So what’s wrong with the blueberry pie?
Ein Mann und eine Frau sitzen sich gegenüber, sie unterhalten sich und obwohl sie einander eigentlich fremd sind, sind sie es irgendwie doch nicht. Beide kennen sich nicht oder glauben sich nicht zu kennen, da fragt der Mann die Frau nach ihrer Vergangenheit. Doch die Frau antwortet nicht, zückt stattdessen einen Stapel Karten und breitet diese auf dem Tisch vor sich aus. Wenn ihr Gegenüber die höhere Karte zieht, wird sie ihm ihre Frage beantworten. Der Mann zieht eine Karte und es ist die Kreuz Acht, während die Frau die oberste Karte wählt…das Pik As. Sie steht auf und geht. Einst saß der Mann ebenfalls vor einem Kartenspiel und verlor ebenfalls gegen das Pik As, vor einer Zeit, die lange her ist und ihm damals das Herz gebrochen hat. Und sein Herz kann auch jetzt nicht gekittet werden, denn der Augenblick ist vorüber gegangen. Wenig später wird der Mann sagen „Man erkennt eine verwandte Seele nicht, wenn man sie zu früh trifft…oder zu spät“. Es sind die Worte von Chow Mo-Wan, der einst verliebt war und nun nur noch einsam ist. Es sind die Worte einer Figur, die zu den beiden letzten Filmen von Wong Kar-Wai gehört. Mit Fa yeung nin wa spätestens gelang ihm im Jahr 2000 der Durchbruch und diese hoch gelobte Geschichte erzählte er wenige Jahre später mit 2046 weiter. Dabei ist die Geschichte noch nicht zu Ende gelangt, denn für Wong Kar-Wai zählen alle seine Filme nur als Szenen eines einzigen großen Filmes und in gewissem Sinne ist Chow Mo-Wans Zyklus noch nicht zu Ende erzählt, er hat lediglich Raum, Zeit und Ort gewechselt und bildet die Grundlage für My Blueberry Nights.
Ein Mann und eine Frau sitzen sich gegenüber, sie unterhalten sich und obwohl sie einander eigentlich fremd sind, sind sie es irgendwie doch nicht. Elizabeth (Norah Jones) kam in das Café von Jeremy (Jude Law) weil sie ihren Freund sucht, muss jedoch durch Jeremy erfahren, dass dieser sie mit einer anderen betrügt. Wutentbrannt hinterlässt sie im Café die Schlüssel zu der Wohnung ihres Freundes, erscheint dann allerdings noch in derselben Nacht, um sich nach seinem Erscheinen zu erkundigen. Sie taucht auch die nächsten Nächte in Jeremys Café auf und isst dabei jedes Mal ein Stück Blaubeerkuchen mit Vanilleeis. Doch ihr Ex-Freund lässt Elizabeth nicht los und so gibt es für ihr Problem nur eine Lösung: sie muss New York verlassen. Sie macht sich auf nach Memphis und arbeitet dort zwei Jobs gleichzeitig, begegnet dabei tagsüber in einem Café dem Streifenpolizisten Arnie (David Strathairn), der sich abends wegen seiner Frau Sue Lynne (Rachel Weisz) den Kopf zuschüttet. Es ist eine zum Scheitern verurteilte Beziehung und Elizabeth, die sich Lizzie nennt, zieht wenige Wochen später bereits wieder weiter und landet in Nevada. Auch hier arbeitet sie als Bedienung und lernt unfreiwillig die egozentrische Leslie (Natalie Portman), mit welcher sie daraufhin einige Zeit verbringt. Auch Leslie leidet unter einer zum Scheitern verurteilten Beziehung und Elizabeth, die sich Beth nennt, muss die Erfahrung machen, dass es nicht immer eine Veränderung des Charakters ist, die einen im Leben weiterbringt.
Für Wong Kar-Wai stand von Anfang an fest, dass nur Musikerin Norah Jones, ihres Zeichens mehrfache Grammy-Preisträgerin, die Hauptrolle in seinem ersten englischsprachigen Kinofilm spielen könne. Und Jones fügt sich auch bestens ein, bewerkstelligt ihre Figur problemlos neben den anderen Darstellern, die alle bereits einmal für einen Academy Award nominiert waren. Man nimmt Jones diese stur-vertrauensvolle junge Frau in jeder Minute ab, auch wenn man selbst manche ihrer Entscheidungen kopfschüttelnd in Frage stellen mag. Auch die anderen Darsteller von Jude Law bis hin zu David Strathairn spielen ihre Rollen überzeugend, selbst wenn sie nicht wirklich hineinpassen wollen in das Schema, das doch viel zu sehr amerikanisch ist, als dass es in Wong Kar-Wais Gedankenwelt Platz nehmen könnte. Gewiss, die Geschichte spielt diesmal nicht im Hongkong oder Singapur der 60er Jahre, sondern im Amerika des Hier und Jetzt, dementsprechend bunt und knallig sind meistens die Farben welche WKW für seine Blueberry Nights auswählt. Unterlegt werden diese bunten und mitunter schrillen Bilder von passender Musik der im Film auftretenden Norah Jones und Cat Power selbst, sowie hauptsächlich von Jazzmusiker Ry Cooder.
Aber irgendwie wollen Bilder, Musik und die Darsteller, bzw. die Geschichte keine richtige Symbiose eingehen, zu gekünstelt wirkt das ganze, besonders in den Memphis Szenen um Arnie und Sue Lynne. Hier beginnt man sich zu fragen, was das ganze eigentlich soll, bzw. wo WKW eigentlich mit seiner Geschichte hin möchte. Doch man erinnere sich daran, dass alle seine Filme nur Szenen eines Filmes sind und an einen weiteren Moment mit Chow Mo-Wan, in welchem er der Prostituierten Bai Ling gegenüber erklärt „Ich habe nur Zeit und die muss ich mir vertreiben“, worauf ihm die Frage gestellt wird „Und das tun Sie mit Menschen?“. Wie vertreibt sich also der chinesische Meisterregisseur seine Zeit, er tut es mit Menschen, sprich mit Schicksalen. In Memphis dreht sich alles irgendwie nicht mehr um Elizabeth/Lizzie, sondern hier ist Arnie der Star. Arnie, der die Nacht durch trinkt, um nicht an seine gescheiterte Ehe zu Sue Lynne erinnert zu werden und der tagsüber den Mann von Recht und Ordnung gibt, bis die Spannung zwischen beiden zu eskalieren droht. Wie es genau zu der Beziehung der beiden kam und wie diese Beziehung ursprünglich mal aussah, davon verrät uns WKW nichts, zumindest nichts genaues und Elizabeth ist während der ganzen Szenerie eigentlich selbst auch lediglich ein Zuschauer der Zeuge dieser Szenen einer Ehe wird. Strathairn spielt den Arnie gut, will aber nicht so recht in die Figur passen, bzw. die Figur wirkt lediglich schemenhaft, zu undurchsichtig. Wer ist Arnie, das ist die Frage die sich einem stellt und die man doch nicht richtig beantwortet bekommt. Weisz sah selten mit einem Haarschnitt heißer aus als hier, doch auch zu kann ihrer Figur nicht recht Leben einhauchen.
Dies gelingt Natalie Portman dann schon etwas besser, ihre Rolle der Leslie gleichzeitig mit einer Wildheit, als auch mit einer gewissen Verletzlichkeit rüberzubringen. Ihre Figur wirkt echt und real, passt in die Umgebung und gefällt – wären da nicht die Pokerszenen, denn diese passen einfach absolut nicht zu Leslie, bzw. zumindest nicht zu Portman selbst. Hier hätte WKW besser ein anderes Medium gewählt, in dem er Leslie als die Persönlichkeit darstellen könnte, wie er sich das gedacht hat. Im Gegensatz zu dem trostlosen Leaving Las Vegas Ambiente aus Memphis weiß die hier gewählte Thelma & Louise Thematik durchaus wieder besser zu gefallen, auch wenn hier immer noch Elizabeth im Hintergrund steht, weiterhin selbst Zuschauer ist. Wong Kar-Wai präsentiert seinem Publikum in Elizabeth eine Katharsis, die irgendwie doch keine ist, denn weiterentwickeln tut sie sich während des Filmes nicht. Sie bleibt dieselbe Person, bleibt ihrem Charakter treu und wird lediglich mit ihren Erinnerungen fertig. Die Frage ist, ob sie dies nach dreihundert Tagen nicht auch in New York selbst geschafft hätte, denn früher oder später wird jeder mit einer gescheiterten Beziehung fertig. Elizabeth, wie WKW auch eingesteht, wählt den langen und den umständlichen Weg, anstatt den einfachen zu nehmen. Eine Lektion lernt sie dabei nicht, weshalb ihr die dreihundert Tage unterwegs lediglich Erfahrung gebracht haben, aber keinen Wandel. Somit ist My Blueberry Nights nur zur Hälfte eine Geschichte über Elizabeth, bzw. Chow Mo-Wan, und zeigt dem Publikum zudem noch, dass es auch andere gescheiterte Beziehungen gibt, mit denen wir alle fertig werden müssen, um weiterzugehen im Leben.
My Blueberry Nights fehlt die poetische Subtilität eines 2046 und die bittersüße Melancholie eines Fa yeung nin wa, das Problem hierbei stellt wohl sicherlich das Ambiente, bzw. die Darsteller dar, denn so recht reinpassen nach Amerika tut WKW (bisher noch) nicht. Das Drehbuch ist gut und die Dialoge sind bedeutungsschwanger wie man es von ihm gewöhnt ist, doch der knallige Look, und der amerikanische Cast passen irgendwie nicht zu der gewünschten Melancholie von gescheiterten Beziehungen. Weisz, Law, Strathairn und Portman sind irgendwie natürlich gut, ohne jedoch wirklich ins Bild passen zu wollen, auch die Geschichte selbst will irgendwie nicht ins Bild passen, sich nicht mit dem Rest des Gesamtfilms vereinen. Das „Würdest du mit mir kommen?“ eines Chow Mo-Wan hat dem Film eventuell gefehlt, sodass My Blueberry Nights hinter seinen beiden letzten Filmes zurückfällt, ohne dabei unbedingt schlecht zu sein oder zu enttäuschen. Das größte Mysterium des Filmes bleibt jedoch seine deutsche Synchronisation, denn wieso Blaubeer-, Käse- und Apfelkuchen nicht so heißen dürfen und stattdessen mit ihren englischen Übersetzungen angesprochen werden, dass kommt mir dann doch wieder Chinesisch vor.
7.5/10
Neues Bewertungssystem?
AntwortenLöschenNicht direkt, ich habe es nur ausgeschrieben, weil mich das 7/10 irgendwie störte und ich nicht Rajkos Prozentualwertung klauen wollte. Daher nun ein Fazit in einem Wort ;)
AntwortenLöschenFür mich wäre "GUT" aber eher 8/10. :)
AntwortenLöschen8/10 ist bei mir STARK, ich übernehm da die Wertung von "Filmstarts.de", auch wenn ich sonst mit denen meist nicht derselben Meinung bin ;)
AntwortenLöschenHmm, glaube, dass die Synchro vieles kaputt macht - allein Jones' Stimme klingt als wäre sie ziemlich schlecht synchronisiert worden (habe einen Ausschnitt im ZDF gsehen)... :-(
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