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3. September 2016

Eye in the Sky

Where are we legally?

Für Spock war es logisch, dass “the needs of the many outweigh the needs of the few”. Ein utilitaristischer Ansatz – und moralisches Dilemma zugleich. Beispielsweise dargestellt in dem Gedankenexperiment des Trolley-Problems. Wiegen fünf Leben mehr als eines? Und umgedacht: Ist es vertretbar, ein Leben zu opfern, wenn sich dadurch mehrere Leben retten lassen? “Do good at a bearable cost to save lives”, ist auch ein Mantra von US-Präsident Obama in seiner Auslandspolitik. Die beinhaltet die Kriegsführung per Drohnen – was jedoch nicht immer ohne Kollateralschäden auskommt. So starben laut der Journalisteninitiative Bureau of Investigative Journalism bei US-Luftangriffen in Pakistan seit 2004 mindestens über 160 Kinder.

Der mögliche Tod eines Kindes steht auch im Zentrum von Gavin Hoods jüngstem Film Eye in the Sky. Darin lokalisiert das britische Militär um Colonel Katharine Powell (Helen Mirren) drei der fünf meistgesuchten Terroristen Ostafrikas in einem Haus eines Stadtteils von Kenias Hauptstadt Nairobi. Zusätzlich bereiten sich darin ein britischer sowie ein US-amerikanischer Staatsbürger auf ein Selbstmordattentat vor. Ursprünglich als Gefangennahme geplant, strebt Powell nun gegenüber ihrem Vorgesetzten Lt. General Frank Benson (Alan Rickman) einen Luftschlag an. Kernproblem ist dabei die Risikoprüfung für die Zivilbevölkerung in der direkten Nachbarschaft, darunter das neun Jahre alte Mädchen Alia (Aisha Takow).

Verschiedene Bereiche für dieselbe Frage müssen schnellstens berücksichtig werden. Ist ein Luftschlag und daraus resultierender Kollateralschaden juristisch vertretbar? Genauso wie politisch? Für Powell und Benson ist der Angriff unabdingbar. Nicht nur, weil der Colonel seit Jahren hinter einer der Zielpersonen her ist, auch aufgrund der unerwarteten Gefahr eines Selbstmordanschlags. “We need to expand our rules of engagement right now to protect the civilian population”, sieht Powell die Lage gegenüber ihrem Rechtsbeistand. Die politischen Vertreter, die mit Benson die Mission von London aus beobachten, sehen dagegen die Gefahr für die Zivilisten vor Ort durch einen möglichen Luftschlag. Und die möglichen Folgen daraus.

“We have to know that we’re legally in the clear”, betont auch Benson im Gespräch mit Powell. Die zivilen Opfer vor Ort personifiziert das Drehbuch von Guy Hibbert dabei in der Neunjährigen. Ihre Anwesenheit ist es, die den US-Lieutenant und Piloten der Reaper-Drohne Steve Watts (Aaron Paul) sowie dessen junge Kollegin Carrie Gershon (Phoebe Fox) auf ihrem Stützpunkt in Nevada kurz vor dem Angriff innehalten lässt. Und die auch die so genannte “kill chain” in London in Bewegung setzt, in der eine Kette von Entscheidungsträgern die Verantwortung ihren Vorgesetzten überlassen. “There is no law covering a situation quite like this”, macht der britische Generalstaatsanwalt George Matheson (Richard McCabe) deutlich.

Juristisch sei man vielleicht abgesichert, “but politically we’re walking into a minefield”, mahnt die politische Beraterin Angela Northman (Monica Dolan) in die Runde. Und trifft so bei Brian Woodale (Jeremy Northam), der das Auswärtige Amt als Entscheidungsträger vertritt, einen Nerv. Zwar habe der Premierminister einen Luftschlag bereits abgesegnet, informiert Matheson, doch Woodale will dennoch das Okay des britischen Außenministers (Iain Glen) einholen, der sich in Singapur aufhält. Der verweist wiederum auf seinen US-Kollegen, aktuell auf Besuch in China, da einer der designierten Selbstmordattentäter immerhin US-Staatsbürger ist. Unterdessen läuft die Mission Gefahr, aufzufliegen oder aus britischer Kontrolle zu geraten.

Hood präsentiert mit Eye in the Sky ein packendes und zeitgeschichtlich signifikantes Drama, das mit geringen Mitteln maximale Wirkung erzielt. Der Zuschauer versteht Powells Frust im Aufschub der Entscheidung für den Luftangriff. “There is a lot more at stake than you see here in this image”, macht sie gegenüber dem zweifelnden Watts klar. Weder er noch Gershon haben jedoch bisher den „Tod auf Knopfdruck“ – wie es Spiegel Online nennt – über ihre Drohne erteilt. Schon gar nicht auf Kinder. Northman wiederum sieht die Gefahr auf das Leben des Mädchens als gegebener an denn eine veranschlagte theoretische Opferzahl von 80 Personen, sollten die Selbstmordattentäter erfolgreich sein. Und erwähnt den Propaganda-Effekt.

Kämen bis zu 80 Menschen durch einen Anschlag zu Tode, wäre dies Wasser auf die Mühlen im Kampf gegen den Terror. Wird beim Verhindern des Anschlags ein Mädchen als Kollateralschaden getötet, spielt dies wiederum den Radikalen in die Karten. Für Powell und Benson ist klar, dass ein möglicher Tod des Mädchens in Kauf zu nehmen ist, um das Leben von rund 80 Personen zu retten. Und zugleich drei Top-Terroristen auszuschalten. Anders sehen es Watts, Gershon und die politischen Vertreter. Ein moralisches Dilemma, das innerhalb der Handlung weitaus weniger Thema ist als das juristische oder politische. Auch wenn der Südafrikaner Gavin Hood es im weiteren Verlauf bis an seine Grenzen auszutesten versucht.

Zu Zwecken der Überwachung mit einem Insektothopter hält sich undercover mit Jama Farah (Barkhad Abdi) ein Vertreter der kenianischen Streitkräfte vor Ort auf. Und soll nun das Mädchen aus der Gefahrenzone bringen – riskiert dabei jedoch, seine Deckung auffliegen zu lassen. Die Frage, ob das Wohl des neunjährigen Mädchens das Riskieren von Farahs Leben rechtfertigt, bleibt dabei außen vor. Wie auch die übrigen zivilen Kollateralopfer durch den potentiellen Luftangriff für die Debatte irrelevant sind. Für die Figuren ist nur das eine Mädchen relevant, als Sinnbild für all jene unnötigen Opfer, die zum Vermeiden einer größeren Zahl von Opfern in Gefahr gebracht werden. Alltag im von Drohnen geführten Krieg.

So berichtet die Enthüllungsplattform The Intercept von einer US-Militäroffensive in Afghanistan aus dem Jahr 2012/2013. Über 200 Menschen kamen dabei zu Tode, lediglich drei Dutzend davon waren jedoch vom US-Militär als Zielperson auserkoren. Während einer fünf Monate währenden Phase seien gar 90 Prozent der Opfer keine militärischen Ziele gewesen. Manchmal müsse man ein Leben nehmen, um mehr Leben zu retten – diese Haltung vertrete laut einem Interview im The Atlantic auch Präsident Barack Obama. Womit man wieder beim Trolley-Problem angelangt ist. Während Watts merklich Probleme hat, das Leben eines Kindes zu gefährden, sehen Northman und Woodale eher das Risiko eines politischen Nachspiels.

Ein Konflikt, den der Film zu Beginn in abgeschwächt-humoristischer Form über Benson präsentiert, als der für sein Enkelkind eine Puppe kaufen soll. Dabei jedoch die Version mit dem falschen Feature wählt. “Apparently, there’s an important difference”, merkt der General lakonisch an. Er sieht die Puppe als Puppe – und nicht ihre variierende Funktion. Ähnlich uneinsichtig geben sich die Militär-Figuren in Eye in the Sky. Sollen sie dieses Mädchen nicht gefährden, dafür jedoch das Leben mehrerer anderer Mädchen riskieren? Das moralische Dilemma des Trolley-Problems ist keines, mit dem sich Soldaten beschäftigen. Benson und Powell agieren utilitaristisch. Das Wohl der Menge steht für die beiden Militärs über dem des Einzelnen.

Northman und das Publikum sehen derweil buchstäblich nur die Neunjährige – nicht zuletzt da Watts und Gershon die Kamera ihrer Drohne auf das Mädchen fixieren. Die übrigen Passanten und Zivilisten interessieren nicht, laufen auch in die von Watts nachgefragte Risikoprüfung der Kollateralopfer nicht mit ein. Ist es vertretbar, ein Mädchen im schlimmsten Fall zu töten und im besten Fall für immer schwerbehindert zurückzulassen, wenn dadurch eine unbekannte Zahl an zivilen Opfern verhindert wird? Regisseur Hood und Autor Hibbert beantworten diese Frage nicht leichtfertig, sondern lassen das Szenario größtenteils in Echtzeit ausspielen. Und geben den moral-philosophischen Ball somit in gewisser Weise an ihre Zuschauer weiter.

Die Anspannung innerhalb der Geschichte ist bisweilen zum Greifen nah und wird angesichts des formalen Umfelds, in dem sich die Figuren bewegen, stets ruhig und zumeist mittels Mimik dargestellt. Seien es skeptische Blicke von Aaron Paul und Monica Dolan, frustrierte Gesten von Helen Mirren oder mit Bestimmung betonte Satzformulierungen von Alan Rickman. Das Ensemble macht aus vergleichsweise wenig viel und jeder der Schauspieler – mit Ausnahme vielleicht des fehlbesetzt wirkenden Iain Glen – verleiht seiner Figur Leben und Dynamik. Und nicht zuletzt im Wissen, dass dies die letzte Performance von Alan Rickman war, setzt der verstorbene Brite mit seiner unvergleichlichen nasal-nüchternen Art dem Film fraglos die Krone auf.

Eine Antwort auf die Frage, welche Entscheidung richtig ist, vermag Eye in the Sky nicht zu geben. Wie auch? Zu einer Entscheidung kommt es aber natürlich dennoch. Dem Film gelingt es dabei nicht immer, frei von Klischees zu sein. Wie auch die Dramatisierung der Situation stellenweise sehr konstruiert wirkt. Packend und spannend, auch dank der bedacht-eingesetzten Musik von Paul Hepker und Mark Kilian, fällt Hoods Arbeit dennoch aus. Übertreffen die Nöte der Masse die des Einzelnen? Die Antwort darauf, dass musste auch Spock erfahren, ist wohl weniger im rationalen Utilitarismus zu finden als doch, wie in Star Trek IV: The Voyage Home von der populären vulkanischen Figur bemerkt, in der menschlichen Natur.

7.5/10

27. April 2009

Panel to Frame: X-Men Origins: Wolverine

I'm the best there is at what I do, but what I do isn't very nice.

Für die meisten Menschen steht Wolverine wohl sinnbildlich für die X-Men. Und wahrscheinlich ist er tatsächlich ihr zuverlässigstes Zugpferd. Im eigentlichen Sinne ist Wolverine jedoch kein X-Man, zählt er schließlich nicht zu den kreativen Kindern von Stan Lee und Jack Kirby, sondern ist eine Schöpfung von Len Wein und John Romita, Sr. Seine Geburt feierte er in der 181. Ausgabe von The Incredible Hulk im Herbst 1974, als er für die kanadische Regierung den grünen Riesen bekämpfen sollte. Erst ein halbes Jahr später sollte Wolverine, erneut unter Federführung von Wein, zu dem Superheldenteam von Charles E. Xavier stoßen. Über die vergangenen drei Jahrzehnte hinweg hat der mysteriöse Kanadier seine ganz eigene Fanbase entwickelt und unzählige Abenteuer auch abseits der X-Men erlebt. Mit X-Men Origins: Wolverine beschreitet Marvel nun neue Wege, indem sie einem ihrer X-Men Charaktere ein eigenes Spin-Off verleihen. Und wem würde diese Ehre eher gebühren, als dem ambivalenten Logan mit seiner vielschichtigen Vergangenheit.

Es verwundert nicht, dass bereits Regisseur Bryan Singer in seinen beiden X-Men-Ausflügen in einer Nebenhandlung auf Logans Vergangenheit einging. Wobei dies primär hinsichtlich des Weapon-X-Programms der Fall war. Für den Australier Hugh Jackman sollte seine Portraitierung der Kultfigur den Durchbruch im Filmgeschäft bedeuten. Ähnlich wie seine Kollegen (namentlich Tobey Maguire oder Daniel Radcliffe) ist Jackman inzwischen unzertrennlich mit seiner populären Figur verwoben. Dankenswerterweise weiß der Australier jene Figur aber nicht als eine Bürde zu empfinden, sondern als Geschenk. Dementsprechend stand es für Jackman nie in Frage, ein weiteres Mal in die Rolle von Wolverine zu schlüpfen. Das Ende der X-Men-Trilogie sollte noch lange nicht das Ende von Wolverines Geschichte darstellen. Gerade seine Vorgeschichte offenbarte ungeahnte Möglichkeiten. Seien es seine Ursprünge, die Paul Jenkins, Joe Quesada und Bill Jemas von 2001 bis 2002 in der Origin-Reihe aufdeckten oder jenes traumatische Erlebnis des Weapon-X-Programmes, welches brillant von Barry Windsor-Smith 1991 in Weapon X umgesetzt wurde.

In X-Men Origins: Wolverine versuchen Skip Woods und David Benioff nun aus vielen dieser Wolverine-Geschichten ein großes Potpourri zu kreieren. Mit Oscarpreisträger Gavin Hood hinter der Kamera und aufstrebenden Hollywood-Stars wie Ryan Reynolds in kleinen Nebenrollen, versucht der Film in die Phalanx der aktuellen Comic-Verfilmungen vorzustoßen. Da kann das Budget für den Ableger der X-Men schon mal höher ausfallen, als damals für die X-Men selbst. Neben über einem Dutzend Marvel-Figuren finden dann auch Fan-Lieblinge wie Remy LeBeau und Wade Wilson Einzug in den Film, der scheinbar – sollte das Einspiel stimmen – Auftakt einer eigenständigen Trilogie sein könnte. Doch zuvor muss sich Wolverine erst zwei Vergleichen stellen. Kann er mithalten, mit der aktuellen Kino-Superhelden-Riege rund um Iron Man, The Dark Knight und Co.? Und wird er dem Bild gerecht, welches Singer in seinen beiden formidablen Filmen von ihm gezeichnet hat? Schließlich ist von dem Erfolg des Filmes abhängig, ob demnächst auch eigene Spin-Offs für Nebenfiguren wie Gambit oder Deadpool ins Haus stehen. Eines dürfte sicher sein, der Film wird die Comic-Gemeinde sehr zwiespältig zurücklassen.

Der Film folgt zu Beginn dem Werk von Jenkins, Quesada und Jemas. Im britischen Nordamerika, jenem Gebiet, das zwei Jahrzehnte später Kanada sein würde, liegt ein von Krankheit gebeutelter James Howlett in seinem Bett. An seiner Seite sein Freund, der etwas ältere Victor Creed. Als ein Schrei durch die Villa fährt, sieht James’ Vater nach dem Rechten. Ein Gewehrschuss kurz darauf reißt den Jungen jedoch aus seinem Krankenlager. Im Foyer findet er seinen Vater sterbend auf dem Boden. Der Mörder ist Victors Vater. Es ist jenes Erlebnis, welches dafür sorgt, dass James’ X-Gen ausgelöst wird. Aus seinen Handgelenken wachsen Knochenkrallen und die Wut über den Verlust des Vaters bildet den Beginn für James’ eigene Tragödie. Benioff und Woods weichen hier bereits entscheidend von den Ursprüngen Wolverines ab. Kurzerhand wird aus Dog Logan Victor Creed und sein Vater ersetzt John Logan. Was in der Origins-Reihe wahrscheinlich impliziert wurde, wird im Film zur Realität: James und Victor sind Brüder. Doch durch den Mord muss James fliehen, gemeinsam mit seinem Bruder an seiner Seite.

Das generelle Problem ist nicht unbedingt die Abänderung der Origins-Storyline, sondern vielmehr, dass Benioff und Woods explizit James und Victor als Brüder herausstellen wollten. Dummerweise versäumt es der Film in seinen folgenden neunzig Minuten durchgehend auch nur annähernd auf diese Bruderbeziehung der beiden einzugehen. Woher resultiert Victors Abneigung gegen seinen Vater, woher seine Sympathie für James? Wie entwickelte sich die Beziehung der Brüder, nachdem sie von ihrer Verwandtschaft erfuhren? Es ist eine erzwungene Beziehung, welche die Grundlage für jenen Protagonist-Antagonist-Aufbau bilden soll, die X-Men Origins: Wolverine inne wohnt. Betrachtet man den Konflikt der Beiden miteinander, so wird jedoch überdeutlich, dass es die ganz „normale“ Beziehung aus der Comic-Serie genauso getan hätte. De facto ist es auch jene Beziehung, da der Film in der Tat jener Bruderschaft keine sonderliche Tiefe verleiht. Das Intro in den Film ist ohnehin mit Makeln behaftet, die letztlich signifikant für das hauptsächliche Problem der Adaption allgemein stehen. Wo sich Origins jenem Trauma über fünfzig Seiten widmet, opfert Hood kaum mehr als zwei Minuten. Der Nichtkenner des Comics wird die aufgeworfenen Fragen somit schwerlich von selbst beantworten können.

Ähnlich verhält es sich mit dem Vorspann, der wie Watchmen versucht in wenigen Einstellungen die der Geschichte vorangegangenen Epochen zusammenzufassen. Im Gegensatz zu Snyder vermag dies bei Hood jedoch weniger zu gelingen, was nicht nur an der Redundanz der Kriegseinstellungen liegt, sondern auch an dem sehr gewöhnungsbedürftigen Schnitt. Anschließend geht das Dilemma gleich weiter. Es schadet dem Film ungemein, dass er versucht viele Handlungsstränge um Wolverine in seine Geschichte einzugliedern. Dies hat zur Folge, dass jenen Handlungssträngen nur wenige Minuten Leinwandzeit geschenkt werden, die in keiner Weise offenzulegen vermögen, welche Bedeutung sie für die Figur haben. So wird so knapp wie möglich in der ersten Viertelstunde eine Spanne von 130 Jahren überwunden, wobei der Team-X-Episode nur wenig mehr Zeit geschenkt wird, als Wolverines Jugend. Erneut dient die Sequenz einzig der Etablierung eines Handlungselements, indem neben Major William Stryker (Danny Huston) auch die übrigen Mitglieder des Teams wie Wade Wilson (Ryan Reynolds), Fred Dukes (Kevin Durand), Agent Zero (Daniel Henney), Bolt (Dominic Monaghan) und Wraith (Will.i.am) eingeführt werden. Für einige der Mitglieder hat sich die Anwesendheit im Film mit jener kurzen Sequenz im Grunde auch fast schon wieder erledigt.

Auch im Verlaufe des Filmes wird immer wieder ein neues Kapitel im Leben von Wolverine (Hugh Jackman) aufgeschlagen, ohne dass jene Kapitel eine nähere Betrachtung erfahren. Beispielsweise beginnt Stryker in der Mitte des Filmes plötzlich James „Logan“ zu nennen, ohne das im Film – da ja die Namensgebung durch die Origins-Serie entfällt – darauf eingegangen wird, wieso Logan nun „Logan“ heißt. Solche inhaltlichen Fragen wirft der Film öfters auf, auch hinsichtlich der Kampfführungen von Gambit und Deadpool. Ohne Frage hapert es in X-Men Origins: Wolverine an der Quantität des Inhalts und dem geringfügigen zeitlichen Rahmen für diesen Inhalt. Die Aufnahme von Logans Ursprung, den Erfahrungen mit Team X, Weapon X und die Beziehung zu Silver Fox (Lynn Collins) führen dazu, dass all diesen Episoden kaum mehr Raum als wenige Minuten eingeräumt wird. Die Hektik mit der Wood und Benioff hier durch Logans Leben schreiten, stört dabei das Eintauchen in sein Universum ungemein. Wo der Fan leicht verschmerzt das Gesicht verzieht, wird der Comic-fremde Zuschauer sicher gelegentlich verwirrt die Stirn runzeln.

Dies betrifft nicht minder die Vielzahl an Charakteren, die im Film meist nicht über den Status des Stichwortgebers hinauskommen. Sei es Fred Dukes alias Blob, Wraith, Bolt oder Emma Frost. Sie alle sind im Grunde reine Staffage, denen es obliegt in einem Moment der Handlung diese durch eine kurze Handlung oder einen Satz etwas in die richtige Richtung zu stoßen. Das ist in manchen Fällen mal mehr (Emma Frost) und mal weniger (Bolt) ärgerlich. Mit Charaktertreue nehmen es Benioff und Woods ohnehin nicht so genau. Da werden Mutantenfähigkeiten mal eben ausgetauscht (was anschließend zu unnötigen Wendungen führt) und etwaige Figuren auf einmal zu Brüdern und andere zu Schwestern. Die Spitze des Eisberges bildet dann die Pervertierung von Deadpool, der kaum noch etwas mit seinem Comic-Pendant gemein hat. Zwar gestattet der Film Reynolds zu Beginn noch einige Charakteristika des „merc with a mouth“, doch wie sich die Figur anschließend entwickelt, ist enorm enttäuschend. Wenn schließlich Agent Zero mehr Präsenz zeigen darf, als die – extra eingefügten – Fanlieblinge Gambit und Deadpool, spricht das nur für die Probleme, die X-Men Origins: Wolverine aufwirft. Allerdings ist diese etwas respektlose Einbindung von Figuren bereits in den Vorgängern (Sabretooth/X-Men, Lady Deathstrike/X2, Angel/X-Men: The Last Stand) zutage getreten.

Am erwähnenswertesten wäre noch der Auftritt von Gambit anzuführen, dessen Darstellung durch Taylor Kitsch durchaus zu gefallen weiß. Nach fulminantem Auftritt wird ihm (auf wie oben angesprochen schwer nachvollziehbare Weise) die Luft aus den Segeln genommen, um ihm später in einer etwas unpassenden Han-Solo-Referenz ausklingen zu lassen. Aber auch Gambit kommt nicht umhin, das Schicksal der anderen Figuren, unter ihnen auch Scott Summers, zu teilen. Er ist letztlich nur Mittel zum Zweck für die eigentliche ménage à trois des Filmes. Dieser steht ganz unter dem Zeichen von Logans Rivalität mit Victor Creed (Liev Schreiber) und Stryker. Es ist der einzige Nebenplot, dem sich Hood wirklich ausgiebig widmet, selbst wenn er inhaltlich vormerklich Singers X2 folgt, denn den Motiven, die Windsor-Smith in Weapon X eingeführt hat. Zwar wird nicht unbedingt klar, welche Motivation Creed und Stryker antreibt (z.B. weshalb Team X sich aufgelöst hat), doch ist es zuvorderst die Rivalität zwischen Logan und Creed, die den Film zusammenhält. Bedauerlicherweise enttäuschen jedoch gerade (aber nicht nur) die Kampfszenen der beiden, die stets primär von einer Partei dominiert werden. Hier ist die Auseinandersetzung auf der Freiheitsstatue in X-Men sehr viel ausgeglichener und ansehnlicher choreographiert. Wobei Hoods Film nicht explizit deutlich macht, dass es sich bei Creed um dieselbe Person handelt, wie in Singers Sabretooth. Schließlich nimmt man es auch sonst bei den Charakterdarstellungen nicht immer sonderlich genau.

Doch X-Men Origins: Wolverine hat auch seine guten Momente, selbst wenn diese im Vergleich zu den Fehlern ehern geringfügiger auftreten. So ist die Besetzung generell als gelungen zu betrachten. Speziell Liev Schreiber geht in seiner Rolle des sadistischen Victor Creed vollends auf und auch Reynolds verleiht in seiner kurzen Zeit dem Charakter von Wade Wilson Leben. Ähnlich verhält es sich mit Durand, Will.i.am und Kitsch. Dagegen bleiben Jackman und Huston etwas blass und wissen wenig vom Innenleben ihrer Figuren preiszugeben. Besonders schade ist dies bei Logan, um dessen traumatische Erlebnisse sich schließlich der gesamte Film dreht. Collins hingegen agiert in ihrer Rolle als Silver Fox nicht mehr als nötig. Es ist zudem nicht unbedingt naheliegend, dass sie eine kanadische Blackfoot spielt, weshalb man auch hätte in Erwägung ziehen können, Q’Orianka Kilcher an ihrer Stelle zu besetzen. Das Ensemble selbst kann man jedoch kaum für das Versagen des Filmes verantwortlich machen, dafür ist vormerklich das schwach ausgearbeitete Drehbuch von Wood und Benioff verantwortlich.

Überraschenderweise sind es nicht die Actionszenen von Wolverine, die im Film beeindrucken. Vielmehr trumpfen hier die Sequenzen um Agent Zero, Wade Wilson und Gambit auf, während Logans Intermezzi eher eine Enttäuschung darstellen. Hierzu ist auch der Finalkampf zu zählen, dessen ganze Ausgangsbasis ohne sehr kritisch zu betrachten ist und nur das i-Tüpfelchen auf den Fehlern des Filmes darstellt. Viele der Choreographien wirken etwas einfallslos und ihre Inszenierung nicht immer ganz sauber. Die Effekte sind solide, schwanken jedoch in vereinzelten Fällen. Ist Durands Transformation zu Dukes bzw. dem Blob sehr nett geraten, so wirkt Emma Frosts Diamantüberzug doch etwas billig (selbst hinsichtlich Colossus’ schon nicht ganz sauberer Transformation in den beiden indirekten Vorgängern). Gavin Hood zeigt zudem, dass er nicht Bryan Singer ist, selbst wenn er dessen gelungene, liebevolle Gimmicks bisweilen versucht zu imitieren und in den Film einzubauen. Da darf natürlich auch Logans Adamantium-Mittelfinger nicht fehlen. Sehr schön – wobei wohl nur für Fans zu identifizieren – sind die Anspielungen an die Comics geraten. Da trägt Stryker einmal ein Kreuz an seinem Jacket und Logan darf seine Gegenüber „bub“ nennen. Für die Selbstironie der singerschen Filme reicht es dann aber doch nicht.

Was von X-Men Origins: Wolverine bleibt, ist ein Film, der sich trotz seines Prequel-Status’ konsequent an Brett Ratners misslungenen Abschluss der Trilogie anschließt. Es schadet dem Film eine mehr als ein Jahrhundert umspannende Geschichte erzählen zu wollen, da hier weder die Origins-Storyline, noch die Episoden um das Team X oder Weapon X entsprechend gewürdigt werden. Zudem verstört der Umgang mit den einzelnen Figuren, bei denen manche Abänderungen gar eklatant sind. Die Rahmenhandlung des Filmes wirkt ob ihrer Fülle oft ziemlich gehetzt, sodass man nicht wirklich in das Geschehen einzutauchen vermag. Hier wäre sicherlich mehr drin gewesen. Denn so ist der Wolverine-Ableger bedauerlicherweise nicht mehr als ein durchschnittlicher Abklatsch, der aus fantechnischen Gesichtspunkten sogar zu enttäuschen weiß. Damit gliedert sich Hoods Film in die aktuelle Welle misslungener Comicverfilmungen von The Spirit über Watchmen bis hin zu The Dark Knight ein. Es ist offensichtlich, dass für die Studios die Anpassung des Geschehens an die Sehgewohnheiten des angestrebten Mainstreampublikums Priorität besitzen. Dass dies den zu erzählenden Geschichten oft zuwider läuft, merkt man den Filmen wie in diesem Fall allerdings an. Wünschenswerter wäre eine getreuere Adaption mit stärkerem Fokus auf einen einzelnen Aspekt. Aber da Comic-Verfilmungen inzwischen das Genre finanziell zu dominieren scheinen, bleibt dies wohl auf nicht absehbare Zeit vorerst zumindest noch Wunschdenken.

4.5/10 - erschienen bei Wicked-Vision

19. April 2008

Kurz & Knackig: Friend or Foe

Rendition

Seltsamerweise wurde der Film als er erschien sehr schlecht aufgenommen, zumindest recht verhalten. In der Bloggersphäre finden sich auch nicht viele Reviews zu ihm, lediglich bei Marcus wurde ich auf die Schnelle fündig und der schätzte ihn nicht sonderlich. Daher waren meine eigenen Erwartungen relativ gering, da ich zudem Reese Witherspoon nicht wirklich ertragen kann. Erzählt wird die Geschichte des in Amerika lebenden Ägypters Anwar El-Ibrahimi (Omar Metwally), der nach einem Selbstmordanschlag in Marokko von der CIA verdächtigt wird, mit dem Initiator der Attacke - bei der sie einen Mann verlor - namens Rashid in Kontakt gewesen zu sein. Anwar wird nach einem Flug aus Südafrika einfach abgeführt und von der Passagierliste gestrichen, seine Frau (Witherspoone) erfährt nichts über seinen Verbleib. Während sie mit ihrem ehemaligen Collegefreund (Gyllenhaal-Schwager Peter Sarsgaard), der für einen Senator arbeitet, versucht Informationen über seinen Aufenthaltsort herauszufinden, wird der bei der Attacke anwesende CIA-Analysist Freeman (Jake Gyllenhaal).

In einem Nebenstrang wird auch noch Abasis zerrüttetes Familienverhältnis erzählt. Basieren tut die ganze Geschichte auf dem wahren Fall von Khalid El-Masri, der für den Terroristen Khalid Al-Masri gehalten wurde. Sehr gelungen zeigt Oscarpreisträger Gavin Hood, der hier nebenbei bemerkt mit weiteren Preisträgern (Witherspoone, Meryl Streep, Alan Arkin) arbeitet, die amerikanische Überstellung von Terrorverdächtigen (extraordinary rendition), kulminierend in der schönen Aussage von Streeps Charakter, dass die Vereinigten Staaten keine Folter betreiben würden. Gyllenhaals Figur steht hierbei symbolisch für die freie, nicht-amerikanische Welt, die sich angewidert von deren Methoden abwendet. In der Mitte schwächelt der Film etwas und Witherspoones Figur hätte im Grunde von jeder x-beliebigen Actrice dargestellt werden können, dennoch weiß er sehr viel besser zu gefallen, als Redfords langweilige und sich im Kreis drehende Parabel. Am Ende überrascht Hood schließlich noch mit einem sehr gelungenen Plot Twist, der positiv überrascht.

7/10

Lions for Lambs

Robert Redford entführt zu einer Lehrstunde über Eigeninitiative und Kriegstreiberei. Zwei Drittel seines Filmes bestehen aus Dialogen, meist zwischen zwei Dialogpartner, das letzte Drittel beschäftigt sich mit zwei Soldaten in feindlichem Gebiet. Um was geht es? Bobby Redford lädt seinen Elitestudenten zu einem Gespräch ein, weil der nicht mehr in dessen Seminar erscheint. Da geht Bobby gleich die Hutschnur hoch, hat er doch einst zwei andere Elitestudenten an die US Army verloren und nun kämpfen die beiden in Afghanistan für falsche Ideale. Ebenjene beiden Soldaten widmet er sich dann in der zweiten, parallel erzählten Episode. Ein genialer Schachzug zur Einnahme eines Hügels läuft wider Erwarten schief und beide G.I.’s stürzen in Taliban-Gebiet ab. Kann Peter Berg als leitender Offizier rechtzeitig einschreiten? Bei besagtem Einsatz handelt es sich um einen Plan des republikanischen Senators Irving (wie immer mit Zahnpastagrinsen: Tom Cruise). Dieser eröffnet einer Journalistin (Meryl Streep) in einem Exklusivinterview von Amerikas Plan den Kampf gegen den Terror zu gewinnen.

Die ganze Schose dauert dann etwa achtzig Minuten und der Kleriker fand das alles zum Beispiel auch oberspitzenklassen und selbst Rajko kann Bobbys Arbeit einiges abgewinnen. Irgendwie frag ich mich jedoch, was das ganze da eigentlich soll, erzählt einem Redford in seinem Film null komma nichts, was man nicht bereits im Vorfeld wusste. Was ist falsch mit meinem Land, warum zeigt der einzelne nicht mehr Bereitschaft etwas zu verändern? Larifari, Pustekuchen. Redford als idealisierter Uniprofessor versucht seine Schäfchen zu selbstdenkenden Individuen zu erziehen und wenn diese dann eine Entscheidung fällen (siehe die G.I.’s) passt es ihm doch wieder nicht. Cruise wiederum darf in seiner von ihm gewohnten Art die Streep zusammenstauchen, Kampf gegen den Terror, koste es was es wolle. Lions for Lambs führt eigentlich nirgendwo hin, vor allem deswegen, weil die Menschen, die Redford erreichen will mit seinem Film, diesen ohnehin nicht (freiwillig) ansehen. Und diejenigen, die es tun, waren bereits vorab informiert. Zum Glück hat das alles dann nur 80 Minuten gedauert, alles darüber hinaus wäre Zeitverschwendung gewesen.

5/10

The Brave One

In München kann man kaum noch in die U-Bahn steigen, ohne von Jugendlichen halb tot geprügelt zu werden und selbst Fahrten auf der Autobahn sind inzwischen lebensgefährlich. Da wundert es nicht, wenn auch die Radiomoderatorin Erica (Jodie Foster) nach einem Überfall auf Leib und Leben mit einer Wumme durch die Gegend spaziert und alles niedermäht, was ihr an den Kragen will. Doch der gewitzte Polizeiermittler (Terrence Howard) ist ihr, der Rächerin der Strassen, bereits auf der Spur. Neil Jordan würzt das ganze dann noch damit, dass er Jäger und Gejagten eine leichte Romanze aufbauen lässt, kulminierend in einem unsäglichen Finale, das irgendwie perfekt zur ganzen Rahmenhandlung passt. Das treffende Wort ist bizarr, wenn man sich damit auseinandersetzt, dass die gute Erica vierzig Jahre in New York gelebt hat, ohne je - zumindest hat es sehr stark den Anschein - mit Gewalt konfrontiert worden zu sein.

Doch als man sie Komareif prügelt und ihren indisch-stämmigen Freund (Naveen Andrews) umbringt, ist sie so gebrandmarkt, dass sie sich eine Waffe besorgt. Und holla die Waldfee, auf einmal kann sie nicht mal mehr in die Drogerie gehen, ohne dass sie sich Gewalttätern gegenüber sieht. Erica in Drogerie: Gewalt. Erica in U-Bahn: Gewalt. Eine vierzigjährige gewaltfreie Frau trifft aus heiterem Himmel überall auf Gewalt? Man man man, was hat sich Jordan dabei nur gedacht, dazu die Figur von Howard, der Polizist der sein Vertrauen in das Rechtssystem verliert und daher frustriert seiner Arbeit nachgeht. Irgendwie wieder so ein Film, den eigentlich keiner braucht - am wenigsten die Foster. Immerhin nicht so überzogen wie der unerträgliche Death Sentence.

3.5/10

Smokin’ Aces

Der Trailer machte lange Lust auf mehr, hauptsächlich da er geschickt zusammen geschnitten war, außerdem vereinte der Film erneut Regisseur Joe Carnahan und Ray Liotta, die bereits bei Carnahans Geheimtipp Narc zusammen gearbeitet hatten. Die Story um den Mafiazeugen Buddy Israel (Jeremy Piven), der von einer Horde Kopfgeldjäger umgelegt werden soll, biedert sich auch recht interessant an. Mit dem Film feierte Ryan Reynolds schließlich seinen Durchbruch als Action“star“, zudem gab es die Leinwanddebüts der beiden R’n’B-Künstler Alicia Keyes und Common zu bewundern. Carnahans Film ist im Grunde nichts, als ein großer Zirkus mit offenen Toren. Die Tremor-Brüder, Georgia Sykes und ihre schräge Freundin Loretta, Buddy Israel und der total bekloppte kleine einäugige Karatejunge, fügen sich selbstverständlich zu keiner Handlung zusammen.

Vielmehr feiert Carnahan kleine Momente, die für sich genommen durchaus reizvoll sein könnten, zusammengefügt aber eine Anhäufung von sinnlosen Szenen ergeben, die keinem höheren Zweck dienen. Wieso, weshalb, warum - alles Fragen, auf die dieser Film keine Antwort bietet. Carnahan zelebriert vielmehr style over substance, doch auch seine furiose Schnitttechnik, die vielleicht der XBox-Generation eine Erektion beschert, kann hier kaum etwas retten. Der Film ist anstrengend und unglaublich ermüdend, selbst wenn er damals in der Sneak doch besser zu gefallen wusste. Damals fand ich das ernste Ende sehr unpassend, bei der zweiten Sichtung muss ich aber sagen, dass die finale Auflösung eigentlich das einzig Gute an dem ganzen Vehikel ist und das alternative Ende gescheiterweise außen vor gelassen wurde.

3/10