Obschon Pixar inzwischen das Monopol auf Zeichentrick-Meisterwerke inne hat, verbindet man diese seit jeher zu recht mit den Walt Disney Studios. Diese begannen ihren Siegeszug 1937 mit der Premiere von Snow White and the Seven Dwarfs, dem ersten Animationsfilm überhaupt nach einem Märchen der Gebrüder Grimm. Die Adaption von Märchen jeglicher Art, sei es aus dem zentraleuropäischen (Beauty and the Beast), skandinavischen (The Little Mermaid) oder arabischen (Aladdin) Raum, markierte speziell in den erfolgreichen neunziger Jahren das Erfolgsrezept des Studios. Umso passender also, dass Tangled, der 50. Animationsfilm aus dem Hause Disney, seine Herkunft erneut in einem grimm’schen Märchen findet.
Die grimm’sche Geschichte von Rapunzel und ihrem langen Haar, von den Brüdern 1812 niedergeschrieben, stammt ursprünglich aus Frankreich, wo sie 1698 festgehalten wurde. Disneys Adaption ist erwartungsgemäß sehr viel zeitgenössischer und freier geraten. In Tangled ist Rapunzel (Mandy Moore) eine in einem abgelegenen Turm gefangen gehaltene Prinzessin, deren Haar das Leben ihrer Entführerin, der alten Gothel (Donna Murphy), künstlich verlängert. Als der im Königreich gesuchte Dieb Flynn (Zachary Levi) auf der Flucht den Turm findet und erklimmt, verheddert er sich sprichwörtlich in Rapunzels Leben (daher der englische Filmtitel). Gemeinsam verlassen sie den Turm und beginnen ein großes Abenteuer.
Da Rapunzel nichts von ihrer eigentlichen Herkunft und Entführung weiß und sie den Turm in Abwesenheit von Gothel auch nur einen Tag verlassen will, um eine Prozession zu sehen, die ihre leiblichen Eltern jährlich vornehmen, gerät Tangled etwas komplexer als dies noch vor siebzig Jahren der Fall bei Disney gewesen sein mag. Grundsätzlich folgt der Film von seinem Aufbau her dem klassischen Prinzip des Studios (der Road Trip als Event, siehe auch The Princess and the Frog), in seiner Umsetzung ähnelt das Ganze jedoch weniger dem warmherzigen Humor von Disney und Pixar, sondern erinnert an den zotigen Schenkelklopfercharme solcher DreamWorks-Filme wie zum Beispiel Shrek 2 oder auch Over the Hedge.
Die beiden Regisseure Byron Howard und Nathan Greno, zuvor verantwortlich für den höchst vergnüglichen Bolt, punkten durch sympathische Figuren und pointierten Humor. Seien es die Augen- und Kopfbewegungen von Chamäleon Pascal oder der stolze Hengst Maximus, beide zählen zu den gewohnt exzellenten tierischen Sidekicks von Disney. Hinzu kommt der leicht narzisstische Flynn und die selbstbestimmte Rapunzel, die mit langem Haar und großen, grünen Augen nicht nur optisch junge Wildheit versprüht, sondern die mit Zachary Levi und Mandy Moore auch sehr gelungene Synchronstimmen erhielten. Speziell Levi weiß dank Chuck gekonnt durch Nuancen in der Stimme Humor zu erzeugen.
Tangled besitzt ausreichend Tempo in seiner Handlung, mehr als genug herzhaften Humor und Songs von Alan Menken, die bisweilen an The Little Mermaid erinnern (zum Beispiel „Mother Knows Best“), ohne jedoch derart im Gedächtnis hängen zu bleiben. Besonders weiß ein Maß an Selbstironie zu gefallen, dass in seiner fast schon „Vierte Wand“-artigkeit eher ungewöhnlich für einen Kinderfilm ist. Hier machen zudem auch die tertiären Figuren wie die Gebrüder Stabbington (Ron Perlman) Spaß, während der Film dank seiner hohen Farbenfreude zumindest den Eindruck erweckt, dass sich das 3D im Kino gelohnt haben könnte. Die Animation kann jedenfalls überzeugen - was sie angesichts ihrer Kosten auch sollte.
Denn diese belaufen sich in Höhe von 260 Millionen Dollar und machen Tangled nicht nur zum teuersten Animationsfilm aller Zeiten, sondern zugleich - Inflation nicht einberechnet - zum zweitteuersten Film, der je produziert wurde. Umso notwendiger schien daher der 3D-Effekt, um auf jeden Fall die Kosten wieder einzuspielen (in diesem Fall sogar mehr als das Doppelte). Nach dem etwas flachen, wenn auch sympathischen The Princess and the Frog übertrifft Disney erfreulicher Weise die Qualität von Bolt, der vor drei Jahren der erste wirklich gelungene Beitrag des Studios seit Lilo & Stitch war. Insofern ist Tangled nicht nur ein exzellenter Film, sondern auch ein mehr als würdiger 50. Beitrag aus dem Hause Disney.
8.5/10
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