A thing of beauty is a joy for ever.
(John Keats, Endymion)
Kritiken können vernichtend sein. Das merkt jeder, der im Auge der Öffentlichkeit steht. Egal ob Politiker, Restaurantkoch oder Filmemacher. Mitunter werden auch negative Kritiken zu Künstlern und Werken abgegeben, die den Wert ihres Kritikobjektes einfach nicht einschätzen können oder konnten. Weil jenes Werk seiner Zeit voraus war oder weil die Zeit erst später eine Zuordnung erfuhr. So wurde Endymion, ein Gedichtband des englischen Dichters John Keats (1795-1821) bei seiner Veröffentlichung 1818 von einigen Kritikern als „Schwärmerei“ abgetan. Und das war noch höflich ausgedrückt, wenn andere es gar als „unbeirrbar sabbernden Schwachsinn“ titulierten. Keats wurde somit zu Lebzeiten nicht sonderlich geschätzt und als er 1821 wie seine beiden Brüder an Tuberkulose starb, war er im Glauben geblieben, als Dichter versagt zu haben. Heute gilt er als einer der wichtigsten Vertreter der Romantik.
Die neuseeländische Regisseurin Jane Campion machte sich mit Bright Star daran, dem britischen Poeten ein filmisches Denkmal zu setzen. Beziehungsweise weniger ihm, als seiner Liebe zu Fanny Brawne - dem sprichwörtlichen Mädchen von nebenan. Im Sommer 1818 bewohnten John Keats (Ben Whishaw) und Fanny Brawne (Abbie Cornish) jeweils eine Wohnhaushälfte von Wentworth Place in Hampstead, nördlich von London. Der mittellose Keats war hierbei Gast seines Freundes und Förderers Charles Armitage Brown (Paul Schneider), wurden seine Gedichte doch nur von seinen Freunden und Bekannten geschätzt. Bright Star, benannt nach einem von Keats’ letzten Gedichten, widmet sich nun zwei Stunden lang der langsam entspinnenden und bis zu Keats’ Tode währenden Liebe zwischen ihm und Fanny. Eine Liebe, die eher argwöhnisch von ihrer Mutter (Kerry Fox) und Brown betrachtet wird. Wo Letzterer in Fanny eine Ablenkung für Keats’ lyrische Ergüsse sieht, will Fannys Mutter ihre Tochter nicht an einen Mann ohne Einkommen abgeben.
Dabei baut die Geschichte keine wirklichen Schranken für die junge Liebe. Im Gegenteil, Keats ist gern gesehener Gast im Hause Brawne und versteht sich mit allen Familienmitgliedern blendend. Er wird als Künstler wahrgenommen und auch mit gebührendem Respekt behandelt. Aber wie will sich ein Dichter, der sich nicht einmal selbst versorgen kann, um eine Frau und Kinder kümmern? Was selbst heute bisweilen noch ein Problem darstellt, war Anfang des 19. Jahrhunderts erst Recht ein solches. Als Keats dann auch noch krank wird, verschlechtern sich die Aussichten mehr und mehr. Campion widmet sich in ihrem neunten Spielfilm ausführlich diesem Auf und Ab in der Beziehung zwischen Keats und Fanny. Mit viel Liebe zum Detail lässt die Neuseeländerin die Liebe langsam wie eine Blume aufblühen, wenn Fanny plötzlich realisiert, dass sie sich in Keats verliebt hat. Hier platziert sie Szenen, die besonders authentisch die emotionalen Wogen und Stadien einer derart jungen Romanze einfangen.
Als Keats ihr lange und verliebte Briefe von seinem Sommerdomizil schreibt, fangen Fannys Geschwister Schmetterlinge für sie, die schließlich ihr blasses Schlafzimmer aufhellen. Nachdem von Keats ein anderes Mal jedoch nur ein paar Zeilen eintreffen, erfragt ihre kleine Schwester bei der Mutter ein Küchenmesser. Auf Nachfrage erfährt diese, dass ihre älteste Tochter sich damit die Pulsadern aufschneiden will. Bildhaft sind inzwischen auch die Schmetterlinge verstorben, die wie Relikte einer besseren Zeit schließlich vom Boden aufgekehrt werden müssen. Die große Stärke von Bright Star ist, dass Campion nicht versucht, diese Liebe zu verkitschen. Alles was der Zuschauer sieht, dürfte er selbst in seiner Jugend und Pubertät wohl mehr oder weniger ähnlich erlebt haben. Wenn jedes Wort des oder der Liebsten wie ein Sonnenstrahl im kalten Winter aufgesogen wird und Campion beim Eintreffen des ersten und lang erwarteten Briefes Cornish diesen an ihr Herz gepresst die Treppen hoch tragen lässt.
Die Liebe dieser zwei Figuren fühlt sich nicht authentisch an, weil es diese Liebe vor 190 Jahren tatsächlich gegeben hat, sondern weil Campion sie glaubhaft auf die Leinwand bannt. Hinzu kommt dann noch, dass die Chemie zwischen Whishaw und Cornish in nahezu jeder Szene stimmt. Eingebettet in die Szenerie dieses period pieces wird man schließlich als Zuschauer von der blassen Schönheit dieses Filmes verzaubert. Sechzehn Jahre nach ihrem Meisterwerk The Piano schafft Campion es, sich wieder zurück zu melden und einen neuen Akzent zu setzen. Ihre Hingabe zu diesem Projekt merkt man schon allein daran, dass sie sich nicht gescheut hat, für die Schlusseinstellung des Filmes, die nur wenige Sekunden dauert, tatsächlich nach Rom zu fliegen, um dort vor Ort zu drehen. Somit ist Bright Star ein Film der von Hingabe handelt und auch mit solcher umgesetzt wurde. Gebührend ausgeleitet mit dem Abspann, unter den Campion nicht wie sonst üblich Musik gelegt hat, sondern Whishaw aus dem Off eines von Keats’ Gedichten aufsagt.
Dabei ist Bright Star aber nicht nur Herzschmerz, sondern weiß auch an den nötigen Stellen durch kleine humoristische Auflockerungen zu gefallen. Zudem fängt Campion auch äußerst gelungen die Atmosphäre der damaligen Zeit ein. Gedichte bestimmten den Alltag und bildeten die Unterhaltung, kanalisierten den Weltschmerz jener Epoche. Zwar umreißt Campion auch durchaus das Schaffen von Keats, doch spielt sich dies eher im Hintergrund der Geschichte ab. Vordergründig ist ihr Film ein cineastisches Sonett auf die Liebe und in seiner Art und Form ein Liebesfilm, wie man ihn schöner in den letzten Jahren wohl kaum zu Gesicht bekommen hat. Nach Flops wie In the Cut meldet sich Campion - eine von drei Frauen, die für ihre Regiearbeit mit einer Oscarnominierung bedacht wurden - eindrucksvoll zurück und knüpft in gewisser Hinsicht da an, wo sie vor 16 Jahren mit The Piano aufgehört hat. In einer Szene des Filmes meint Keats, wenn die Muse den Dichter nicht von selbst findet, wäre es besser, sie finde ihn gar nicht. Insofern ist es erfreulich, dass Jane Campion scheinbar wieder von ihrer Muse gefunden wurde.
8.5/10
(John Keats, Endymion)
Kritiken können vernichtend sein. Das merkt jeder, der im Auge der Öffentlichkeit steht. Egal ob Politiker, Restaurantkoch oder Filmemacher. Mitunter werden auch negative Kritiken zu Künstlern und Werken abgegeben, die den Wert ihres Kritikobjektes einfach nicht einschätzen können oder konnten. Weil jenes Werk seiner Zeit voraus war oder weil die Zeit erst später eine Zuordnung erfuhr. So wurde Endymion, ein Gedichtband des englischen Dichters John Keats (1795-1821) bei seiner Veröffentlichung 1818 von einigen Kritikern als „Schwärmerei“ abgetan. Und das war noch höflich ausgedrückt, wenn andere es gar als „unbeirrbar sabbernden Schwachsinn“ titulierten. Keats wurde somit zu Lebzeiten nicht sonderlich geschätzt und als er 1821 wie seine beiden Brüder an Tuberkulose starb, war er im Glauben geblieben, als Dichter versagt zu haben. Heute gilt er als einer der wichtigsten Vertreter der Romantik.
Die neuseeländische Regisseurin Jane Campion machte sich mit Bright Star daran, dem britischen Poeten ein filmisches Denkmal zu setzen. Beziehungsweise weniger ihm, als seiner Liebe zu Fanny Brawne - dem sprichwörtlichen Mädchen von nebenan. Im Sommer 1818 bewohnten John Keats (Ben Whishaw) und Fanny Brawne (Abbie Cornish) jeweils eine Wohnhaushälfte von Wentworth Place in Hampstead, nördlich von London. Der mittellose Keats war hierbei Gast seines Freundes und Förderers Charles Armitage Brown (Paul Schneider), wurden seine Gedichte doch nur von seinen Freunden und Bekannten geschätzt. Bright Star, benannt nach einem von Keats’ letzten Gedichten, widmet sich nun zwei Stunden lang der langsam entspinnenden und bis zu Keats’ Tode währenden Liebe zwischen ihm und Fanny. Eine Liebe, die eher argwöhnisch von ihrer Mutter (Kerry Fox) und Brown betrachtet wird. Wo Letzterer in Fanny eine Ablenkung für Keats’ lyrische Ergüsse sieht, will Fannys Mutter ihre Tochter nicht an einen Mann ohne Einkommen abgeben.
Dabei baut die Geschichte keine wirklichen Schranken für die junge Liebe. Im Gegenteil, Keats ist gern gesehener Gast im Hause Brawne und versteht sich mit allen Familienmitgliedern blendend. Er wird als Künstler wahrgenommen und auch mit gebührendem Respekt behandelt. Aber wie will sich ein Dichter, der sich nicht einmal selbst versorgen kann, um eine Frau und Kinder kümmern? Was selbst heute bisweilen noch ein Problem darstellt, war Anfang des 19. Jahrhunderts erst Recht ein solches. Als Keats dann auch noch krank wird, verschlechtern sich die Aussichten mehr und mehr. Campion widmet sich in ihrem neunten Spielfilm ausführlich diesem Auf und Ab in der Beziehung zwischen Keats und Fanny. Mit viel Liebe zum Detail lässt die Neuseeländerin die Liebe langsam wie eine Blume aufblühen, wenn Fanny plötzlich realisiert, dass sie sich in Keats verliebt hat. Hier platziert sie Szenen, die besonders authentisch die emotionalen Wogen und Stadien einer derart jungen Romanze einfangen.
Als Keats ihr lange und verliebte Briefe von seinem Sommerdomizil schreibt, fangen Fannys Geschwister Schmetterlinge für sie, die schließlich ihr blasses Schlafzimmer aufhellen. Nachdem von Keats ein anderes Mal jedoch nur ein paar Zeilen eintreffen, erfragt ihre kleine Schwester bei der Mutter ein Küchenmesser. Auf Nachfrage erfährt diese, dass ihre älteste Tochter sich damit die Pulsadern aufschneiden will. Bildhaft sind inzwischen auch die Schmetterlinge verstorben, die wie Relikte einer besseren Zeit schließlich vom Boden aufgekehrt werden müssen. Die große Stärke von Bright Star ist, dass Campion nicht versucht, diese Liebe zu verkitschen. Alles was der Zuschauer sieht, dürfte er selbst in seiner Jugend und Pubertät wohl mehr oder weniger ähnlich erlebt haben. Wenn jedes Wort des oder der Liebsten wie ein Sonnenstrahl im kalten Winter aufgesogen wird und Campion beim Eintreffen des ersten und lang erwarteten Briefes Cornish diesen an ihr Herz gepresst die Treppen hoch tragen lässt.
Die Liebe dieser zwei Figuren fühlt sich nicht authentisch an, weil es diese Liebe vor 190 Jahren tatsächlich gegeben hat, sondern weil Campion sie glaubhaft auf die Leinwand bannt. Hinzu kommt dann noch, dass die Chemie zwischen Whishaw und Cornish in nahezu jeder Szene stimmt. Eingebettet in die Szenerie dieses period pieces wird man schließlich als Zuschauer von der blassen Schönheit dieses Filmes verzaubert. Sechzehn Jahre nach ihrem Meisterwerk The Piano schafft Campion es, sich wieder zurück zu melden und einen neuen Akzent zu setzen. Ihre Hingabe zu diesem Projekt merkt man schon allein daran, dass sie sich nicht gescheut hat, für die Schlusseinstellung des Filmes, die nur wenige Sekunden dauert, tatsächlich nach Rom zu fliegen, um dort vor Ort zu drehen. Somit ist Bright Star ein Film der von Hingabe handelt und auch mit solcher umgesetzt wurde. Gebührend ausgeleitet mit dem Abspann, unter den Campion nicht wie sonst üblich Musik gelegt hat, sondern Whishaw aus dem Off eines von Keats’ Gedichten aufsagt.
Dabei ist Bright Star aber nicht nur Herzschmerz, sondern weiß auch an den nötigen Stellen durch kleine humoristische Auflockerungen zu gefallen. Zudem fängt Campion auch äußerst gelungen die Atmosphäre der damaligen Zeit ein. Gedichte bestimmten den Alltag und bildeten die Unterhaltung, kanalisierten den Weltschmerz jener Epoche. Zwar umreißt Campion auch durchaus das Schaffen von Keats, doch spielt sich dies eher im Hintergrund der Geschichte ab. Vordergründig ist ihr Film ein cineastisches Sonett auf die Liebe und in seiner Art und Form ein Liebesfilm, wie man ihn schöner in den letzten Jahren wohl kaum zu Gesicht bekommen hat. Nach Flops wie In the Cut meldet sich Campion - eine von drei Frauen, die für ihre Regiearbeit mit einer Oscarnominierung bedacht wurden - eindrucksvoll zurück und knüpft in gewisser Hinsicht da an, wo sie vor 16 Jahren mit The Piano aufgehört hat. In einer Szene des Filmes meint Keats, wenn die Muse den Dichter nicht von selbst findet, wäre es besser, sie finde ihn gar nicht. Insofern ist es erfreulich, dass Jane Campion scheinbar wieder von ihrer Muse gefunden wurde.
8.5/10
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen