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5. Juni 2013

Classic Scene: Heat - “That’s the discipline.”

DIE SZENE: Der ermittelnde Mord-Detektiv Lieutenant Vincent Hanna (Al Pacino) hat den verdächtigen schwerkriminellen Räuber Neil McCauley (Robert De Niro) bei einem vermeintlichen Routinestop auf der Schnellstraße zu dessen Überraschung auf einen Kaffee eingeladen. Im folgenden Gespräch führt Hanna seinem Gegenüber die Ausweglosigkeit seines Unterfangens vor, während beide Männer mit offenen Karten spielen und ihre Motive einander darlegen. Aus Neugier wird Respekt.

EXT. DINER - HANNA + NEIL AT A TABLE
- NIGHT


HANNA: Seven years in Folsom. In the hole for three. McNeil before that.

NEIL nods agreement.

HANNA: McNeil as tough as they say?

NEIL: You looking to become a penologist?

HANNA: You looking to go back? You know, I chase down some crews... guys just looking to fuck up, get busted back. That you?

NEIL: You must’ve worked some dipshit crews.

HANNA: I worked all kinds.

NEIL (pause): You see me doing thrill-seeking liquor-store holdups with a “Born to Lose” tattoo on my chest?

HANNA: No, I do not.

NEIL: Right. I am never going back.

The adversarial intensity is eye-to-eye.

HANNA: Then don’t take down scores.

NEIL: I do what I do best, I take scores. You do what you do best, trying to stop guys like me.

HANNA: So you never wanted a regular-type life?

NEIL: What the fuck is that? Barbecues and ball games?

HANNA (smiles): Yeah.

NEIL: This regular-type life like your life?

HANNA: My life? No, my life... No, my life’s a disaster zone. I got a stepdaughter so fucked up... because her real father is this large-type asshole. I got a wife. We’re passing each other on the down slope of a marriage... my third... because I spent all my time chasing guys like you around the block. That’s my life.

NEIL: A guy told me one time: “Don’t let yourself get attached to anything you are not willing to walk out on in 30 seconds flat if you feel the heat around the corner”. Now, if you’re on me, and you gotta move when I move... how do you expect to keep a -- A marriage?

HANNA: Well, that’s an interesting point. What are you, a monk?

NEIL: I have a woman.

HANNA: What do you tell her?

NEIL: I tell her I’m a salesman.

HANNA: So then, if you spot me coming around that corner... you’re just gonna walk out on this woman? Not say goodbye?

NEIL: That’s the discipline.

HANNA: That’s pretty vacant, no?

NEIL: Yeah, it is what it is. It’s that, or we both better go do something else, pal.

HANNA: I don’t know how to do anything else.

NEIL: Neither do I.

HANNA: I don’t much want to either.

NEIL: Neither do I.

Both of these guys look at each other and recognize the mutuality of their condition. Hanna’s light laughter.

HANNA: You know, I have this, uh, recurring dream. I’m sitting at this big banquet table and all the victims of all the murders I ever worked are sitting at this table and they’re staring at me with these black eyeballs... because they got eight-ball hemorrhages from the head wounds. And there they are these big balloon people... because I found them two weeks after they’d been under the bed. The neighbours reported the smell and there they are, all of them just sitting there.

NEIL: What do they say?

HANNA: Nothing.

NEIL: No talk?

HANNA: None. Just... They don’t have anything to say. See, we just look at each other. They look at me. And that’s it, that’s the dream.

NEIL: I have one where I’m drowning. And I gotta wake myself up and start breathing, or I’ll die in my sleep.

HANNA: You know what that’s about?

NEIL: Yeah. Having enough time.

HANNA: Enough time to do what you wanna do?

NEIL: That’s right.

HANNA: You doing it now?

NEIL: No, not yet.

HANNA: You know, we’re sitting here... you and I, like a couple regular fellows. You do what you do, and I do what I gotta do. And now that we’ve been face to face... if I’m there and I gotta put you away, I won’t like it. But I’ll tell you... if it’s between you and some poor bastard whose wife you’re gonna turn into a widow... brother, you are going down.

NEIL: There’s a flip side to that coin. What if you do get me boxed in and I gotta put you down? Because no matter what, you will not get in my way. We’ve been face to face, yeah... but I will not hesitate. Not for one second.

HANNA: Maybe that’s the way it’ll be. Or who knows?

NEIL: Or maybe we’ll never see each other again.

They look at each other for a moment. Neil’s wry smile.

9. Januar 2009

The Godfather: Part III

Just when I thought I was out… they pulled me back in.

“I totally resisted the thought of there being a third one”, erklärte Regisseur Francis Ford Coppola im Audiokommentar zu The Godfather: Part II. Nichtsdestotrotz kam es 1990 zum Abschluss der Familientrilogie rund um Michael Corleone. Was war passiert? Obschon die Fortsetzung des Meisterwerkes von 1972 an den Kinokassen nicht ansatzweise so erfolgreich war wie ihr Vorgänger, war The Godfather weiter ein enorm reizvolles Produkt für die Paramount. Nachdem man Coppolas Wunschprojekt Tucker: The Man and His Dream über dessen persönlichen Helden Preston Tucker finanziert hatte, erhoffte sich Paramount vom Regisseur eine Bringschuld. Zudem erhöhte man den Anreiz für den Italo-Amerikaner, indem man ihm fünf Millionen Dollar Gage und eine 15-prozentige Gewinnbeteiligung versprach. Für Coppola, der sich damals in Rom aufhielt und an seinem scheinbar unverfilmbaren Projekt Megalopolis arbeitete, war dies die Wende.

Wahrscheinlich die beste Lösung für alle Beteiligten, stand zeitweise doch im Raum, Sylvester Stallone nicht nur eine Rolle im Film zu geben, sondern ihm sogar die Regie anzuvertrauen. Doch bevor man Coppola an die Arbeit ließ, äußerte das Studio zwei unveränderbare Anforderungen. Die erste war, dass der Film Weihnachten 1990 in die Kinos kommen sollte. Weniger als Analogie zum Start-Termin des zweiten Teils, sondern damit Paramount noch einen Hit für ihren 1990er Aktienkurs generieren konnte. Die andere Forderung wird ein Regisseur in Hollywood weder damals noch heute besonders oft zu Ohren bekommen haben: der fertige Film dürfe nicht weniger als 140 Minuten Laufzeit haben. In Zeiten wo Ridley Scott seine fertigen Schnitte stets nur auf DVD rausbringen darf, mutet dies fast wie eine Legende an. Obschon Coppolas Name Coppolas durch seine Filme der 80er etwas gelitten hat, lockte The Godfather weiterhin eine Vielzahl von Hollywoods Schauspielern.

Als Wunschbesetzung für die Rolle von Mary Corleone hatte Coppola stets Julia Roberts im Blick. Zweimal wurde Roberts der Part angeboten – beide Male war sie anderweitig beschäftigt. Stattdessen wurde Winona Ryder engagiert, ehe das eintrat, was dem Film das Genick brechen sollte. Ryder sagte ihr Engagement für Edward Scissorhands ab – nur 24 Stunden vor ihrem ersten Drehtag. Statt auf vom Studio favorisierte Darstellerinnen wie Madeline Stowe auszuweichen, besetzte Coppola die Rolle von Michael Corleones Tochter mit der besten Schauspielerin, die er sich denken konnte (O-Ton Coppola): seiner Tochter Sofia. Die heutige Oscarpreisträgerin für ihr Drehbuch zu Lost in Translation war keine ausgebildete Schauspielerin und ihre Besetzung für die Medien ein mittlerer Skandal. Auch Al Pacino und Diane Keaton äußerten ihren Missmut und was folgte, bezeichnet Regisseur Coppola im Nachhinein als „Verschwörung“ gegen seine Person.

Die attraktivste Rolle neben der von Al Pacino war Vincent Mancini, Sonnys unehelicher Sohn und neuer Protege des Don. Unter anderem Alec Baldwin, Charlie Sheen und Val Kilmer hatten für die Rolle vorgesprochen, die letztlich an Andy Garcia ging. In Nebenrollen sind außerdem Bridget Fonda und Eli Wallach zu sehen. Aufgrund finanzieller Differenzen wurde Robert Duvall aus dem Drehbuch geschrieben, da er dieselbe Gage wie Al Pacino gefordert hatte. Innerhalb von sechs Wochen schrieb Coppola mit Mario Puzo das Drehbuch und nach vier Monaten Drehzeit war der dritte Teil der Trilogie im Kasten. The Godfather: Part III spielte in den USA gerade einmal seine Kosten wieder ein, weltweit waren es 130 Millionen Dollar. Kein finanzieller Reinfall, aber nicht der erhoffte Blockbuster. Obschon die Kritiker den Film geißelten, erhielt er im Jahr darauf sieben Oscarnominierungen, darunter als bester Film sowie für Regie und Drehbuch – er ging jedoch leer aus.

Seine Trilogie bezeichnet Coppola selbst als zwei Filme und einen Epilog. Dementsprechend beginnt dann auch der dritte Teil, den der Regisseur nie The Godfather: Part III sondern lieber The Death of Michael Corleone nennen wollte. Das alte Anwesen am Lake Tahoe ist überflutet, die Corleones wohnen längst nicht mehr hier. “The only wealth in this world is children”, erklärt Michael (Al Pacino) aus dem Off, während man auf einem Foto seine Kinder sieht. Dann folgt ein Schnitt und der Film beginnt zu sein, was er im Grunde ist: ein Remake. Eine religiöse Prozession bildet den Auftakt für das Geschehen, in New York erhält Michael das St. Sebastians-Kreuz vom Vatikan. Die Zeremonie wird in das Loft der Familie verlegt. Zu den Klängen einer italienischen Tarantella empfängt Michael verschiedene Bittsteller und Geschäftspartner. Darunter auch der langjährige Familienfreund Don Altobello (Eli Wallach), aber auch Straßenganove Joey Zasa (Joe Mantegna).

Zasa ereifert sich gegenüber Michael bezüglich dessen Neffe Vincent Mancini (Andy Garcia), der aus der Liaison zwischen Sonny und der Brautjungfer seiner Schwester hervorgegangen ist (obschon dies chronologisch laut Puzo nicht möglich ist). Die Animositäten zwischen allen Beteiligten werden offensichtlich und des Nachts wartet auf Vincent auch schon ein Mordkommando zu Hause. Dem kann er zwar entgehen, doch der Konflikt ist noch nicht begraben. Als Michael das Familiengeschäft endlich legitim machen will, eröffnet er Erzbischof Gilday (Donal Donnelly) seine Offerte von 600 Millionen Dollar um der finanzschwachen Vatikanbank und deren Unternehmen Immobiliare auf die Beine zu helfen. Als er seinen Mafiakollegen das Stück vom Kuchen versagen will, insbesondere Zasa, kommt es zum Eklat. Zwar überlebt der Pate das Attentat auf seine Person, doch der Niedergang aller Beteiligten hat hier erst seinen Anfang gefunden.

Der Film selbst ist, wie es Gabriele Weyand treffend schreibt, „eine Wiederholung bereits gesehener Ereignisse“ (vgl. Weyand, S. 201). Noch weitaus offensichtlicher als bereits The Godfather: Part II kopiert Coppola die Handlung des Originals. „Der Film quillt über vor inhaltlichen Entsprechungen mit den vorhergehenden Teilen“, resümiert Weyand (ebd.). Dies fängt an beim Beginn der italienisch geprägten Zeremonie mit Geschäftsterminen und mündet im Familienfoto, das erst geschossen wird, als der „alte“ Don den designierten Don hinzuholt. Während Pacino den Part von Marlon Brando aus dem ersten Teil übernimmt, schlüpft Garcia in die Rolle von Pacino. Die bewusste Kopie des Originals geht sogar so weit, dass Coppola den Mord von Vincent an Zasa genau an dieselbe (zeitliche) Stelle setzt, wie Michaels Ermordung von Sollozzo in The Godfather. Jene Mordszene wiederum findet ihren Ursprung im zweiten Teil, wenn Zasa wie einst Don Fanucci bei einer religiösen Festivität in seinem eigenen Viertel erschossen wird.

Auch die Bittsteller der Bewohner des Viertels an Vito im zweiten Teil finden ihr Echo, wenn Martin Scorseses Mutter auf Vincent zugeht und sich über den Zustand in der Nachbarschaft beklagt. Andere Parallelen wie Vincents Rachemord für den Anschlag auf den Paten und die Verstimmung des Paten auf jene von ihm nicht bewilligte Tat sind ebenso augenscheinlich. Dass im Finale die obligatorische Montageszene der zahlreichen Liquidierungen nicht fehlen darf, versteht sich bei den vorangegangen Ausführungen von selbst. Coppola und Puzo waren nicht in der Lage, mit einem neuen Grundgerüst aufzuwarten, weder für den zweiten noch für den dritten Teil – ein Zeichen der Schwäche der Fortsetzungen gegenüber dem Original. Zwar lobt Tookey, dass der dritte Film “plotwise, the most grandiose of the Godfather trilogy” sei (vgl. Tookey, S. 307), jedoch trifft dies nur dahingehend zu, dass man sich nicht in etwaigen parallelen Erzählsträngen zu verlieren droht.

Dabei ist von allen Godfather-Teilen der dritte sicher der Persönlichste des Regisseurs. “I at this point was very much like Michael Corleone”, gesteht Coppola im Audiokommentar. Und zumindest die familiären Parallelen sind unübersehbar. Nicht nur wird Michaels Tochter Mary Corleone von Coppolas eigener Tochter Sofia gespielt, sondern Michael Schwester Connie wird erneut von Coppolas wirklicher Schwester Talia Shire portraitiert. Somit übernimmt Michael quasi den Part, den Coppola für sich selbst vorbehalten hatte. Ohnehin hatte dieser die Godfather-Werke stets als Filme von einer Familie über eine Familie angesehen. Die Inspiration für die verbotene Liebesbeziehung zwischen Mary und Vincent findet ihren Ursprung somit selbstverständlich auch im Stammbaum der Coppolas. Seine Urgroßmutter hatte sich einst ihre Nase beim Stricken infiziert, weil sie sich mit der Häkelnadel zu kratzen pflegte. Als die Nase amputiert werden musste, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihren Cousin zu heiraten (was seine Ursache im traditionellen maritimen Familienbrauch im 20. Jahrhundert findet).

Das erklärt, wieso Coppola wenig missbilligend diese „verruchte“ Affäre bewertet. Auch Michaels Diabetes ist kein zufälliger Aspekt, sondern an die Erkrankung von Augusto Coppola angelehnt, Francis’ Großvater, der dadurch schließlich erblindete. Zum letzten Mal komponierte Carmine Coppola für The Godfather: Part III die Musik, ehe er an einem Herzinfarkt verstarb. Coppola zufolge sei dies während der Oscarverleihung 1991 geschehen, als Carmine bei der Auszeichnung übergangen wurde. Die letzte tragische Analogie findet sich im Finale des Films, wenn Michael vor dem toten Körper seiner Tochter ausharrt und vor seelischen Schmerzen schreit. Vier Jahre zuvor hatte Coppola seinen ältesten Sohn Gian-Carlo bei einem Motorboot-Unfall verloren. Der stolze und bisweilen narzisstische Italo-Amerikaner nutzt somit – wie so oft – seine Filme für eine Art innerliche „Beichte“ oder Bewältigung.

Den Großteil der Kritik entfiel auf Coppolas Besetzung seiner eigenen Tochter. Ganz speziell erregte dies die Gemüter, da Sofia Coppola keine ausgebildete Schauspielerin war. Dass sie Coppola als Inspiration für die Figur der Mary Corleone gedient hatte, ändert an ihrem nicht vorhandenen Talent wenig. “It’s a decision that I never regret”, blickt der Regisseur auf seine Entscheidung damals zurück. Diese lässt sich, wie all sein Lob für seine Tochter im Audiokommentar zweifelsohne auf die Liebe eines Vaters für sein Kind zurückführen. Eine rationale Bewertung scheint ihm hier nicht möglich. Den Film jedoch aufgrund von Sofias Leistung schlecht zu reden und ihr zwei Goldene Himbeeren zu verleihen, ist des Missmuts etwas zu viel. Tookey erkennt zurecht, dass das große Problem weniger in ihrem Schauspiel liegt, als daran, dass ihre Figur “grievously undercharacterized” ist (vgl. Tookey, S. 307). Während ihr Bruder Anthony (Franc D’Ambrosio) seinen Unmut gegenüber den Geschäften seines Vaters zum Ausdruck bringt, erfährt man von Mary nicht, was sie über dessen Mafia-Aktivitäten denkt.

Weitaus gravierender ist da nur noch die Tatsache, dass der Zuschauer nicht erklärt bekommt, was Mary eigentlich zum rabiaten Vincent hinzieht. Die Affinität scheint einfach da zu sein und führt schließlich zu jener Konstellation, die für alle Beteiligten ein dramatisches Ausmaß erreicht. Wie erwähnt trifft es dabei durchaus zu, dass Sofia Coppola in den meisten Szenen offen an den Tag legt, dass sie kein Talent für die Schauspielerei besitzt, jedoch ist ihre Rolle für den Grundgehalt des Films so minimalistisch und unbedeutend – Vincent und Michael nehmen den Großteil der Handlung in Anspruch –, dass der Film selbst nicht an ihr scheitern könnte. Es war sicherlich das Beste für die Kinolandschaft, dass Sofia Coppola keine Schauspielkarriere anstrebte, wer sein Urteil über den Film jedoch anhand ihrer Darstellung fällt, tut niemandem einen Gefallen.

Großes Lob verdient jedoch die Einbindung des Skandals um die Vatikanbank von 1979 in das Godfather-Universum. Inwieweit hier von Authentizität gesprochen werden kann, sei dahingestellt, seinen Zweck erfüllt die Idee allemal. Nach Vergebung lechzend zeugt es von bitterer Ironie, dass ausgerechnet die Kirche ihm den letzten Schlag versetzen soll, wenn alle Spieler zum Finale hin ihre Position einnehmen. Dass Coppola hierbei erneut den Fehler begeht, Michael durch seine Antagonisten positiver darzustellen als ihm gebührt, trübt jedoch erneut ein wenig das Bild. Immerhin gehen diese beiden Handlungselemente Hand in Hand, sodass ein stimmigeres Bild erzeugt werden kann, als noch beim Vorgänger der Fall. Unterstützt wird dies insbesondere durch die Darstellungen von Donal Donnelly (Gilday), Raf Vallone (Lamberto), Helmut Berger (Keinszig) und Enzo Robutti (Lucchesi).

Wie auch schon in den Vorgängern bekommt auch Diane Keaton ihre Momente, in denen sie ihr Talent abrufen konnte –  allerdings erhält sie hier erneut wenig Leinwandzeit. Al Pacino überzeugt als müder und kränkelnder Don, der des Geschäfts überdrüssig wird, während Eli Wallach und Andy Garcia durch ihr übertriebenes Spiel glänzen. Dies ist im Falle von Wallach noch relativ gemäßigt, nimmt bei Garcia jedoch oft lachhafte Ausmaße an. Der Virgin Film Guide spricht von “one of the most frustrating films of 1990” (vgl. Virgin, S. 292) und vergibt nur die Hälfte der Punktzahl der Vorgänger. Möglich, dass Frustration hier mit Enttäuschung verwechselt wurde, ist The Godfather: Part III per se kein schlechter Film. Schauspielerisch solide und inhaltlich durchaus packend muss man ihm lediglich zum Vorwurf machen, dass er versucht, nichts Neues zu erzählen und stattdessen zu einem „Best Of“ der Vorgänger verkommt. So ist der Abschluss der Trilogie besser als sein Ruf, aber dabei zugleich nicht sonderlich herausragend.

7.5/10


Verwendete Literatur:

• Audiokommentar von Francis Ford Coppola, The Godfather: Part III –The Coppola Restoration, Paramount Pictures 2008.
• o. A.: Artikel “The Godfather, in: The Eighth Virgin Film Guide, London 1999, S. 291.
• Tookey, Christopher: The Critic’s Film Guide, London 1994.
• Weyand, Gabriele: Der Visionär. Francis Ford Coppola und seine Filme, St. Augustin 2000.

3. Januar 2009

Righteous Kill

You do it because you get respect.

Sie sind Filmlegenden und sie sind Freunde. Nachdem Al Pacino und Robert De Niro zwar beide 1974 in The Godfather: Part II aufgetreten sind, jedoch nicht gemeinsam vor der Kamera stehen konnten, vereinte Michael Mann die beiden Oscarpreisträger 1995 in seinem Actionthriller Heat. Wie schon der Coppola ist auch der Film von Mann mit den beiden zum Kultfilm avanciert. Ein Grund mehr für die beiden italienisch-stämmigen „Greise“ erneut vor eine Kamera zu treten. Seit Jahren haben sie nach einem passenden Skript gefunden. Gefunden haben sie es schließlich in Russell Gewirtz’ Righteous Kill über einen Serienmörder innerhalb der Polizei. Inszeniert wurde das ganze dann von Jon Avnet, der mit Pacino bereits 88 Minutes gedreht hat. Jener Echtzeitthriller, der mit Ach und Krach weltweit seine Kosten wieder eingespielt hat und bei Rotten Tomatoes starke 5% hält hat bei Pacino scheinbar bessere Eindrücke hinterlassen als beim Rest der Welt. Insofern dürfte er auch mit Righteous Kill ziemlich zufrieden sein.

Das amerikanische Justizsystem ist eine Sache für sich. Über die Eigenheiten kann man Enzyklopädien schreiben und gerecht geht es in den seltensten Fällen zu. Daher werden auch oft Verbrecher laufen gelassen, weil die Beweislage zu gering ist. Das gefällt dem polizeilichen Ermittler Turk (Robert De Niro) nicht sonderlich. Ohnehin ist er ein Hitzkopf und sein aggressionsgeiles Betthäschen, die Leichenbeschauerin Karen (Carla Gugino), macht es auch nicht grade besser. Daher macht Turk Jagd auf die zu Unrecht nicht vom Recht belangten Kriminellen. Vierzehn Stück habe er getötet, lässt er zu Beginn des Filmes auf einer Videoaufzeichnung verlauten, während Avnet beginnt die Geschichte vom Gedichtskiller aufzurollen. Jener Killer, der Verbrecher jagt und zur Strecke bringt, hinterlässt stets ein Gedicht. Gemeinsam mit seinem langjährigen Partner Rooster (Al Pacino) ermittelt Turk in dem Fall. Bald schon stellt sich heraus, dass jener Killer auch in den Arbeitsbereich der Kollegen Riley (Donnie Wahlberg) und Perez (John Leguizamo) fällt. Als das Quartet entdeckt, dass der Killer ein Cop ist, beginnt sich für Turk die Schlinge enger zu ziehen.

Avnets Film hält sich für ungemein schlau, speziell dann, wenn er zum Schluss seine dramatische Wendung nimmt, mit der – so hoffen sie Macher – wohl keiner gerechnet hat. Dabei ist das gesamte Geschehen von vorne bis hinten unglaubwürdig und ohne Hintersinn inszeniert. Ein wohlhabender Vergewaltiger wird in seinem Appartmenthaus, das über einen Concierge verfügt erschossen. Dem Täter ist es dabei gelungen an den Videokameras vorbei zur Wohnung vorzudringen. Auch die übrigen Toten fallen allesamt eher unergründlichen Umständen zum Opfer. Ein pädophiler Priester wird ermordet, doch die Ursache dafür, dass dies erst jetzt, nach all den Jahren geschieht, löst der Film nicht auf. Ohnehin gibt sich Gewirtz’ Drehbuch keine sonderliche Mühe auf Ausarbeitung weder der Charaktere noch der Handlung. Die Dialoge sind bisweilen flacher als Keira Knightleys Brust und schmerzen ob ihrem Dilettantismus (beispielsweise die Brady-Bunch-Referenzen).

Die Irrelevanz der Filmhandlung kommt am besten durch die überflüssige Figur von Spider (Curtis „50 Cent“ Jackson) zum Ausdruck, ergänzt durch die nicht minder unnotwendige Anwältin Jessica (Trilby Glover). Glover war ebenfalls an dem Avnet-Pacino-Vehikel 88 Minutes beteiligt. Im Grunde lässt sich für das gesamte Schauspielensemble kaum ein gutes Wort finden, lediglich Wahlberg sticht etwas hervor. Weder Pacino noch De Niro wissen zu irgendeinem Zeitpunkt ihr (ehemaliges) Potential abzurufen. Vielmehr begnügen sie sich mit einer Mindestanzahl an Gesichtsmimiken die von „böse dreinschauen“ (Turk) bis zu „verschmitzt lachen“ (Rooster) reicht. Bedenkt man dass sowohl der Eine (Dog Day Afternoon, The Godfather) als auch der Andere (Brazil, Raging Bull) früher in Filmen mit starken Drehbüchern auftrat, ist man geradezu schockiert, für was sich die beiden Altstars hier im Grunde prostituieren. Beide warten in den vergangen Jahren mit zahlreichen miesen Filmen auf und scheinen auf Teufel komm raus weiterhin auf der Leinwand präsent sein zu wollen. Mit diesem spannungsarmen, inhaltsschwachen und schlecht gespielten Thriller haben sich De Niro und Pacino weder selbst einen Gefallen getan, noch dem Publikum.

1.5/10

30. November 2008

The Godfather: Part II. An Essay

Keep your friends close. But your enemies closer.

Eine alte Hollywoodregel besagt, dass Fortsetzungen zwei Drittel des Originalfilmes einspielen (vgl. Weyandt, S. 89). Bedenkt man, dass Regisseur Francis Ford Coppola für seine Adaption von Mario Puzos The Godfather etliche Aspekte der Handlung ausgelassen hatte, verwundert die Entscheidung von Paramount Pictures nicht, die übriggebliebenen Teile des Werkes weiter zu verwerten. Neben etlichen Merchandise-Artikeln war The Godfather zugleich der erfolgreichste Film der frühen siebziger Jahre. Der Wunsch diese Kuh weiter zu melken ergibt sich somit von selbst und jenes Geschäftselement schlägt sich bis in unsere heutige Zeit. Doch bei Regisseur Coppola stieß das Studio auf taube Ohren. „Initially, the idea of a sequel seemed horrible to me“, gestand der Oscarpreisträger (vgl. Johnson, S. 147). Die Mutmaßungen, weshalb sich der Italo-Amerikaner anders entschied, sind vielfältig. Seinen eigenen Äußerungen zufolge erhielt er in San Fransisco Besuch von einigen russischen Filmproduzenten, die nachfragte, wann denn The Godfather: Part II erscheinen würde. „It seemed such a terrible idea that I began to be intrigued by the thought of pulling it off“, erläuterte der Regisseur seinen Gedankengang (vgl. Johnson, S. 147). Zwar behauptete Coppola, er müsse aus finanziellen Gründen keinen Film mehr drehen, doch seine anderen, kleineren Projekte verlangten auch nach ihrer Finanzierung. Also sagte er zu und stellte zugleich Forderungen. Die Position hierzu hatte er sich durch den Erfolg des Vorgängerfilmes erarbeitet. Der Titel des Filmes sollte den Zusatz „Part II“ tragen und nach einigen Widerstrebungen von Seiten Paramounts markiert The Godfather: Part II schließlich die erste Fortsetzung in der Geschichte Hollywoods, die nach dem Muster der (römischen) Ziffer funktioniert. Eine weitere Forderung beinhaltete, dass der Großteil der ursprünglichen Besetzung wieder an Bord geholt werden würde. Ein Unterfangen, was sich zum Teil als schwierig erweisen sollte.

Zwei Figuren wird man vermissen. Beide Male aus finanziellen Gründen. Nachdem Paramount während der ersten Dreharbeiten stets gegen die Besetzung von Marlon Brando war, wollte man diesem nicht die Vergütung zukommen lassen, die er für einen erneuten Auftritt verlangt hatte. Ähnlich verhielt es sich bei Richard S. Castellano, der zudem die Forderung stellte, dass ein Freund von ihm seine Dialoge schreiben dürfe. Auf beide verzichtete Coppola und machte sich mit Puzo an das Abfassen des Drehbuches. Nach drei Monaten war man bereits fertig und die Eckdaten von Paramount gesetzt. Zuvor musste jedoch Francis Ford Coppola noch umgestimmt werden, die Regie zu übernehmen. Denn eigentlich wollte dieser sich auf die Produktion beschränken, die Arbeit hinter der Kamera sollte der aufstrebende Regisseur Martin Scorsese leiten. Paramount widersetzte sich. Scorsese – dessen Mutter in einer Gastrolle zu sehen ist – würde Jahre später mit Goodfellas und Casino seine eigenen Mafiafilme drehen. Die Positionen für die Produktion wurden besetzt, die Termine festgelegt. Im März 1974 sollte die Fortsetzung in den Kinos starten, an jenem Tag, an dem zuvor schon der erste Teil erfolgreich gestartet war. Aber es kam alles anders. „Within three weeks the shoot was running badly over budget and seriously behind schedule“, schildern Goodman und Wise (vgl. Goodman/Wise, S. 166). Coppola sah Außendrehs in Lake Tahoe, Las Vegas, New York, Miami, Sizilien und in der Karibik vor. Besonders die Karibik würde seinen Planungen hier ein Bein stellen. Zum einen wollte das Wetter nicht mitspielen, die Sonne nicht scheinen, und zum anderen machte Al Pacinos Gesundheit diesem einen Strich durch die Rechnung. Die Darstellung des Michael Corleone verlangte Pacino einiges ab, sodass er überfordert zusammenbrach. Obschon für März ´74 die Premiere geplant war, liefen im Januar noch die Kameras.

Money isn’t everything.

Der Film war folglich zwei Monate überfällig. Was drei Jahre zuvor für Coppolas Rauswurf gesorgt hätte, verkam nun zu einer Kleinigkeit. Zwar wurden einige Stimmen bei Paramound laut, doch verstummten diese, als American Graffiti den Golden Globe als Bester Film und zudem fünf Oscarnominierungen erhalten hatte. Man ließ Coppola gewähren und nach neun Monaten Drehzeit schloss dieser den Film letztlich ab. Die Arbeit endete jedoch noch lange nicht. Unzählige Minuten musste Coppola aus dem Film schneiden, speziell Szenen in Little Italy, an denen das Herz des Italo-Amerikaners hing. Der Kinostart wurde auf Dezember festgelegt, im Oktober wurde zu einem neuen Höchstpreis der erste Teil im Fernsehen ausgestrahlt. Das Land sollte erneut in ein Godfather-Fieber fallen. Zur selben Zeit besaß der zweite Teil noch eine Lauflänge von fünf Stunden, als Coppola seinem Geschäftspartner und Freund George Lucas schließlich den Film präsentierte, fiel die erste Kritik. „You have two movies. Throw one away. It doesn’t work“, so Lucas (vgl. Goodman/Wise, S. 181). Letztlich stutzte Coppola sein Werk noch auf eine Laufzeit von 200 Minuten herunter, das von Lucas angesprochene Problem ließ sich dadurch jedoch nicht vollends beseitigen. Als der Film zu Weihnachten anlief, konnte er die Erwartungen der Produzenten nicht wirklich erfüllen. Die Faustregel Hollywoods versagte, der Film spielt nur ein Drittel des ersten Teiles (etwa 100 Millionen Dollar) ein. Zwar immer noch das Fünffache seiner Kosten, aber nicht die Summe, die man sich erhofft hatte. Als Ursachen ließen sich das unstimmige Ende und der unsympathische Held der Geschichte ausmachen. Während das Publikum an den Kinokassen etwas bieder reagierte, feierte der Großteil der Presse den Regisseur. Im Frühjahr erhielt The Godfather: Part II elf Oscarnominierungen und wurde mit sechs Auszeichnungen bedacht. Darunter in den Kategorien „Bester Film“, „Beste Regie“ und „Bestes Drehbuch“ – alle drei Preise gingen somit auch an Coppola selbst. Inzwischen hatte er fünf Trophäen gewonnen. Die Medien „treated Coppola like a prince of filmdom“ (vgl. Goodman/Wise, S. 183). Er war in der Tat „on top of the world“ (ebd.) und mit dem Jahr 1974 sollte die Karriere von Francis Ford Coppola ihren Höhepunkt erreichen.

Eigentlich lässt sich The Godfather: Part II schön in einem Satz zusammenfassen: der Film ist eine „Orestie, das Echo des Bösen aus der Vergangenheit hallt in die Zukunft nach“ (vgl. Weyand, S. 91). Während Coppola und Puzo einerseits die Geschichte des Aufstieges von Vito Andolini aus dem sizilianischen Dorf Corleone erzählen, folgen sie damit jenen Aspekten des Romans, die keinen Einzug in The Godfather gefunden hatten. Andererseits spinnt Coppola die Geschichte jedoch weiter und erzählt parallel dazu den vermeintlichen Niedergang des Michael Corleone. Somit ist der Film schließlich Sequel und Prequel zugleich. „I want to show how two men, father and son, were … corrupted by this Sicilian waltz of vengeance“, erklärte Coppola (vgl. Johnson, S. 155). Nach einer Einstiegseinblendung von Michael Corleone (Al Pacino) beginnt auch gleich die eigentliche Geschichte. Anfang des 20 Jahrhunderts findet in Sizilien eine Beerdigung statt. Einer der Dörfler hatte sich gegen die Mafia und ihren Don Francesco „Ciccio“ (Giuseppe Sillato) aufgelehnt und dies mit seinem Leben bezahlt. Um der Rache der Söhne zuvor zu kommen, will Ciccio diese ebenfalls liquidieren. Als der Ältere der beiden erschossen aufgefunden wird, bittet die Mutter (Maria Carta) bei Don Francesco um das Leben ihres verbliebenen Sohnes Vito (Oreste Baldini). Doch Ciccio lehnt ab und es ist dem wagemutigen und zugleich dummen Verhalten seiner Mutter geschuldet, dass Vito mit dem Leben davon kommt. Früh präsentiert Coppola hier eine atmosphärisch dichte Sequenz, die sinnbildlich für einige andere, kommende Szenen stehen kann. Das Verhalten der Figuren ist unglaubwürdig, die Szene selbst kaum authentisch. Inmitten von Ciuccis Männern zückt Mutter Andolini ein Messer und ermuntert Vito die Flucht zu ergreifen. Ein wenig nachvollziehbares Verhalten, das nur dadurch gesteigert wird, dass es dem Jungen anschließend tatsächlich gelingt, die erwachsenen und bewaffneten Leibwächter hinter sich zu lassen.

This must all end.

Die Dorfbewohner von Corleone nehmen Vitos an, schmuggeln diesen zum Hafen. Warum jene Bewohner ihr eigenes Wohl aufs Spiel setzen, um das Leben dieses Jungen zu retten und wie sie überhaupt die Schifffahrt nach New York bezahlen konnten, wird nicht erläutert. Vito landet letztlich in der neuen Welt, wird jedoch auf Ellis Island erst einmal gezwungen in Quarantäne zu gehen. „This sequence must have been close to the filmmaker’s heart, remembering his own childhood bond with disease and the long months of isolation“ (vgl. Goodman/Wise, S. 182). Eine Analogie zwischen Vito Andolini, nunmehr Corleone genannt, und Francis Ford Coppola drängt sich auf, war der Regisseur als Kind doch selbst Monate lang an sein Bett gefesselt. Hatte Coppola beim ersten Teil noch den Ausspruch geprägt, es sei ein Film über eine Familie von einer Familie, so verkommt The Godfather: Part II zu einem Film von einem Mann über seine Familie. Vitos Isolation macht hier nur den Anfang. „The demons of my own life weren’t serving me well“, erzählt Coppola retrospektiv in seinem Audiokommentar. Zwar verlief die Produktion beim zweiten Teil der Reihe gut, dafür ging es dem Privatleben des Regisseurs immer schlechter. Parallel zur gescheiterten Ehe von Michael und Kay (Diane Keaton) kriselte es auch in der Beziehung zwischen Coppola und seiner Frau Eleanor. Auch die Beziehungen zu seinem älteren Bruder August und seinem Vater Carmine (s. The Godfather) erhielten Einzug in die Handlung. In der Fortsetzung werden nicht nur die Eheprobleme innerhalb der Familie Corleone thematisiert, sondern auch die brüderliche Rivalität und das Gefühl eines Sohnes, seinem Vater gegenüber minderwertig zu sein. „It’s easy to imagine that Coppola might have been facing similar conflicts“ (vgl. Goodwin/Wise, S. 163). Am Ende des Filmes ist Michael Corleone auf dem Höhepunkt seiner Karriere und doch allein von der Frau, die er einst liebte. Während Außenstehende Coppola zu Füßen lagen, litt seine eigene Frau und somit seine Ehe unter seinem Erfolg.

Was Coppola am ersten Teil gestört hatte, war die Tatsache, dass die Zuschauer Michael nicht wirklich verurteilen konnten. Das ging einher mit dem Vorurteil, The Godfather sei ein Euphemismus der amerikanischen Mafia. Was Michael tat, geschah aus dem Interesse der Familie heraus. Diesem positiven Bild von Michael wollte Coppola nun entgegenwirken. Gelungen ist ihm dies nicht wirklich, dafür sorgen die etablierten Antagonisten. Der hinterhältige Hyman Roth (Lee Strasberg) reicht Michael bei der Kommunionsfeier seines Sohnes die rechte Hand, während er ihm mit der linken praktisch ins Gesicht schlägt. Ein Anschlag auf Leib und Leben wird folgen und das in seinem eigenen Schlafzimmer, in Anwesenheit seiner Frau. Nevadas Senator Geary (G.D. Spradlin) hingegen beleidigt bei seinem ersten Treffen mit Michael nicht nur diesen selbst, sondern die gesamte italo-amerikanische Gemeinde. „It is just too much.“, fasst Johnson (vgl. Johnson, S. 153) zusammen. In der ersten Hälfte des Filmes hat sich somit nicht wirklich etwas an Michaels Darstellung geändert. Die Wende geschieht erst auf Kuba. Hier entdeckt Michael den Verrat seines Bruders Fredo (John Cazale) – von Coppola eingebettet in die sozialistische Revolution Fidel Castros. Für sich genommen markiert die Kuba-Sequenz jedoch den negativen Schwachpunkt des Filmes. Nicht nur ist sie langatmig und redundant, sondern sie hat noch nicht einmal etwas zu erzählen. Auch hier setzen sich die inhaltlichen Mängel fort. Aus unerfindlichen Gründen marschiert das Militär in das Krankenzimmer von Hyman Roth. Gerade dann, als sich Michaels Attentäter an diesem vergeht. Genauso verwundert Fredos plötzliche Flucht in die nächtlichen Wirren Habanas während des Regierungssturzes. Ähnlich unplausibel wird später Vitos (Robert De Niro) Rache an Ciucci gezeigt, wenn er im Sommer mit Mantel diesen ersticht und anschließend problemlos vom Anwesen fliehen kann. Johnson hat durchaus Recht, wenn er sagt, dass „every sequence, even the weakest, rewards the viewer for his attentiveness“ (vgl. Johnson, S. 154), doch die narrative Schwäche bleibt.

I know it was you, Fredo. You broke my heart.

Die Stärken von The Godfather: Part II finden sich ohnehin in den Vito-Szenen, im Herzen von New York City. Obschon Vito Sizilien und somit der Mafia vermeintlich entflohen ist, begegnet er ihr erneut in einem Theaterstück. Der rücksichtlose Don Fanucci (Gastone Moschin) herrscht über die Straßen von Little Italy und sorgt kurz darauf, wenn auch nicht absichtlich, dafür dass Vito seinen Job verliert. Coppola skizziert hier die Flucht vor der Kriminalität, die kein Ende finden will. Zwar wartet Daheim eine liebende und verständnisvolle Frau auf ihn, doch damit ist es um das Wohl der Familie nicht bestellt. Eine gute Tat gegenüber dem Nachbarn Clemenza (Bruno Kirby) wird schließlich zum Wendepunkt der Geschichte. Als Dankeschön will Clemenza Vito einen Teppich schenken. Zuvor muss dieser jedoch erst einmal gestohlen werden – eine Aktion, die fast in einem Polizistenmord endet. Mit der Akzeptanz des Teppichs öffnet Vito letztlich der Gewalt und der Kriminalität symbolisch die Tür zu seinem Leben. Er hat es auf ehrliche Art und Weise versucht, doch man – oder manifestiert: die Mafia – wollte ihm den Erfolg nicht gönnen. Zur Verbesserung seiner Lebenssituation dient nunmehr Diebstahl. Als Fanucci (s)ein Stück vom Kuchen abhaben möchte, zieht Vito die Konsequenz und entledigt sich des Problems auf profane Art und Weise. Als das Publikum Vito das nächste Mal begegnet, verkörpert er die beste Definition eines Paten. Eine arme Frau soll aus ihrer Wohnung vertrieben werden. Sie wendet sich an Vito, der inzwischen die angesehenste Person im Viertel ist. Als sein Ruf auch den Vermieter ereilt, wird der Konflikt schnell beseitigt. Ihr Ende findet die Geschichte um Vito in dem Mord an Ciucci und somit der Beseitigung alles Bösen aus dem Leben dieses Mannes. Verkörpert wird Vito hierbei von dem damals unbekannten Robert De Niro, der den Part zufriedenstellen spielt, jedoch nicht die Präsenz eines Marlon Brando zu erzeugen vermag. Trotz alledem wurde er von der Academy mit einem Oscar ausgezeichnet und markierte damit ein Novum. Zum ersten Mal erhielten zwei Schauspieler einen Oscar dafür, dass sie dieselbe Rolle spielten und eine identische Figur verkörperten.

Während die Szenen mit Vito in hellen, nostalgischen Sepiatönen gefasst sind, wirken die Einstellungen um Michael kalt und steril. Coppola und Kameramann Gordon Willis zelebrieren hier bildhaft die Abgrenzung dieser beiden Männer. In Parallelmontagen führt der Regisseur die Unterschiede zwischen Vater und Sohn hervor. Während „Vitos Taten (…) den Gestus des Selbstschutz [haben], [werden] Michaels Handlungen hingegen (…) ausschließlich von geschäftlichen Interessen bestimmt“ (vgl. Weyand, S. 95). Vito ermordet Fanucci und Ciucci, um zum einen seine Position und damit die Ernährung seiner Familie sicher zu stellen und zum anderen um Rache für den Mord an seiner Familie zu nehmen. Ehrenhafte Taten, ähnlich denen, wie sie Michael selbst in The Godfather verübt hat. Michael hingegen eliminiert seine Gegner, um seine geschäftliche Position zu verbessern. Hierzu ist er ständig unterwegs, Nevada, Florida, Kuba. Fernab von seiner Familie fühlt sich diese eingesperrt in einen goldenen Käfig. Vito hingegen verbringt die meiste Zeit in New York, selbst als er das Land verlässt, nimmt er seine Familie mit sich mit. „Michael [erscheint] negativ, Vito aber äußerst positiv. Coppola inszeniert ihn wie einen modernen Heiligen“ (vgl. Weyand, S. 94). Durch das Gegenüberstellen der beiden Corleones übt Coppola zugleich Kritik an der zweiten Generation von Immigranten. Diese zeichnet sich meist dadurch aus, dass sie versucht sich so stark anzupassen, dass die traditionellen Werte verloren gehen. Erst die dritte Generation kehrt letztlich zu den alten Werten zurück. Es versteht sich von selbst, dass Coppola zu jener dritten Generation zu zählen ist. Michael hingegen verkörpert den „modernen Kapitalismus amerikanischer Prägung, in dem ausschließlich der Gewinn zählt“ (vgl. Weyand, S. 96). Es wird sein Sohn Anthony sein, der im dritten Teil der Trilogie dem familiären Geschäft den Rücken zuwendet und stattdessen eine Gesangskarriere in Sizilien anstrebt. Die Botschaft von Coppola ist klar: Michael verliert sich, „weil er die Traditionen missachtet, die alten Werte ignoriert“ (vgl. Weyand, S. 97).

This is the business we chose.

„In a funny way, the story to take it further, repeats itself“, gab Coppola in seinem Audiokommentar unumwunden zu, dass seine Fortsetzung sich letztlich derselben Stilmittel bedient, wie bereits der Vorgänger (und auch der Nachfolger). Und in der Tat handelt es sich bei The Godfather: Part II um keine sonderliche Weiterentwicklung der Geschichte des Vorgängers. Coppola verfügt hier über zwei Filme, das Prequel und das Sequel. Weitaus besser wäre er gefahren, wenn er sich auf die Vorgeschichte von Vito konzentriert hätte, denn alle Szenen um Michael rufen nur in Erinnerung, was man aus dem ersten Teil bereits kennt. Eröffnet wird die Geschichte mit einer religiösen Zeremonie, gefolgt von der familiären Feier. Nach einer halben Stunde schließlich erfolgt der Anschlag auf den Paten, nachdem man seine Gegenspieler zuvor in der persönlichen Audienz vorgestellt bekam. Fredo ist der tollpatschige Bruder innerhalb der Familie, das merkte man bereits beim Anschlag auf Vito im Vorgänger. Dass Tom Hagen (Robert Duvall) nicht mehr der consigliere der Corleones ist, abgesetzt und des Vertrauens entzogen, etablierte Coppola gegen Ende von The Godfather. Hier findet sich auch bereits die Entfremdung zwischen Michael und Kay, äußerst harmonisch abgeschlossen in der Abgrenzung der Ehefrau durch das Verschließen der Tür. Auch im Sequel wird ihr erneut die Tür verschlossen, die Botschaft ist jedoch identisch mit der des ersten Teiles. Was will Coppola mit seiner Fortsetzung vermitteln? Michael macht das falsch, was sein Vater richtig gemacht hat. Er korrumpiert die Wertvorstellungen von Vito und verurteilt somit die Familie zum Scheitern, besiegelt seine eigene Isolation. Doch dies ist nichts Neues, ruft man sich in Erinnerung, dass Michael extra bis nach Vitos Begräbnis gewartet hat, um den vier New Yorkern Familien den Kampf anzusagen und somit die Wünsche des Vaters – der zuvor über Sonnys Ermordung aus genau diesen Gründen hinweg gesehen hatte- zu missachten. Wenn Michael seiner Frau in die Augen schaut und sie bezüglich des Mordes an einem Familienmitglied anlügt, nur um dann die Tür vor ihr und somit ihrer Liebe zu verschließen, isoliert ihn das bereits zu jenem Zeitpunkt. Somit ist The Godfather: Part II zu großen Teilen tatsächlich nichts anderes als das Echo des ersten Filmes.

Die Parallelmontage mutet zwar durchaus als nette Idee an, wird jedoch durch die Redundanz der Michael-Episode getrübt. Während der Film technisch gesehen durchaus meisterhaft inszeniert ist – die Musik von Nino Rota und Carmine Coppola wurde verdientermaßen mit dem Oscar ausgezeichnet -, hapert es in der Fortsetzung zum Meisterwerk The Godfather speziell inhaltlich. Dies mag an den zahlreichen entfernten Szenen liegen oder auch lediglich daran, dass einfach versucht wurde zuviel in zu wenig Zeit zu erzählen. „(…) there’s a hopelessly disorganized plot with narrative leaps and loose ends galore“, befindet auch Tookey (vgl. Tookey, S. 306). Da passt dann auch das etwas gezwungene Ende hinein. Nachdem Michael seinen Bruder ermorden lässt, schwelgt er in einer Rückblende. Beim Geburtstag von Vito erklärt Michael seine Bestrebung, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten und sein Jurastudium zu unterbrechen. Die Stimmung kocht hoch, schließlich handelt der Jüngste nicht im besten Interesse für die Familie. Konträr dazu platziert Coppola die Schlusseinstellung des Filmes. „Now, ironically, he [Michael, d. Red.] is alone not because he chose to act outside the interest of the family, but because he has relentlessly acted in the best interest of the family” (vgl. Johnson, S. 162). Die Schauspieler agieren überzeugend, wirklich hervorstechen vermag jedoch nur John Cazale. Recht eindimensional erscheint Michael V. Gazzos Interpretation von Frankie Pentangeli, Duvall und Keaton sind aufgrund der fehlenden Präsenz ihrer Figuren unterfordert. De Niro spielt wie gesagt überzeugend, jedoch ohne das Charisma eines Marlon Brando evozieren zu können. Al Pacino hingegen ruft lediglich in der Szene, als Kay die Abtreibung gesteht, wirklich sei Potential ab. Im Nachhinein „scheitert“ die Fortsetzung wohl daran, dass Coppola sich zu sehr auf die Ideale des ersten Teiles zu stützen versuchte. So ist The Godfather: Part II zwar ein vielfältigerer Film geworden, jedoch nicht so umwerfend wie sein Vorgänger.

8.5/10 – in anderer Form erschienen bei Wicked-Vision


Quellen und Literatur:

• Audiokommentar von Francis Ford Coppola, The Godfather: Part II –The Coppola Restoration, Paramount Pictures 2008.
• Goodwin, Michael/Wise, Naomi: On the Edge. The Life and Times of Francis Coppola, New York 1989.
• Johnson, Robert K.: Francis Ford Coppola, Boston 1977.
• Tookey, Christopher: The Critic’s Film Guide, London 1994.
• Weyand, Gabriele: Der Visionär. Francis Ford Coppola und seine Filme, St. Augustin 2000.

9. November 2008

The Godfather. A Genesis

Times are changing for the worse.

New York City - Vier der einflussreichsten Mafiosi des Bundesstaates New York wurden erschossen aufgefunden. Die Ermordung der als „Dons“ bezeichneten Männer fand scheinbar durch unbekannte Attentäter simultan an verschiedenen Orten statt. Gemeinsam mit seinen Bodyguards wurde Anthony Stracci in einem Fahrstuhl erschossen. Auf Ottilio Cuneo wurden zwei tödliche Schüsse beim Verlassen eines Hotels abgegeben – er war in der Drehtür stecken geblieben. Während man Phillip Tattaglia mit einer nicht identifizierten Geliebten in einem Ferienhaus fand, wurde Emilio Barzini auf offener Straße vor dem Gerichtsgebäude hingerichtet. Zusätzlich meldete ein Massagesalon den Mord an Moe Greene. Greene, Casinobesitzer aus Las Vegas, wurde bereits mehrfach mit Barzini und anderen der oben angeführten Opfer in Verbindung gebracht. Die Polizei schließt eine „Säuberung“ innerhalb der Mafia somit nicht aus. Kenner der Szene wollen in Michael Corleone (35) den Anstifter des Anschlages ausgemacht haben. Corleone hatte ein Jahr zuvor die Leitung von Genco Imports übernommen, deren Präsident zuvor sein Vater, Vito Corleone, war. Vito Corleone selbst galt jahrelang als eines der fünf Familienmitglieder der New Yorker Mafia. Vor zehn Jahren war vor seinem Firmengebäude ein Attentat auf ihn verübt worden. Ausgegangen sei dieses, so hieß es damals auf der Straße, von dem Heroinhändler Virgil Sollozzo, genannt „der Türke“.

Sollozzo stand in engem Kontakt mit Phillip Tattaglia und wurde ein Jahr später gemeinsam mit Polizeihauptkommissar Mark McCluskey erschossen in einem italienischen Familienrestaurant aufgefunden. Ermittlungen zufolge hatte sich McCluskey anschließend als korrupt erwiesen. Michael Corleone selbst lehnt jedoch jegliche Verantwortung für den New Yorker Fünffachmord ab. Zudem wehrt er sich gegen Anschuldigungen, er sei ein Mafiosi. “That’s my family. That’s not me”, erklärte Corleone. Doch etliches spricht dagegen. Nicht nur dass Corleone sich zwischen 1947 (kurz nach dem Mord an Sollozzo und McCluskey) und 1950 nicht in New York aufgehalten hat, sein älterer Bruder Santino Corleone wurde im Frühjahr 1948 von dutzenden Kugeln erschossen bei der Zollstation nach New Jersey entdeckt. Auch Corleones Schwager, Carlo Rizzi, wurde vor einigen Tagen tot aufgefunden. Eine Beteiligung von Corleone an den Morden lässt sich allerdings bisher nicht nachweisen. “The kid’s clean, he’s a war hero!”, befindet Detective Phillips von der New Yorker Polizei. Es ist somit davon auszugehen, dass die Ermittlungen bis auf weiteres eingestellt werden. Die Familie Corleone selbst, so verkündete ihr Anwalt Tom Hagen, zieht in Kürze nach Lake Tahoe, Nevada.

So oder zumindest so ähnlich hätte eine Zeitungsnachricht aus dem Jahr 1955 aussehen können- wenn es sich bei Francis Ford Coppolas The Godfather nicht lediglich um einen Film handeln würde. Doch was steckt hinter diesem Film, den Christopher Tookey als „Meilenstein des siebziger Jahre Kinos“ beschreibt (Tookey, S. 305)? Eine turbulente Produktionsgeschichte geht der Adaption von Mario Puzos Bestseller voraus. Doch The Godfather entstand nicht 1971, als Coppola ihn dreht, und auch nicht 1967, als Puzo begann ihn zu schreiben. “Great movies aren’t usually planned a such; they happen through an unusual confluence of talents and qualities” (Virgin Film Guide, S. 291). Die eigentlichen Ursprünge von Coppolas Meisterwerk finden sich somit bereits 1948, gute zwanzig Jahre bevor Puzo seinen Roman verfassen sollte. Francis Ford Coppola, geboren am 7. April 1939 als zweites Kind von Carmine und Italia Coppola, hatte es in seiner eigenen Familie nicht leicht. Stets stand er im Schatten seines älteren und beliebteren Bruders August und erkrankte mit neun Jahren sogar an Polio. Ein ganzes Jahr lang war Francis ans Bett gefesselt und vertrieb sich seine Zeit hauptsächlich durch Fernsehsendungen. Kurz darauf begann er mit einer 8mm Kamera und einem Kassettenrekorder seine eigenen Sendungen aufzunehmen. Eine Leidenschaft entbrannte, die zwei Jahrzehnte später in seinem eigenen Filmproduktionsstudio American Zoetrope münden sollte.

“I am sure that from those shows came the idea of my own studio”, würde Coppola später behaupten (vgl. Goodwin/Wise, S. 20). Das Interesse an der Unterhaltungsbranche war geweckt und fand auf dem College seine Fortsetzung. Gleich in seinem ersten Semester gründete Francis einen Kino Workshop und arbeitete unter anderem mit seinem Freund und Kommilitonen James Caan an Theaterstücken mit. Obschon ungewöhnlich für einen Studenten inszenierte Francis mit einer Adaption von Eugene O’Neills The Rope sogar ein eigenes Bühnenstück. Die Produktion war desolat, alle Beteiligten am Set hielten Coppola für inkompetent. Doch entgegen der Erwartungen verlief am Premierenabend alles reibungslos. Der Vorsitzende der Theaterabteilung „considered The Rope the best student-directed show he had ever seen“ (Goodwin/Wise, S. 27). Kurz darauf war Francis der “campus superstar”. Es verwunderte nicht, dass er schließlich einen Platz an der UCLA Filmhochschule erhielt.

Hier sollte Coppola innerhalb der nächsten Jahre sein technisches Wissen erlangen – allerdings weniger durch den Unterricht selbst, als auf anderen Pfaden. Coppola war unzufrieden mit den Methoden der Schule, die seinem Empfinden nach zu wenig praxisorientiert waren. Obschon er mit Leichtigkeit Drehbuchpreise in Höhe von zweitausend Dollar gewann – sehr zum Neid seiner Kommilitonen - war Coppola chronisch pleite. Inspiration fand er durch die Arbeit von Russ Meyer. Dessen Nackedei-Filmchen deckten einen Markt ab, der auch für Coppola reizbar war. Immerhin konnte er so die Komponenten „Geld“ und „Filme machen“ miteinander verbinden. Für dreitausend Dollar drehte er schließlich The Peeper, die Geschichte von einem Spanner, der versucht von zu Hause aus ein Pin-Up-Shooting zu verfolgen. Doch der Erfolg blieb aus. The Peeper was a little to arty for the nudie marketplace” (Goodwin/Wise, S. 36). Zu kunstvoll - eine Bezeichnung, die sich Coppola stets für seine seriösen Projekte gewünscht, jedoch nie erhalten hatte. Insgesamt drei so genannte „nudies“ drehte Coppola. Seine Meinung bei den anderen Studenten wurde dadurch nicht wirklich gehoben.

Dafür sollte Francis einen anderen Freund gewinnen: B-Movie-Legende Roger Corman. Corman, der dafür bekannt war Kinofilme gerne mal in zehn Tagen für fünfzigtausend Dollar zu drehen, engagierte Coppola aufgrund seines Resümees fließend Russisch zu können. Seine Aufgabe sollte es sein, russische Filme zu übersetzen und neu zu synchronisieren. Dumm nur, dass Coppola entgegen seiner Angabe kein Wort Russisch konnte. Doch Corman störte sich nicht daran, war vielmehr von der schnellen Auffassungsgabe und Kreativität des Filmstudenten Coppola angetan. Im Ansehen seiner Mitschüler war Francis nunmehr vollends auf einen Tiefpunkt gesunken, die Zusammenarbeit mit Corman dagegen würde seine nächsten Jahre bestimmen. Dass diese sich ausgezahlt hat, wusste Coppola auch später noch zu bestätigen. “It was really an intensive course in the mechanics of putting a film together”, erklärte er. Dank Corman und den „nudies“ war Francis im Stande für verhältnismäßig wenig Geld Filme in kurzer Zeit auf die Leinwand zu bannen. Zu diesem Zeitpunkt war Coppola kaum mehr an der Filmhochschule anzutreffen, vielmehr begann er – obwohl er noch seinen Abschlussfilm schuldig geblieben war – als fester Drehbuchautor für das Produktionsstudio Seven Arts zu arbeiten.

In Hollywood kursierte ein Projekt namens Patton. Die Produzenten suchten für die Adaption der Biographie des amerikanischen Kriegshelden einen Drehbuchautor mit Militärvergangenheit. Als Jugendlicher war Francis einst von seinem Vater auf die Militärakademie geschickt worden. Was ihm damals als Fluch erschien, sollte sich in einigen Jahren als Segen herausstellen, der seine ganze Karriere retten würde. Obschon Coppola keine Ahnung vom US-Militär hatte - er war lediglich Teil des Orchesters auf der Militärschule gewesen – erhielt er den Vorzug. Zum Vorteil gereichte ihm auch seine Name unter Paris brûle-t-il?, was ihn in Augen von 20th Century Fox zum Experten für den Zweiten Weltkrieg machte. Sein ambivalentes Portrait von General Patton würde Coppola schließlich bei der Oscarverleihung 1971 den Oscar für das beste adaptierte Drehbuch einbringen - und zugleich seinen Job bei The Godfather retten.

Auf Anfrage seines Verlages konzentrierte er sich auf das Thema „Mafia“, zuvorderst da man ihm einen Vorschuss gewährt hatte und Puzo selbst mit 20.000 Dollar in der Kreide stand. Drei Jahre lang recherchierte und schrieb Puzo an seinem Buch, das 1969 als The Godfather erscheinen sollte. Paramount sicherte sich die Rechte an dem Roman und engagierte Puzo für das Drehbuch. Doch als The Brotherhood, ein weiterer Mafiafilm des Studios an den Kinokassen floppte, stellte man The Godfather ein. Erst als der Roman zum Bestseller wurde, erhielt das Projekt erneut grünes Licht. Da der Roman jedoch für Kontroversen unter der italo-amerikanischen Bevölkerung sorgte – da man das Gefühl hatte, Italiener würden mit Mafiosi in einen Topf geschmissen - suchte das Studio nach einem Regisseur, den sie zugleich lenken konnten, der aber auch den Mob beruhigen würde. Am besten einen jungen Regisseur mit italienischen Wurzeln.

Schließlich wurde sein Budget auf zweieinhalb Millionen Dollar begrenzt, für den Film selbst gab man ihm 53 Drehtage. Coppola selbst hatte achtzig eingefordert, am Ende drehte man 62 Tage, die Kosten beliefen sich auf sechseinhalb Millionen Dollar. Weit problematischer waren dagegen Coppolas Besetzungsentscheidungen. Sowohl Puzo als auch er selbst hatten Marlon Brando in der Rolle von Familienoberhaupt Vito Corleone im Auge. Doch Brando war zum einen zwanzig Jahre jünger als seine Filmrolle und zum anderen bei den Studiobossen von Paramount verhasst. Erst ein Screentest – in welchen Coppola die Schauspiellegende trickste - überzeugte Paramount vom Gegenteil. Auch gegen die Besetzung des damals unbekannten Theaterschauspielers Al Pacino in der Rolle von Michael Corleone wehrten sie sich. Pacino wäre zu klein und sähe zu italienisch (!) aus, so die Begründung. Viel lieber hätte Paramount Robert Redford oder Ryan O’Neill in der Rolle gesehen. Dass Coppola die Charaktere von Sonny und Tom Hagen mit seinen Freunden James Caan und Robert Duvall besetzte, sah man ebenso wenig gern. Die Streitigkeiten zogen sich sogar bis hin zum Engagement von Nino Rota als Komponist. Doch Coppola gelang es sich in allen Fragen durchzusetzen.

Die erste Drehwoche begann und obwohl Coppola ein gutes Gefühl hatte, schien er der einzige zu sein. “The crew thought Godfather [Herv. d. Autoren] was going to be the biggest disaster of all time” (Goodwin/Wise, S. 129). Auch Paramount wollte – und verhehlte dies auch hinterher nicht - Coppola in den ersten drei Drehwochen durchgehend feuern. Mal war man mit Brandos Darstellung unzufrieden, dann wieder mit der von Pacino. Puzos Roman begann nun immer erfolgreicher zu werden, Coppola selbst hatte das Gefühl, “(…) the book was getting bigger than I was” (Johnson, S. 99). Paramount begann zu Hinterfragen, ob sie nicht einen größeren Regisseur engagieren sollten. “I was very unhappy during the The Godfather [Herv. d. Verf.]. (…) I didn’t have a hell of a lot confidence”, erklärte Coppola später. Doch Coppola, der dieses Szenario bereits von seinem College-Theaterstück The Rope kannte, ließ sich nicht unterkriegen.

Um seine Position zu stabilisieren entließ er kurzerhand einige seiner Mitarbeiter, von denen er das Gefühl hatte, sie würden gegen ihn konspirieren. Paramount war verunsichert und ließ Coppola gewähren. Innerhalb der ersten drei Wochen drehte der Regisseur jenen berühmten Mord an Sollozzo und McCluskey. Es war zum einen jene Szene, welche die Studiobosse endgültig zur Ruhe brachte und Coppola fortan gewähren ließ. Zum anderen gewann Coppola zu dieser Zeit auch seinen Oscar für Patton, was sein Ansehen innerhalb Paramounts selbstverständlich steigerte. Daher störte es auch nicht, als Coppola begann jede Woche einen Tag hinter den Produktionsplan zurück zu fallen oder für zusätzliche Millionen Außendrehs in Sizilien forderte. Paramount war sich sicher, einen erfolgreichen Film in Petto zu haben - und hatte dennoch keine Ahnung, auf was für einem Erfolg. In seinem ersten Monat sollte The Godfather jeden Tag mehr als eine Million Dollar einspielen. Die Nachfrage war so groß, dass man Vorführungen bereits um neun Uhr morgens ansetzte und diese bis Mitternacht laufen ließ. Sie alle waren ausverkauft. “The country was Godfather-crazy [Herv. d. Autoren]” (Goodwin/Wise, S. 139).

Da Bonasera von der amerikanischen Justiz keine Gerechtigkeit erwarten kann, hat er Vito Corleone (Marlon Brando) aufgesucht. Corleone fungiert für seine italienischen Mitbürger als „Pate“, doch ist die deutsche Übersetzung hier etymologisch unzureichend. God deutet auf die dogmatische Herrschaft des Don hin, father auf die Rolle als fürsorgliches Familienoberhaupt – der religiöse und der familiäre Aspekt vereinen sich“, beschrieb es Gabriele Weyand sehr treffend (Weyand, S. 66; Herv. d. Aut.). Denn die Rolle des Familienoberhauptes begrenzt sich für Corleone nicht nur auf sein Fleisch und Blut, sondern auf jeden, der sich unter seine Fittiche begibt. Etwas, das Bonasera vernachlässigt hat, was jedoch jetzt wieder aufgenommen wird. Eines Tages wird Bonasera dafür den Preis zahlen müssen. Das weiß er und er schluckt. Coppola präsentiert hier in einem abgedunkelten Büro quasi das Ganze seines Filmes in seinem Einzelnen. Eine in sich geschlossene Gesellschaft, durchtränkt von Ritualen und Traditionen, die sich nicht lenken lassen, sondern ihre Beteiligten lenken: “No Sicilian can ever refuse a request on his daughter's wedding day.”

In Armeekleidung betritt Michael Corleone (Al Pacino) die Bühne, für seine Freundin Kay Adams (Diane Keaton) ist dies eine fremde und neue Welt. Und es ist Kay, die stellvertretend für den Zuschauer fungiert, Fragen stellt. Ein dicklicher Mann sitzt unter der Veranda und brabbelt Dankessätze vor sich hin. Die Frage, um wen es sich hier handelt, stellt Kay sowohl für sich als auch das Publikum. Es ist Luca Brasi (Lenny Montana), ein Angestellter von Michaels Vater. Und es obliegt Michael auch die letzten Zweifel auszuräumen. Sein Vater ist ein „Don“, ein Mafiaboss und Brasi sein Auftragskiller. Eine Offenbarung für Kay. Doch die Versicherung folgt sogleich: Michael ist kein Teil dieses Familiengeschäftes. Der Anfang der Katharsis des Filmes. Nachdem die beiden entscheidenden Figuren, Vito und Michael Corleone, eingeführt wurden, beginnt Coppola die eigentliche Geschichte des Filmes zu erzählen.

Ein Erlebnis, das auch ihn nachträglich prägen wird. Was folgt ist der Kampf der Corleones gegen die vier Familien des Staates New York, wobei „(…) die Corleones (..) im Grunde als die Guten im Kampf gegen das Böse dargestellt [werden]“ (Weyand, S. 61). Um die Sympathien des Publikums auf eine Fraktion zu vereinen, wird diese Fraktion von der Realität abstrahiert dargestellt. In Folge dessen agieren die Corleones nicht wie normale Mafiosi, pflegen andere Werte als normale Mafioso und wirken für den Zuschauer greifbarer und persönlicher. Genährt wird dies speziell von der Darstellung des Vito Corleone, den „man nie ein Verbrechen begehen [sieht]“ (Weyand, S. 68). Corleone lehnt den Drogenhandel ab, sucht nach Frieden mit den anderen Familien, will seinen Sohn aus dem Exil zurück haben und stirbt spielend mit seinem Enkelsohn. Sonny hingegen stirbt einzig aus dem Grund, weil er seine Schwester vor ihrem gewalttätigen Mann Carlo (Gianni Russo) beschützen wollte. Wenn Michael Sollozzo und den korrupten Polizeichef McCluskey (Sterling Hayden) erschießt, fühlt auch das Publikum innerlich eine gewisse Befriedigung für jenen hinterhältigen Anschlag auf Don Vito kurz vor Weihnachten.

Doch auch hier nahm Coppolas Karriere nicht die erhoffte Wendung. Die Mehrheit seiner verfassten Drehbücher wurde von Seven Arts nicht verfilmt, die Versicherung ihn bei einem eigenen Film Regie führen zu lassen stets hinausgeschoben. Dem Jungregisseur wurde es allmählich zu bunt, sein Ausstieg stand kurz bevor. Zuvor flog er jedoch von Seitens Seven Arts noch nach Paris, wo er als Script Supervisor für René Clements Paris brûle-t-il? fungieren sollte. Dass sein Name letztlich als Drehbuchautor auftaucht, verdankt sich nicht Coppolas aktivem Mitwirken am Film selbst, sondern der Tatsache dass keiner der französischen Autoren Mitglied er Gewerkschaft gewesen war. Doch seine Entscheidung nach Paris zu fliegen würde sich für Coppola noch auszahlen.

Zwar eiste sich Coppola von Seven Arts los, war aber immer noch aufgrund eines seiner Drehbücher, You’re a Big Boy Now an seinen Arbeitgeber gebunden. Immerhin konnte er dieses Mal auch als Regisseur agieren und hatte den notwendigen Schritt vom Drehbuchautor zum Regisseur zurück getan. Sein Engagement wurde fortgesetzt, Coppola als Regisseur für The Rain People und Finian’s Rainbow engagiert. Seven Arts war inzwischen von Warner Bros. aufgekauft, die vorherige Abteilung in Warner Seven (W-7) umgetauft worden. Es war jenes Set von Finian’s Rainbow, das die nächste Überraschung für Francis bereithalten sollte. Durch einen Kurzfilm hatte sich ein Filmstudent der USC in San Diego in Filmkreisen einen Namen gemacht. Warner Bros. war so beeindruckt, dass man ihm ein sechsmonatiges Stipendium anbot. Er dürfe frei an jedem Projekt auf dem Studiogelände mitwirken. Allerdings gab es zu jener Zeit nur ein Projekt auf dem Studiogelände: Finian’s Rainbow. Der zwanzigjährige Filmstudent, der eines Morgens bei Coppola auf der Matte stand war George Lucas. Sein ausgezeichneter Kurzfilm THX-1138: 4EB. Coppola und Lucas freundeten sich sofort an.

Doch aus beiden sollte innerhalb weniger Jahre weit mehr werden als Freunde. Gemeinsam gründeten sie das von Coppola lange angestrebte Studio American Zoetrope. Die Finanzierung für das Studio stammte jedoch von Warner Seven. „All I want from Hollywood is their money“, hatte Coppola einst gesagt und hätte sich beinahe verpokert. Dreieinhalb Millionen Dollar sollte Francis dafür erhalten, dass er W-7 sieben Filmideen zukommen ließ. Darunter befanden sich The Conversation (für dessen Hauptrolle Marlon Brando angedacht war, der jedoch absagte), sowie die Kinoadaption von Lucas’ THX-1138 und ein zweites Projekt namens Apocalypse Now, welches George Lucas nach THX drehen wollte. Warners Geld floss in Zoetrope und Coppolas Träume schienen endlich wahr zu werden. „In San Francisco movie makers have total control and total freedom“, umschrieb er einst das Konzept von Zoetrope. In einem alten Lagerhaus in San Francisco hatte er das Studio platziert, welches von jungen Filmemachern dafür genutzt werden konnte, Filme ohne Druck der großen Studios zu drehen. Laut Coppola hatten bereits Orson Welles, Stanley Kubrick, Mike Nichols und John Schlesinger Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet. Doch es kam alles anders.

Während Lucas für 800.000 Dollar seine Adaption THX-1138 drehte, floppten Coppolas zwei Spielfilme The Rain People (mit James Caan und Robert Duvall) und Finian’s Rainbow grandios an den Kinokassen. Coppola wurde zu W-7 bestellt und mitgeteilt, dass man auch mit der Fassung von THX-1138 nicht zufrieden sei. Das Studio zog die dreieinhalb Millionen Dollar zurück, die sie Coppola als Leihgabe offeriert hatten. “The day Coppola returned to Zoetrope came to be known as the ‚Black Thursday’” (Goodwin/Wise, S. 106). Für Warner Seven stand inzwischen fest, dass Zoetrope nichts weiter war als ein Lagerhaus voller Hippies. Coppola selbst war schlagartig am Rande des Ruins und mit 500.000 Dollar hoch verschuldet. Welles, Kubrick und Co. sprangen von ihrer Zusammenarbeit ab, die Karrieren von Coppola und Lucas standen auf der Kippe. Zu jenem Zeitpunkt arbeitete Schriftsteller Mario Puzo an seinem dritten Roman.

Dabei war Coppola eigentlich nur dritte Wahl von Paramount, die zuvor erfolglos bei Peter Yates (Bullitt) und Costa-Gavras (Z) angefragt hatten. Auch von Coppola holten sie sich mehrfach eine Absage ein – doch das war vor dem „Schwarzen Donnerstag“. Was folgt ist eine Szene, die inzwischen ihren Weg in die Filmannalen gefunden hat. Im Büro von Zoetrope klingelte das Telefon, Coppola nahm an und erhielt erneut das Angebot Regie bei The Godfather zu führen. Mit ihm Büro befand sich Coppolas Freund Lucas. Francis nahm den Hörer vom Ohr, legte seine Hand auf die Sprechmuschel und fragte: “George, what should I do? Should I make this gangster movie or shouldn’t I?” Lucas antwortete: “Francis, we need the money. And what have you got to lose?” (vgl. Goodwin/Wise, S. 110). Es war letztlich ein Angebot, das Coppola nicht ablehnen konnte. Doch der größte Ärger sollte erst noch folgen. Paramount wollte einen Low-Budget-Film drehen, Coppola sollte die Kosten so nah bei einer Million Dollar halten wie möglich.

Das Bild ist schwarz, da ertönt eine Stimme. Eine Stimme, in der Stolz und zugleich eine gewisse Verletztheit mitschwingt. “I believe in America”, erklärt diese Stimme, die zu diesem Zeitpunkt noch kein Gesicht hat. Es ist die Stimme von Amerigo Bonasera (Salvatore Corsitto), einem eingewanderten Leichenbestatter. Bonasera glaubt an Amerika, für ihn ist das Land der Gerechtigkeit, der Gesetze. Als sein Gesicht ins Bild kommt kann der Zuschauer diesen Stolz und seine verletzte Würde sehen. Die Tochter von Bonasera wurde sexuell genötigt. Es kam zwar zu keinem Übergriff, aber die beiden Männer haben sie anschließend zusammengeschlagen. Vor Gericht kamen sie jedoch frei, das amerikanische Rechtssystem hat versagt. Während Bonasera die Geschichte seiner Tochter erzählt, fährt die Kamera von Gordon Willis langsam zurück. Eine ungewöhnliche Einstellung für die damalige Zeit, eine Einstellung, die der erfahrene Kameramann stets missbilligend betrachtet hat. Doch jener out-zoom ist eine der großen Stärken zu Beginn des Filmes. Stück für Stück fährt die Kamera zurück und enthüllt allmählich Bonaseras gegenüber. Erst eine Hand, dann der Rücken. Es verleiht seinem Gesprächspartner etwas majestätisches, wie ein König, der einem Bittsteller seine Zeit schenkt.

Nachdem Coppola nunmehr (s)eine Atmosphäre geschaffen hat, schneidet er zum eigentlichen Anfang seines Filmes, so wie er ursprünglich im Drehbuch stand. Von der dunklen, abgeschotteten Welt des Büros von Vito geht es hinaus in das helle Tageslicht einer Hochzeitsgesellschaft. Dem klassischen Erzählkino folgend führt Coppola hier alle seine Charaktere nacheinander ein. Von Connie Corleone (Talia Shire), deren Hochzeitsfeier man beiwohnt, bis hin zu Peter Clemenza (Richard S. Castellano) und Sal Tessio (Abe Vigoda), den beiden caporegime von Corleone. Es bräuchte wohl keine Musik, um festzustellen, dass es sich um eine italo-amerikanische Gruppe handelt. Es fließt viel Wein, wird viel gesungen und viel getanzt. Als Kontrastprogramm wirkt da ein hinzu stoßender Besucher mit seiner hellhäutigen WASP-Begleiterin.

Der Heroinhandel beginnt zu blühen. Andere Familien wie die von Phillip Tattaglia (Victor Rendina) steigen ein, dessen Handlanger und Drogenhändler Virgil “the Turk“ Sollozzo (Al Lettieri) offeriert das neue Geschäft Don Vito. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein freundschaftliches Teilen, sondern wie es sich gehört regiert der Eigensinn. Tattaglia will sich die guten politischen und juristischen Kontakte der Corleones sichern, diesen somit quasi mit in seinem Boot haben. Doch Don Vito lehnt ab, der Drogenhandel sei ein schmutziges Geschäft, das seine legitimen Partner nicht gutheißen würden. Zu diesem (frühen) Zeitpunkt verlassen Coppola und Puzo bereits die authentischen Pfade ihrer Geschichte. Denn The Godfather ist im eigentlichen Sinne kein Film über die Mafia, erst recht keiner, der ein reales Bild abzugeben gedenkt. Coppolas Film ist „eine Familiensaga“ (Darmstädter, S. 258), kein Portrait der Mafia. Es ist Vitos ältester Sohn Santino (James Caan), genannt Sonny, der seine Familie ins Unglück stürzt. Eine unbedachte Bemerkung reicht Sollozzo auf Vito einen Mordanschlag zu verüben, damit der Weg frei für Sonny und somit für das gemeinsame Geschäft. Jener flapsige Ausbruch wird das Leben aller Beteiligten für immer verändern. Zwei Tage vor Weihnachten wird auf Don Vito geschossen, sein zweitältester Sohn Fredo (John Cazale) kann das Attentat nicht verhindern.

“I don’t like violence. I’m a business man”, erklärt Sollozzo gegenüber Tom Hagen (Robert Duvall) und manifestiert damit die Quintessenz des Filmes. Jenes ruhige Kalkül fehlt Sonny, der Dinge allgemein zu persönlich nimmt. Die Grenzen zwischen der Person und dem Geschäft vermischen sich jedoch in Puzos Welt. “Although the Corleones think of themselves as a family, they are better described as a family-run business, and it’s the survival of the business, not the family, that is of paramount importance” (Leitch, S. 121). Es stimmt also folglich nicht ganz, wenn Michael erklärt es sei eine geschäftliche und keine persönliche Frage Sollozzo und McCluskey auszuschalten. Als Michael realisiert, dass die Sicherheit seiner Familie gefährdet wird, beginnt er sich für seine Familie und somit „geschäftlich“ zu engagieren. Im Grunde unterteilt sich The Godfather in zwei Filme von jeweils knapp neunzig Minuten Lauflänge. Bezeichnenderweise wurden die beiden Hälften von unterschiedlichen Cuttern bearbeitet. Die erste Hälfte bis zu Sonnys Ermordung schnitt William Reynolds, die zweite Hälfte von Michaels Exil bis hin zu seiner Inthronisierung als „Don“ bearbeitete Peter Zinner. Die Handlung selbst folgt einer stringenten Reihenfolge, obschon die Chronologie –- der Plot erstreckt sich über ein Jahrzehnt – für den Zuschauer nicht wirklich greifbar ist. So können zwischen zwei Szenen auch mal zwei Jahre vergehen, ohne dass das Publikum dies anhand des Inhalts nachvollziehen könnte.

Dass dies so gut gelingt ist sicherlich der Verdienst der Zusammenarbeit von Puzo und Coppola. “Depending on your point of view, Puzo’s book is either high-class junk or low-grade literature”, befinden Goodwin und Wise (vgl. Goodwin/Wise, S. 117). In seinem Roman verliert Puzo sich in vielen Nebenhandlungen, wie der Liebesgeschichte von Sonnys Geliebter mit ihrem Arzt im Krankenhaus. “[Coppola] must be praised in particular for the material he chose not [Herv. d. Autor] to present on the screen. He deleted many, many things that were in the book. And he was right right every time” (Johnson, S. 117). Dass Coppolas Stärke eher bei seinen Charakteren und Dialogen liegt, zeigen auch andere seiner Filme wie The Rain People oder The Conversation. Durch die Arbeit mit Puzo erhielt Coppola nun ein Grundgerüst einer Handlung, die er nach seinen Wünschen modellieren konnte. Herauskam eine in sich geschlossene Handlung, die auf beeindruckende Art und Weise den Fall eines einzelnen Mannes (Michael Corleone) erläutert und dessen Katharsis nachvollziehbar und greifbar macht.

Die Klimax des Filmes ist dabei das würdige Ende nicht nur jener Katharsis sondern des ganzen Werkes. Die Parallelmontage der Taufszene, in welcher Michael dem Teufel abschwört und letztlich seine letzten christlichen Prinzipien zu Grabe trägt ist nicht nur aufgrund ihrer Gewaltdarstellung eindringlich. “Michael has ensured his family’s survival and success, but only at the price of dishonouring [sic] his religious faith, his father’s moral principles, his sister’s happiness, and his wife’s trust” (Leitch, S. 124). Zu diesem Zeitpunkt ist die Geschichte von Puzo im Grunde zu Ende erzählt, der beiden Fortsetzungen hätte es nicht mehr bedurft. Wenn Michael die Tür vor Kay verschließen lässt, ist die bereits eine Abzeichnung der Ereignisse, die Coppola in seinen beiden Fortsetzungen präsentieren sollte. An die Klasse von The Godfather sollten sie jedoch nicht mehr heranreichen. Dass einige Figuren wie Fredo oder auch Don Vito statisch bleiben, stört hierbei nicht. Zwar schenkt Coppola in dem zwei Jahre später folgenden Sequel Don Vitos Katharsis viel Aufmerksamkeit, für das Verständnis der Figur im ersten Teil ist dessen Vergangenheit jedoch unerheblich.

Stanley Kubrick empfand The Godfather als den wahrscheinlich besten Film aller Zeiten, mit Sicherheit jedoch als den bestbesetzten Film aller Zeiten. In der Tat macht sich Coppolas Entscheidung Familie und Freunde zu engagieren bezahlt. Über allem schwebt natürlich die Darstellung von Marlon Brando, dessen Leistung exemplarisch für exzellentes Schauspiel gelten könnte. Allein die Szene in Bonaseras Bestattungsunternehmen, wenn er sich über Sonnys Leiche beugt ist ganz großes Kino. Doch auch Duvall und Pacino können überzeugen, während Cazale und Keaton an ihrer geringen Leinwandpräsenz zu knabbern haben. Spezielles Lob gebührt auch den italo-amerikanischen Darstellern wie Lettieri oder Corsitto. Unterstützt wird das Ambiente von Nino Rotas Score, der mit Kompositionen von Carmine Coppola, Francis’ Vater gewürzt ist. Neben seinem Vater waren auch seine Mutter und Schwester Talia mit am Film beteiligt. “The Godfather-films [Herv. d. Verf.] are really…I always felt they were films about a film made by a family”, erklärte Coppola später.

Den Vorwurf des Nepotismus sollte sich bei Coppola gerade bei The Godfather: Part III nochmals erhärten. Es ist diskutabel, ob man der Interpretation des Filmes von Coppola und Brando folgen will. Beide sehen die Mafia im Film als Analogie zu den USA (daher auch Bonaseras Eingangssatz). “I feel the Mafia is an incredible metaphor for this country”, betonte Coppola (vgl. Johnson, S. 114). Seine Begründung wirkt jedoch wenig glaubwürdig. Dass sowohl die USA als auch die Mafia beide aus Europa stamen, sich für gut gemeinte Organisationen halten und durch die Durchsetzung ihrer Werte Blut an den Händen haben ist kaum ausreichend um eine Analogie anzustreben. So verwundert es auch nicht, dass für viele Zuschauer die Darstellung der Mafia im Film sehr authentisch war. Jenes Bild konnte nur positiv sein, da wir bereits angesprochen die Corleones speziell sympathisch gewichtet werden.

Jene Filme, welche die Massen dazu bewegten beim Anstehen die Häuserblocks zu „sprengen“, führten zur Kommerzialisierung der Hollywood-Filme. Zu jenen Ur-Filmen zählt auch The Godfather, dessen Vorstellungen im ersten Monat ausverkauft waren und dessen Merchandising großflächig war. Der Film wurde ein weltweiter Erfolg, spielte dreihundert Millionen Dollar ein und war (die Inflation nicht berücksichtigt) der bis dato erfolgreichste Film aller Zeiten. Unter anderem durch The Godfather „(…) wurden einzelnen Filmen immer mehr Wichtigkeit beigemessen“. Es begann eine Phase, in der ein einzelner Film über den Bankrott eines ganzen Studios entscheiden konnte (wie später im Fall von Heaven’s Gate fast eingetreten). Bei der folgenden Academy Award Verleihung wurde der Film mit drei Oscars ausgezeichnet, darunter für den besten Film, den besten Hauptdarsteller (Brando) und das beste adaptierte Drehbuch (Coppola, Puzo). Zudem war der Film in acht weiteren Kategorien nominiert, hierunter allen dreimal (Pacino, Duvall, Caan) für den besten Nebendarsteller. Coppolas Karriere war gerettet, sein Konkurs abgewendet und sein Name international bekannt. Als Ausgleich erhielt die Filmwelt eines der besten Werke aller Zeiten.

Bestes Beispiel hierfür ist erneut Don Vito, der sich gegenüber jedem loyal verhält, der auch ihm gegenüber loyal ist. “In reality, the Mafia Dons and their henchman by no means embodied pure loyalty. They double-crossed each other repeatedly”, erläutert Johnson (vgl. Johnson, S. 110). Das Bild der Mafia war damals so positive durch Puzos Roman, dass das Gerücht umging, sie hätte dem Autor eine Million Dollar bezahlt, um The Godfather zu verfassen. “I treasure the compliment”, entgegnete Puzo damals (vgl. Johnson, S. 96). Tatsächlich kam Coppolas Film bei der amerikanischen Mafia so gut an, dass alte Bräuche wie das Küssen der Hand einer einflussreichen Person in den eigenen Organisationen wieder aufgenommen wurden. Nichtsdestotrotz ist The Godfather, wie Tookey es beschrieb, ein Meilenstein des amerikanischen Kinos. Insbesondere wenn man die durch diese Arbeit erläuterten Umstände des Filmes bedenkt und Coppolas immenses Durchsetzungsvermögen entgegen aller Steine die sich in seinen Weg legten. Mit seinem Film begründete Coppola die Existenz jener Filme, die heutzutage „blockbuster“ genannt werden.

10/10 – in anderer Form erschienen bei Wicked-Vision

Quellen und Literatur:

• Audiokommentar von Francis Ford Coppola, The Godfather – The Coppola Restoration, Paramount Pictures 2008.
• Darmstädter, Tim: Artikel „The Godfather“, in: Töteberg, Michael (Hrg.): Metzler Film Lexikon, Stuttgart/Weimar ²2005, S. 258-260.
• Goodwin, Michael/Wise, Naomi: On the Edge. The Life and Times of Francis Coppola, New York 1989.
• Johnson, Robert K.: Francis Ford Coppola, Boston 1977.
• Leitch, Thomas: Crime Films, Cambridge 2002.
• o. A.: Artikel “The Godfather, in: The Eighth Virgin Film Guide, London 1999, S. 291.
• Tookey, Christopher: The Critic’s Film Guide, London 1994.
• Weyand, Gabriele: Der Visionär. Francis Ford Coppola und seine Filme, St. Augustin 2000.

7. November 2007

Scarface

The world is yours.

Man stelle sich einen Film vor, zu dessen Premiere die creme de la creme der Unterhaltungsbranche kommt, bei dessen Premierenvorführung Cher sagt, dass sie den Film liebt, John Irving angewidert den Kinosaal verlässt und Dustin Hoffman einschläft. Würde man meinen, dass dies auf Scarface zutrifft? Brian de Palmas Remake des gleichnamigen Klassikers von 1932 sorgte 1983 für allerlei Furore, nicht nur weil in ihm 207mal das Wort „fuck“ fällt oder 42 Leichen zu bewundern sind, wie Martin Scorsese an der Premiere richtig sagte: die Menschen werden den Film aus denselben Gründen lieben und hassen. Brian de Palma schnitt den Film dreimal um, als die Zensurbehörde ihn nicht unter 18 Jahren freigeben wollte. Am Ende konnten sich Produzent Marty Bregman und de Palma schließlich doch durchsetzen und den Film in der ursprünglichen Fassung veröffentlichen. Dabei wäre de Palma eigentlich gar nicht der Regisseur des Projektes geworden, hätte nicht Sidney Lumet das Projekt zuvor verlassen. Der Grund hierfür lag in dem Drehbuch von Oliver Stone, welches Lumet zu gewalttätig, unpolitisch und over the top fand. Stone selber hat das Drehbuch hauptsächlich deswegen geschrieben gehabt, weil er nach dem Misserfolg seines Filmes The Hand das Geld gut gebrauchen konnte. Selber zu der damaligen Zeit kokainabhängig, besuchte er nicht nur Miami, sondern auch Südamerika für seine Recherchen. Nachdem Lumet abgesprungen war, stieß de Palma wieder zu dem Projekt und schuf einen Kulthit, welcher besonders in der Hip-Hop-Szene etabliert ist.

Im Jahre 1980 sonderte Kubas Diktator Fidel Castro viele Kubaner aus, unter anderem solche mit krimineller Vergangenheit. Die meisten von ihnen wurden in Miami, USA, aufgenommen und dort in Internierungslagern gehalten. Einer dieser Exilkubaner ist Tony Montana (Al Pacino), ein skrupelloser schmächtiger Auftragskiller, der zusammen mit seinem Freund Manny (Steven Bauer) im Lager darauf wartet den amerikanischen Traum in Angriff nehmen zu können. Die Möglichkeit scheint sich zu ergeben, als beide für einen Drogenboss einen Rachemord innerhalb des Lagers verüben sollen. Nachdem dies bewerkstelligt ist, schaffen es Tony und Manny sich allmählich bei ebenjenem Drogenboss Frank Lopez (Robert Loggia) nach oben und in sein Vertrauen zu arbeiten. Als Tony jedoch bei einem Drogendeal mit dem Kolumbianer Sosa die Fäden in die eigene Hand nimmt und zudem ein Auge auf Franks Geliebte, Elvira (Michelle Pfeiffer), geworfen hat, gelangt er an eine Kreuzung seines Lebens und entscheidet sich für seinen eigenen Weg. Als er alles zu haben scheint, beginnt sein stetiger Abfall.

Was unterscheidet Scarface von anderen Gangsterfilmen, es ist nicht viel. Brian de Palma äußerte sich bezüglich der Gewalt im Film so, dass sie nötig gewesen sei, um die Welt dieser Charaktere zu etablieren und sie von einer eher sachlicheren Welt eines The Godfather abzuheben. Daher die Kettensägen-Szene, welche damals insbesondere für Aufsehen gesorgt hatte (obschon die Gewalt in ihr nicht zu sehen war). Dabei ist The Godfather auch nicht frei von Gewalt, das Attentat auf Vito Corleone oder das auf seinen Sohn Sonny sind gleichwertige Ausgeburten der Gewalt, gehören jedoch einer anderen Szene an. Hier haben wir die italienische Mafia, das organisierte Verbrechen, in welchem Machtkämpfe so ausgetragen werden, dass keine der Familien vor den Kopf gestoßen wird. In Scarface dagegen befinden wir uns in dem Schmelztiegel Miami und die Südamerikaner drehen sprichwörtlich durch. Hier ist nichts organisiert, hier überlebt der Stärkere. So gesehen rechtfertigt sich die Darstellung der Gewalt, auch wenn sie für die Erzählung der Geschichte nicht notwendig gewesen wäre, man die Figuren auch anders hätte etablieren können. Kultstatus hat sicher das Finale des Filmes erreicht, welches jedoch nach wenigen Minuten und vor allem in seinem Ende ins lächerliche abdriftet. Es lässt sich jedoch nachvollziehen, wieso dieser Film gerade bei der Hip-Hop- und Rap-Community der Film schlechthin ist und spricht gleichzeitig gegen diese, da sie die Botschaft des Filmes nicht verstanden zu haben scheinen.

Al Pacino befand die Figur des Tony Montana als eine seiner Lieblingsfiguren, dabei ist sie prinzipiell nicht unterschiedlich zu den meisten anderen die Pacino in seinem Leben gespielt hat. Sei es Serpico, Scarface, The Godfather, Carlito’s Way - Pacino mimt gern den Gangster und spielt seine Rolle hauptsächlich mit seinem Gesicht, bzw. seinen Augen. Was Kameramann John Alonzo noch hervorhebt ist eigentlich eher Kritikpunkt, denn wie schon Sidney Lumet die Geschichte als ganzes over the top beschrieb, trifft dies auch auf Pacinos Darstellung zu, der ein ums andere Mal die Grenzen zum overacting überschreitet. Andere Darsteller wie Steven Bauer, Robert Loggia und F. Murray Abraham spielen gut, bleiben die meiste Zeit jedoch eher blass gegenüber der übergroßen Figur des Tony Montana. Da kommt selbst eine junge Michelle Pfeiffer in einem ihrer ersten Filme - und spindeldürr - nicht dagegen an und verkommt wie alle übrigen zu Schatten neben Tony. Ähnlich verhält es sich mit Mary Elizabeth Mastrantonio in der Rolle als Tonys Schwester Gina. Ihre gesamte Figur, genauso wie die der Mutter, sind für die Handlung irrelevant und ziehen das Geschehen unnötig in die Länge. Der Sinn hinter der Figur von Gina ist das einzige zu zeigen, was Tony in seiner kalten Welt noch etwas bedeutet. Sein familiärer Hintergrund stellt jedoch eine Länge innerhalb im Film dar und die Botschaft der Szenen hätte sich wohl auch auf Pfeiffers Figur übertragen lassen.

Lobend darf die Kameraführung erwähnt werden, die wieder einmal zeigt, dass de Palma es liebt mit der Kamera zu spielen und dies zugleich das Highlight des Filmes ausmacht, wenn Alonzo die Kamera von der Kettensäge hinaus auf die Strasse zu Manny und wieder zurück in das Badezimmer gleiten lässt. Aber auch in der Disco- und Abschlussszene gelingt es Alonzo und de Palma mit drei und mehr Kameras tolle Bilder in gelungenen Einstellungen auf die Leinwand zu bannen. Weniger löblich ist die dramatische musikalische Untermalung, welche an manchen Stellen an Carrie erinnert und absolut unnötig gewesen war, um die Essenz der jeweiligen Einstellung zu zeigen, da an diesen Stellen in der Tat Pacinos Augen mehr auszudrücken vermögen als jeder Keyboard-Einschub. Die restliche Musik, mit den Discoszenen und dem geöffneten Hemd als Prototyp von Miami Vice gehören sicherlich ins Flair des Miamis der Achtziger. Die Zusammenarbeit mehrerer filmischer Größen wie de Palma, Pacino, Stone oder Steven Spielberg machen einen Film jedoch noch lange nicht zum Kultstreifen, ebenso wenig eine Darstellung als gewalt-triefende Oper. Wirklich unterscheiden tut sich Scarface nicht von anderen Vertretern des Gangsterfilmmilieus, was jedoch nichts an seiner inszenatorischen Stärke ändert.

Brian de Palma beschrieb Scarface als den verrückt gewordenen amerikanischen Traum, charakteristisch hierfür ist die Szene in der Tony sich als das etabliert hat, was er sein wollte und am nächtlichen Himmel ein Zeppelin mit der Aufschrift „Die Welt gehört dir“ vorbeifliegt. In einer Musikmontage spult de Palma die Ereignisse vor, zeigt das süße Leben von Tony und Elvira, die scheinbare Erfüllung von Tonys American Dream. Der Höhepunkt ist erreicht und die Handlung schreitet hinüber in ihren dritten Akt, nimmt ihre Wendung. Tony ist von seinem eigenen Luxus und seiner Macht korrumpiert, erhält paranoide Züge und stößt die Menschen um sich zurück. In einer Szene bricht er wie ein Vulkan aus und schreit, dass er niemandem außer sich selbst vertraut, dabei alleine in einem riesigen Marmorjaccuzi seine Zigarre qualmend. Seine Macht, sein Geld, sein Kokain hat Besitz von Tony ergriffen und ihn isoliert, nicht nur von der Gesellschaft oder seinen Freunden, sondern auch von sich selbst. Wie in den klassischen griechischen Tragödien führt er letzten Endes seinen Untergang selbst herbei, beweist hierbei jedoch zugleich sein letztes Stück Menschlichkeit und Integrität. Mit Scarface ist allen Beteiligten sicherlich ein Klassiker des Gangsterfilmes gelungen, musikalisch gelegentlich fragwürdig, von Pacino übertrieben gespielt und gute zwanzig Minuten zu lang - kein Kultfilm, aber ein Klassiker.

8.5/10