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18. April 2014

Joe

That dog is a asshole!

Vergesst Leonardo DiCaprio, vergesst Tom Hanks, wenn es um einen der größten Schauspieler geht, kann nur der Name Nicolas Cage fallen. Ein Grimassenschneider par excellence, der sein Karrierehoch Mitte bis Ende der 1990er Jahre erlebte, als er mit einem Oscar für Leaving Las Vegas im Gepäck zum Action-Star mutierte. Heutzutage fallen einem beim Namen Nic Cage zuerst YouTube-Videos ein, die Best-of-Mash-ups seiner verrücktesten Darstellungen kompilieren: Von Vampire’s Kiss bis The Wicker Man. From Beyond-Kollege Rajko Burchardt nannte ihn in seiner moviepilot-Kolumne „den unfassbarsten Schauspieler unserer Zeit. Eine Urgewalt“ und die gilt es nun in David Gordon Greens Joe zu bewundern.

Darin erzählt David Gordon Green von einer White-Trash-Gesellschaft, einer Zivilisation am Rande der Zivilisation. Joe (Nicolas Cage) ist ein Ex-Knacki, der einst zweieinhalb Jahre wegen Widerstand gegen Polizeibeamte verbüßte. Nun leitet er eine Gruppe Männer, die im Wald schwache Bäume vergiften, um Platz für kräftigere Tannen zu machen. “Nobody wants these trees”, erläutert Joe. “These trees are weak. They’re not good for anything.” Nicht gut genug für irgendwas – das lässt sich im Grunde über alle Figuren sagen. Allen voran über Wade (Gary Poulter), den versoffenen, gewalttätigen Vater des 15-jährigen Gary (Tye Sheridan). Der wiederum sieht in Joe einen Freund und eine potentielle Vaterfigur.

Warum sich dieser des Jungen annimmt, weiß er wohl selbst nicht genau. “When I watch that boy I see someone who’s nothing like me”, verrät Joe. Und dennoch engagiert er sich immer mehr um Gary – was Konsequenzen auf dessen Beziehung zu seinem Vater hat. Je mehr Joe in die Verhältnisse dieser fremden Familie involviert wird, desto näher bewegt er sich auf seinen eigenen Abgrund zu. Jedes Zeichen von Aggression könnte ihn zurück ins Gefängnis katapultieren. Ein Ort, an den sich Joe unterbewusst zurückzusehnen scheint, vermutet der lokale Sheriff, der es gut mit Joe meint. Und da dieser mit Willie (Ronnie Gene Blevins) im Ort eine Nemesis hat, scheint die Eskalation der Dinge nur eine Frage der Zeit zu sein.

Wirkliche Einblicke in seine archetypischen Figuren gewährt Joe dabei dem Zuschauer nicht, diese sortieren sich vielmehr in eine Grauzone ein, mit Tendenzen zu gut und böse. Joe lebt aus dem Nichts und in das Nichts, zwischen TV-Beiträgen, Alkohol, Zigaretten und Prostituierten-Besuchen. Wade wiederum lebt nur für das nächste hochprozentige Getränk. Obschon Joe nie als schlechter Kerl dargestellt wird, erhält er erst als Abstrakt zu Wade und Willie das Attribut: gut. Doch tief in ihm drin ist auch Joe ein Vulkan, der jeden Moment eruptieren kann. Und wer könnte eine derartige Urgewalt besser darstellen, als der Cagemaster? Auch wenn Nicolas Cage hier eher sein subtiles Spiel an den Tag legt – mit wenigen Ausnahmen.

In Kombination mit Green, der zuletzt den eher gekünstelten Prince Avalanche inszenierte, ist Cage fraglos eine Sichtung wert als bärtiger harter Kerl mit weichem Kern. Dabei wird ihm fast die Show von Laiendarsteller Gary Poulter gestohlen, seines Zeichens ein Obdachloser, der die Filmpremiere selbst nicht mehr erlebte. Tye Sheridan wiederum knüpft an den Weg an, den er mit Mud begann, ohne vollends an seine Leistungen in diesem heranzureichen. Aufgrund der verloren wirkenden und fertigen Figuren in einer bisweilen fast träumerisch fotografierten authentischen Landschaft wirkt Joe mitunter wie eine Mischung aus Jeff Nichols’ thematisch nicht unähnlichen Mud und Harmony Korines Gummo.

So ist Joe ein über weite Strecken ruhiges, zugleich aber auch etwas überlanges Drama, dessen Verlauf man natürlich kommen sieht, weil es für Figuren wie Joe, Wade und Willie in Filmen nur einen Weg gibt. Bedächtig nimmt sich David Gordon Green seiner Figuren an, ohne diese vollends preiszugeben. So avanciert Joe weniger zur Charakterstudie wie zum Charakterdrama, welches sich problemlos in einer Double – oder Triple – Bill mit Mud und Killer Joe eignen würde. “You don’t have to take no shit from nobody”, lautet einer der Ratschläge, den Gary im Film erhält. Ein Mantra, wie es sich auch Nic Cage sagen dürfte, der hier wie so oft eine sehenswerte – wenn auch nicht: unfassbare – Leistung abliefert.

7/10

20. Oktober 2008

Pineapple Express

Fuck the po-lice!

Vor drei Jahren veröffentlichte Der Spiegel eine Studie, der zufolge jeder Fünfte Europäer zwischen 15 und 34 Jahren Cannabis konsumiere. Die meisten Menschen könnten auch in ihrem Freundeskreis eine oder mehr Personen aufzählen, die bereits einmal oder immer noch Haschisch rauchen. Weltweit bekannt ist die Handhabung in den Niederlanden, wo Marihuana inzwischen legalisiert wurde und in Coffee Shops frei zugänglich ist. Konservative Kreise verteufeln Haschisch, indem sie den Benutzern nachsagen, dass sie durch den Konsum verblöden würden. Dass Drogen sowohl berauschend als auch sucht gefährdend und lebensbedrohlich sein können hat kaum ein Film besser gezeigt als Darren Aronofskys Requiem for a Dream. Doch verteufelt werden meist nur die so genannten „harten Drogen“ wie Heroin, Crack und dergleichen. Gerade in den USA ist Cannabis eher eine lieb gewonnene Droge, speziell bei Heranwachsenden. Kiffer als sympathische Cliquen-Maskottchen finden sich in so Filmen wie Fast Times at Ridgemont High in der Person von Sean „Spicolli“ Penn oder auch in Tony Scotts True Romance durch den von Brad Pitt dargestellten Floyd. Letzterer diente dem neuen US-Komödien Guru Judd Apatow auch als Inspiration für seine aktuelle Produktion Pineapple Express, deren Drehbuch von Seth Rogen und Evan Goldberg stammt. Dasselbe Team also, welches bereits Superbad zu einem Hit hat werden lassen und auch mit ihrem neuen Werk konnten sie an ihre Erfolgsquote anknüpfen. Das britische EMPIRE Magazin hat Pineapple Express zu einem der Knüller des Sommers erklärt, waren es schließlich Rogen, Goldberg und Apatow, die Ansatzweise The Dark Knight zu gefährden vermochten. Letztlich war der Actionklamauk jedoch der Beweis, dass Amerikaner immer noch gerne über ihre kiffenden Slacker zu lachen vermögen und so befindet sich auch Hauptdarsteller Rogen weiterhin auf dem aufsteigenden Ast.

Regisseur David Gordon Green, der sich bisher durch namhaft besetzte Independent-Filme auszeichnen konnte, lässt seine Kiffermär durchaus charmant beginnen. In Schwarzweiß startet Pineapple Express wie ein guter alter Krimi, schlägt jedoch schon früh absurde Bahnen ein. Anfang der Dreißiger untersuchte die Regierung die Auswirkungen von Marihuana in der Person eines ihrer Soldaten (Bill Hader) am Menschen. Die Folgen waren katastrophal. Wirres Gerede und antiautoritäres Verhalten – diese Droge musste für illegal erklärt werden. Mehr als siebzig Jahre später knüpft die Handlung nun an und hat in den Folgenden zwei Stunden im Grunde überhaupt nichts mehr mit jenem schwarzweißen Prolog zu tun. Eddy Grants „Electric Avenue“ dröhnt aus den Boxen, nicht nur denen des Kinos, sondern auch aus Dales Autoboxen. Dale (Seth Rogen) ist ein sympathischer Kiffer, der seinen Job aus sprichwörtlich vollen Zügen genießt. Er überstellt gerichtliche Vorladungen und um all den Anfeindungen zu begegnen, zieht er hin und wieder einen durch. „We gonna rock down to Electric Avenue and then we'll take it higher” ist das Motto in Dales Leben. Doch es ist kein sorgenfreies Leben, denn Dales High School Freundin Angie (Amber Heard) versteht sich zu gut mit ihren gleichaltrigen Klassenkameraden. Zumindest nach Dales Geschmack. Und sein potentieller Nebenbuhler kann immerhin Jeff Goldblum nachmachen, was hat Dale da schon dagegen zu setzen. „Fuck Jeff Goldblum, man!“, wird Dale von seinem Dealer Saul (James Franco) eingeschworen. Zwar kennen sich beide erst seit zwei Monaten, doch die Freundschaft zwischen ihnen ist stark und innig. Jedenfalls wenn es nach Saul geht. Und deswegen bietet er Dale auch bereitwillig eine Kostprobe seines neuesten Produktes an. Der Ananas Express haut richtig rein und wird beiden anschließend noch gehörig Ärger verursachen. Als Dale zufällig einen Drogenmord beobachtet, können die Täter (Gary Cole, Rosie Perez) ihn und Saul anhand des Ananas Express identifizieren. Eine wilde Flucht-Verfolgung-Flucht nimmt ihren Lauf.

Grundsätzlich war die Idee, die hinter Pineapple Express steckt die, das es eine bekiffte Variante von Midnight Run sein sollte. Und per se hält Greens Film auch das was er verspricht. Gerade die erste Viertelstunde konzentriert sich stark darauf Dale und Saul als zwei strunzdoofe Klischeekiffer zu etablieren, wenn sie sich auf der Couch bei zwei gleichzeitig laufenden Fernsehern über sinnloses Zeug ereifern. Dass dies ziemlich schnell eintönig wird ergibt sich von selbst. Zudem sind die Dialoge der beiden über die meiste Zeit hinweg auch nicht besonders wort- und geistreich, sodass einem das Lachen in vielen Situationen schwer fällt. Doch hin und wieder gelingt es Rogen und Goldberg durchaus einen genialen Einzeiler raus zuhauen („Prepare to suck the cock of karma!“), die enttäuschenderweise rar gesät sind. Man merkt es dem Skript somit sehr wohl an, dass Rogen es bereits vor einigen Jahren geschrieben hat, denn im Gegensatz zu seinem Superbad verliert sich Pineapple Express unglaublich oft in seinen Nebenschauplätzen, dreht sich im Kreis und streckt sich dadurch. Am deutlichsten wird dies durch die Figur von Dales Freundin Angie und deren Familie. Jenes Handlungselement ist so überflüssig, dass nicht einmal Amber Heard darüber hinweg zu täuschen vermag. Unverständlich weshalb Rogen hier gut und gerne 15 Minuten für die Exposition einer Szene aufwendet, die im Kontext des Geschehens absolut belanglos ist und sich in einem Klischeeausspruch („You’re as high as a fucking kite“) verliert. Ähnliches gilt für das Finale des Filmes, der weitaus besser in eine Laufzeit von 90 Minuten gepasst hätte und den man ab einem gewissen Zeitpunkt anfangen muss zu ertragen anstatt ihn zu genießen. Denn nicht nur der Film selbst hätte gekürzt werden müssen, sondern auch die meisten Szenen sind viel zu langatmig und langweilen insbesondere durch ihren unlustigen Charakter. Eine Schlägerei zwischen drei Kiffern mag wohl nur dann wahrhaft lustig sein, wenn man selbst in jenem Augenblick bekifft ist.

Gut möglich dass man auch nur dann vollends seinen Spaß an Pineapple Express hat, wenn man selbst gerade bekifft oder am Kiffen ist. Doch zur Überraschung des Zuschauers stellen beide Figuren schon bald das Kiffen ein, wenn der eigentliche Actionanteil des Filmes losgeht. Dass sich an der Intelligenz der beiden Protagonisten trotz Cannabis-Mangels nichts großartig ändert, spricht dabei im Grunde für die konservative Einstellung des verdummenden Rauschmittels. Und so wirklich will die gezeigte Action dann auch nicht mit dem komödiantischen Teil konform gehen. Was sich in Shane Blacks Kiss Kiss Bang Bang zu einem wahnwitzigen Cocktail vermischte geht in Pineapple Express nicht auf. Viel zu unglaubwürdig ist das Szenario hier aufgebaut, was sich perfekt in den beiden Killern Budlofsky (Kevin Corrigan) und Matheson (Craig Robinson) manifestiert. Gut möglich dass man den beiden aufgrund ihrer Beteiligung an den Comedy-Formaten Grounded for Life und The Office nicht so recht die unbarmherzigen Killer abkauft, doch passen sie somit perfekt ins Bild. Denn dass Saul und Red (Danny McBride) die Drogendealer Nummer 3 und 2 in Los Angeles sind, will bei deren Geisteszustand auch nicht wirklich einleuchten. Hier ist es auch nicht hilfreich, dass Pineapple Express sich selbst nicht ernst und andere Genrevertreter hoch nehmen will. Dazu fehlt es Greens Film im Gegensatz zu einem Hot Fuzz viel zu sehr an unaufgesetzter Lockerheit, die entgegen der Erwartungen nicht von den beiden Kiffern versprüht wird. Zu Ideenlos, zu lang ist das ganze Theater, die Anspielungen auf das Genre verpuffen ins Nichts. Vielleicht funktionieren die Kifferkomödien nur in den USA, so richtig überzeugen will Pineapple Express jedenfalls nicht. Ganz im Gegensatz zum Soundtrack, für welchen Rogen auch Musikgröße Huey Lewis and the News gewinnen konnte, um den stimmigen Abspannsong zu komponieren. Dass der Song besser ist als der vorangegangene Film dürfte kaum überraschen.

5.5/10