Der Japaner Oshii Mamoru ist berühmt geworden durch seine Filmadaptionen zu Kôkaku kidôtai sowie dessen Fortsetzung Innocence - Inosensu. Beide Filme zeichnet ihr extrem philosophischer Subtext aus, was in der Fortsetzung wohl noch vielschichtiger zum Tragen kommt als im Vorgänger. Von einer ähnlichen philosophischen Tiefe ist auch Mori Hiroshis fünfteilige Romanserie Sukai kurora durchzogen, die im Laufe dieses Jahrzehnts in Japan veröffentlicht wurde. Mori selbst wehrte sich zu Beginn gegen eine Verfilmung, da er der Ansicht war, sie ließe sich nicht entsprechend verfilmen. Erst als er von der Beteiligung Oshiis hörte, dem sein Ruf natürlich voraus geeilt war, lenkte der Schriftsteller bereitwillig ein. Und in der Tat findet sich im Bereich des philosophischen Animes wohl kein besserer Regisseur als der 58-jährige Tokioter. So beeindruckend wie die beiden Kôkaku kidôtai-Filme ist Sukai kurora dann allerdings doch nicht geraten. Zu sehr vernachlässigt Oshii dazu neben seinen Figuren auch die den Film umspannende kritische Fragestellung.
Mori selbst entwickelte eine alternative Geschichte, in welcher der Frieden logischerweise nur durch Krieg aufrecht erhalten werden kann. Denn Frieden gibt es per se nur, wenn als Gegenstück auch Krieg existiert. Um also ihren Frieden wirklich als solchen schätzen zu können, inszenieren die Menschen eine Art Krieg, der mittels Luftkampf über den Wolken ausgefochten wird. Hierzu wurden die so genannten Kildren entwickelt. Jugendliche Humanoiden, die genetisch so verändert wurden, dass sie ewig ihr kindliches Antlitz behalten. Die Kildren selbst stellen dabei nur Spielfiguren dar, die, nachdem sie abgeschossen wurden bzw. verloren haben, einfach neu programmiert werden. Als eines dieser Kildren stößt Yuichi Kannami zum Team Rostock hinzu. Hier ersetzt er eigentlich nur sich selbst respektive seine vorherige Persönlichkeit, die von ihrer Geliebten und Yuichis Vorgesetzten, Suito Kusanagi, erschossen wurde. Gemeinsam mit seinem neuen Flugpartner Naofumi Tokino ficht Yuichi über den Wolken den inszenierten Kampf gegen das Konkurrenzteam Lautern und deren Flugass, den Lehrer. Dieser ist nicht nur wegen seiner Abschussquote etwas Besonderes, sondern schon allein deswegen, weil er kein Kildren, sondern ein erwachsener Mann ist.
Im Verlaufe des Films gibt es mehrfach Anspielungen bezüglich der Tatsache, dass es sich bei Kannami oder Tokino um Kinder handelt. Beispielsweise wenn Pilotin Mitsuya Letzterem vorwirft, er verhalte sich kindisch oder die Prostituierte Fuko anmerkt, dass Yuichi sehr kindliche Züge hat. Letztlich sind die Kildren das, was ihr Name bereits ausdrückt: Kinder, die darauf abgerichtet sind, sich gegenseitig zu töten. Während Mitsuya gegen Ende mit ihrem Schicksal hadert, scheinen sich andere wie Kusanagi oder Yuichi mit ihrem Dasein als bewusstseinsentwickelte Konzernmarionetten bereits abgefunden zu haben. Im Finale philosophiert Yuichi, dass der heutige Tag anders sei als der gestrige, wie auch der morgige sich vom heutigen unterscheiden wird. Man könne jeden Tag dieselbe Straße hinunterlaufen und doch stets etwas Neues entdecken. Ob er seine Worte jedoch selber glaubt, ist fraglich. Denn letzten Endes sind die Kildren nichts als programmierte Templates, die leicht variiert neu eingestellt werden, sollten sie sterben. Dass dies von den Anderen ohne zu mucken akzeptiert wird, sieht man, als Yudagawa ersetzt wird. Es wird nicht deutlich, ob Yuichi wirklich realisiert, dass Yudagawa einfach mit einer neuen Identität versehen wurde oder ob es ihm einfach nur egal ist.
Dass Oshii primär Wert auf die Bilder seiner Filme legt, denn auf die Charakterzeichnung, ist bekannt. Konnte man bei einer Figur wie Major Kusanagi in Kôkaku kidôtai noch auf große Hintergrundinformationen verzichten, so schadet die charakterliche Vernachlässigung im Falle von Sukai kurora dem Film. Abgesehen von dem kurzen Dialog zwischen Mitsuya und Kunnami findet keinerlei Reflektion der Kildren über ihre Rolle in dieser riesigen Charade statt. Dass sie nicht programmiert sind, ihr Dasein einfach hinzunehmen oder dieses nicht zu hinterfragen, sieht man an Mitsuya. Die Lethargie der Figuren ist daher etwas verblüffend und dies wohl auch deswegen, weil sich Oshii nicht scheut, Dutzende von langen und ruhigen Einstellungen zu präsentieren, in denen es für Kunnami und Co. zu agieren gilt. Dass dennoch nicht wirklich Langeweile in diesen langen Szenen aufkommen will, ist ein bemerkenswerter Verdient, den der Japaner mit diesem Film geleistet hat.
Dieser selbst ist über weite Strecken von einer zarten, schönen Schwermütigkeit beseelt, die nicht nur aufgrund der trost- und hoffnungslosen, zugleich jedoch warmen Bilder auftritt, sondern von Kenji Kawais melancholischem Theme zusätzlich untermalt wird. Ohnehin erinnert Kawais Komposition bisweilen an seine Arbeiten zu Kôkaku kidôtai. Dass sich in Sukai kurora tiefgründige philosophische Ansätze verbergen, ist offensichtlich, auch wenn Oshii sie die meiste Zeit über hinter seinen opulenten Bildern zurückstehen lässt. Die Handlung spielt hier nur eine untergeordnete Rolle, sodass man sowohl über Lautern, aber auch über Rostock eigentlich überhaupt nichts erfährt. Ebenso wenig über den mysteriösen Lehrer, gegen den niemand bestehen kann, der aber aufgrund seiner Passivität auch lediglich dazu da ist, ein Gleichgewicht zwischen den beiden Teams herzustellen. Viele Momente und Dialogzeilen implizieren jedenfalls, dass es Raum für eine (oder mehrere) Fortsetzungen gibt, was bei einer fünfteiligen Romanreihe nicht unwahrscheinlich erscheint.
Die Animation selbst besteht hauptsächlich aus dem gewohnten 2-D, wobei gerade die Landschaft aus der Vogelperspektive, wie auch die Flugzeuge selbst, digital in den Film integriert wurden. Hat die Verbindung von klassischer Animation und digitaler Ergänzung in einem existentialistischen Film wie Innocence - Inosensu noch gut gepasst, so beißen sich in Sukai kurora beide Stilmittel mitunter. Denn dafür wirkt die Geschichte, trotz ihrer zeitlichen Verordnung in die Zukunft, nicht futuristisch genug, als dass die digitalen Einfügungen nicht negativ hervorstechen würden. Am bedauerlichsten ist jedoch, dass Oshii sich nicht wirklich intensiv mit der Welt auseinandersetzen will, die Mori hier erschaffen hat. Das Potential, das hinter den Kildren steckt, schöpft der Film zu selten aus als dass er sich in einem Atemzug mit den bedeutenderen Werken der Kôkaku kidôtai-Reihe messen lassen könnte. Dennoch ist Sukai kurora eine interessante Adaption geworden, die durch ihre Schwermütigkeit und Melancholie zu faszinieren weiß.
Mori selbst entwickelte eine alternative Geschichte, in welcher der Frieden logischerweise nur durch Krieg aufrecht erhalten werden kann. Denn Frieden gibt es per se nur, wenn als Gegenstück auch Krieg existiert. Um also ihren Frieden wirklich als solchen schätzen zu können, inszenieren die Menschen eine Art Krieg, der mittels Luftkampf über den Wolken ausgefochten wird. Hierzu wurden die so genannten Kildren entwickelt. Jugendliche Humanoiden, die genetisch so verändert wurden, dass sie ewig ihr kindliches Antlitz behalten. Die Kildren selbst stellen dabei nur Spielfiguren dar, die, nachdem sie abgeschossen wurden bzw. verloren haben, einfach neu programmiert werden. Als eines dieser Kildren stößt Yuichi Kannami zum Team Rostock hinzu. Hier ersetzt er eigentlich nur sich selbst respektive seine vorherige Persönlichkeit, die von ihrer Geliebten und Yuichis Vorgesetzten, Suito Kusanagi, erschossen wurde. Gemeinsam mit seinem neuen Flugpartner Naofumi Tokino ficht Yuichi über den Wolken den inszenierten Kampf gegen das Konkurrenzteam Lautern und deren Flugass, den Lehrer. Dieser ist nicht nur wegen seiner Abschussquote etwas Besonderes, sondern schon allein deswegen, weil er kein Kildren, sondern ein erwachsener Mann ist.
Im Verlaufe des Films gibt es mehrfach Anspielungen bezüglich der Tatsache, dass es sich bei Kannami oder Tokino um Kinder handelt. Beispielsweise wenn Pilotin Mitsuya Letzterem vorwirft, er verhalte sich kindisch oder die Prostituierte Fuko anmerkt, dass Yuichi sehr kindliche Züge hat. Letztlich sind die Kildren das, was ihr Name bereits ausdrückt: Kinder, die darauf abgerichtet sind, sich gegenseitig zu töten. Während Mitsuya gegen Ende mit ihrem Schicksal hadert, scheinen sich andere wie Kusanagi oder Yuichi mit ihrem Dasein als bewusstseinsentwickelte Konzernmarionetten bereits abgefunden zu haben. Im Finale philosophiert Yuichi, dass der heutige Tag anders sei als der gestrige, wie auch der morgige sich vom heutigen unterscheiden wird. Man könne jeden Tag dieselbe Straße hinunterlaufen und doch stets etwas Neues entdecken. Ob er seine Worte jedoch selber glaubt, ist fraglich. Denn letzten Endes sind die Kildren nichts als programmierte Templates, die leicht variiert neu eingestellt werden, sollten sie sterben. Dass dies von den Anderen ohne zu mucken akzeptiert wird, sieht man, als Yudagawa ersetzt wird. Es wird nicht deutlich, ob Yuichi wirklich realisiert, dass Yudagawa einfach mit einer neuen Identität versehen wurde oder ob es ihm einfach nur egal ist.
Dass Oshii primär Wert auf die Bilder seiner Filme legt, denn auf die Charakterzeichnung, ist bekannt. Konnte man bei einer Figur wie Major Kusanagi in Kôkaku kidôtai noch auf große Hintergrundinformationen verzichten, so schadet die charakterliche Vernachlässigung im Falle von Sukai kurora dem Film. Abgesehen von dem kurzen Dialog zwischen Mitsuya und Kunnami findet keinerlei Reflektion der Kildren über ihre Rolle in dieser riesigen Charade statt. Dass sie nicht programmiert sind, ihr Dasein einfach hinzunehmen oder dieses nicht zu hinterfragen, sieht man an Mitsuya. Die Lethargie der Figuren ist daher etwas verblüffend und dies wohl auch deswegen, weil sich Oshii nicht scheut, Dutzende von langen und ruhigen Einstellungen zu präsentieren, in denen es für Kunnami und Co. zu agieren gilt. Dass dennoch nicht wirklich Langeweile in diesen langen Szenen aufkommen will, ist ein bemerkenswerter Verdient, den der Japaner mit diesem Film geleistet hat.
Dieser selbst ist über weite Strecken von einer zarten, schönen Schwermütigkeit beseelt, die nicht nur aufgrund der trost- und hoffnungslosen, zugleich jedoch warmen Bilder auftritt, sondern von Kenji Kawais melancholischem Theme zusätzlich untermalt wird. Ohnehin erinnert Kawais Komposition bisweilen an seine Arbeiten zu Kôkaku kidôtai. Dass sich in Sukai kurora tiefgründige philosophische Ansätze verbergen, ist offensichtlich, auch wenn Oshii sie die meiste Zeit über hinter seinen opulenten Bildern zurückstehen lässt. Die Handlung spielt hier nur eine untergeordnete Rolle, sodass man sowohl über Lautern, aber auch über Rostock eigentlich überhaupt nichts erfährt. Ebenso wenig über den mysteriösen Lehrer, gegen den niemand bestehen kann, der aber aufgrund seiner Passivität auch lediglich dazu da ist, ein Gleichgewicht zwischen den beiden Teams herzustellen. Viele Momente und Dialogzeilen implizieren jedenfalls, dass es Raum für eine (oder mehrere) Fortsetzungen gibt, was bei einer fünfteiligen Romanreihe nicht unwahrscheinlich erscheint.
Die Animation selbst besteht hauptsächlich aus dem gewohnten 2-D, wobei gerade die Landschaft aus der Vogelperspektive, wie auch die Flugzeuge selbst, digital in den Film integriert wurden. Hat die Verbindung von klassischer Animation und digitaler Ergänzung in einem existentialistischen Film wie Innocence - Inosensu noch gut gepasst, so beißen sich in Sukai kurora beide Stilmittel mitunter. Denn dafür wirkt die Geschichte, trotz ihrer zeitlichen Verordnung in die Zukunft, nicht futuristisch genug, als dass die digitalen Einfügungen nicht negativ hervorstechen würden. Am bedauerlichsten ist jedoch, dass Oshii sich nicht wirklich intensiv mit der Welt auseinandersetzen will, die Mori hier erschaffen hat. Das Potential, das hinter den Kildren steckt, schöpft der Film zu selten aus als dass er sich in einem Atemzug mit den bedeutenderen Werken der Kôkaku kidôtai-Reihe messen lassen könnte. Dennoch ist Sukai kurora eine interessante Adaption geworden, die durch ihre Schwermütigkeit und Melancholie zu faszinieren weiß.
7/10 - erschienen bei Wicked-Vision
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