Your lack of imagination saved our lives.
Es ist die vorletzte Folge einer Serie, die seit 1993 im amerikanischen Fernsehen lief und dabei dieses zwar nicht revolutioniert aber durchaus beeinflusst hat. „I’ve been working this unit for nine years now“, erzählt Special Agent Dana Scully (Gillian Anderson), „I’ve investigated nearly 200 cases“. Serienschöpfer Chris Carter und seine Produzenten rund um Vince Gilligan präsentieren in Sunshine Days diesen schönen Moment eines seriellen Kurzrückblicks, der sehr viel harmonischer und gelungener ausfällt, als das anschließende Serienfinale The Truth. Neun Jahre und 202 Folgen war es her, seit Dana Scully an die Seite von Special Agent Fox „Spooky“ Mulder (David Duchovny) versetzt wurde. Neun Jahre mit Höhen (die Staffeln 1, 2 und 6) und in Form der achten und neunten Staffeln auch Tiefen. In der siebten Staffel überschritt The X Files ihren Zenit und erfand sich nicht neu - zumindest nicht früh genug. Zu spät merkte man, dass man nichts mehr zu erzählen hatte oder sich etwas Neues einfallen ließ.
Das neunte Jahr ist eine Mulder-freie Zone. Abgesehen von fragmentarischen Bildern ist Duchovny weitestgehend abwesend, übernahm er zwar in William die Regie, blieb jedoch als Darsteller bis zum Serienfinale fern. Nothing Important Happened Today führt sein selbst auferlegtes Exil ein, da die Supersoldaten um Knowle Rohrer (Adam Baldwin) hinter ihm her seien. Und dabei bleibt es auch für die restlichen 18 Episoden, zumindest insofern sie nicht mythologischer Natur sind. Scully hingegen fokussiert sich auf die Erziehung ihres Sohnes William und ihrer neuen Aufgabe als medizinische Ausbilderin in Quantico. So sind es zuvorderst Special Agent John Doggett (Robert Patrick) und seine Partnerin Special Agent Monica Reyes (Annabeth Gish), inzwischen offiziell mit den X-Akten betraut, die sich mit Rohrer und Co. herumschlagen dürfen. Untergraben werden ihre Bemühungen innerhalb des Bureau von Deputy Director Alvin Kersh (James Pickens Jr.) und Assistant Director Brad Follmer (Cary Elwes), dem Ex-Freund von Monica Reyes.
Der Wechsel von der sechsjährigen Alien-Invasion und dem dazugehörigen Syndikat zu den Supersoldaten ist unsauberer und wenig nachvollziehbar. Denn dass das Syndikat nicht nur aus der Handvoll Männer besteht, die am Ende von One Son eliminiert wurden, sah man im Kinofilm. So gab sich bereits die siebte Staffel in allerlei Mulder-Wirren ziemlich planlos, ehe im Vorjahr die Supersoldaten peu a peu eingeführt wurden. Dass diese trotz allen Charmes von Adam Baldwin nur leidlich als Antagonisten funktionieren, zeigt sich in der Doppelepisode zum Auftakt. Auch in den weiteren Folgen, Trust No 1 sowie dem traditionellen Mittelstück Provenance/Providence und William, zeigt sich wie in den Jahren zuvor die Schwäche der mythologischen Handlungsstränge. Denn auch William kann wie die Supersoldaten keine Faszination ausüben, da seine Bedeutung selbst in William nie genügend erörtert wird (wieso muss Mulder zum Beispiel fliehen, während William in D.C. bleiben kann?).
Den Fehler, den Carter mit The X Files begangen hat, war die frühe Auflösung der Syndikatshandlung beziehungsweise die Fortführung der Geschichte nach jener Auflösung. Die Serie hätte einen Trennungsstrich gebraucht, ein neues Gesicht - nicht nur im Ensemble. Denn die Monster-of-the-Week-Episoden können immer noch überzeugen, wenn auch mal mehr und mal weniger. Es sind Folgen wie Lord of the Flies, die ob ihrer pop-kulturellen Anspielung (Teenager verfallen dem Jackass-Hype) und ihrer Besetzung (in diesem Fall: Aaron Paul, Jane Lynch, Samaire Armstrong und Erick Avari) gefallen. Dass sie nicht immer genauso funktionieren wie ihre früheren Pendants, liegt zum einen an ihrer unsauberen Ausarbeitung, aber natürlich auch an der Paarung Doggett-Reyes, die weniger Charme besitzen als ihre Vorgänger. Dies trifft hauptsächlich auf Annabeth Gish zu, deren Figur selbst in einer Folge wie Audrey Pauley wenig bis gar keine Sympathien erzeugt, was einem ihr Schicksal hier wie auch in Scary Monsters relativ egal macht.
Hinzu kommt noch, dass nun, da Mulder zum einen weg und zum anderen inzwischen als Partner Scullys etabliert ist, die Charaktere von Patrick und Gish in dieselbe Schablone gepresst werden. So thematisieren Folgen wie Audrey Pauley, Release und Sunshine Days die romantischen Gefühle zwischen den Beiden, derer sich speziell Doggett verwehrt. In Anbetracht der Tatsache, wie viel Zeit sich für die Mulder-Scully-Beziehung genommen wurde, kein sonderlich kluger Schritt, die neunte Staffel wie die Vorherigen aufzuziehen nur mit anderen Hauptfiguren. Dass Anderson diese in Geschichten wie Dæmonicus oder Improbable auch weiterhin an die Hand nehmen muss, zeugt umso mehr davon, dass es The X Files versäumt hat, sich in eine neue, Mulder- und Scully-freie Richtung zu entwickeln. So wirkt auch der Abschluss des Doggett’schen Traumas um dessen ermordeten Sohn in Release nicht minder gezwungen wie es bei Mulder und seiner Schwester in Closure der Fall gewesen ist.
Aber obschon aufgrund der diese Staffel auftretenden DTV-Qualität (besonders an den Effekten scheint man, wie in Scary Monsters zu sehen ist, gespart zu haben), des unglaublich hässlichen neuen Intros und der Vielzahl an unterdurchschnittlichen Folgen, versagt die neunte Staffel nicht vollständig. Mit Lord of the Flies oder Audrey Pauley gibt es Lichtblicke, zu denen auch Episoden wie John Doe, Sunshine Days oder Scary Monsters zählen. Speziell die Letztgenannte gefällt durch ihre kluge Einbindung von Doggetts Charakter sowie der Rückkehr von Special Agent Leyla Harrison (Jolie Jenkins), der lebenden X-Akten-Fibel. Gerade die Figur von Harrison ist ein gutes Beispiel für das verschenkte Potential, welches eine Neuerfindung der Serie hätte mit sich bringen können. Dennoch ist die Rückkehr von Jenkins wie auch ein letzter (erneuter) Auftritt von Terry O’Quinn nicht minder schön, wie ohnehin zumindest versucht wurde, in jeglicher Hinsicht mit einem reinen Gewissen abzutreten.
So kriegen die Lone Gunmen eine Einzelverabschiedung in Jump the Shark und eine letztmalige Integration neben X (Steven Williams), Marita Covarrubias (Lauren Holden), Gibson Praise (Jeff Gulka), C.G.B. Spender (William B. Davis) und Alex Krycek (Nicholas Lea) im Serienfinale The Truth. Dass sich dieses lediglich wie eine Best-Of-Clipshow anfühlt, fällt da kaum ins Gewicht. Die Stärken der neunten Staffel liegen ohnehin in der weiterführenden Tradition, ein Gespür für zukünftige „Losties“ zu haben (neben O’Quinn sind auch Alan Dale, Zuleikha Robinson und Michael Emerson von der Partie), sowie mit bekannten Gesichtern als Gaststars aufzuwarten. Cary Elwes ist dabei mit sechs Folgen fast schon Ensemblemitglied, während neben Lucy Lawless und James Remar besonders David Faustino (Sunshine Days) und Burt Reynolds Freude bereiten. Gerade Reynolds, dessen Auftritt als Gott in Improbable ein Vergnügen ist, umso passender, da es sich hierbei auch um die beste Episode der neunten Staffel handelt.
Sie braucht sich vor ihrer Konkurrenz der früheren Jahrgänge nicht zu scheuen und bildet zusammen mit 4-D den Höhepunkt dieser letzten Staffel. Mit The Truth hieß es schließlich Abschied nehmen von Figuren und Schauspielern, die einen neun Jahre lang - und auch darüber hinaus - begleitet haben. Die man hat hadern und zweifeln, ihre Skepsis aufgeben, Hoffnung gewinnen und ineinander verlieben sehen. Es gab nicht auf alle Fragen eine Antwort, auch nicht im die neun Jahre rekapitulierenden Serienfinale. Was aus Armin Müller-Stahl und den genetischen Bienen in Tunesien wurde, wie Mulder je über das schwarze Öl und seine neurologische Alien-Krankheit hinweg kam, was Mulder und Scully während ihrer Obduktionen wirklich durchstehen mussten und welche Wege Figuren wie Alan Dales Toothpick Man oder Jeff Gulkas Gibson Praise nun nehmen würden - die Wahrheit hierauf, so würde es Mulder wohl sagen, liegt weiterhin irgendwo da draußen.
7/10
Immer diese Serien...
AntwortenLöschenJo, Serien sind 'ne feine Sache, die sind qualitativ inzwischen schon hochwertiger als Kinofilme :)
AntwortenLöschenDein Text liest sich in meinen Augen nicht wie eine 7/10, eher ein Punkt weniger. Und dann wäre dies einer der wenigen Momente gewesen, wo wir uns einig gewesen wären.
AntwortenLöschenAber so ist es halt nicht ;-)