16. November 2008

Body of Lies

Nobody's innocent in this shit.

Wenn ein Mann als größten Erfolg Gladiator vorzuweisen hat, sollte man seine Karriere mit etwas Vorsicht beäugen. Wenn selbiger Mann einst innerhalb von drei Jahren zwei Filme wie Alien und Blade Runner gedreht hat, wächst der Unglauben ins Unermessliche. Was ist eigentlich aus Ridley Scott geworden? Zwar besitzen Filme wie Legend, White Squall oder Black Hawk Dawn durchaus ihren Charme und Momente, doch der Großteil von Scotts Œuvre ist gerade innerhalb des letzten Jahrzehnts doch eher zum Heulen. Filmen wie G.I. Jane oder Kingdom of Heaven fehlt jegliche Substanz und Tiefe. Ein Manko das inzwischen exemplarisch für Scotts Filme geworden ist. Dass er innerhalb von sieben Jahren vier Mal mit dem Neuseeländer Russell Crowe zusammengearbeitet hat (davon allein drei Filme in den letzten zwei Jahren) gereicht wohl weder dem einen noch dem anderen zum Vorteil. Was bei Martin Scorsese und Bobby De Niro oder Tim Burton und Johnny Depp gut geht, wirkt bei Scott und Crowe allmählich etwas ausgelutscht und war vielleicht selten deutlicher als in Body of Lies, dem neuen Film der beiden Freunde und Künstler. Basierend auf dem gleichnamigen Roman des US-Journalisten David Ignatius aus dem vergangenen Jahr beschäftigt sich der Film mit einer Thematik, die aktuell nicht präsenter sein könnte im amerikanischen Kino. Der 11. September findet in seinen Auswirkungen vermehrt Einzug in Filme, die jedoch meist zugleich ihrem amerikanischen Pathos zum Opfer fallen. Weder Home of the Brave noch In the Valley of Elah oder Rendition konnten ihrer eigenen Thematik gerecht werden. Von der momentanen politischen Situation ganz zu schweigen. Dass dies auch Ridley Scott nicht zu gelingen vermag, sollte und dürfte deshalb niemanden überraschen. Doch auch als Thriller gelingt es dem Film nicht zu überzeugen, viel zu sehr orientiert sich Scott dazu an konventionellem Hollywood-Kitsch.

Ein Sondereinsatzkommando pirscht sich in Manchester an ein Gebäudekomplex heran. Im selbigen befinden sich einige Araber und jede Menge Sprengstoff. Als diese die Anwesenheit des SoKo bemerken, sprengen sie sich und damit auch das Gebäude kurzerhand in die Luft. Der Krieg gegen den Terror ist in voller Aktion und einer der tapferen amerikanischen „Krieger“ findet sich in Roger Ferris (Leonardo DiCaprio), einem Agenten der CIA. Im Irak ist Ferris auf der Jagd nach Al-Saleem (Alon Abutbul), genannt „der weiße Wal“, der hinter all jenen Anschlägen in Europa steckt. Während Ferris im Irak bei seiner Untersuchung auf einen möglichen Informanten stößt, will sein Vorgesetzter in Washington, Ed Hoffman (Russell Crowe), diesem keinen Schutz gewähren. Die Situation eskaliert beinahe und Ferris’ wird schwer verletzt auf einen Militärstützpunkt gebracht. Dort offeriert ihm Hoffman den Posten des Geheimdienstchefs in Jordanien. Als eine erste Operation schief geht, landet Ferris erneut in einem Krankenhaus. Dort verliebt er sich in iranische Schwester Aisha (Golshifteh Farahani) und beginnt eine riskante Beziehung mit dieser. Gleichzeitig versucht er sich das Vertrauen des jordanischen Geheimdienstchefs Hani (Mark Strong) zu sicheren. Doch ein ums andere Mal fährt ihm Hoffman in die Parade. Ferris beginnt einen komplizierten Plan auszuhecken, um Al-Saleem aus der Reserve zu locken. Doch die Frage ist, wer hier eigentlich wen aus welchen Gründen benutzt. Und wer am Ende lebend aus der ganzen Situation herauskommen wird.

Wenn man die zwei Stunden Laufzeit von Body of Lies überstanden hat, fragt man sich wahrscheinlich zu Recht, was Scott hier seinem Publikum eigentlich erzählen wollte. Der Realismus, den er versucht zu erzielen, wird durch die offensichtliche Unlogik in den Handlungen der Protagonisten konterkariert. Allen voran erschließt sich nicht, weshalb Ferris stets alles schluckt, was ihm Hoffman in den Rachen wirft. Kein Aufbegehren von Seiten des Agenten, der außerhalb der Hoffman-Szenen trieft von Idealen, diese jedoch stets verrät, wenn es darum geht sie geltend zu machen. Das Hoffman dabei die eigene Mission sabotiert nimmt Ferris nie zum Anlass Beschwerde bei dessen Vorgesetzten einzureichen. In einer Szene erläutert Ferris gegenüber einer anderen Figur, dass Hoffman nur deshalb über die Lage im Mittleren Osten informiert ist, da Ferris ihn informiert. Einer seiner Vorgänger bestätigt dann auch zwischen den Zeilen, dass der CIA-Agent innerhalb der Agency einen renommierten Ruf hat, stetig aufgestiegen ist. Die Tatsache, dass er sich daher von Hoffman alles gefallen lässt, erklärt sich somit lediglich dadurch, dass die Handlung am Laufen gehalten werden muss. Rückschlag um Rückschlag muss sich Ferris nach vorne arbeiten, dass sich die USA dabei eher selbst im Wege stehen, scheint keiner der Figuren klar zu werden.

Aktuell sehr beliebt: Leo mit Bart und Knarre - vorzugsweise auch mit Kappe.

Amüsanterweise zelebriert auch Scott das Bild des bärtigen Leonardo DiCaprio mit Knarre in der Hand, welches man zuvor bereits in dessen letzten beiden Filmen The Departed und Blood Diamond begutachten konnte. Somit hat DiCaprio sich seine eigene kleine „Bearded Weapon“-Trilogie geschaffen. Während The Departed scheint er sich zudem von Jack Nicholson beeinflusst haben zu lassen. Vermehrt finden sich in Body of Lies Gesten und Mimiken des Altstars wieder, was immerhin für einige nostalgischen Momente sorgt. Differenzierungen zu DiCaprios beiden vorherigen Rollen sind schwer erkennbar, zu ähnlich die Rollen in ihrer Struktur und Aufbau. Obschon er die meiste Leinwandzeit inne hat, kann er dem Film schwerlich seinen Stempel aufdrücken. Selbiges gilt, mit Ausrufezeichen, für Russell Crowe. Abgesehen von zwei Szenen darf dieser stets mit Kopfhörer durch das Bild stapfen und seine dazu gefutterten 30 Kilo präsentieren. Sein Charakter Ed Hoffman ist bedauerlicherweise eine statische Figur, ohne Tiefe und Erläuterung. Lediglich einige Züge lassen sich erahnen, zum Beispiel, dass Hoffman Arbeit gerne von anderen erledigen lässt. Bevorzugt kommuniziert er über das Telefon, und bespricht hier gerne auch geheime Militärschläge, während er seine Kinder in die Schule bringt oder ihnen beim Sport zuschaut. Auch seine Arbeiten diktiert er und den Kofferraum seines Wagens lässt sich ebenso elektrisch schließen. Dass Hoffman ein bequemer Mensch ist, der sich die Arbeit anderer – wie Ferris’ – zu Eigen macht, sieht man auch an seiner Körperfülle. Seine politische Motivation jedoch, seine Interessen an der augenblicklichen Lage, all diese Elemente, die zum Verständnis des Filmes beitragen könnten oder sollten, fehlen Hoffman. Dass Crowe sich darin gefällt, grinsend den „Bösewicht“ zu geben, macht die Figur nicht sonderlich glaubwürdiger. Es ist daher Mark Strong, der als Hani Salaam das beste Bild aller Beteiligten abgibt. Er weiß seiner Figur zugleich ein enormes Maß an Würde wie auch Bedrohung zu verleihen.

Letztlich krankt Body of Lies jedoch sowohl an seiner „Verhollywoodisierung“ als auch an ebenjenen Schwächen, die bereits American Gangster ausgemacht haben. Dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Ferris irgendwo in irgendeine Frau rennt, mit der er anschließend eine Romanze beginnen kann, ist so vorhersehbar wie das Amen in der Kirche. Natürlich muss es sich hier noch um eine Vertreterin des Islam handeln, die als Krankenschwester nur darauf gewartet hat, dass/bis ein tougher Amerikaner auf ihrer Trage Platz nimmt. Es ist dann auch diese Romanze, die den Film unnötigerweise streckt, gerade weil sie zum einen ohne Bedeutung ist und andererseits nirgendwo hinführt. Dies trifft im Übrigen auf die gesamte Handlung zu, die schließlich eine derartig dämliche Wendung nimmt, dass man sich an den Kopf schlagen muss. Selten hat man einen unglaubwürdigeren Plan gehört, um einen Terroristen zu jagen. Dass man sich darüber nicht einmal wirklich aufregen will, liegt an der fehlenden Substanz des Filmes. Wie in American Gangster tangiert einen hier alles lediglich peripher. Man folgt zwar dem Geschehen auf der Leinwand, nimmt jedoch nicht wirklich daran Teil. Dass dies von Scott aus technischer Sicht alles gut gelöst ist, hilft einem dann nicht sonderlich weiter. Schnitt und musikalische Untermalung unterstützen den Film zwar, tragen diesen jedoch nicht. Die eigentliche Krise des Anti-Terrorkrieges versucht Scott dabei nicht mal anzusprechen. Sie dient ihm lediglich als Kulisse für einen konventionellen Thriller, in welchem jeder jeden versucht auszuspielen. Das wirkt alles derartig belanglos, dass man sich wirklich fragt, wie jener Mann Alien und Blade Runner drehen konnte. Und dass es für sein nächstes Projekt Nottingham nicht besser bestellt sein dürfte, erahnt man bereits. Übrigens, Russell Crowe spielt dann auch wieder mit. Wie überraschend.

5.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision

5 Kommentare:

  1. Ich habe mir den natürlich gespart, nach AMERICAN GANGSTER war's das mit mir und Scott/Crowe.

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  2. Höhö, das war ja nicht anders zu erwarten. Schon wieder nix mit Oscar.

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  3. Aua, also wenn ich das so lese, kann ich mir es fast schon ausmalen - meine Vorfreude ist nahezu bei 0, Herr Rudi! :(

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  4. mir gefiel ja American Gangster doch recht gut, aber hier habe ich mich dann auch gelangweilt. schon allein, weil ich an die gelungeren beispiele eines nahost-thrillers denken musste (z.B. Syriana, aber auch Opetation: Kingdom als Action-Vehikel).

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