9. Februar 2008

Scrubs - Season One

How you like me now, bitch?

Die erste Staffel einer neuen Serie wird schnell zum „make or break“-Jahr, wenn die entsprechenden Quoten ausbleiben. Dabei gibt es für diese scheinbar keine feste Formel. Wo eine Sitcom wie das US-Pendant zu The Office mit lediglich 5,4 Millionen Zuschauern eine Verlängerung erfuhr, musste die von zwei Millionen Amerikaner weniger gesehene Serie Better Off Ted vor zwei Jahren um eine Fortsetzung bangen (und wurde inzwischen eingestellt). Vorbei die Zeiten, in denen Friends von jedem zehnten US-Bürger gesehen wurde. Als Bill Lawrence im Jahr 2001 seine Krankenhaus-Sitcom Scrubs startete, war er davon überzeugt, keine Show-Verlängerung zu erhalten. Am Ende sahen 11,2 Millionen Menschen jene Sitcom, die inzwischen Kult-Status erreicht hat. Eine Scheidungskind-Serie, wenn man so will, wurde sie doch sieben ihrer neun Jahre auf NBC ausgestrahlt, aber von ABC produziert. Eine Sitcom, die wie keine Zweite wusste, Pop-Kulturelles zu verwerten und pop-kulturell zu sein.

Sinnbildlich für die ganze Serie steht dabei die Pilotfolge My First Day. Der Zuschauer lernt John Dorian (Zach Braff) kennen, der auf den Spitznamen „J.D.“ hört. Gemeinsam mit seinem College- und Medizinschul-Kumpel Chris Turk (Donald Faison) beginnt er sein erstes Assistenzjahr am Sacred Heart Hospital. An jenem ersten Tag lernt er zugleich die Menschen kennen, die sein kommendes Jahr bestimmen werden. Den exzentrischen Janitor (Neil Flynn), der zu seinem Erzfeind mutieren wird (“Did you stick a penny in there?”) oder die warmherzige Krankenschwester Carla (Judy Reyes). Ebenso wie seine narzisstischen Vorgesetzten, Dr. Kelso (Ken Jenkins) und Dr. Cox (John C. McGinley). Insbesondere seine Kollegin Elliot Reid (Sarah Chalke), mit der er im Folgenden nicht nur Hochs sondern auch Tiefs durchleben wird. Aus beruflicher Sicht geht es für J.D. jedoch darum, dem Krankenhausalltag standzuhalten. Dies betrifft nicht nur das medizinische Einmaleins, sondern auch den Umgang mit dem Tod.

Im Vergleich zu späteren Staffeln geben sich die ersten 24 Folgen sehr viel realistischer und dramatischer, ohne dabei jedoch bierernst zu sein. Das Einbetten von Braffs Protagonist in diese Welt von Krankheit und Tod geschieht stückweise und mit Fingerspitzengefühl. So hat J.D. bereits an seinem ersten Tag einen toten Patienten zu beklagen, in der vierten Episode My Old Lady wiederum muss er das akzeptierte Sterben einer Patientin hinnehmen, die ihm ans Herz gewachsen ist. Der unterschwellig seriöse Ton geht zu Beginn von Scrubs sogleich weiter. Im Höhepunkt der ersten Staffel manifestiert My Super Ego die perfekte Durchwanderung des schmalen Grates zwischen Humor und Tragik. Es ist Sean Hayes (Will & Grace) in einer Gastrolle als Assistenzarzt Nick Murdoch, der angesichts der Todesrate im Krankenhaus und der mitunter herrschenden Hilflosigkeit der Ärzte an den An- und Herausforderungen des Berufes scheitert. Die Emotionalität des Berufs spielt in Scrubs eine große, fast eigene Rolle.

Trotz allen Ernstes stehen jedoch der Witz und Humor im Vordergrund des Geschehens. Scrubs fokussiert sich singulär auf die Figur von J.D., was sich dadurch ausdrückt, dass der Zuschauer die Welt von Sacred Heart mit den Augen von Braffs Figur erlebt. Verstärkt wird dieses Gefühl noch durch die der Serie innewohnenden Erzählstimme des Hauptprotagonisten, die sich durch ihre unwahrscheinliche Authentizität auszeichnet. Selten gibt es die Möglichkeit, ein derart gelungenes Voice-Over mitzuerleben, welches auch noch innerhalb der Show referiert wird (“You’re still talking to yourself?”, fragt sein Vater zum Beispiel J.D.). Neben dem klassischen Dialoghumor lebt die Sitcom von Slapstick-Einlagen sowie Vignetten als Tagträume, primär die von J.D. Diese treten in den meisten Fällen dann auf, wenn Klassikern wie Happy Days, A New Hope, The Incredible Hulk oder Fast Times at Ridgemont High eine Hommage erwiesen wird.

Neben Slapstick und Vignetten ist es besonders der Wortwitz, der Scrubs auszeichnet. “Who gets to tell us the symptoms of Ménière’s disease?”, fragt Dr. Kelso beispielsweise bei den morgendlichen Runden und richtet die Frage schließlich konkret an den schusseligen Doug (Johnny Kastl). “Can you use it in a sentence?”, presst dieser schließlich mit einem eingeschüchterten Lächeln hervor. Die Dialoge werden wechselweise von Naivität oder, weitaus prominenter, von Ironie, Sarkasmus und Zynismus gezeichnet. Dabei wären sie jedoch nur halb so gut, wenn sie nicht von dem exzellenten Ensemble präsentiert würden. Da Scrubs seinen Darstellern viel Raum zur Improvisation gibt – angeblich ging Flynn in die meisten Szenen spontan ohne Dialogzeilen hinein –, ist die stimmige Zusammensetzung umso beachtlicher. Kein Wunder, dass Brett Brenner und Debby Romano für ihr Casting eine Emmy-Nominierung erhielten.

Obschon jeder im Ensemble ohne Probleme besteht, sind es speziell Zach Braff und John C. McGinley, die hervorstechen. Der damals unbekannte Braff erlebte mit Scrubs seinen Durchbruch – ein Fakt, dessen er sich durchaus bewusst war, was sich in seiner Treue zu Serie bis in die neunte Staffel hinein ausdrückt. Auch McGinleys Karriere wurde wohl durch nichts mehr geprägt als seine Kult-Rolle des selbstverliebten Dr. Cox. Dass es Gastdarstellern wie Sean Hayes und John Ritter oder den später wiederholt auftretenden Nicole Sullivan, Scott Foley und Brendan Fraser gelingt, sich mühelos zu integrieren, spricht für den überzeugenden Charme dieser Serie. Wenn also im ersten Jahr noch nicht alles Gold ist, was glänzt, so ist dies zuvorderst noch dem Eingewöhnungsfaktor geschuldet, sowie eventuell auch der Tatsache, dass man befürchtete, keine Verlängerung für die zweite Staffel zu erhalten (dementsprechend heißt das Staffelfinale dann auch My Last Day als Gegenpol zum Piloten My First Day).

Von ein paar schwächeren Folgen abgesehen, ist neben My Super Ego auch My Fifteen Minutes besonders stark. Im Nachhinein ist es überraschend erfreulich, wie frühzeitig bereits Figuren wie Lloyd (Mike Schwartz) oder Jordan (Christa Miller) ihren Weg zur Serie fanden (Schwartz in der vierten, Miller in der sechsten Episode). Dass Scrubs zudem nicht nur Filme wie Nattevagten oder The Silence of the Lambs zitierte, sondern in seiner Form auch Pate stand für die vier Jahre später – ironischerweise auf ABC – laufende Drama-Serie Grey’s Anatomy, zeigt, welchen Stellenwert die Sitcom inne hatte. Dass sich auch nach Jahren und mehrfachen Sichtungen stets die Magie der ersten Stunde wiederfinden lässt, verdankt sich den Figuren, die einem über die Jahre ans Herz gewachsen sind. In diesem Sinne sei allen newbies der Serie gesagt: Welcome-To-The-Team Five!

8/10

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