Die eine will sich von der andern trennen:
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
(A Scanner Darkly, S. 256; Faust I, S. 39)
Romanverfilmungen sind immer so eine Sache, meistens gelingen sie nicht allzu gut, oft gelingen sie gar nicht. Eine der Ausnahmen für mich ist z.B. The Fellowship of the Ring, wo Jackson im Gegensatz zu den Fortsetzungen noch gute Arbeit geleistet hat. Richard Linklater hat sich bei A Scanner Darkly wohl eine der höchsten Meßlatten heraus gesucht, die es gibt: Philip K. Dick. Dick gehört zu meinen Lieblingsautoren und ist ohne Zweifel einer der genialsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Das Problem ist, dass Dick's Romane sehr futuristisch sind und zudem sehr komplexe mindfucks. Dies lässt sich m. E. filmisch nicht umsetzen, bzw. nicht genug umsetzen, um Dick zu entsprechen. Und wenn man es nicht schafft dem Roman zu entsprechen, sollte man ihn auch nicht verfilmen.
Linklater erzählt in seiner bereits in Waking Life verwendeten Technik des Rotoskop-Verfahrens, wo reale Bilder am Computer übermalt werden, die Geschichte des Undercover-Polizisten Bob Arctor (Keanu Reeves), welcher seine Junkie Freunde Donna (Winona Ryder), Luckman (Woody Harrelson) und Charles Freck (Rory Cochrane) ausspionieren soll, während ein weiterer Freund von ihm, Jim Barris (Robert Downey Jr.), ihn bei seinem Chef anschwärzt. Das Rotoskop-Verfahren ist auch gewöhnungsbedürftig, bei Waking Life fand ich es noch ganz passend, in A Scanner Darkly hat es mitunter gestört. Man würde meinen, dass auf diese Weise dargestellte "unreale" Bilder besser zu Dick's Story passen, jedoch verschwimmt die Handlung dadurch viel zu sehr, weswegen es besser gewesen wäre, die geschossenen Bilder nicht auch noch zu übermalen und wenn, dann nur in einzelnen Szenen.
Fehlbesetzt ist der Film dazu auch noch. Rory Cochrane besonders und Woody Harrelson zum Teil betreiben nerviges overacting, während Winona Ryder und Keanu Reeves unmotiviert und gelangweilt wirken, vielleicht sind sie auch einfach nur überfordert. Donna und Arctor sind die beiden komplexesten Figuren in A Scanner Darkly und Linlater wäre gut beraten gewesen, Charakterdarsteller für diese Rollen zu besetzen. Spontan fielen mir für Ryder's Figur Juliette Lewis und Marisa Tomei ein, welche Donna mehr Leben eingehaucht hätten, bei Arctor wären wohl Johnny Depp oder Jim Carrey die bessere Wahl gewesen. Der einzige der in seiner Darstellung überzeugt, ist Robert Downey Jr., welcher der Figur des egozentrischen und paranoiden Barris sehr gerecht wird.
Ein Thema zieht sich durch alle Geschichten von Dick: die fortschreitende Technologisierung. Oft sind auch Drogen ein zentrales Thema seiner Arbeiten, neben A Scanner Darkly insbesonders The Three Stigmata of Palmer Eldritch. Das lässt sich aus Dick's Zeitverständnis herleiten, schrieb er seine Arbeiten während der 60er und 70er Jahre, in der Zeit von Drogenfesten und Kaltem Krieg. Dabei ist A Scanner Darkly sein persönlichstes Werk, trägt es doch semiautobiographische Züge und Dick brach es nach eigener Aussage das Herz, als er das Buch schrieb, beschreibt er darin schließlich seine eigene Kommune, seine eigenen Freunde. Philip K. Dick "war" Bob Arctor und hat selber die meisten seiner Freunde an Drogen verloren.
Das zentrale Thema des Romans verkackt Linklater im wahrsten Sinne des Wortes im Film, nämlich was Drogen bei Menschen angerichtet haben und immer noch anrichten. Wie Fred am Ende nicht mehr zwischen Fred und Bob unterscheiden kann, geht im Film völlig verloren. Dick selber schrieb in einem Nachwort zu A Scanner Darkly: "Drogenmißbrauch ist keine Krankheit, sondern eine Entscheidung, vergleichbar mit der Entscheidung, vor einem heranrasenden Wagen hinaus auf die Fahrbahn zu treten". Diese Botschaft geht im Film verloren, weil Linklater nur die (tragisch) lustigen Szenen des Romans zusammenbastelt, damit der Zuschauer unterhalten wird. Dick's Romane lassen sich einfach nicht gebührend verfilmen, am gelungensten ist da wohl noch Blade Runner. Linklater verhebt sich bei seinem Verusch aber eindeutig und Lee Tamahori's Next, das ebenfalls auf einer von Dick's Kurzgeschichten basiert, ist wie John Woo's Paycheck auch gefloppt. Hollywood sollte endlich lernen, dass man die Finger von Dick zu lassen hat.
5.5/10