4. Dezember 2010

Toy Story 3

This is where the magic happens.

Es gibt sie immer, die Vorreiter, die etwas Neues als Erste tun. Oder, wie im Fall von Blade, etwas Altbekanntem neues Leben verleihen. Holte der 1998er Vampir-Thriller von Stephen Norrington die Comics wieder ins Kino, war es drei Jahre zuvor John Lasseters Toy Story, der den Animationsfilm auf eine völlig neue Ebene hob und sein Studio Pixar zu einem der einträglichsten aller Zeiten machte. War Toy Story vor 15 Jahren der erste komplett per CGI kreierte Film, sind es inzwischen die 2D-Zeichentrickfilme, die zur Rarität wurden. Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht ein Studio ein CGI-Abenteuer in die Welt hinausschickt. Bevorzugt inzwischen in der dritten Dimension, wie Despicable Me, Megamind, How to Train Your Dragon und Konsorten zeigen.

Denn 3D ist das neue El Dorado, weshalb es sich auch Pixar nicht nehmen ließ, das Finale ihres Toy Story-Franchises als Toy Story 3D ins Rennen zu schicken. Der Lohn: Der (finanziell) erfolgreichste Animationsfilm aller Zeiten (insofern Avatar nicht zählt), mit einem Einspiel von über eine Milliarde Dollar. Pixar also wieder obenauf und wenig dürfte dem obligatorischen Academy Award im Wege stehen, der in Kalifornien meist nach Emeryville statt Glendale wandert. Denn Toy Story 3 folgt der Tradition des Studios, das liebevolle Charaktere in eine abenteuerliche und berührende Geschichte schickt, mit nahezu perfekter CGI erzählt. So verwundert es auch nicht, dass mit einem Jahrzehnt Abstand Toy Story 3 der beste Teil der Reihe ist.

Was Woody (Tom Hanks) in Toy Story 2 befürchtete, ist zu Beginn des dritten Teils längst eingetreten. Andy, nun ein Jugendlicher, der in wenigen Tagen ans College wechselt, spielt seit Jahren nicht mehr mit seinem Lieblingssheriff, Buzz Lightyear (Tim Allen) und dem übrigen Spielzeug. Die Sternenwände sind mit Postern überklebt, Handy und Laptop die neuen Unterhaltungsmedien. Doch Wegwerfen will Andy seine alten Sachen dann doch (noch) nicht. Stattdessen sollen Rex, Hamm, Slinky und Co. auf dem Dachboden eingelagert werden, doch nach einem Missverständnis spendet Andys Mutter das alte Spielzeug nach dessen Intervention nebst der Barbie (Jodi Benson) von Andys Schwester an die Kindertagesstätte Sunnyside.

In Toy Story 3 greift Regisseur und Co-Autor Lee Unkrich die bereits aus den Vorgängern bekannten Themen (Trennungsängste, Rettungsaktionen) wieder auf. Gegrämt von Andys Verhalten freuen sich Buzz und Co. darauf, in Sunnyside neue Spielpartner zu finden. Woody wiederum, der als Einziger mit Andy aufs College darf, appelliert an die Loyalität gegenüber ihrem Besitzer. Doch wie in Toy Story und Toy Story 2 wird die Gruppe versprengt. Woody landet bei einem gut erzogenen Mädchen mit Spiellaune, während seine Freunde in Sunnyside dem tyrannischen Teddybär Lotso (Ned Beatty) anheim fallen. Während sich Lotso, Ken (Michael Keaton) und einige Erlesene von reiferen Kindern knuddeln lassen, dient der Rest als Aggressionsableiter.

Bezeichnend, dass die beiden unterschiedlichen Räume dementsprechend in Caterpillar und Butterfly Room benannt sind. Der Wechsel nach Sunnyside und die erneute Trennung von Woody offeriert Pixar nun die Chance, ihr ganzes Talent zur Schau zu stellen. Dies wird bereits in dem actionreichen und enorm unterhaltsamen Intro deutlich, bleibt jedoch bis zum Finale aufrecht erhalten (wie in der exzellent animierten Mülldeponie-Szene). Toy Story 3 strotzt nur so vor makellosem CGI, sodass man bisweilen glaubt, Lotsos Naht sehen zu können. Auch eine Rückblende von ihm, die erklärt, wieso der einstige Knuddel- zum moralischen Schmuddelbär verkam, hebt sich in Sepiatönen schön vom restlichen farbenfrohen Geschehen ab.

Inhaltlich folgt das Studio dem Hollywood-Rezept der Wiederverwertung. So hebt sich die Handlung zwar von den anderen Teilen nicht ab, besticht jedoch durch das Angebot kreativer Ideen. Gerade der finale Ausbruchplan aus Sunnyside sprießt vor Einfallsreichtum, der nicht einmal ein Buzz im Spanischmodus torpediert. Hilfreich sind dabei auch die neuen Figuren, von denen Stretch (Whoopie Goldberg), Bookworm (Richard Kind) oder Buttercup (Jeff Garlin) nicht minder überzeugen, wie die etwas überpräsenten (und etwas redundanten) Ken und Lotso. Vermag Ken immerhin im kongenialen Duo mit Barbie zu gefallen, hätte man auf den pinken Teddybären gerade im dritten Akt auf der Mülldeponie auch gerne verzichten können.

Etwas schade ist, dass das Publikum von der Welt in Sunnyside nur sehr wenig mitbekommt. Der Butterfly Room verschwindet so schnell wie er kam und einmal im Caterpillar Room angekommen, lernen die Figuren und die Zuschauer von den dortigen Spielzeugen keines näher kennen. Es gibt niemand, der Buzz und Co. unter seine Fittiche nimmt, ihnen die Welt erklärt oder sie in diese einordnet. So wie zum Beispiel Buttercup es für Woody im Kinderzimmer des spielfreudigen Mädchens tut. Hier weicht Toy Story 3 etwas von der Formel der Vorgänger ab. Dort lernte Woody in Toy Story 2 Jessie (Joan Cusack) und Bullseye kennen, traf in Toy Story die Mutant Toys im Nachbarhaus von Sid. Solche Momente fehlen dieses Mal leider.

Genauso wie der Wandel von Lotso eine vertane Chance darstellt. Wo sich Unkrich die Zeit nimmt, der Figur einen tragischen Hintergrund zu schenken, versäumt es der Film, ihr am Ende die Möglichkeit auf Wiedergutmachung zu schenken. Angeblich wiesen auch Testzuschauer das Studio auf diese verfehlte Katharsis hin – was die Negierung umso überraschender macht. Eine etwas betrübliche Entscheidung angesichts des Umstandes, dass sich Toy Story 3 zuvorderst an Kinder richtet. Und so gelungen die Vielzahl der filmischen Referenzen auch ausfällt – von Terminator 2: Judgment Day über The Return of the Jedi und The Bridge on the River Kwai hin zu The Fellowship of the Ring und The Exorcist – wäre hier weniger mehr gewesen.

Ansonsten wird besonders das mögliche Ende der Spielzeuge in den Fokus gerückt, die alt und unbeachtet in ein „Heim“ abgeschoben werden und sich somit auch als Senioren lesen lassen. Toy Story 3 erzählt eine Geschichte von Liebe, die ab einem gewissen Punkt einseitig wurde, jedoch nur dem Kreislauf des Lebens folgte. Während manche wie Woody das Beste daraus machen, zerbrechen andere wie Lotso innerlich. Das aus den Augen aber nicht aus dem Sinn bedeutet, veranschaulicht das sehr berührende Finale, wenn nicht nur von Woody und Co. Abschied genommen wird, sondern auch von Toy Story. “I always wanted to go out with a bang”, sagte Mr. Potato Head zu Beginn. Unkrichs Film ist dies für das Toy Story-Franchise gelungen.

8/10

1 Kommentar:

  1. Oh herrliche Vorfreude! Sollte die Post nicht vor dem Schnee kapitulieren, dürfte die Blu-ray heute noch bei mir eintrudeln - und wenn selbst du so lobende Worte für einen Film hast, dann dürfte er meinen Erwartungen ja auf jeden Fall entsprechen :)

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