11. März 2008

Juno

You're being really immature.

„Mein Name ist Diablo Cody – naja, nicht wirklich. Aber was soll’s?“. Quizfrage: Wo würde man diese Person am ehesten antreffen? Oder anders, würde es Hollywood nicht geben, hätte es für diese Frau erfunden werden müssen. Eine Frau namens Brook Busey, die ihren Job aufgibt um ganztägig als Stripperin zu arbeiten, nur um auch das aufzugeben und sich stattdessen Telefonsex zuzuwenden, die sich selbst nach der spanischen Bezeichnung für „Teufel“ und einem Ort in Wyoming benennt, ihren Mann im Internet kennen lernt und nicht mal zwei Jahre später von ihm scheiden lässt. Während sie neben dem Strippen Artikel für Zeitungen schrieb, veröffentlichte sie mit 24 Jahren ihre Memoiren (heutzutage immer früher, bald wird man welche von 10-Jährigen lesen können).

Sie eröffnete bei Blogspot ihr eigenes Blog, Pussy Ranch, das anschließend sechs Monate von einem Hollywoodproduzenten gelesen wurde und ihr schließlich den Auftrag ein Filmdrehbuch zu schreiben bescherte. Von der Stripperin zur Oscargewinnerin – das ist der viel gerühmte American Way of Life. Nachdem sie sich bei den diesjährigen Academy Awards wohl dank des Sympathiefaktors gegenüber den besser geschriebenen Büchern von Nancy Oliver und Tamara Jenkins durchgesetzt hat, wird sie im Herbst dieses Jahres für eine Fernsehserie schreiben, mit Toni Colette in der Hauptrolle nach einer Idee des großen Steven Spielberg. Die gute Frau wird sich fortan also wohl nicht mehr auszuziehen haben, um ihr täglich Brot zu verdienen und wer schon immer mal einen Blick in den Kopf einer ehemaligen Stripperin werfen wollte, der ist hier an der richtigen Adresse.

Wie so viele Autoren verarbeitet auch Miss Cody eigene Erlebnisse in ihrem Skript, als sie selbst zur Schule ging war sie Tochter einer Mittelstandsfamilie und ihre 16jährige Freundin wurde schwanger. Ein kleiner Crossover und fertig ist Juno MacGuff, hier gespielt von der talentierten Ellen Page, deren Oscarnominierung jedoch – das sei vorweg genommen – ebenso lächerlich ist, wie die der Autorin, des Regisseurs, des ganzen Filmes eigentlich. Juno ist Tochter des Mittelständlers mit dem netten Namen Mac MacGuff (J.K. Simmons) und im Besitz eines Hamburgertelefons (welches eigentlich ein Cheeseburgertelefon ist), das aus dem Besitz der Autorin selbst stammt. Der Film leitet sich selbst ein mit dem Stuhl, auf dem Juno ihre Jungfräulichkeit verlor, als sie mit ihrem besten Freund Paulie Bleeker (Michael Cera) schlief. Wie das bei ungeschütztem Sex vorkommen kann, wird Juno prompt schwanger und vertraut sich erstmal ihrer besten Freundin Leah an, ehe sie zur nächsten Abtreibungsklinik geht, um das Kind loszuwerden.

Tut sie dann aber doch nicht, wieso wird nicht klar, spielt ja auch keine Rolle, denn die restliche Spielzeit verbringt Cody damit dem Publikum einen ausgewählten Soundtrack ans Herz zu legen und nebenher irgendwas zu erzählen, was komisch sein soll. Die Komik des ganzen liegt darin, dass sie der 16jährigen Juno Worte in den Mund legt, die sie selbst wohl sagen würde, die lustig und cool sein sollen, aber es irgendwie nie sind. Was die Autorin hier betreibt ist äußerst paradox, denn einerseits erschafft sie eine Figur, die ihrem Intellekt nach und ihrer (zumindest teilweisen) Ausdrucksweise aus dem Universum von Kevin Williamson (Dawson’s Creek) stammen könnt, die jedem der es hören will – oder nicht schnell genug wegkommt – einen Vortrag darüber hält warum die Hochzeit des Rocks 1977 war und The Stooges einer der besten Bands sind.

Sie ist weder dumm, noch auf den Kopf gefallen, diese Figur Juno, scharfsinnig, ehrlich und direkt. Zugleich jedoch von einer unbeschreiblichen und für amerikanische Verhältnisse typischen Naivität, die nichts von Verhütung weiß und ihr Kind den ganzen Film hindurch als „Ding“ bezeichnet, welches sie am liebsten „wie in den guten alten Zeiten“ in einem Korb loswerden würde. Die potentielle Adoptiveltern nach dem Coolheitsschema auswählt, Graphikdesigner wären zum Beispiel angesagt (Codys Ex-Mann und Pages Vater sind Graphikdesigner). Mit ihrem Mundwerk und ihrer Art kommt sie dabei genauso gut bei dem designierten Adoptivvater (Bateman) an, wie es umgekehrt der Fall ist – Grund hierfür ist das beide Figuren praktisch identisch sind. Mark wie Juno teilen denselben Humor, hören dieselbe Musik, machen sich gegenseitig Mixtapes, haben ein Faible für Gore-Filme und wollen an sich nichts mit Kindern zu tun haben. Dies führt wiederum zu dem Paradox von Marks Ehe mit Vanessa (Jennifer Garner), die nicht verschiedener sein könnte als er. Die Frage wieso sich ein so freiheitsvernarrter Mensch wie Mark mit dem Kontrollfreak Vanessa einlässt, in dem versnobten Vorstadthaus und dem Wunsch nach Kindern, beantwortet die Autorin nicht. Ebenso wenig wie alle anderen Fragen, die das von ihr skizzierte Thema stellt. (Wem das jetzt schon zu bunt wird, dem empfehle ich die positive Kritik zum Film von Marcus).

Gerade die Szene in der Abtreibungsklinik ist eine der entscheidenden des Filmes, warum Juno aber schließlich so handelt wie sie handelt wird nicht erläutert. Man könnte wohl behaupten, dass der Film nicht wirklich ernst genommen werden will – alleine der Name von Junos Vater spricht dafür -, sondern der lediglich etwas Spaß machen will, eine kleine Indie-Komödie sein möchte die eine schwangere sechzehnjährige zeigt, die sagt was sie denkt und denkt was sie sagt. Im Cinefacts-Thread hab ich mich zu der Aussage hinreißen lassen, dem Film eine bedenkliche, gefährliche Tendenz zuzusprechen, durch seine Aussage „Schwanger! Na und?“ (O-Ton Filmverleih) ein falsches Bild von Schwangerschaft bei Minderjährigen zu vermitteln. Die Worte „bedenklich“ und „gefährlich“ sind hierbei etwas hart gewählt, wie ich im Nachhinein feststellte, nichtsdestoweniger ist es kritisch zu betrachten, wie der Film mit dem Thema Schwangerschaft umgeht.

Das hängt nicht unbedingt mit Konservativismus zusammen, denn niemand erwartet dass der Film eine Katharsis wie Knocked Up durchmacht, aber ein etwas rationalerer Umgang wäre sicher nicht zuviel verlangt gewesen. Vor allem wenn man seine Figur so frühreif zeichnet wie es Cody tut und ihr dann dümmliches Cheerleader-Geschwätz in den Mund legt. Gut möglich, dass es sich hierbei aber auch um ein reales Bild des heutigen Amerikas handelt, ein Cinefacts-User meinte zumindest man könnte nicht einmal in einem Wal-Mart Kondome kaufen, Sexualaufklärung findet anscheinend (entgegen der Darstellung in Definitely, Maybe) weder in der Schule noch zu Hause statt. Immerhin befinden sich die USA bei den Zahlen für minderjährige Mutterschaften auf einem Niveau mit Indonesien und Südafrika (55 Schwangerschaften kommen auf 1.000 Teenager).

Wird es in Juno mal ernst, dann weiß Regisseur Jason Reitman, der mit Thank You For Smoking nicht ein äußerst passables Regiedebüt hingelegt hatte – stets penetrant den Soundtrack drüber zu legen und Lieder von Kimya Dawson sowie andere Indie-Hits neben Veteranen wie Buddy Holly und The Kinks abzuspielen. Bei diesem schlecht geschriebenen Skript versucht Reitman dennoch zu retten, was noch zu retten ist und was am meisten überzeugen kann ist dann doch das Casting. Bedenkt man die Charaktere für sich genommen, sind alle sehr gut besetzt, von Bateman über Garner zu Cera, gerade bei letzterem sind speziell die Szenen mit Page sehr gelungen und wirken von allen im Film dargestellten am authentischsten.

Juno
ist so ein Film, bei dem vorausgesetzt wird, das man das Gesehen nicht hinterfragt, sich einfach von dem Charme verzaubern lässt und ohnehin alles richtig cool und dufte findet. Das dabei alle Figuren überzeichnet sind, die Dialoge konstruiert und die eigentliche Geschichte gar keine ist, eher ein Napoleon Dynamite mit einer Schwangeren, politisch unkorrekt, frisch, witzig – in einem Wort: Hollywood. Da verwundert es nicht, dass der Film alleine in den USA das zwanzigfache seiner Kosten eingespielt hat, mit vier Oscarnominierungen bedacht wurde, gerade in den Kategorien Bester Film und Beste Regie Konkurrenten wie Zodiac, David Fincher, Joe Wright und andere hinter sich gelassen hat. Juno ist dann doch nur das, was die Allgemeinheit als Feel-Good-Movie bezeichnet, auch wenn er bei näherer Betrachtung in fast allen Bereichen versagt.

4/10

4 Kommentare:

  1. Du solltest aufpassen, welche Reviews du bei kino.de einstellst. Dort lauern einige prätentiöse Aasgeier und lästige Kletten, die man so schnell nicht mehr los wird. ;)

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  2. Nanana, sooo schlimm sind wir nun auch wieder nicht! =) Der Cake ist halt ein wenig penetrant in seiner Art - aber nun auch wieder kein "prätentiöser Aasgeier" (wasauchimmerdasseinsoll).

    Aber genügend "off topic". Leider fehlt mir derzeit völlig die Zeit, um mich mit deiner Sichtweise auseinanderzusetzen (oder um überhaupt mal wieder sinnvoll was zu bloggen), daher einfach nur ein "Schade" dafür dass der Film bei Dir keinen Anklang finden konnte.

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  3. Cake war auch nicht unbedingt gemeint...

    @Rudi:

    Man kann leider keine user ignorieren, zumindest habe ich diese Funktion noch nicht gefunden, sonst wäre das ewig gleiche arrogante Gewäsch von TheCritic bei mir schon längst vom Bildschirm verschwunden.

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