10. März 2010

Un prophète

The idea is to leave here a little smarter.

“As far back as I can remember I always wanted to be a gangster”, verrät Henry Hill in Goodfellas. Der Mafia-Film ist schon lange ein eigenes Subgenre und Scorseses Einblick in den Aufstieg des Mobsters Henry Hill nimmt einen der vorderen Plätze in diesem Genre ein. Das scheint für das Publikum nie uninteressant zu werden, betrachtet man die zeitliche Brücke zwischen solchen Filmen wie The Godfather (1972) und Goodfellas (1990) bis zu den The Sopranos (1999) und Gomorrha (2008). Mit seinem neuen Film Un prophète verlagert der französische Regisseur Jacques Audiard nun den klassischen Mafia-Film in ein Gefängnis. Jenes alte (Film-)Rezept würzt er zudem mit einigen kleinen Anleihen von Akira Kurosawas Yojimbo.

Zu Beginn des Films ist Malik (Tahar Rahim) noch ein Niemand. Er kann weder richtig Lesen noch Schreiben, hat außerhalb des Gefängnisses keine Freunde und ist somit vollkommen allein. Dementsprechend wird ihm an seinem ersten Tag im Gefängnishof auch gleich sein Paar Schuhe geraubt. Malik ist ein Außenseiter, mit sechs Jahren Haft vor sich. Ein gefundenes Fressen in diesem mörderischen Haifischbecken. Und schon bald bewahrheitet sich für ihn das Sprichwort: Fressen oder gefressen werden. Der korsische Mafiosi César Luciani (Niels Arestrup) will sich eines unliebsamen Zeugen entledigen und nötigt Malik dazu, den Mord zu begehen. Als Ausgleich steht dieser fortan unter dem Schutz Lucianis.

Was allerdings zur Folge hat, dass Malik nunmehr ein Kind zweier Welten ist. Für seine muslimischen Mithäftlinge ist er nur noch „der Korse“ und für die italienischstämmigen Korsen bleibt er weiterhin „der Araber“. Aus dem Status des Lakaien vermag Malik erst auszubrechen, als Lucianis innerer Kreis an Komplizen in ein anderes Gefängnis verlegt wird. Maliks Werdegang erinnert dabei an Andy Dufresne aus The Shawshank Redemption. “I had to come to prison to be a crook”, blickt dieser auf seine kriminelle Karriere hinter Gittern zurück. Über Maliks Vergangenheit erfährt man relativ wenig. Scheinbar sitzt er seine Haftstrafe wegen eines Angriffs auf einen oder mehrere Polizeibeamte ab, reklamiert jedoch, dass er unschuldig sei.

Mit dem Eintritt in das Gefängnis schlägt Audiard das Kapitel zu Maliks Vorgeschichte auch zu. Egal, ob er zu Unrecht inhaftiert wurde oder nicht – wirklich in die Kriminalität rutscht Malik erst durch seine Haftstrafe und den Kontakt zu Luciani ab. Ein Außenseiter bleibt er weiter. Lediglich Ryad (Adel Bencherif) akzeptiert ihn als Freund, macht ihn später sogar zum Patenonkel seines Sohnes. Da Malik jedoch zu keiner der beiden Gruppen innerhalb des Gefängnisses wirklich dazugehören kann, beginnt er, seine eigene Gruppe zu sein und sich um sich selbst zu kümmern. An dieser Stelle entlehnt Audiard Elemente aus Kurosawas Yojimbo, wenn Malik die verschiedenen Parteien gegeneinander auszuspielen beginnt und für seine Vorteile benutzt.

Dabei geht es weniger um den Aufstieg von Malik in der Gangster-Hierarchie, sondern vielmehr um seine Anpassung. Und sieht man von Ryad ab – der zudem in der Mitte des Filmes aus der Haft entlassen wird –, dann bleibt Malik weitestgehend auch allein, unabhängig von seiner Anpassung an seine Umgebung. Als einziger Begleiter stellt Audiard ihm Reyeb (Hichem Yacoubi), eine Ausgeburt von Maliks Fantasie, an die Seite. Reyeb war jener Zeuge, den Malik zu Filmbeginn für Luciani ermorden musste. Bedauerlicherweise schenkt Audiard den Szenen der beiden nicht mehr Tiefe, denn dass Malik den Mord von damals nie völlig verarbeitet hat, wird durch das Reyebs kontinuierliches Erscheinen deutlich. Hier wäre Potential zu mehr gewesen.

So unterhaltsam Audiards Film letztlich auch ist, vielleicht gerade deshalb, weil er nicht so aufgeregt daherkommt wie Public Enemy No.1, verliert sich der Pariser Regisseur ab einem gewissen Zeitpunkt dann zu sehr in seiner eigenen Geschichte. Da werden immer mehr Figuren eingeführt ohne dass die Handlungsstränge zu Ende geführt werden oder von gewichtiger Bedeutung für die eigentliche Geschichte wären. Auch die titelgebenden Prophezeiungen erweisen sich als nicht unbedingt zweckdienlich und zu unausgereift. All dies ändert jedoch wenig daran, dass Un prophète ein überzeugender Vertreter des Gangsterfilms ist, der gekonnt mit all jenen Elementen spielt, die er unterwegs für seine Inszenierung absorbiert.

8.5/10

1 Kommentar:

  1. Darüber, dass du mit Public Enemy No.1 echt nichts anfangen kannst, bin ich immer noch nicht drüber weg... ;-)

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