Liest man heutzutage über Wolfgang Petersens The Perfect Storm – oder schlicht: Der Sturm –, werden meist zumindest die Effekte (sogar Oscar-nominiert) gelobt. Dabei gehört der Film nicht gerade zu den Filmen, deren Effekte die Zeit überdauern. Nun, anderthalb Jahrzehnte später, wirken sie wenig eindrucksvoll. Was sich leider über viel von The Perfect Storm sagen lässt. Petersens Rückkehr auf hohe See nach seinem Erfolg Das Boot beruht dabei auf dem fiktionalisierten gleichnamigen Buch von Sebastian Junger (Restrepo) nach einem wahren Vorfall, der sich im Herbst 1991 im Atlantik ereignet hat. Eine Geschichte also wie gemacht fürs Kino, sollte man zumindest meinen. Was aber natürlich noch keineswegs ein Selbstläufer ist.
Die Handlung spielt in Gloucester, Massachusetts, und dreht sich um die Crew der Andrea Gail, ein lokales Schwertfischfängerboot von Kapitän Billy Tyne (George Clooney). Mit einem moderaten Fang zurückkehrend und kurz vor dem Ende der Fangsaison stehend, wirken die Aussichten um Tyne und seine Männer wenig rosig. Weshalb der erfahrene Seebär eine erneute Ausfahrt beschließt, für einen letzten großen Fang. In der Folge verlässt die Andrea Gail immer weiter ihre üblichen Gewässer und entfernt sich über 900 Kilometer von ihrer Heimatküste. Was dann zum Problem wird, als nicht nur ein, sondern gleich zwei Stürme am Horizont erscheinen – und sich zum perfekten Sturm zusammenschließen. Mittendrin dabei: die Andrea Gail.
Besonders eindrucksvoll gerät der Beginn von The Perfect Storm, der sich Zeit für ökonomische Zustände und wirtschaftliche Zusammenhänge nimmt. Exemplarisch vorgeführt an der Auszahlungsszene nach dem letzten Fang, in der Mark Wahlbergs Fischeranfänger Bobby reklamiert, nur $2,221 rauszubekommen. Bei 21.000 Pfund Fisch mit $3.50 pro Pfund sei der Ertrag $73,000, rechnet ihm Bootsbesitzer Brown (Michael Ironside) vor. Abzüglich $35,000 für Köder, Benzin und Co. blieben rund $38,000 übrig, von denen Brown als Besitzer die Hälfte kriege. Der Kapitän erhalte doppelten Anteil, die vier Crew-Mitglieder einen vollen Anteil und Bobby als Anfänger 75 Prozent des vollen Anteils. “What it is is what it is”, so Brown lapidar.
Es sind harte Zeiten für Fischer, gerade dann, wenn man keine Beute macht. “You’re on a cold streak”, wirft Brown seinem Kapitän vor. Und droht an, diesen zu ersetzen. Tyne wiederum ist verzweifelt ob der Bestände vor der Küste. Er will jenseits der üblichen Gefilde fischen. “Don’t you think about it”, ist sich Brown des Risikos bewusst. Den Druck auf sich selbst gibt Tyne an seine Crew weiter, als er ihnen eröffnet, zwei Tage nach ihrer Ankunft wieder auf See fahren zu wollen. “You boys don’t want your site, a replacement’s a phone call away.” Wie er haben auch seine Männer keine echte Wahl. “We need the money”, stellt Bobby gegenüber Lebensgefährtin Christina (Diane Lane) klar. Schulden müssen abgebaut, Scheidungsanwälte bezahlt werden.
Sie alle kämpfen um ihre Existenz, müssen Scheidungsanwälte oder wie im Falle von Murphy (John C. Reilly) Alimente für ihre Kinder zahlen. Mehr schlecht als recht schlägt sich auch Sully (William Fichtner) durch, weshalb er widerwillig auf der Andrea Gail anheuert, trotz Animositäten mit Murphy. Eine halbe Stunde lang lässt Petersen sein Publikum diese Figuren atmen, von Bugsys (John Hawkes) verzweifelten Versuchen, während des kurzen Landaufenthalts irgendwie Sex zu haben, bis hin zur Spiegelung dessen, was dieses Leben für eine Familie bedeuten kann in den Figuren von Murphy und Bobby. Auch Tyne selbst musste familiäre Opfer bringen, ist jedoch generell merklich mehr in den Wellengängen und der salzigen Luft Zuhause.
Wir kennen nun den Großteil der Figuren – Allen Paynes Alfred Pierre als Ausnahme –, sind bereit, an ihrem Schicksal Anteil zu nehmen. Umso bedauerlicher, dass Petersen nun verstärkt Kurs auf die Kitsch-Küste nimmt. Nach der starken ersten halben Stunde wird der Zuschauer mit einem schnulzigen Voice-over von Christina gen See verabschiedet, wo Bobby und Tyne ein 0815-Expositions-Gespräch beginnen. Ironischerweise wird The Perfect Storm, je weiter er sich von der Küste Massachusetts entfernt, umso flacher. Gebeutelt von misslungenen Fängen und steigendem Frust an Bord der Andrea Gail zieht es das Schiff immer mehr nach Osten. Und Petersen – oder genau genommen Junger – wartet mit zwei Subplots als Füllmittel auf.
Während die Handlung der Andrea Gail zu diesem Zeitpunkt weitestgehend entschleunigt ist, braut weiter südlich Richtung Bermuda bereits der Sturm auf. In seinem Zentrum ein Segelboot mit drei Figuren (Bob Gunton, Karen Allen, Cherry Jones) in Seenot. Eine Truppe Rettungsschwimmer (u.a. Dash Mihok) macht sich auf den Weg, um die Segler zu retten. Das Problem ist, dass diese Figuren im Gegensatz zu den Mitgliedern der Andrea Gail keinerlei Einführung erhalten haben. Von den meisten erfahren wir nicht einmal die Namen. Unklar bleibt, wieso sich der Zuschauer um diesen anonymen Haufen scheren soll. Und auch das Hin- und Herschneiden zwischen Haupt- und Nebenplot gereicht – auch tonlich – keinem von beiden zum Vorteil.
Für die Einordnung der Situation wird zudem noch Christopher McDonalds Meteorologe eingeblendet (der sogar die Trailerträchtige Zeile “It would be… the perfect storm” murmeln darf) und auf Mary Elizabeth Mastrantonios Kapitänskollegin von Tyne geschnitten. Viel Exposition für einen Sturm, dessen Ausmaße für den Zuschauer ohnehin nicht wirklich zu begreifen sind. Wozu sie also ausführlich erläutern? Vergleichsweise machte Ridley Scott mit seinem Bootsdrama White Squall weitaus mehr mit sehr viel weniger. Auch was die Effekte und Dramaturgie angeht. Im Dunkel des Sturms und der Doppelung der Bilder der Andrea Gail und der Rettungsspringer verliert der Zuschauer bisweilen den Überblick, wo und bei wem er gerade ist.
Die Ursache liegt sicher auch in Jungers Vorlage, prinzipiell aber eher darin, dass The Perfect Storm ohne die Segler und Rettungsspringer weniger Drama bieten könnte. Mit den beiden Nebenhandlungen gerät der Film aber etwas unausgegoren, wenn einem die eine Hälfte der Figuren ans Herz wachsen und die andere nicht. Was nicht bedeutet, dass Clooney, Wahlberg und Co. große Schauspielkunst an den Tag legen. Gerade die Hauptdarsteller bleiben etwas blass, loben ließen sich noch am ehesten Reilly, Fichtner und Hawkes, die versuchen, aus wenig viel zu machen. Eindrucksvoller als das Ensemble ist da wohl – wie so oft der Fall – James Horners lebhafte Komposition, die Sehnsucht und Abenteuerdrang zugleich ausdrückt.
Streitbar gerät die dramaturgische Gestaltung des Schlussakts, wenn angetrieben von Tyne die Fischer ihren Fang über das Risiko des Sturms stellen, über den zumindest Tyne informiert ist. Clooneys sympathischer Person mag da über den sturen Wagemut seiner Figur hinwegtrösten, vollends überzeugen will das Finale von The Perfect Storm – auch mit seinen Schnitten zu Gloucester und den dortigen Figuren – aber nicht. Das Ergebnis ist somit durchwachsen, treibt der Film doch nach einem wirklich starken Anfang im Verlauf mehr und mehr vor sich hin. Sechs Jahre später sollte Wolfgang Petersen mit Poseidon nochmals ein See-Drama inszenieren. Und mit diesem wiederum seine Hollywood-Karriere bis heute versenken.
Die Handlung spielt in Gloucester, Massachusetts, und dreht sich um die Crew der Andrea Gail, ein lokales Schwertfischfängerboot von Kapitän Billy Tyne (George Clooney). Mit einem moderaten Fang zurückkehrend und kurz vor dem Ende der Fangsaison stehend, wirken die Aussichten um Tyne und seine Männer wenig rosig. Weshalb der erfahrene Seebär eine erneute Ausfahrt beschließt, für einen letzten großen Fang. In der Folge verlässt die Andrea Gail immer weiter ihre üblichen Gewässer und entfernt sich über 900 Kilometer von ihrer Heimatküste. Was dann zum Problem wird, als nicht nur ein, sondern gleich zwei Stürme am Horizont erscheinen – und sich zum perfekten Sturm zusammenschließen. Mittendrin dabei: die Andrea Gail.
Besonders eindrucksvoll gerät der Beginn von The Perfect Storm, der sich Zeit für ökonomische Zustände und wirtschaftliche Zusammenhänge nimmt. Exemplarisch vorgeführt an der Auszahlungsszene nach dem letzten Fang, in der Mark Wahlbergs Fischeranfänger Bobby reklamiert, nur $2,221 rauszubekommen. Bei 21.000 Pfund Fisch mit $3.50 pro Pfund sei der Ertrag $73,000, rechnet ihm Bootsbesitzer Brown (Michael Ironside) vor. Abzüglich $35,000 für Köder, Benzin und Co. blieben rund $38,000 übrig, von denen Brown als Besitzer die Hälfte kriege. Der Kapitän erhalte doppelten Anteil, die vier Crew-Mitglieder einen vollen Anteil und Bobby als Anfänger 75 Prozent des vollen Anteils. “What it is is what it is”, so Brown lapidar.
Es sind harte Zeiten für Fischer, gerade dann, wenn man keine Beute macht. “You’re on a cold streak”, wirft Brown seinem Kapitän vor. Und droht an, diesen zu ersetzen. Tyne wiederum ist verzweifelt ob der Bestände vor der Küste. Er will jenseits der üblichen Gefilde fischen. “Don’t you think about it”, ist sich Brown des Risikos bewusst. Den Druck auf sich selbst gibt Tyne an seine Crew weiter, als er ihnen eröffnet, zwei Tage nach ihrer Ankunft wieder auf See fahren zu wollen. “You boys don’t want your site, a replacement’s a phone call away.” Wie er haben auch seine Männer keine echte Wahl. “We need the money”, stellt Bobby gegenüber Lebensgefährtin Christina (Diane Lane) klar. Schulden müssen abgebaut, Scheidungsanwälte bezahlt werden.
Sie alle kämpfen um ihre Existenz, müssen Scheidungsanwälte oder wie im Falle von Murphy (John C. Reilly) Alimente für ihre Kinder zahlen. Mehr schlecht als recht schlägt sich auch Sully (William Fichtner) durch, weshalb er widerwillig auf der Andrea Gail anheuert, trotz Animositäten mit Murphy. Eine halbe Stunde lang lässt Petersen sein Publikum diese Figuren atmen, von Bugsys (John Hawkes) verzweifelten Versuchen, während des kurzen Landaufenthalts irgendwie Sex zu haben, bis hin zur Spiegelung dessen, was dieses Leben für eine Familie bedeuten kann in den Figuren von Murphy und Bobby. Auch Tyne selbst musste familiäre Opfer bringen, ist jedoch generell merklich mehr in den Wellengängen und der salzigen Luft Zuhause.
Wir kennen nun den Großteil der Figuren – Allen Paynes Alfred Pierre als Ausnahme –, sind bereit, an ihrem Schicksal Anteil zu nehmen. Umso bedauerlicher, dass Petersen nun verstärkt Kurs auf die Kitsch-Küste nimmt. Nach der starken ersten halben Stunde wird der Zuschauer mit einem schnulzigen Voice-over von Christina gen See verabschiedet, wo Bobby und Tyne ein 0815-Expositions-Gespräch beginnen. Ironischerweise wird The Perfect Storm, je weiter er sich von der Küste Massachusetts entfernt, umso flacher. Gebeutelt von misslungenen Fängen und steigendem Frust an Bord der Andrea Gail zieht es das Schiff immer mehr nach Osten. Und Petersen – oder genau genommen Junger – wartet mit zwei Subplots als Füllmittel auf.
Während die Handlung der Andrea Gail zu diesem Zeitpunkt weitestgehend entschleunigt ist, braut weiter südlich Richtung Bermuda bereits der Sturm auf. In seinem Zentrum ein Segelboot mit drei Figuren (Bob Gunton, Karen Allen, Cherry Jones) in Seenot. Eine Truppe Rettungsschwimmer (u.a. Dash Mihok) macht sich auf den Weg, um die Segler zu retten. Das Problem ist, dass diese Figuren im Gegensatz zu den Mitgliedern der Andrea Gail keinerlei Einführung erhalten haben. Von den meisten erfahren wir nicht einmal die Namen. Unklar bleibt, wieso sich der Zuschauer um diesen anonymen Haufen scheren soll. Und auch das Hin- und Herschneiden zwischen Haupt- und Nebenplot gereicht – auch tonlich – keinem von beiden zum Vorteil.
Für die Einordnung der Situation wird zudem noch Christopher McDonalds Meteorologe eingeblendet (der sogar die Trailerträchtige Zeile “It would be… the perfect storm” murmeln darf) und auf Mary Elizabeth Mastrantonios Kapitänskollegin von Tyne geschnitten. Viel Exposition für einen Sturm, dessen Ausmaße für den Zuschauer ohnehin nicht wirklich zu begreifen sind. Wozu sie also ausführlich erläutern? Vergleichsweise machte Ridley Scott mit seinem Bootsdrama White Squall weitaus mehr mit sehr viel weniger. Auch was die Effekte und Dramaturgie angeht. Im Dunkel des Sturms und der Doppelung der Bilder der Andrea Gail und der Rettungsspringer verliert der Zuschauer bisweilen den Überblick, wo und bei wem er gerade ist.
“The fog is just lifting. Throw off your bowline, throw off your stern. You head out the south channel, past Rocky Neck, Tenpound Island, past Nile Pond, where I skated as a kid. Blow your airhorn and you throw a wave to the lighthouse keeper’s kid on Thatcher’s Island. Then the birds show up, the Blackbacks, Herring Gulls, Big Dump Ducks. The sun hits ya, you head north, open up to 12… steaming now… the guys are busy, you’re in charge. You know what? You’re a goddamn swordboat captain. Is there anything better in the world?”
Die Ursache liegt sicher auch in Jungers Vorlage, prinzipiell aber eher darin, dass The Perfect Storm ohne die Segler und Rettungsspringer weniger Drama bieten könnte. Mit den beiden Nebenhandlungen gerät der Film aber etwas unausgegoren, wenn einem die eine Hälfte der Figuren ans Herz wachsen und die andere nicht. Was nicht bedeutet, dass Clooney, Wahlberg und Co. große Schauspielkunst an den Tag legen. Gerade die Hauptdarsteller bleiben etwas blass, loben ließen sich noch am ehesten Reilly, Fichtner und Hawkes, die versuchen, aus wenig viel zu machen. Eindrucksvoller als das Ensemble ist da wohl – wie so oft der Fall – James Horners lebhafte Komposition, die Sehnsucht und Abenteuerdrang zugleich ausdrückt.
Streitbar gerät die dramaturgische Gestaltung des Schlussakts, wenn angetrieben von Tyne die Fischer ihren Fang über das Risiko des Sturms stellen, über den zumindest Tyne informiert ist. Clooneys sympathischer Person mag da über den sturen Wagemut seiner Figur hinwegtrösten, vollends überzeugen will das Finale von The Perfect Storm – auch mit seinen Schnitten zu Gloucester und den dortigen Figuren – aber nicht. Das Ergebnis ist somit durchwachsen, treibt der Film doch nach einem wirklich starken Anfang im Verlauf mehr und mehr vor sich hin. Sechs Jahre später sollte Wolfgang Petersen mit Poseidon nochmals ein See-Drama inszenieren. Und mit diesem wiederum seine Hollywood-Karriere bis heute versenken.
5.5/10
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