiß als Syndromes „Enthüllung“ in The Incredibles.

Insofern will das unausgegorene Drehbuch nicht wirklich funktionieren, da es an einer Handlung wenig bis nichts zu bieten hat, die Witze an einer Hand abzählbar sind und anschließend nur wiederholt werden. Hinzu kommen dann so nervige Nebenfiguren wie Kevin, Dug und die übrigen Hunde, während eine Figur wie Muntz eigentlich überhaupt keinen tieferen Blicks gewürdigt wird. Schon alleine die Reaktion von Russell auf seinen Namen sollte beispielsweise ein Anstoß dafür sein, dass selbst sein Fang eines lebenden Paradiesvogels für die Wissenschaft unerheblich ist. Von der Tatsache, dass er in 50 Jahren nicht im Stande war einen der Vögel zu fangen, dafür aber gut zwei Dutzend Hunden ein sprechendes Halsband zu basteln ganz zu Schweigen. Vieles wirkt in Up zu gezwungen, den Plot voranzutreiben, anstatt sich in dem, was man zu erzählen versucht, mit Detailversessenheit zu verlieren. Die Hingabe eines Brad Bird aus Ratatouille ist hier nur in den wenigsten Einstellungen zu spüren.

Im Vergleich zu anderen Pixars will auch die visuelle Umsetzung nicht immer gefallen. Von anatomischen Besonderheiten wie Carls Kopf, der fast so groß ist wie Russell als vollständige Person soll dabei weit weniger die Rede sein, wie grafischen Schwachpunkten, z.B. Kevins Gefieder. Das hat man bei Pixar schon besser gesehen – man denke nur an den vom Blitz getroffenen Emile – und kennt man auch vom Studio besser. Auch das Potential des südamerikanischen Dschungels wurde nicht vollends ausgeschöpft. Insgesamt kommt das neueste Abenteuer des Animationsriesen reichlich enttäuschend daher und erinnert in seiner Gesamtheit eher an schwächere Filme wie Cars oder A Bug’s Life. An Stanton, insbesondere jedoch Bird, weiß Docter, der mit Monster Inc. ein beachtliches Debüt gegeben hat, noch nicht heranzureichen. Angesichts der Planungen von Pixar für die kommenden Jahre, sollte allerdings schon 2010 mit Toy Story 3 wieder ein veritabler Hit ins Haus stehen.

Des Weiteren lässt sich sagen, dass sich die Präsentation des Films in 3D zu keinem Zeitpunkt auszahlt. Was bei Coraline zumindest hier und da noch zur phantasievollen Erzählung der Geschichte beizutragen wusste, wird hier vollkommen außer Acht gelassen. Dass der Film überhaupt in 3D daherkommt, sieht man diesem nur gelegentlich etwas an, eine Rechtfertigung für die neue Technik, geschweige denn für den gut 30-prozentigen Aufschlag, liefert Up jedoch in keiner einzigen Einstellung. Ähnlich verhält es sich mit der deutschen Synchronisation, bei der lediglich Maximilian Belle als Russell überzeugen kann, während Karlheinz Böhm mitunter vollkommen untergeht. Im Endeffekt lässt sich konstatieren, dass Up zwar nicht groß hinter Animationsfilmen anderer Studios zurücksteht, sich aber den Zusatz, ein Pixarprodukt zu sein, nicht wirklich verdient. Zum Glück machte es The Princess and the Frog im Dezember da besser.

5.5/10

6 Kommentare:

  1. Pete Docter war auch bei der Monster AG schon "Chef-Regisseur". Außerdem ist das Zitat unter dem ersten Bild falsch. Im Original heißt es "Squirrel", nicht "Cat".

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  2. Habe ich vorgestern geschaut, allerdings nicht in 3D. Sicherlich auch nicht mein Favorit von Pixar aber immer noch ein netter Film.

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  3. @Anonym: Danke. Das mit Katze/Eichhörnchen hatte ich sogar irgendwo gelesen, aber scheinbar anschließend wieder vergessen.

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  4. flo, das mit dem 3D kam erst hinterher, als die Geschichte schon erste Formen annahm. In den ersten Phasen gab es den Vogel, dafür Russel nicht. Ich schätze, dass der Film für ein erwachseneres Pubilkum gemacht wurde, und nur für die Familientauglichkeit Russel und sprechende Hunde eingeführt wurden. Mir hat der Film sehr gut gefallen, die Moral und die sehe ich groß geschrieben, ist auch drin. Na ja, darauf gehe ich in meiner eigenen Besprechung dann mal ein ;)

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  5. Was die Drehbuchschwächen angeht, kann ich dir nur beipflichten. Auch ich sehe ein deutliches Gefälle im Film selbst: es geht sehr gut los - eben mit einem Schmankerl für die Erwachsenen - und stürzt dann ab. Was die Qualität der Animationen angeht, vermochte ich aber keine Defizite zu entdecken...

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  6. Mal wieder keine Ahnung, der Herr Lieb. =) CARS war großartig. UP war ein schöner Film, den ich doch etwas höher einstufen würde, auch wenn Du die Schwächen bezüglich des Drehbuchs schon richtig aufzeigst. Irgendwie habe ich mich dennoch ganz gut unterhalten gefühlt.
    Und das Intro hat mich schon schwer begeistert, war etwas womit ich in einem solchen Film gar nicht gerechnet hatte und mich doch etwas mitgenommen hat (trotz erzkonservativer Grundeinstellung)

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