26. Juli 2009

Dogma

Consequences schmonsequences.

Kaum etwas eignet sich besser für überspitzte Satire, als die Religion. Das Christentum insbesondere. Christen, die einen toten jüdischen Zimmermann anbeten und behaupten, er sei sowohl von Gott gezeugt, als auch Gott selbst. Sprich: sein eigener Vater bzw. der Befruchter seiner eigenen Mutter. Sehr viel perverser kann eine Religion wahrscheinlich nicht sein. Umso mehr Angriffsfläche bietet sie natürlich zur Persiflage. Die vielleicht Bekannteste von ihnen ist Monty Pythons Life of Brian. In neuer Zeit ruft man sich gerne auch Kevin Smiths Dogma ins Gedächtnis, der 1996 für einige Kontroversen sorgte und letztlich vom Familienstudio Walt Disney zu den Weinsteins bei Miramax abgewälzt wurde. Obschon der Film vor Beginn mit einer Texttafel aufwartet, die das kommende Geschehen als Spaß kennzeichnet, flatterten Smith nach Start des Filmes dreiviertel Todesdrohungen ins Haus. Die letzte Todesdrohung schlug im weiteren Verlauf scheinbar einen freundlicheren Ton ein, weshalb sie der Regisseur nicht ganz zählen lassen will. Dass Smith Sinn für Humor hat, beweist auch seine Protestaktion gegen seinen eigenen Film („Dogma is dogshit!“).

Die Frage ist: worüber regen sich alle auf? Darüber, dass Gott eine Frau sein soll? Oder dass Gott eine Kanadierin sein soll (für Amerikaner sicherlich ein gewichtiger Grund)? Dass Chris Rock einen afroamerikanischen Apostel gibt? Behauptet wird, Jesus Christus sei selbst von afrikanischer Herkunft gewesen? Der Golgathaner, der wandelnde Scheißhaufen? Es will einem bei Sichtung dieses die meiste Zeit doch sehr infantilen Filmes nicht klar werden, worüber sich die Gemüter so erhitzt haben, dass man einen Filmboykott verlangte oder dem Regisseur den Tod an den Hals wünschte. Denn letztlich erweist sich Dogma als flaches Filmchen, dem eine stringente Handlung fehlt und welches außer seinen zahlreichen, sehr liebevollen Filmzitaten am subtilen Witz eines Life of Brian mangelt, während es sich (zu oft) auf den smith’schen Humor verlässt. Auch das Schauspielensemble lässt erkennen, dass es nicht weiß, ob es sich vollkommen dem Nonsens ergeben oder zumindest teilweise Seriosität aufrecht erhalten soll. So ist Smiths Abrechnung mit dem Römisch-Katholischen Glauben im Nachhinein zu kindisch und unausgegoren geraten. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass der Autor das Drehbuch bereits vor Clerks. geschrieben hatte und somit in einer Phase steckte, in der er weitaus mehr Probleme hatte, eine zusammenhängende (funktionierende) Geschichte zu erzählen.

Zahlreiche Ansätze sind überaus nett geraten. Sei es Gottes Affinität zum Minigolfspiel, welche die Ereignisse lostritt oder aber Lokis (Matt Damon) Alice-Analogien, die eine Nonne zur Atheistin werden lassen. Doch nicht jeder Witz gegen die Kirche will sitzen und meist verpuffen die ganzen Nicklichkeiten, die oft derart mit Trivialitäten (die Muse und Home Alone, der Apostel und Rassismus) daherkommen, dass sich beide Punkte die Waage halten und meist die andere Richtung einschlagen. Einfälle wie Bethany (Linda Fiorentino), eine vom Glauben abgefallene Mitarbeiterin einer Abtreibungsklinik, jede Woche in die Kirche gehen zu lassen, bilden da die Ausnahme. Getoppt nur noch von Kardinal Glicks Innovation das Kruzifix durch Buddy Jesus zu ersetzen. Als Kirchen-Satire misslingt Dogma dennoch, die Szene mit dem (miserabel animierten) Golgathaner zeigt dies überdeutlich. Weder als Anspielung auf Golgatha, noch als witzige Einstellung per se (Silent Bobs Überwindung des Golgathaners wird viel zu naiv abgehandelt) will diese funktionieren. Ohnehin hat Smith große Probleme selbst die kleinen Segmente zu einem nachvollziehbaren Ende zu bringen. Das gilt neben dem Golgathaner auch für die Einbindungen von Metatron (Alan Rickman), der Muse (Salma Hayek) und Rufus (Chris Rock). Der einzige Grund weshalb Jay (Jason Mewes) und Silent Bob (Kevin Smith) in die Handlung eingewoben werden, ist um eine Verbindung zu Smiths Askewniverse herzustellen.

So namhaft die Besetzung auch ist, wird man meist das Gefühl nicht los, dass die Schauspieler eher schlecht als recht mitmachen. Die Dialoge kommen meist ungemein platt daher, gerade Chris Rock scheint große Probleme zu haben, seinen Text entsprechend los zu werden. Fiorentino wirkt zudem derart gelangweilt, dass Joey Lauren Adams oder Shannen Doherty ziemlich offensichtlich die bessere Wahl gewesen wären. Derweil schlagen sich Jason Lee (Azrael), Matt Damon und Ben Affleck (Bartleby) so gut sie können, schwanken aber in ihrer Glaubwürdigkeit. Während Affleck erst im Finale richtig aufdreht, zeigt sich gerade in Damons Szenen, dass er zum ersten Mal (richtig) mit Smith zusammenarbeitet. Auch Rickman und Hayek bleiben weit hinter ihren Möglichkeiten zurück, speziell der Brite wirkt etwas deplatziert, was er – achtet man auf sein Schauspiel – auch bisweilen selbst zu merken scheint. Letztlich ist es paradoxerweise Mewes, der den Film an sich zu reißen weiß. Dies mag auch daran liegen, dass er das komplette Drehbuch auswendig gelernt hatte, um sich vor Hans Gruber keine Blöße zu geben. Es sind aber auch so stets seine Augenblicke („Snooch to the booch!“, „Snoogans“, „So that would make Bethany... part black?“, „I get it! Holy Bartender! That's a great one!“), die dem Film seine starken humoristischen Momente verleihen. Dogma hadert einfach viel zu sehr damit, Kevin-Smith-Humor in eine ernstzunehmende Satire zu packen. Ob der Amerikaner dies überhaupt wollte, spielt dabei nicht wirklich eine Rolle, bei einem Thema dieser Rangordnung ist es eigentlich unabdingbar.

Was Smiths vierten Film allerdings so "gelungen" und charmant macht, sind seine etlichen Hommagen an Klassiker des Kinos. Sei es die beim Regisseur obligatorische Star-Wars-Referenz über The Karate Kid, The Incredible Hulk, Indiana Jones and the Last Crusade bis hin zu den Verweisen an Bill & Ted’s Bogus Adventure sowie mehreren John-Hughes-Filmen. Hiermit bestätigt sich Smith wieder selbst, indem er einen Film im Nachhinein für sich selbst dreht und was noch viel wichtiger ist, dies mit seinen Freunden tut. Neben Affleck, Mewes, Lee und Produzent Scott Mosier finden sich einige andere bekannte Gesichter in kurzen Gastrollen wieder. Sei es Brian O’Halloran, Jeff Anderson oder Dwight Ewell. Es sind ihre Auftritte, neben den Filmzitaten und allem voran Jason Mewes, die Dogma vor einem schlimmeren Urteil bewahren. Man könnte den Film ansonsten zwar nicht als „dogshit“ bezeichnen, aber eine wirkliche Klasse würde man ihn dennoch nicht (auch nicht unter Berücksichtigung der positiven Aspekte) attestieren wollen. Nach dem exzellent gelungenen Chasing Amy fällt Smith also bei seinem Spagat zwischen Kirchenkritik und privatem Humor wieder etwas zurück, sogar hinter Mallrats. Immerhin bewies er mit Jay & Silent Bob Strike Back, dass er durchaus eine Schnittfolge von Nonsens-Sketchen abliefern kann, die zwar keine Geschichte erzählen will, dies aber hinsichtlich ihrer Prämisse auch nicht zu tun braucht.

5.5/10

9 Kommentare:

  1. Einige deiner Kritikpunkte sind mehr als berechtigt (z. B. streckenweise zu infantil fürs Thema), andere kann ich nicht nachvollziehen (Rickman). Insgesamt bewerte ich Dogma dann auch sehr viel wohlwollender. Im Grunde ist es der einzige von Smiths Filmen, bei denen er sich weit aus dem Fenster gelehnt, also Mut bewiesen hat. Über die Flüche und sexuellen Anspielungen in seinen übrigen Filmen regt sich doch niemand wirklich auf. Religiöse Themen sind da sehr viel gefährlicher. Es sei an Verhoevens Verzicht auf seinen Jesu-Film erinnert (ich weiß: anderes Kaliber, aber dennoch...).

    Und dass Mewes tatsächlich das gesamte Dehbuch aus Angst vor Rickman auswendig gelernt hat, halte ich für einen gut platzierten Gag ;-)

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  2. Ob der Amerikaner dies überhaupt wollte, spielt dabei nicht wirklich eine Rolle, bei einem Thema dieser Rangordnung ist es eigentlich unabdingbar.

    Warum ist das unabdingbar?

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  3. Weil ein Kevin-Smith-Film in dem einfach nur in einem Chasing-Amy-Dialog die Namen umgeschrieben werden in meinen Augen relativ sinnlos ist.

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  4. Ja gut, ich finde es o.k., wenn Smith einfach mal auf alles andere als ernstzunehmende Art und Weise alttestamentarische Figuren für eine Fantasy-Komödie mißbraucht. In meinen Augen macht er sich auch überhaupt nicht über den christlichen Glauben an sich lustig, sondern viel mehr über die dogmatische Auslegung des geschriebenen Wortes. Und ob der Zuschauer andere Filme Kevin Smiths kennt oder nicht, sollt für die Bewertung des Filmes doch eigentlich egal sein. Es handelt sich ja nicht um eine Serie, sondern um ein eigenständigen Film. So würde ich Dogma nun auch nicht viel höher Bewerten, aber nicht aus dem Grunde sein Thema zu albern anzugehen.

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  5. Ich wüsste jetzt nach neuerlichem Lesen des Textes nicht, wo ich behauptet haben soll, dass es für die Bewertung wichtig ist, ob man andere Filme von Kevim Smith kennt oder nicht. Meiner Einschätzung nach schauen sich jedoch in der Mehrheit Kevin-Smith-Fans, Kevin-Smith-Filme an und letztlich bleibt DOGMA ein Teil des Askewniverse und damit - wenn auch nicht vollkommen inhaltlich - Teil einer Reihe. Zudem wollte ich darauf hinaus, dass sich Smith über die Kirche lustig macht und nicht über den Glauben an sich. Wenn das falsch rübergekommen sein sollte, distanziere ich mich hiermit davon (Smith ist Christ und gläubig). Und dass du es o.k. findest, "wenn Smith einfach mal auf alles andere als ernstzunehmende Art und Weise alttestamentarische Figuren (alttestamentarisch?, Anm. d. Aut.) für eine Fantasy-Komödie mißbraucht" und den Film nicht zu albern findest, das will dir auch keiner nehmen und ist nur rechtens.

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  6. Ich habe lediglich auf deine Antwort auf meine Frage geantwortet, warum es unabdingbar ist, sich dem Thema Religion unabdingbar mit einer ernsten Satire zu widmen. Was ja irgendwie assoziiert, daß es unredlich ist, sich dem Thema Religion mit einer unernsten Satire zu begegnen. So liest sich jedenfalls der Abschnitt im Text. Deine Antwort ließ einfach nur darauf schließen, daß dir etwas ganz anderes nicht gefällt.

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  7. Für mich fühlte sich der Film eben an, wie ein typischer Kevin-Smith-Film, in dem die Namen durchgestrichen und mit "alttestamentarischen Figuren" ersetzt wurden. Dies wurde zum einen nicht wirklich gut umgesetzt in meinen Augen und zum anderen bietet sich für mich weitaus mehr Potential (ausgedrückt durch "ernste Satire"), als eine Muse zu platzieren, die sagt, sie hätte die 20 erfolgreichsten Filme aller Zeiten bewirkt - außer "Kevin allein Zuhaus".

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  8. Also ich fand den Film dann doch etwas besser als du. Das ich nicht einmal weiß, was das Askeniverse ist und auch sonst in Smith Filmographie nicht wirklich als Experte gelte, konnte ich diesen dann vielleicht auch etwas objektiver bewerten. Sicherlich, etwas schwachsinnig ist der Film an manchen Stellen, macht aber dennoch Spaß.

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  9. Damals - in meiner Kevin Smith-Fanphase - fand ich den Film richtig gut. Inzwischen kann ich dir (so erstaunlich das nun klingen mag) in beinahe allen Punkten zustimmen. Einfach zu albern und zu "typisch" Kevin Smith.

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